Studium und Gesellschaft im Mittelalter

Peter Classen Studium und Gesellschaft im Mittelalter Herausgegeben von Johannes Fried Anton Hiersemann Stuttgart 1983 VI. LIBERTAS SCOLASTICA - ...
Author: Carsten Engel
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Peter Classen

Studium und Gesellschaft im Mittelalter Herausgegeben von

Johannes Fried

Anton Hiersemann Stuttgart 1983

VI. LIBERTAS SCOLASTICA - SCHOLARENPRIVILEGIEN AKADEMISCHE FREIHEIT IM MITIELAL TER '"

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[Freiheit - es gibt wohl kein Wort, das mit so vielen und oft einander entgegengesetzten Ideen und Emotionen verbunden werden kann wie dieses. Akade- . mische Freiheit nun, die wird ein jeder in der Universität für sich in Anspruch nehmen, wird sie verteidigen wollen ••• Was aber meint dies so eigentümlich deutsche Wort «akademische Freiheit»? Am 19. Oktober 1811 hielt der erste gewählte Rektor der Universität Berlin, Johann Gottlieb Fichte, seine Rektoratsrede mit dem Titel «Ober die einzig mögliche Störung der akademischen Freiheit-s, Fichte sieht die Freiheit, die «vollkommene Freiheit, die akademische Freiheit in der ausgedehntesten Bedeutung des Wortes,. als wesentliche Grundlage für die Universität an; er beschreibt ihren Inhalt: freie Mitteilung der Gedanken, persönliche Freiheit des Menschen, «innerhalb der Schranken des Gesetzes und der guten Sitten» seine äußere Lebensform zu bestimmen, ein «einfacher Gerichtsstand», vor allem aber eine «sittliche Unbefangenheit und Unverdorbenheit» der Studierenden gehört dazu. Nicht vom Staat, auch nicht von der hauptstädtischen Gesellschaft, sondern allein von den Studierenden sieht Fichte Gefahr drohen, wenn diese sich nämlich «als das auserwählte Volk Gottes» darstellen. Mit Waffen wird mitten im Frieden die Standesehre verteidigt, mit Trinkgelagen wird sie gefeiert, Zwang auf die Genossen geübt, und damit wird «alle, sowohl menschliche als akademische Freiheit des Studierenden ••. rein ausgetilgt und vernichtet. Ja selbst die allgemeine Freiheit der ganzen Universirät, die Lehrfreiheit, wird dadurch beeinträchtigt; denn es ist ja dieser Menschenklasse eingefallen, die Lehrer ohngefähr so anzusehen, als vom Staate zu ihrer Belustigung angestellte Schauspieler einer besonderen Art, die nur das sagen' dürfen, was solche Zuhörer gern hörten und durchaus nichts anderes.s Fichte, der fürchtet, daß «bald '" Vgl. die kürzere Fassung: Zur Geschichteder ,akademischen Freiheit', vornehmlich im Mittelalter, ]b. der Heidelberger Akad~mie der Wissenschaften 1980 S. 51-65; verändert: HZ 232 (1981) S. 529-53; hieraus Einleitung und Schluß. a) J. G. FICHTE,Ober die einzig mögliche Störung der Akademischen Freiheit. Als ein Beitrag zu den Zeitfragen mit einer Einleitung hrsg. von Arnold RUGE(Heidelberg 1905). Zu den Umständen der Rede, zu Fichtes Wahl zum Rektor und zu seinem Rü