STIFT UND STADT IM MITTELALTER

STIFT UND STADT IM MITTELALTER diözesanmuseum st.pölten P EST ILENZEN IM SPÄTM ITTE LALTERLICHEN ST. PÖlTEN: REGIONALE SEUCHENKUNDE, LOKALE HYG I...
Author: Hansl Vogel
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STIFT UND STADT

IM MITTELALTER

diözesanmuseum st.pölten

P EST ILENZEN IM SPÄTM ITTE LALTERLICHEN ST. PÖlTEN: REGIONALE SEUCHENKUNDE, LOKALE HYG IEN E UND ZEITGEMÄSS E KRANKENF ÜRSORG E AN D REAS R. HASS L Epidem ien , auch Seuchen genanm, sin d räumlich und d er Syphilis, lerzrlich d ie zeirenryp ische Wen­ und zeitl ich gehäufte, durch den -Erreger verbun­ de vom mittelalte rlichen m ystischen Weltbild zum dene Ausbrüche von Infektionskrankheiten. neuzeitlichen Rationalismus bewi rkt e. gehören zu den spektakulärsten Ausfo rm u ngen In fekr ionskra nkheiren gegenwärtig natur­ ein es der fundamenralsren ird ische n Lebensprin­ wissenscha ftlich als W irtsreak tion auf einen Befall zipien, des -Parasi rism us. Jed er M en sch , ebenso mit übertragba ren Erreger begriffen , ist an dere vielzellige Lebewesen, dient dem mittelalt erlichen Akmfieber, Schwindsucht, lebens meist vielen Ta usen de n anderen Geschöp­ Fallsucht, Kräne, Murtcrkomvergifrung (Abb. 1), fen als Lebensraum od er als Nahru ngsqu elle. Nu r Milzbrand, Augenenczündung, Lepra sind uns als wenige davon , die Erreger von klinisch manifesten kontagiös bekannt (D e GordOllj im Original präg­ Infckrionskrankheiren, bedrohen jedoch das Leb en nantcr formuliert: Febris acuta, ptisis, pedicon, sca­ und die Eine Infektion bies, sacer anthrax, lippn, Lepra nobis contagin von Lebewesen, und somit auch vo n M enschen , p raestant) eher eine Bekundung zum zivilen Status m it -Schrnaro rzern ist ein unausweichli cher Be­ stand teil jed es kö rperlichen Sein s, das Überleben einer Person gemeine - war doch der- Zivile Tod das von Infektionskrankheiten ein prim äres evolutio­ gewöhnliche Los der Leprösen Eur o pas (Winkle). näres Ziel biologischen Arr - d em Menschen sieh e zudem di e Möglichkeit der Beeinflussung sein er Fortbestands wahrscheinlichk eit durch kul ­ und wissenschaft I iche Maßnahmen offen. D araus erg ibt sich ein erseits der betr ächtliche Einfluss von Seu chen auf die Ausbildung von ge­ geprägren und andererseits modifizieren etliche Ände ru ngen im den Hygi en esrarus, Das Auftauchen einer Ep idem ie abhängig vom Hygiene­ sratus Epoche und ein er Region, und die ser epidemiolo gische Z ustand wird vo n den vom M en­ schen geschöpften Regeln des Zusammenlebens ' und den sich wan delnde n kulturellen WerrvorStel­ lungen Die Folgen eines Seu chen zuges beeinflussen d ie demograph isch e, die w irtschalt­ liehe, di e no rm at ive, d ie soz iale und die kulturelle Enrfalrung ein er Gesellschaft. Spärmirrelalrer und die Frühe N euzeit waren in der Seuchenkund e Europas eine einz igarrige Epo che, in der da s damals als apokalyptisch empfundene H ervorbrech en von für Europa neuen Intektionskrankh eiren, der Pest

Abb. 1: Mutterko rn­ na c h

:v' c tlhios G rünewo ld, Detail (Jus Altor, Cclmor \515.

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Diese Veränderungen im kommunalen Le Sr. Pölrens sind hier von Interesse, und som it jen Infektionskrankheiren, deren Epidemiologie si im letzten Jahrtausend verändert hat und deren Re­ levanz für das Wohlfahnssystem der Stadrgemeinde wahrnehmbar ist.

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Die reichen Bestände an sakraler Kunst der im Diözesanmuseum Sr. Pölten und die umfang­ reichen Funde mitrelalterlicher Keramik stehen in einem auffälligen Konrrasr zur dürftigen Präsenz von Quellen zur Geschichte der Hygiene in dieser Stad 1', obwohl das allzeit aufzeichnende Chorherren­ stifr Sankt Hippolyt bis 1440 der alleinige ßerreiber aller regionalen Wohlfahrtseinrichtungen gewese n sein dürfte. Vieles zur epidemiologischen Situation muss daher als -Dedukrionsschluss erschlossen den. Dies ist allerdings im Falle Sr. Pölrens relat iv verlässlich möglich, da diese Stadt damals keine sonderheiten im Seuchenstatus gegenüber anderen zen rraleuropäischen Kleinstädten aufwies , insbeson­ dere dienre die Scadr nicht als Fernhandelsstürz­ pu nkr oder Kreuzfahrersamrnelzenrrum mit den zeichnenden Choleraproblemen. noch war ein Fokus außerordentlicher be i­ spielsweise des Spulwurmbefalls von

Während die Bevölkerungsdichte einer Region mittelbar üb er die früher ernährungsbe­ dingren -Irnmunsuppressionen -rnir ihren den häufig diskret -opporrunisrischen In fektionskrankheiten, reguliert wird, sind es seltenen spektakulären Epidemien, die unser und unser Vorfahren Entsetzen erregten und hygie­ nische Neuregelungen erzwangen. Als Beispiel kann die Schöpfung einer richtungweisenden Hy­ gicnegesetzgebung im Sr. Pölrncr Sradrbannraiding herangewgen werden, rund ein Viertel der men sind auch heute noch Hygienere226

In der mittelalterlichen Stadt Sc. Polten, de­ ren Weichbild geprägt war von kleinen Hand­ werksbetrieben mit ihren infrastrukturellen Be­ dürfnissen wie der hygienisch heiklen Rachnurzung im Ledererviertel. gab es einen lokalen Viehmarkt und einen Lebensmitrelmarkr für städtischen Bedarf Obgleich also am Markt durch die zeit­ hohen Individuendichten von Mensch und Tier ein beträchtliches Infektionsrisiko bestand, beschränkte sich das .Areal der Sozial- und Han­ delskonrakte auf wenige 'hun dert Quadratkilome­ ter Umland. Sr. Pöli:en anders als topogra­ phisch nahe Wien. kein Umschlagplatz von weit expedierten Luxusgütern wie europäische und Schildpan und damit kein potenrieller Herd exotischer Infektionen. Die im 13. ]h. angelegte Ringmauer umfasste eine Fläche, die rrotz der zcit­ europaweiren Bevölkerungsverdopplung nie vollständig verbaut wurde. Diese fürderhin als Intramurale Viehweiden genutzten Flächen, das

PES T ]LE N ZEN IM SPÄTM rrr r LALT ERl.IC H EN ST. r ÖLTEN

innerst ädti sch e Deponieren vo n Fäkali en (Abb . 2), Schlac htabfallen und M üll , die Weidc:halm ng von m it Vorl iebe Fäkalien fressen den Schwein en und das auch rezente Vorkommen von pa thogenen Schweineparasiten in N ied erösterreich ist genau je­ nes Sach lage ngern lsch, das einen erh eblich en Bewohner an Pinn enbefall. der damals genau­ so wie heute noch in E ntwi ckl u ngslän de rn der Variante' N eurozysrizerkose als Epil e psie diagnostiziert wurde (Prasad), und akutfiebr iger -Trichinellosc siechen lässt, Es ist daher nicht weiter verwunderlich , der Passauer Bischof als da nn alleiniger Stadtherr (1367-1 491) aus dem dama­ ligen Wissen um Kontagiosität vo n und Akutfieber (D e G ordon) ha rte H ygienegesetze erli eß ; als Beispiel sei das Verbot des Verkaufs fi nigen Fleisches im An. 48 des Stadtbannraidings erwähn e N ur hundert Jah re zuvo r, 1286, folgend dem mirrelalterlichen Klimamaximum. wird arn Ledererb ach eine öffentlich e Badestube als In sri­ rur der zeitgemäßen Badekultu r, der Vorsor gem e­ diz in und der sin nlichen Lebensfr eude errich tet , 1440 h ingegen ortsnah ein Siechenhaus (Abb . 3). Se Pölren erlebte in d iesen jahrhunderr en eine n immensen Niedergang, abtesbar an der in den ' U r­ baren , den Besitzrechtsverzeichniss en angeführren H äuserzah len . 1367: 303 ; 1459 : 27 6 u nd 1532 sch ließlich nur mehr 236 Häuser; d . h. d ie Stadt verlor in 165 Jahren ein Vier te! ihres besrandes, D amit parallel geht auch einher die Re­ duktion der bäuerlichen Bevölkerung um ein Drit ­ tel, mit 7 abgeko m mene n Dörfern im Umland. Da die Z eit der Passauer H errsch aft weitgehend lich war, biet et sich als mühelose Erkläru ng für de n Verfall di e ep idem iologische als Folge der Kli m averschl echterung an . Die epidemiologisch en Veränderu ngen jener Jahrhunderte und ihre, d ie Leb ensauffa ssu ng modifizierenden Au sw irkungen lassen sich in Sr. Polren paradigmati sch nachvoll­ zieh en . M edizinh istorisch von Interesse ist der Vergleich d er C harakteristika der gegen ständlichen Seuche n : Durch Hyg ienemaß nahmen leich t beeinflussbar und meist unspektakulär sind d ie auch heure n och we it verb reiteten Schm utz- und Sch m ierin fekri­ onen; deren Er reger sind häu fig Opportunisten ,

z. B. Am öben , mit Vorb ehalt au ch die. ' Tuberkelbakterien. Von erhe bliche r seuchen ge­ sch ieh rliche r Bed eutung sind hingegen di e heiten , die von Erregern h ervo rgerufe n we rde n, di e durch den Konsum von Lebensmitteln u nd Trin kwa sser übertragen we rd en. Das Essen von schl echt gega rte m Fleisch von Abfall entso rgen den und frei in und Flu r weidenden Schweinen als G ru nd für d ie Wurmin fektionen Tri ch inell ose

Abb. 3: Verstorbe ne n in ein in einern Hospital, 1500.

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PESTILENZEN 1M

Zysrizerkose wurde bereits die zeiligen Kryprosporidicn sind das Schulbeispiel eines heimischen, mit Wasser und Kot assoziierten, opportunistischen Parasiten . H andwerker leiden häufig an Berufskrankheiten, in Sr. Pölten ist im Ledererviertel das Bestehen eines regional bedeut­ Leder verarbeitenden Gewerbes verbürgt. Schlachter, Abdecker, Gerber, Kürschner, Sattler und andere mit Leder befasste Handwerker siech­ te n vielfach einem überlebten Milzbrand eine der ber eits mi ttelalterlich als kontagiös ge­ Krankheiten (Oe Gordon). Das Auftreten von als apokalyptisch empfundenen, tentiell eine Kommune auslöschenden Seuchen in Sr. Polren ist aus den verfügbaren Quellen nicht schließ bar. Die Lungenpese muss zwar die Stadt im Frühjahr 1349 erstmalig haben, scheint ab er lokal wenig dauerhafte Nach­ wirkun gen hinterlassen haben. Das Fleckfieber, eine der unter Akurfieber subsumierten Seuchen, ist eine mir Krieg und Massen flucht zusammen­ hängende Infektion. Die Malaria, insbeso nd ere die -Tertiana u nd im warmen Hochmittelaher auch di e -Quartana, mü ssen zwar seit der in der von Au en umfasseen Tratsenstadt verb reitet gewe­ sen sein - aber verm utl ich in einer Form, die •Ulpi­ mit uetus quartana, quae tarnen iam sperni potest (d. h, alte Quarrana, um die man sich nichr mehr kümmern muss") adäquat beschrieb. Demonsrrativ genannt werden folgende , zu Ende des Mittelalters di e Epidemiologie beeinflussende Umweltänderungen ohne d ie Einbeziehung von durch einen Gesetzgeber hervorgerufenen Auswir­ kungen : • Die 1150 500jährige Klimaver­ schlechrerung, die zu einer Dezimierung der Populationen von wechselwarmen Übertragern, den Malariamücken lind d'en Pestflöhen, und von kälteempfindlichen Mikroorganismen, wie den Malariaerregern, führre. der Zahl der potentiell • Die Veränderungen infektiösen Kontakte d urch eine Redu ktio n der Populationsdichten und der Infektionsraren von Tieren, die als •Reservoire von Er regern dienen. Speziell verschlechterten d ie SI. Pölrner

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Großbrände von 147 4 und 1512 die l e dingungen der städ tischen (H aus-) Ranen lation erheblich, und Aufgabe der haltung der Hausschweine red uzierte die an Wurminfektionen . Von Bränden genere . eringer betroffen erscheinen üb erall die sich früh- oder hochmltrelalrerlich in Zenrraleur etabliert habenden Wandcrrauenpopulatio noruegicus) . Hingegen profitiert en Populationen der viel wärmebedürfrigere alteingesessenen, stark an den Menschen gebu ­ denen Hausratten rattus) m öglicherwei­ se von der ganz Zentraleuropa Iahrrau sendflur 1342 sogar dad urch , da ss ih subrerrestrisch lebenden Konkurrenten, die Wanderratten, ertran ken . Die Haus­ ratte und ihr Ploh, de r Ra ttenfloh, gelten als di klassische n Pestreservo ire. D er hochmittelalterliche. mas sive Bevölk e­ rungsdichrcansticg, dcr 'Z u gan z neuen ep ide­ neb en der miologischen Lagen führte, Erschließung erstau nlich er, infektiologisch un ­ erprobter Nahrungsquellen wie Feldhamster Immun­ (sieh e unten ) auch eine supp ression de r Städter den andauernden di chtebedingten sozialen Stress und durch die Fehlernährung, insb esondere weg en ren Roggenmehls, auf­ des Murrerkern traten . .Folgende immate rielle , gen lassen sich. po srulleren:

relevante Neuerun­

D ie Vorstellung de r Gortgefäll igkeir beim Ver­ such einer Beeinflussung von Krankheits- und Epidemieverläufen trorz des Eingriffs in G ottes Plan. Diese wurde wohl durch die hohe Zahl richtiger, ruber­ lepröser oder, kulöser Kreu zzugsveteranen erzwu ngen. Diese frommen Kämpfer konnten wohl kaum ohne kollektives Schuldgefühl dem Schicksal des vilen Todes der na ch dem Gebot des Lyoner Konzils von 589 oder des jämmerlichen An gewiesensei ns auf di e christliche Mildtä­ in Leprosaricn überanrwo rt ct werden. Daraus result iere außerdem der Gedanke der zeitlich begrenzten, nicht zwangsläufig -infa­

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Absonderung von Fremden, deren Gesundheitszustand unbekannt war. Solch Quarantänestation betrieb auch Sc. Pötten ab 1551, jedoch lediglich Landstreicher: die G efährdung durch fern reisende Händler und vielen scheint bezeich­ nen d erweise als nicht existcru em pfu n den wor­ den sein. Charakteristisch die Neuzeit ist di e aus der vorhergehenden hcilsgewissen und hy­ gieo Ischen Desorienti erung resultierende Angst vor Schwarzem Zauber. Die entstehenden welt­ lichen Ordnungsgewalten suchen in dung mit der dem Ketzerrum zusehends loser enrgegentrerenden katholischen die Schuld für ihre mangelnde in den Vergiftungen, Seu chen und Vichmängel hervor­ rufenden von Zauberern, xen u nd anderen Häretikern. Di ese Form de s vielfach auf hygienischen Unzulänglichkeiten beruh enden Hexenwahnes kan n in Pölren nicht nachgewiesen werden . Nur ein regio­ naler von Schadenszauber ist überliefert: Tm nahegelegenen Mank wurde die greise EIsa Pleinacher der Hexerei bezichtigt und 1583 vor Wien verbrannt, nachdem in Sr. Pölren erFolg­ los versucht wurde, ihre an - nun bezeichnen­ derweise nicht mehr kontagiösen sondern von Dämonen veru rsachten - Fallsucht leidende Enkelin einem Exorzismus zu unrerxlehcn . Das urchristliche Gebot der Nächstenliebe in Form der m ittelalterlich en klerikalen Mild­ und Wohltätigkeit mutiert zum kommunalen Solidaritäesgedanken. Der Gemeinde kamen demnach von ihr Aufgaben in der Kranken- und SiechenpRege und in de r Fürsor­ ge Gebrechliche und Mittellose zu. Folglich mussten die zweckdienliche Infrast ruk tur, Hos­ pitäler, Pflegeheime, Lep rö sarien etc. , err ichtet werden, die allerdings nicht zu die Kommune intramuralen Brursrarren von Seuchen und Kriminalität verkommen durften. Es soll verm erkt werden , dass mittelalterliche Sicchcnhausbaucen aus Furcht vor Ans teckung im Pavillio nsystcm err ichtet wurden , eine Bau­

weise, die lokal erst 1929 zur lnfektionsvermei­ dung wieder gefordert wurde (Euglin g). Auch in

St. Pölten bestand der Bedarf an solchen Wohl­ fahrrs- und Fürsorgeeinrichcu ngen, allerdings

Abb. 4 : Sieche Bettler vor der Sladl ; um 1333 bis 13 50.

an den bescheidenen Bedü rfnissen einer abge­ schiedenen Kleinstadt ausgerichrer. In de r heutigen Landeshauptstadt man das Entstehen, die Fonemwicklung und das Obsolet­ werden solcher In stitutionen im definierten Zei t-· absch n itt anschaulich rekonstruieren. Die Einrichtung war vor 1140 gegründ ete hospitale sancti Egidii, ein vom Chorherrensurr betriebenes, innersrädtisches Hospital auf Klostergrundj heute wahrschein­ lich Ranzonigasse, 4. Der ursprüngliche,', men gebende Zweck war Beherbergung landfremder Reisender, später wurde zur Heimstätte für Alte, nichr-infckci ös gesehene Kranke und Unv erso rgte. Besitzende mussten sich für ein e Aufnahme einkau fen, die Bürger der Stadt vermachten dafür meist noch zu Lebzeiten dem Spi tal Legate. von 1474 vernichtete das Klosrerspiral, 1·490 erfolgte ein Neubau. In den Zuwendungen au sgebootet von der bürgerlichen Konkurren z, übertrug das Kloster 1539 das Hospital an den Stadtrat, wodurch zum städtischen fahrrsinsritut wurde.

• Um sich vom Kloster abzugrenzen, wu rde 1440 vom Sradrrar ein Bürgerspital an einer Srein­ brücke im Ledererviertel gegründet. Es war aus ­ schli eßlich den Bürgern Sr. Polrens vorbehalten,

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PESTI LENZEN IM SI'ÄTM ITI ELALTE LIe H

eine Aufnahme. Das Geschi ck, d ie u nd das Verbleiben de s Bü rgerspitals

bekannt,

Das Sundersiechenhaus vor dem Tor, also außerhalb der Stadtmauer war die Absonderungsanstalt = ab dem) für (Abb. 4), •Skrofulöse und infektiös gehaltene Pariern dere, damals Gebrechliche, aber auch für a Inwohner und m ittellose Greise (= Sie Der Betreiber dieser bezeich nenderwei e den Aussätzigen" charakterisierten Ei . richrung ist unbekannt, möglicherweise war auch das Kloster. Um 1500 erfolgte weg des erloschenen an einem Leprosorium eine allmähliche Umwandlung in schie r Siechenhaus. Da das H aus vor de r Stadtmau­ er gelegen war, wurde es 1529 im Rahmen d Türkensturms in Mitleidenschaft gezogen un d 1531 ganz abgetragen, wahrscheinlich aus rni­ Gründen. Die verbliebenen Siechen wurden offenkundig unter Überwindun g der Standesgrenzen ins ßürgerspital verbracht. 1551 wurde da s Gebäude, nun aber Quarantäne­ srario n Landstreicher, wieder erbaut.

_... Abb . ihren Fen ster aus;

le e rt crn

Holzschnitt 1494.

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also den vielen -Inwohncrn nicht zugängli ch . Vom Stadtrat konfessionell freisinniger als das Klosterspiral betriebe n, galt en sozial, medizi­ nisch und kaufmännisch analoge Regeln

Obgleich man bei den Umwälzungen im Hygi ­ Ursache und Wirkung enestatus de r kann , lassen sich eini­ nicht sicher ge Grundtendenzen erkennen: In der Primärwirt­ schaft kommt es zu einer allm ählichen Trennung von Nutztierunrerständen, von den und Feldern, den anderen, kontarninierbaren Betriebs­ starren, wie Vorratslager, Scheunen, Misthaufen und den menschlichen Behausungen . Dadurch re­ duzieren sich nicht. nur innerstädtisch die Ratten­ und Flohplagen, 'd ie ungenügende Abfall­ beseitigung durch freilaufende Schweine erzwingt eine geordnete Fäkalienenrsorgung. Der Wald wird von einer wü sten und erregergeschwängerten Schweineweide zum vielen G eschöpfen Lebens­ raum gewährenden Jagdgebiet. Verendete Tiere dürfen nicht m ehr Fleischgewi nnung genutzt werden, Schlachtungen sind nur an bestimmten Orten und Tagen vorzunehmen, und die Gi ft und Gesta nk ab sondernden Gerbereien werden über­

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au s den Städten verbannt. Maßnahmen haben unmittelbar eine hygi enerelevame Verbes­ ser ung der Qualität der Nahrungsminel und der zur Folge. D ie Infekr ionsketren der zwisch en Sch weinen , Ratten und Menschen pen­ delnden Erreger werden unterbrochen , da s regio­ nal e Wa sser au s den Waldquellen wird von Km ohne Gesundheirsgefahrdllng trinkbar, und die Im m uns up pression en von Mur­ rerkornvergifie ren und Schwind süchtigen nehmen in ih rer Intensität durch d ie erhö h ren Ster beraren im Lo kalkl ima ab . D adurch m indere sich allerdi ngs auch di e Häufigkeit visionärer Deliri­ umszustande heiligensichtigender Trancen von Mutrerkornvergifreten, die Mitrelalr er gende Flucht vo r den irdi sch en Mühsalen in die Christliche Mystik der Vergan genh eit an .

ge. Letz tere Obliegenheit w ird verwirkl ich t durch eine ger egelte Fäkalienenrsorgung, Scallw irtschafr, und Gewerbeordnung, Leb ensmittelquali­ rätskonrroll e, Wa sserversorgung und andere , h eure selbstverständlich erscheinen de H ygienemaßnah­ men (Abb. 5).

Großräumiger Klimawandel verände rt die natür ­ lichen Lebensräu me vo n Leb ewesen und [ühn folglich zu neucn, bislang nicht bestehenden Kon­ takten zwischen Schmarotzern und organismen. W ahrend Tiere nur evolurionar mit Modifikationen ih rer im m un ologisch en Reakti­ onen und ih res Verh altens di ese andersgearteten Bedrohungen bewältigen können , ist M enschen zusätzlich eine kulturelle, rat ionale An twort auf Auftau ch en zeltaltergem äß er Seuchen erlaubt. Die kl ein städtischen Strukturen Sr. Polre ns lassen Di e E ntwickl un g eines individualisierten Körper­ den in den vitalen Bedürfnissen de r Ein­ bewusstseins vo n der h ochm irrelalrerlichen woh ne r in Weise hervortreten und Sinnlichkeit übe r die jenseitsbezogene Vernachläs­ erlauben selb st bei Quellenlage durch die sigung zum \'(Tillen zu Genesung und zur Vo rsorge Analyse de r gerin g komplexen kommunalen Sys­ bei sich selbst und anderen G emeindemitgliedern . temzusammenhänge retrospektiv eine n Blick auf Die Kr an ken- und Siechenfür so rge wi rd kom­ munalen Aufgabe, sp äter dann auch die Vorsor- . Hygienezuständ e ferner Z eiten.

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