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SS 2003 VO: Geschichte Australiens Ewald Frie 7. Sitzung, 2.6.2003, Thema: Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur um 1900 Vorbemerkung: Die heutige Sitzung hat den Charakter einer Zwischenbilanz. Nachdem wir die mehrfache Überschichtung der australischen Gesellschaft analysiert haben, wollen wir nun die Gesellschaft insgesamt vorstellen, die sich nach einem Jahrhundert weißer Besiedlung ergeben hatte. Hierzu werden statistische Übersichten vorgestellt und interpretiert1.

1. Bevölkerung Tabelle 1: Weiße Bevölkerung Australiens Jahr 1788 1800 1810 1819 1851 1861 1881 1891 1901 1911 1921 1933 1947 1961 1971 1981 -

Männer 775 3.904 6.340 18.351 256.975 668.698 1.214.913 1.704.039 1.977.928 2.313.035 2.762.870 3.367.111 3.797.370 5.312.252 6.412.711 7.267.076

% 74,8 64,5 53,0 58,0 58,7 58,0 54,0 53,7 52,4 51,9 50,8 50,8 50,1 50,6 50,3 49,9

Frauen 220 1.018 2.519 5.435 180.690 483.249 1.035.281 1.470.353 1.795.873 2.141.970 2.672.864 3.262.728 3.781.988 5.195.934 6.342.927 7.309.254

% 21,3 16,8 21,1 17,2 41,3 42,0 46,0 46,3 47,6 48,1 49,2 49,2 49,9 49,4 49,7 50,1

Kinder 40 1.131 3.091 7.865

% 3,9 18,7 25,9 24,8

Gesamt 1.035 6.053 11.950 31.651 437.665 1.151.947 2.250.194 3.174.392 3.773.801 4.455.005 5.435.734 6.629.839 7.579.358 10.508.186 12.755.638 14.576.330

% 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0

In der Kolonisierungsphase können wir einen deutlichen Männerüberschuss feststellen (in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch deutlicher, als die Tabelle auf den ersten Blick ausweist, weil bis 1819 Kinder gesondert und ohne Berücksichtigung des Geschlechts gezählt wurden). Der Männerüberschuss nahm mit der Setzung der kolonialen Bevölkerung ab in Richtung des für moderne europäische Gesellschaften typischen leichten Frauenüberschusses; durch die Einwanderungsschübe nach 1851 und nach 1947 wurde der Trend jeweils gebremst, so dass erst der Zensus von 1981 eine leicht überwiegende weibliche Bevölkerung ausweist.

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Die folgenden Statistiken entstammen sämtlich der sehr ergiebigen statistischen Übersicht von: Wray Vamplew (Hg.): Australian Historical Statistics, Broadway 1987.

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Der Männerüberschuss war in den einzelnen Kolonien/Staaten nicht gleich ausgeprägt. 1861 kamen bei einem Landesdurchschnitt von 138 Männern auf 100 Frauen in South Australia auf 100 Frauen 105 Männer, in Tasmania 123, in New South Wales 130. Im gerade erschlossenen Queensland war die Zahl dagegen 152, im durch Digger geprägten Victoria 155, und im rauen Western Australia 171. South Australia, Tasmanien und wohl auch New South Wales waren offenbar für Frauen attraktiver, weil diese Gebiete nicht mehr vornehmlich durch Diggers, Squatters und Outback geprägt wurden, sondern durch eine weniger dynamische (Agrar)Wirtschaftsweise, die auf der Basis von Familienwirtschaften erfolgte.

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Große Unterschiede zeigen sich auch zwischen Stadt und Land. In den Hauptstädten der Kolonien gab es bereits 1861 keinen Männerüberschuss mehr: In Adelaide kamen 85 Männer auf 100 Frauen, in Sydney waren es 93 Männer, in Hobart/Tasmanien 99, in Melbourne 103, in Brisbane 110, und nur in Perth 137. In den ländlichen Gebieten lautete das Verhältnis hingegen 110:100 (SA), 136:100 (Tas), 151:100 (NSW), 193:100 (Vic), 194:100 (WA) oder gar 201:100 (Qld)2. Es waren die ländlichen Gebiete, das Outback, die Diggings, in denen Männergesellschaften und Männerwirtschaften dominierten. Die Städte hingegen gingen vom Typus der frühen Kolonialsiedlung zum europäischen Regionalzentrum über – wobei Brisbane/Queensland und Perth/Western Australia Nachzügler waren.

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Die eigentümliche Bevölkerungsstruktur führte dazu, dass in Australien ein erheblich höherer Prozentsatz der Frauen heiratete als etwa in England, während die Heiratsrate bei den Männern unter dem englischen Durchschnitt lag. Ende des Jahrhunderts hatten 3-4% der Frauen um die fünfzig in Australien nicht geheiratet, während diese Rate bei den Männern zwischen 20 und 30% lag3. Wichtigste Ausnahme dieser australischen Regelentwicklung war South Australia. Unten werden noch weitere Indizien dafür gezeigt, dass das zwar stetige, aber langsame Wirtschaftswachstum in South Australia und seine auf Familienagrarwirtschaften setzende Struktur wesentlich schneller zu einer europaähnlichen Bevölkerungs- und Familienstruktur führte. Tasmania, obwohl wirtschaftlich ähnlich verfasst, zeigte überraschenderweise die für die anderen Kolonien kennzeichnende Struktur hoher Männerledigkeit. Wahrscheinlich ist hierfür die Sträflingsgeschichte Tasmanias verantwortlich zu machen, die South Australia nicht teilte.

2

NSW = New South Wales, Vic = Victoria, Qld = Queensland, SA = Southern Australia, Tas = Tasmania, WA = Western Australia, NT = Northern Territory, ACT = Australian Capital Territory (Canberra).

3

-

Das Bevölkerungswachstum verlief in Schüben, die durch große Migrationswellen ausgelöst wurden (nach 1851, nach 1947), die kleineren Konjunkturen und Depressionen der Einwanderung wurden in der Bevölkerungsstatistik überlagert durch die Effekte der endogenen Bevölkerungsentwicklung, die mehr und mehr das Wachstum der australischen Bevölkerung trug.

Tabelle 2: Alterstruktur der australischen Bevölkerung Alter 0- 9 10-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70-79 80 + N. bek. Ges.

-

1861 323.484 185.307 250.345 196.424 109.429 50.090 19.802 4.731 1.056 11.279 1.151.947

% 28,1 16,1 21,7 17,1 9,5 4,3 1,7 0,4 0,1 1,0 100.0

1881 606.357 508.842 393.696 267.938 225.756 140.859 69.982 24.349 5.332 9.506 2.252.617

26,9 22,6 17,5 11,9 10,0 6,3 3,1 1,1 0,2 0,4 100,0

1901 892.583 812.647 671.627 565.361 375.702 215.629 152.071 66.599 15.310 12.084 3.779.613

23,6 21,5 17,7 15,0 10,0 5,7 4,0 1,8 0,4 0,3 100,0

1921 1.195.964 991.468 913.029 833.252 609.573 470.138 273.308 104.819 29.973 14.210 5.435.734

22,0 18,2 16,8 15,3 11,2 8,7 5,0 1,9 0,6 0,3 100,0

1947 1.364.370 1.116.292 1.205.863 1.149.068 953.772 815.378 562.220 277.014 86.588 48.793 7.579.358

18,0 14,7 15,9 15,2 12,6 10,8 7,4 3,7 1,1 0,6 100,0

1971 2.443.697 2.336.551 2.030.472 1.540.969 1.569.039 1.268.371 888.307 492.417 185.815 12.755.638

19,2 18,3 15,9 12,1 12,3 9,9 7,0 3,9 1,5 100,0

Die stetig, teils durch Geburtenüberschuss, teils durch Zuzug wachsende Bevölkerung hat Australien lange Zeit eine günstige Bevölkerungsstruktur beschert. Australier waren im internationalen Vergleich jung. Die produktiven Jahrgänge waren besonders stark ausgeprägt. Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts sind die älteren Jahrgänge numerisch wichtiger geworden.

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Der hohe Anteil der 0-9 und 10-19jährigen weist auf die hohe Geburtenrate in Australien hin. Sie ist ein Anzeichen dafür, dass Australiens Bevölkerungswachstum seit Mitte des Jahrhunderts stärker auf dem Geburtenüberschuss basierte als auf dem Wanderungsgewinn. Auch in den 1880er Jahren, als die Zuwanderung besonders stark war (vgl. u., Netto-Migrationsgewinn), beruhte mehr als die Hälfte des Bevölkerungszuwachses auf Geburten in den Kolonien selbst.

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Die Geburtenrate nahm allerdings stark ab und näherte sich dem europäischen Weg an. Australische verheiratete Frauen der Geburtsjahrgänge 1841-1846 gebaren im Schnitt 6,8 mal. Bei den entsprechenden Geburtsjahrgängen 1871-1876 lag diese Rate bei 4,2, bei den Geburtsjahrgängen 1903-1908 2,6. Der Rückgang der Geburten wurde aufgefangen durch den zunächst noch schnelleren Rückgang der Sterblichkeit und die gesteigerte Lebenserwartung.

-

Die einzelnen Kolonien/Staaten waren sehr unterschiedlich in ihrer Altersstruktur. 1901 hatte Victoria die meisten über 65-Jährigen in Australien – eine Erinnerung an den Gold Rush der 1850er, der Victoria extrem viele Zuwanderer mit einer ziemlich einheitlichen Altersstruktur beschert hatte. Sie waren um die Jahrhundertwende in den

3

Vgl. Beverley Kingston: The Oxford History of Australia, Bd. 3: 1860-1900. Glad, Confident Morning, Melbourne u.a. 1988, 119.

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60ern und 70ern, sofern sie überlebt hatten. Western Australia und Queensland hatten die wenigsten Älteren, weil sie ihren Boom gerade erst erlebten (s.u.). In Western Australia gab es auch die wenigsten Kinder: „a typical age-profile for a society of recent immigrants and rather like that of Victoria in the 1860s.4 Tabelle 3: Einwanderung in die australischen Kolonien, 1788-1860 Zeitraum 1788-1800 1801-1810 1811-1820 1821-1830 1831-1840 1841-1850 1851-1860 -

Sträflinge 6.650 4.590 17.170 32.390 50.690 33.325 11.460

% 85,8 76,6 89,6 74,3 43,3 23,4 1,9

Freie 1.100 1.400 2.000 11.200 66.400 108.950 602.200

% 14,2 23,6 10,4 25,7 56,7 76,6 88,1

Gesamt 7.750 5.990 19.170 43.590 117.090 142.275 613.660

% 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0

Die Einwanderung nach Australien wurde bis Ende der 1820er Jahre durch Sträflingstransporte dominiert. Freie Siedler stellten bis 1820 eine kleine Minderheit unter den Neuankömmlingen. Dass ihre Zahl in den 1820er Jahren zunahm, fiel prozentual nicht ins Gewicht, weil seit dem Ende der napoleonischen Kriege auch die Sträflingstransporte stark anstiegen. Seit 1830 praktizierte die britische Regierung, „assisted immigration“. Sie nutzte in den australischen Kolonien erwirtschaftete Gelder dazu, um die Migration von freien Siedlern gezielt zu fördern. Sie zahlte die Überfahrt und leistete eine Anschubfinanzierung in der neuen Heimat. Dadurch stieg die Zahl freier Einwanderer in den 1830er Jahren an und begann die Zahl der neu ankommenden Sträflinge zu übersteigen. Einen wirklichen Durchbruch aber brachte erst die gold rushes der Jahre 1851ff. Im Jahrzehnt 1851-1860 kamen fast doppelt so viele freie Einwanderer nach Australien als 1788-1850 (Sträflinge und Freie zusammengenommen)!

4

Beverley Kingston: The Oxford History of Australia, Bd. 3: 1860-1900. Glad, Confident Morning, Melbourne u.a. 1988, 117.

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Tabelle 4: Netto-Migration in Australien, 1860-1910 Zeitraum 1861-1865 1866-1870 1871-1875 1876-1880 1881-1885 1886-1890 1891-1895 1896-1900 1901-1905 1906-1910 gesamt Ø pro Jahrfünft -

Netto-Ergebnis 86.146 80.419 61.662 130.142 224.040 158.701 22.392 2.487 - 16.793 57.278 806.474 80.647,4

Der Run nach Australien in den 1850er Jahren wiederholte sich nicht. Auch wenn die obige Tabelle nur das Netto-Migrationsergebnis ausweist, und daher mit der Tabelle „Einwanderung in die australischen Kolonien 1788-1860“ nicht direkt vergleichbar ist, zeigt sich doch, dass die rasante Entwicklung des gold rush Jahrzehnts sich beruhigte. Die Einwanderung der folgenden Jahrzehnte – in denen keine Sträflinge mehr kamen – folgte den Rhythmen der australischen Konjunktur sowie den jeweils gemachten Goldund Erzfunden. So wurden die Boomjahre der späten 1870er und der 1880er zu Schwerpunkten der Einwanderung nach Australien. In den 1890er Jahren hingegen sowie im ersten Jahrzehnt nach der Jahrhundertwende führte die schwere australische Wirtschaftskrise dazu, dass die Einwanderung zurückging, ja zeitweise die Auswanderung die Einwanderung überwog.

-

Für die beiden Krisenjahrzehnte 1891-1910 lohnt ein Blick auf die NettoMigrationsergebnisse der einzelnen Kolonien/Staaten. Western Australia, wo in den 1890er Jahren bei Cargoolie und Koolgardie Gold gefunden wurden, hatte nur in einem der zwanzig Jahre einen Netto-Migrationsverlust zu beklagen. Insgesamt gewann der bis dahin belächelte westliche Außenposten Australiens zwischen 1891 und 1910 171.016 Personen durch Migration hinzu. Victoria hingegen, Boomkolonie der 1850er Jahre mit einer Hauptstadt Melbourne, die sich gerade mit der Weltausstellung als die Wirtschaftsmetropole der südlichen Erdhalbkugel präsentiert hatte, verlor in sechzehn der zwanzig Jahre netto an Einwohnern. Im schlimmsten Jahre 1896 waren es allein 22.290, in den beiden Jahrzehnten insgesamt 146.471. South Australia verlor in vierzehn der zwanzig Jahre an Einwohnern, Tasmania in zwölf, Queensland in neun. New South Wales mit der Metropole Sydney hingegen gewann in vierzehn der zwanzig Jahre an Einwohnern und verbuchte für die Jahre 1891-1910 insgesamt einen Netto-

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Migrationsgewinn von 58.251 Personen. So verschoben sich gerade in de Jahrzehnten um die Gründung des Commonwealth of Australia die Gewichte zwischen den einzelnen Kolonien/Staaten und ihren Metropolen. Tabelle 5: Geburtsland der australischen Bevölkerung, 1861-1971 Jahr

Australien

1861 1881 1901 1921 1947 1971

428.954 1.422.533 2.913.997 4.593.931 6.835.171 10.176.320

-

% 37,2 63,2 77,2 84,5 90,2 79,8

Britische Inseln 630.107 696.692 685.754 681.674 543.829 1.088.618

% 54,7 31,0 18,2 12,5 7,2 8,5

Europa 40.942 60.822 74.940 68.400 109.586 1.121.551

% 3,6 2,7 2,0 1,3 1,4 8,8

Asien 41.951 43.418 47.425 30.261 23.293 153.960

% 3,7 1,9 1,3 0,6 0,3 1,2

Afrika 1.590 1.986 2.840 6.745 7.500 61.936

% 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,5

Amerika 7.109 10.316 12.536 12.128 11.627 55.755

% 0,6 0,5 0,3 0,2 0,2 0,4

Pazifik 1.453 14.307 36.309 42.595 48.352 97.498

% 0,1 0,6 0,9 0,8 0,6 0,8

Ges 1.152.106 2.250.074 3.773.801 5.435.734 7.579.358 12.755.638

Die Migranten, die Australien besetzten und die Aborigines verdrängten, kamen auch nachdem freie Siedler an die Stelle der Sträflinge getreten waren ganz überwiegend von den britischen Inseln. Australien wurde von einer britischen Sträflings- zu einer britischen Siedlungskolonie. Andere europäische Nationalitäten waren nur in geringem Umfang an der Landnahme in Australien beteiligt. Aus Europa – mit Ausnahme der britischen Inseln natürlich – stammten 1861 noch knappe 4% der Bevölkerung, dann immer weniger. Eine Umkehr gab es erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als die australische Regierung eine massive Einwanderungspolitik betrieb und dabei auch Nichtbriten gezielt ansprach. Man kann den Effekt an der Zahl der europageborenen Australier insgesamt sehen (1947 1,4% Europageborene gegenüber 7,2% Britischgeborenen, 1971 8,8% Europa und 8,5% Briten).

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Die Veränderung wird noch deutlicher, wenn man genauer aufschlüsselt, was sich hinter dem Geburtsland „Europa“ im Einzelnen verbirgt. Bis 1901 meinte „Europa“ vor allem Deutschland. Mehr als die Hälfte der in Europa außerhalb der britischen Inseln geborenen Australier waren Deutsche – 27.599 waren es 1861, 37.837 waren es 1881. In South Australia stellten die in Deutschland Geborenen 1851 11,2% der Bevölkerung. Die deutsche Dominanz unter den europäischen Einwanderern schwächte sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ab, wurde aber nicht gebrochen. Das Bild änderte sich völlig mit der Migrationspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg. Von den 1,1 Mio. Europageborenen des Jahres 1971 stellten die Deutschen nur noch knapp 10%. Wichtiger waren die Italiener (289.477), die Griechen (160.200) und die Jugoslawen (129.816).

-

Gegen die europäische Einwanderung fällt die Einwanderung aus anderen – geographisch ja näher liegenden – Erdteilen ab. Afrikaner, Amerikaner und auch Bewohner der pazifischen Inseln bleiben jeweils unter einem Prozent, bei allerdings steigenden Prozentziffern 1971, ein weiterer Effekt der offeneren Einwanderungspolitik der

% 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0

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Nachkriegszeit. Der zwischenzeitliche Anstieg der Zahlen für den Pazifik hängt mit Kontraktarbeitern auf den Plantagen Queenslands zusammen. Etwas höher lag der Anteil der Asiaten, ein Effekt überwiegend der chinesischen Einwanderer, die in den 1850er Jahren am gold rush partizipieren wollten, dann auch Handelsniederlassungen gründeten. Ihre Zahl sank nach Pogromen auf den Goldfeldern und infolge der restriktiven „White-Australia-Policy“ des australischen Commonwealth. Der Wiederanstieg der asiatischen Zahlen 1971 wurde nicht mehr von chinesischer Einwanderung getragen. Hinter den 153.960 Asiengeborenen verbergen sich eine ganze Reihe von Herkunftsländern, darunter vor allem Indien (29.212), Libanon (24.218), China (17.601) und Malaysia (14.945). -

Das wichtigste Einzelergebnis der obigen Tabelle ist der stetige Anstieg derjenigen, die als Geburtsland Australien selbst angeben konnten. Irgendwann um das Ende des zweiten Jahrhundertdrittels überwog die Zahl der „Native Australians“ die der auf den britischen Inseln Geborenen. Als das Commonwealth of Australia 1901 gegründet wurde, waren mehr als drei Viertel seiner Bewohner in Australien selbst geboren. Für das Selbstverständnis der Australier war das sehr wichtig. Die meisten von ihnen verstanden sich zwar noch als Teil des britischen Empire, aber nicht mehr als Engländer. Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur folgten nicht mehr automatisch englischen Vorbildern, sondern stellten sich mehr und mehr auf die Bedürfnisse und Chancen der neuen Heimat ein. Wir haben das für den Bereich der Landwirtschaft gesehen. Für Politik und Kultur werden wir ähnliche Beobachtungen machen können.

Tabelle 6: Bevölkerungsverteilung zwischen den australischen Kolonien/Staaten Jahr 1861 1881 1901 1921 1947 1971

NSW 350.860 749.825 1.354.846 2.100.371 2.984.838 4.601.180

-

30,4 33,3 35,9 38,6 39,4 36,0

Vic 538.628 861.566 1.201.070 1.531.280 2.054.701 3.502.351

46,8 38,3 31,8 28,2 27,1 27,5

Qld 30.059 213.525 498.129 755.972 1.106.415 1.827.065

2,6 9,5 13,2 13,9 14,6 14,3

SA 126.830 276.414 358.346 495.160 646.073 1.173.707

11,0 12,3 9,5 9,1 8,5 9,2

Tas 89.977 115.705 172.475 213.780 257.078 390.413

7,8 5,1 4,6 3,9 3,4 3,1

WA 15.593 29.708 184.124 332.732 502.480 1.030.469

NT 1,4 1,3 4,9 6,1 6,6 8,1

3.451 4.811 3.867 10.868 86.390

ACT 0,2 0,1 0,1 0,2 0,7

2.572 16.905 144.063

0,1 0,2 1,1

gesamt 1.151.947 2.250.194 3.773.801 5.435.734 7.579.358 12.755.638

Ein erster Blick auf die Tabelle weist auf stabile Muster der Bevölkerungsverteilung hin. Die beiden Staaten bzw. Kolonien des Südostens, New South Wales und Victoria, haben während der gesamten Geschichte von White Australia die Mehrheit der Bevölkerung gestellt.

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Zwischen den beiden bevölkerungsreichsten Kolonien/Staaten haben sich die Gewichte bedeutend verschoben. Victoria, das während des Goldrausches der 1850er Jahre beinahe die Hälfte der weißen Bevölkerung Australiens beherbergte, hat zwar seitdem numerisch weiter an Bevölkerung hinzugewonnen, im Vergleich zu den anderen Kolonien aber an Bedeutung verloren. Nicht mehr knapp die Hälfte, sondern nur

100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0

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mehr ein gutes Viertel der australischen Bevölkerung lebte nach dem Zweiten Weltkrieg in Victoria. New South Wales hingegen, dessen Kapitale Sydney während und nach dem Goldrausch den Platz als größte australische Stadt zeitweise an Melbourne verloren hatte, gewann bis nach dem Zweiten Weltkrieg stetig an Bedeutung hinzu. Zeitweilig lebten zwei Fünftel aller Australier in New South Wales. -

Die Bedeutung der beiden südöstlichen Kolonien hat sich im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts etwas abgeschwächt. Vor allem wegen des relativen Bedeutungsverlusts von Victoria stellten die beiden bevölkerungsreichsten Staaten Mitte des 20. Jahrhunderts nicht mehr, wie noch 1861, ¾ der australischen Einwohner, sondern „nur noch“ 2/3.

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Im Wachstum der Kolonien/Staaten zeigen sich bedeutende Verschiebungen. Die Bevölkerung Victorias 1861 muss man mit dem Faktor 2,2 multiplizieren, um die Bevölkerung von 1901 zu erhalten. Für South Australia lautet der Faktor 2,8, für Tasmania nur 1,9, für New South Wales 3,9. Dagegen wuchs Western Australia um den Faktor 11,8 und Queensland gar um den Faktor 16,6. Erstellen wir für jedes der Stichjahre jeweils eine Rangliste nach Bevölkerungszahl, so ergibt sich folgendes Bild:

Tabelle 7: Rangliste der Bevölkerungszahlen in den australischen Kolonien/Staaten Jahr 1861 1881 1901 1921 1947 1971 -

Rang 1 Vic Vic NSW NSW NSW NSW

Rang 2 NSW NSW Vic Vic Vic Vic

Rang 3 SA SA Qld Qld Qld Qld

Rang 4 Tas Qld SA SA SA SA

Rang 5 Qld Tas WA WA WA WA

Queensland war demnach die die am stärksten boomende Kolonie der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Bei der Gründung 1861 kaum mehr als 30.000 Weiße zählend ist die Kolonie in den folgenden 40 Jahren rasch erschlossen worden. In den 1890ern verdrängte sie South Australia vom dritten Rang in der Bevölkerungsstatistik. Wenn sich auch nicht alle Träume der frühen Jahre erfüllt haben (vgl. die Vorlesung über das „wool fever“; auch wurde die Plantagenwirtschaft Queensland in ihrer Entwicklung dadurch gehemmt, dass die südlichen Kolonien/Staaten sich einer massiven Einwanderung billiger Arbeitskräfte aus Melanesien vehement widersetzten), war Queensland in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts insgesamt ein Erfolgsmodell der weißen Landnahme.

9

-

Auch Western Australia hat seine Erfolgsgeschichte, die mit den Goldfunden der 1890er Jahre begann und bis heute nicht beendet ist. Western Australia hatte 1881 noch weniger weiße Einwohner als Queensland 1861. Anders als die Siedlungen an der Süd- und Ostküste prosperierten Perth und Freemantle überhaupt nicht. Während alle anderen Kolonien die „Einfuhr“ von Sträflingen seit den 1840er Jahren überwiegend und teils vehement ablehnten, konnte Western Australia bis zu Beginn der 1860er Jahre nur durch die billige Sträflingsarbeit überhaupt gehalten werden. Die Goldfunde der 1890er Jahre, vor allem bei Coolgardie und Kargoolie, brachten Western Australia Bevölkerungszuwachs und Wohlstand. Mittlerweile hat Western Australia South Australia auf Platz vier der australischen Staaten – nach Bevölkerungszahl gerechnet – abgelöst.

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Eine noch laufende Prosperitätsphase hat ebenfalls die Hauptstadt Canberra zu vermelden, die erst nach der Gründung des Commonwealth of Australia als Planstadt gegründet und zu einem eigenen Staat aufgewertet wurde. Als administratives Zentrum hat Canberra von der Ausweitung der Staatstätigkeit und der Bürokratisierung der Lebensverhältnisse im 20. Jahrhundert profitiert.

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Diesen prosperierenden Staaten stehen zwei vergleichsweise alte Staaten gegenüber, die an Bedeutung stetig verloren haben. Im Falle South Australia ist dies weniger deutlich und der Selbstbeschreibung des Staates angemessen, hatte doch schon die Gründung auf sozialreformerischen Prinzipien und dem Wunsch beruht, gegenüber der Boomtown Melbourne und dem Squatter-Wildwuchs auf ruhige, stetige und mittelständische Entwicklung zu setzen. Stärker negativ wirkt Tasmanien, das im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts die zweitwichtigste Kolonie nach New South Wales und der Ausgangspunkt für die Gründung Melbournes gewesen ist. Tasmanien ist seit den 1830er Jahren von den wirtschaftlichen Dynamiken auf dem Festland nur noch am Rande erfasst worden. Es hat daher eine viel langsamere Entwicklung genommen als die Festlandkolonien.

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Eine Sonderrolle spielt das Northern Territory, das bis 1901 von South Australia und danach von der Zentralregierung aus verwaltet wurde. 1869 wurde Palmerston gegründet, das heutige Darwin. Der Ort erlebte kleinen gold rush und einen cattle rush in den ersten Jahren. 1881 waren immerhin knappe 4.000 Weiße in und um Darwin. Doch im isolierten, klimatisch und von den Bodenverhältnissen her ungünstigen Norden Australiens blieb die Entwicklung stecken. Erst in den 1950er und 1960er Jahren hat Darwin wieder Anschluss an die australische Wirtschaftsentwicklung gefunden.

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2. Wirtschaft Tabelle 8: Landwirtschaftliche Produktion Jahrzehnt 1861-1870 1871-1880 1881-1890 1891-1900 1901-1910 1911-1920 1921-1930 1931-1940 1941-1950 1951-1960 1961-1970 -

Ø jährl. Weizenprod. (in 1.000 bushels5) 10.566 17.673 26.967 33.338 56.058 95.480 135.484 177.758 145.599 174.684 345.953

Veränderung zur Vordekade in % + + + + + + + + +

67,3 52,6 23,6 68,2 70,3 41,9 31,2 18,1 20,0 97,7

Ø jährl. Wollprod. (in t) 53.965 120.898 185.304 260.472 261.905 323.457 365.933 457.359 488.003 621.118 805.070

Veränderung zur Vordekade in % + + + + + + + + + +

124,0 53,3 40,6 0,6 23,5 13,1 25,0 6,7 27,3 29,6

Die landwirtschaftliche Produktion in Australien ist im Ganzen durch stetiges Wachstum gekennzeichnet. Die großen Dürreperioden (vor allem 1895-1903 und 1958-1968) zeichnen sich eher durch Stagnation als durch Rückgang ab. Das Wachstum wird durch Mechanisierung und Verbesserung der verwendeten Pflanzen- und Tierarten getragen. In Victoria wurde 1884 die erste mechanische Erntemaschine erfunden. Nach 1920 wurden die ersten benzinbetriebenen Traktoren eingesetzt. Die Veränderungen in der Tierzüchtung sind – nicht anders als in Europa - heute nur noch schwer vorstellbar. Die Schafe und Kühe des Jahrs 1800 sind so viel kleiner und dürrer als die heutigen gewesen, dass wir Schwierigkeiten haben würden, sie überhaupt als Schafe oder Kühe zu erkennen.

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Produktion und Beschäftigung haben sich in der Landwirtschaft im 20. Jahrhundert – wie in den europäischen Gesellschaften – auseinander entwickelt. 1921 lebten noch 37% der Australier auf dem Land, 1954 waren es 21 %, 1981 14%.

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Das durch die Zehnjahresschnitte sich ergebende Bild einer stetigen Aufwärtsentwicklung verdeckt erhebliche jährliche und regionale Schwankungen. Die Weizenproduktion unterlag großen Produktionsschwankungen, die vor allem auf das unzuverlässige australische Klima zurückzuführen sind. Hinter der durchschnittlichen jährlichen Weizenproduktion von 33.338.000 Bushel in den Jahren 1891-1900 verbergen sich Jahresergebnisse zwischen 18.270.000 (1896) und 41.418.000 (1899). 1915 wurden

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Bushel ist ein Hohlmaß für Trockensubstanzen. Ein britisches bushel entspricht 36,369 l. Die australische Statistik hat bis 1970 dieses Maß verwendet ist dann zu Tonnen übergegangen.

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24.892.000 Bushel Weizen geerntet, im Folgejahr 179.066.000 Bushel, also mehr als das Siebenfache. -

Erhebliche regionale Unterschiede zeigen sich in der Auswirkung der großen Dürre 1895-1903. Der größte Fleischproduzent in Australien, Queensland, verzeichnete einen Einbruch um mehr als die Hälfte, und zog damit die gesamtaustralische Statistik ins Minus. South Australia hatte ähnlich starke Einbußen, war allerdings für das gesamtaustralische Ergebnis im Fleischbereich weniger bedeutend. In New South Wales und Victoria weist die Fleischproduktionskurve eine Delle, aber keinen Einbruch aus. In Tasmania zeigt die Kurve insgesamt eher nach oben. Western Australia weicht wieder einmal vom Gesamttrend der 1890er Jahre ab. Zwischen 1890 und 1910 hat sich die Fleischproduktion – von einem allerdings sehr niedrigen Niveau ausgehend – versiebenfacht.

Tabelle 9: Goldproduktion der australischen Staaten in Tonnen (Zehnjahresschnitte) Jahr 1855 1865 1875 1885 1895 1905 1915 1925 1935 1945 1955 1965 1975 -

NSW 4,79 9,02 6,43 2,77 9,64 8,53 4,12 0,60 1,56 1,34 0,94 0,30 0,39

Vic 82,58 47,20 31,29 21,53 21,68 23,24 10,24 1,47 2,72 1,92 1,18 0,60 0,22

Qld

WA

0,68 10,97 7,78 15,75 18,43 7,77 1,44 3,20 1,97 2,00 2,39 1,40

6,44 60,82 37,64 13,72 20,19 14,75 25,95 20,42 7,11

andere 0,00 0,09 1,79 2,45 3,00 0,79 0,15 0,65 0,64 2,56 3,59 8,28

Australien 87,37 56,90 48,78 33,87 55,95 114,02 60,56 17,39 28,32 20,44 32,63 27,30 16,39

Die australische Goldproduktion erfolgte in Schüben, die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch immer neue Goldfunde ergaben, die gegen den Uhrzeigersinn in den einzelnen Kolonien/Staaten gemacht wurden. Es begann mit dem gold rush in Victoria 1851ff. Es folgten die Funde in Queensland in den 1870er und in Western Australia in den 1890er Jahren.

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Die Goldproduktion Australiens ist daher durch chronologische und regionale Wellenbewegungen gekennzeichnet. Victoria beherrschte in den 1850ern nicht nur die australische, sondern zeitweise sogar die Weltgoldproduktion. Dann wurde die Goldsuche dort technisch anspruchsvoller (Tiefbau) und immer weniger ergiebig. Die Goldfunde in Queensland konnten den Rückgang des victorianischen Goldabbaus nicht kompensieren, so dass die gesamtaustralische Goldproduktion bis in die 1890er Jahre stetig

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sank. Dann produzierten die Goldfunde bei Coolgardie und Kargoolie eine neue Welle. 1905 stammte mehr als die Hälfte des in Australien geförderten Goldes aus Western Australia. Weil die Produktion in den anderen Staaten noch nicht aufgehört hatte, konnte Australien in den Jahren 1899-1908 regelmäßig mehr Gold fördern als im 1850er gold rush Jahrzehnt. Danach ging die Produktion stetig zurück. Tabelle 10: Wert der Produktion an Bodenschätzen (in 1000 £, Zwanzigjahresschnitte) Gold % Silber % Zinn % Kupfer % Zink % Eisen % Kohle % Andere % Gesamt % -

1860 1880 1900 1920 1940 1960 10.377 4.933 13.578 5.308 17.520 15.870 93,7 68,5 63,5 24,5 43,8 10,1 12 46 3.074 763 6.333 20.401 0,1 0,6 14,4 3,5 15,8 13,0 5 845 550 1.125 1.006 1.940 0,0 11,7 2,6 5,2 2,5 1,3 445 677 1.883 2.658 1.272 25.439 4,0 9,4 8,8 12,2 3,2 16,2 1 44 250 1.645 7.730 0,0 0,2 1,2 4,1 4,9 4 27 1.154 2.664 4.906 0,1 0,1 5,3 6,7 3,1 236 646 2.024 9.444 7.936 55.201 2,2 9,0 9,5 43,6 19,8 35,2 1 52 197 973 1.626 25.212 0,0 0,7 0,9 4,5 4,1 16,1 11.075 7.206 21.379 21.675 40.003 156.699 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 Für Australien war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Gold das bei weitem wichtigste mineralische Erzeugnis. An der Goldproduktion hing – neben der Wollproduktion – der Außenhandel des Landes. Deswegen waren gerade in der schwierigen Situation der 1890er Jahre die westaustralischen Goldfunde so bedeutsam.

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Die Verhältnisse haben sich im 20. Jahrhundert wesentlich geändert. Gold hat seine herausragende Bedeutung verloren. Die hohe Zahl im Jahre 1940 ist eher ein Sonderfall als die Regel. An die Stelle des Goldes ist die Kohle getreten, allerdings nie mit einem so hohen Wertanteil wie Gold vor dem Ersten Weltkrieg. Vielmehr konkurriert es mit einer Vielzahl von anderen Bodenschätzen, die in meist auf ein Erz spezialisierten Boomtowns gefördert werden.

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Der Wert der in Australien geförderten Bodenschätze hat insgesamt seit den 1950er Jahren, und dann noch einmal und sehr stark seit den 1970er Jahren zugenommen.

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Tabelle 11: Occupations, 1911 und 1981 (in Tausend)

Upper professional Graziers/Farmers Lower professional Managerial Shop owners Clerical workers Army, Police Craft workers Shop assistants Factory workers Drivers Service workers Miners Farm workers Labourers total -

1911 num. 32

% 1,7

1981 num. 271

% 4,4

247 58

13,5 3,2

276 638

4,4 10,3

91 23 75 10 316 115 137 95 208 87 190 140 1.831

5,0 1,3 4,1 0,6 17,3 6,3 7,5 5,2 11,4 4,8 10,4 7,7 100,0

362 47 1.291 100 880 369 528 247 596 37 107 448 6.223

5,8 0,8 20,8 1,6 14,2 5,9 8,5 4,0 9,6 0,6 1,7 7,2 100,0

Die australische Beschäftigungsstruktur tendiert in Richtung einer modernen Industriegesellschaft, mit den Abweichungen, die der spezifischen Struktur des Landes entsprechen. Bezeichnend für die Entwicklung im 20. Jahrhundert ist der Rückgang der Farmer und Farmarbeiter von einem knappen Viertel der Arbeitskräfte auf ein gutes Sechzehntel. Ebenso bezeichnend der Rückgang der Bergarbeiter, die 1981 weit unter einem Prozent der Beschäftigten lagen. Die Zunahme der Professionals (upper, vor allem aber lower) liegt im industriegesellschaftlichen Trend, ebenso der deutliche Aufschwung der Bürokräfte von einem Zwanzigstel auf ein Fünftel der Beschäftigten.

Tabelle 12: Höchste – niedrigste jahresdurchschnittliche Arbeitslosenrate nach Jahrzehnten, 1900-1970 Jahrzehnt 1901-1910 1911-1920 1921-1930 1931-1940 1941-1950 1951-1960 1961-1970 -

höchste Arbeitslosenrate 9,4 (1904) 5,0 (1913) 9,8 (1930) 19,7 (1932) 4,9 (1941) 2,9 (1953) 3,2 (1962)

niedrigste Arbeitslosenrate 3,3 (1909 u. 1910) 2,4 (1912) 4,2 (1927) 7,5 (1938) 1,0 (1943) 1,1 (1951) 1,2 (1965)

Das 20. Jahrhundert zerfällt im Hinblick auf die Arbeitslosenrate in fünf Teile. Australien trat in das zwanzigste Jahrhundert inmitten einer Wirtschaftskrise ein, die zu

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relativ hohen Arbeitslosenraten und einem Versiegen der Migrationsströme führte (s.o.). In einer zweiten, mit dem Jahr 1907 beginnenden Phase gingen dann die Arbeitslosenraten deutlich zurück. Sie stiegen in den 1920ern zwar an, blieben aber auf einem vergleichsweise erträglichen Niveau bis zur Weltwirtschaftskrise der frühen 1930er Jahre. Diese dritte Phase traf Australien hart, Das Land brauchte zwei Jahrzehnte, um sich von der tiefen Rezession zu erholen. Ihr folgte ab 1940 – zunächst verdeckt durch den Krieg – eine nie gekannte Phase niedriger Arbeitslosigkeit und stetigen Wirtschaftsaufschwungs: das in den westlichen Industriestaaten allgemein bekannte „golden age“ der späten 1940er, 1950er und 1960er Jahre. Seit der Ölkrise ist Australien wie die anderen Industriestaaten in eine Phase höherer Arbeitslosigkeit eingetreten, deren Ende noch nicht abzusehen ist. Tabelle 13: Eisenbahnstreckennetz in Kilometern 1861 1881 1901 1921 1941 1961 1979 -

NSW Vic Qld SA Tas WA NT ACT Aust 117 183 90 390 1.603 2.007 1.287 1.339 72 148 - 6.456 4.580 5.209 4.508 2.794 735 2.181 233 - 20.240 8.116 6.867 9.257 5.485 1.014 6.425 320 8 37.492 10.248 7.271 10.569 6.130 1.033 7.781 789 8 43.829 10.144 6.518 10.177 6.173 832 7.366 789 8 42.007 10.140 5.876 9.789 5.944 864 6.501 278 8 39.388 Der Eisenbahnbau begann in Australien Mitte der 1850er Jahre in New South Wales, Victoria und South Australia. Eine Koordination des Eisenbahnbaus zwischen den Kolonien fand nicht statt. Er war auch bis Ende des 19. Jahrhunderts nicht nötig, denn zwischen den Metropolen vollzog sich der Gütertransport per Schiff. Der Ausbau des Eisenbahnnetzes richtete sich nach den Bedürfnissen der Kolonie: die Hauptlinien liefen halbsternförmig auf die jeweilige Hauptstadt zu, jeweils eigene Spurbreiten wurden verwendet. Victoria und South Australia arbeiteten mit den weitesten Spurbreiten. Ihre Lokomotiven und Wagen wurden in der Phoenix Foundry in Ballarat gebaut6. Vielleicht entschied sich New South Wales schon allein deswegen für die britische Spurweite, um seine Wagen nicht in Victoria kaufen zu müssen. Jedenfalls gab es seit Juni 1883 zwar eine direkte Verbindung zwischen Sydney und Melbourne. Doch die Passagiere mussten in der „Grenzstadt“ Albury umsteigen, weil Wagen und Lokomotiven aus New South Wales nicht auf den anderen Spurbreiten Victorias fahren konnten. Das blieb so bis 1962. Queensland, Western Australia und Tasmania wählten eine noch kleinere Spurbeite als New South Wales. Das war billiger und kam den finanz-

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und einwohnerschwächeren Kolonien entgegen, die überdies große, aber fast menschenleere Flächen mit ihren Bahnen überwinden mussten (vgl. die Strecke Perth – Kargoolie). -

Der Eisenbahnbau verlief in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dynamisch. In Victoria hatte der Eisenbahnbau um die Jahrhundertwende bereits einen gewissen Sättigungsgrad erreicht. In den übrigen Staaten, die viel größere Outback-Anteile hatten, verdoppelte sich die Netzkilometerzahl zwischen 1901 und 1921 noch einmal. In Western Australia trat sogar eine Verdreifachung ein – aber Western Australia war ein latecomer und hatte Anfang des Jahrhunderts keine Wirtschaftskrise und durch die Goldfunde finanzielle Ressourcen.

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Der Eisenbahnbau war eine große Leistung. Australien hatte nicht viele Einwohner und die zu überbrückenden Entfernungen waren riesig. Der Eisenbahnbau über die Vororte der Großstädte und die Verbindung zwischen den Großstädten hinaus, vor allem der Bau ins Outback hinein war eine finanzielle Investition, die nur unter Staatsentwicklungsgesichtspunkten vernünftig war. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hinterließ der Eisenbahnbau tiefe Spuren in den Etats der einzelnen Kolonien. An eine private Finanzierung – wie in weiten Teilen Europas üblich, wo die Bahnen erst später verstaatlicht wurden – war nicht zu denken.

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Ende der 1920er Jahre kam der Ausbau des Eisenbahnnetzes zum Erliegen. Die wichtigsten Bauvorhaben waren getätigt. Ein weiterer Ausbau konnte in Zeiten der Wirtschaftskrise nicht mehr finanziert werden. Als er in den 1950er Jahren finanziell wieder möglich war, hatte der Individualverkehr per Auto begonnen, den Bahnverkehr zu ersetzen.

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Vgl. Geoffrey Blainey: A Shorter History of Australia, Milsons Point 1997, 84.

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3. Kultur Tabelle 14: Religionszugehörigkeit der Bevölkerung in New South Wales 1891, 1947, 1981 Anglikaner Baptisten Brethren Katholiken Churches of Christ Congregational Lutheraner Methodisten Orthodoxe Presbyterianer Heilsarmee 7-TageAdventisten Unitarier Andere Protestanten Andere Christen Juden Muslime Buddhisten Andere Gesamt -

1891 623.148 15.440 2.149 347.286 3.453

% 46,0 1,1 0,2 25,6 0,3

1947 1.293.964 34.935 4.401 676.993 10.269

% 43,4 1,2 0,1 22,7 0,4

1981 1.569.374 64.663 6.007 1.424.499 14.195

% 30,6 1,3 0,1 27,8 0,3

24.834 7.387 137.638 561 132.617 9.585 1.177

1,8 0,5 10,2 0,0 9,8 0,7 0,1

19.331 5.915 246.876 7.226 262.166 10.871 7.157

0,6 0,2 8,3 0,2 8,8 0,4 0,2

9.113 31.696 148.992 171.427 252.725 21.976 19.049

0,2 0,6 2,9 3,3 4,9 0,4 0,4

770 3.335

0,1 0,2

308 21.084

0,0 0,7

48.880

1,0

4.148

0,3

20.672

0,7

299.946

5,9

6.447 1.072 5.471 28.328 1.354.846

0,5 0,1 0,4 2,1 100,0

13.194 584 450 348.442 2.984.838

0,4 0,0 0,0 11,7 100,0

25.176 38.527 15.635 964.337 5.126.217

0,5 0,8 0,3 18,8 100.0

Die vorstehende Tabelle bezieht sich auf New South Wales, nicht auf Gesamtaustralien. Doch nehmen wir im Folgenden den größten der australischen Staaten als pars pro toto. Zu berücksichtigen ist aber, dass New South Wales im Vergleich zu Queensland oder Western Australia vergleichsweise „europäischer“ ist.

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Australien nie eine Staatskirche gehabt. Als die ersten Sträflinge kamen, war an ihre geistliche Versorgung gar nicht gedacht worden. Mit den freien Siedlern kamen die Prediger der verschiedenen Kirchen. Entsprechend der Herkunft der Siedler waren die überwiegende Zahl der Australier des ausgehenden 19. Jahrhunderts Anglikaner (englische Staatskirche), Methodisten (aus der anglikanischen Kirche im 18. Jahrhundert hervorgegangene Erweckungsbewegung), Presbyterianer (Schotten) und Katholiken (Iren).

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Neben den vier dominierenden Kirchen gab es eine ganze Reihe christlicher Gemeinschaften, von denen in der obigen Tabelle nur die größten angeführt werden konnten. Dies war eine Folge der religiösen Freiheit in Australien, die religiöse Zirkel ansprach, die sich in ihrem Lande bedrängt fühlten. Strenge schlesische Lutheraner, die sich der

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Kirchenpolitik des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. nicht beugen wollten, wanderten in den 1830er Jahren nach South Australia aus. Viele andere kleinere Glaubensgemeinschaften gründeten ihre Niederlassungen, häufig kompakt an einem Ort. Gruppen, die in obiger Statistik mit weniger als einem Prozent marginal erscheinen, konnten so regional oder lokal durchaus dominierend sein. -

„Australia is in every sense a dangerous place for Catholics“7, schrieb die Ordensschwester Mary McKillop an den Papst. Mischehen, die Gefahren des leicht zu erwerbenden Geldes, die staatliche – und nicht mehr von der Kirche kontrollierte – Schulerziehung, all das führe die Katholiken dazu, sich von ihrer Kirche zu entfernen. Wirklich sind im 20. Jahrhundert die größten „Gewinner“ in der Religionsstatistik die „Anderen“. Unter diesem Sammelbegriff sind vor allem diejenigen gefasst, die sich entweder dezidiert als Nichtgläubige bezeichneten oder die Antwort auf die Frage nach der Glaubenszugehörigkeit verweigerten. 1891 waren die „Anderen“ noch die fünftgrößte Gruppe in der Statistik. Presbyterianer und Methodisten hatten je etwa 5x mehr Anhänger, von den Anglikanern und Katholiken ganz zu schweigen. 1981 sind sie mit 18,8% auf Platz drei vorgerückt, fünf mal größer als Presbyterianer und beinahe in Sichtweite der Katholiken und der Anglikaner.

-

Der Rückgang der Anglikaner ist auf den Doppeleffekt aus Säkularisierung und Rückgang des Anteils englischer Einwanderer an der Gesamtmigration zurückzuführen. Beides macht die australische Gesellschaft weniger britisch auch im Hinblick auf ihre religiöse Prägung. Deutlich zum Ausdruck kommt dies an der Veränderung des Sonntags, in britischen Gesellschaften des 19. Jahrhunderts ein dem Glauben und der Familie zu widmender Tag, an dem alle Arbeit zu ruhen hatte. In Victoria waren auf der Grundlage britischer Gesetze aus dem 17. und 18. Jahrhunderts Handel, öffentlicher Transport, Sport und Erholungsaktivitäten sowie der Druck von Zeitungen verboten. Eine „Lord’s Day Observance Society“ wachte über die Einhaltung der Gesetze. Seit den 1880er Jahren geriet sie langsam unter Druck. Doch noch 1889 wurden Sonntagszeitungen durch den „Victorian Sunday Newspaper Act“ ausdrücklich verboten. In Sydney hingegen durften seit 1878 das Museum, die Kunstgalerie und die Bücherei am Sonntagnachmittag geöffnet sein. Auch Züge fuhren. Dass dies unbritisch sei, wurde zwar empfunden. Doch es reichte immer weniger als Argument, um am Althergebrachten festzuhalten.

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Zitiert nach Beverley Kingston: The Oxford History of Australia, Bd. 3: 1860-1900. Glad, Confident Morning, Melbourne u.a. 1988, 66.

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Der Katholizismus scheint hingegen von den Migrationseffekten eher profitiert zu haben und gegen die Säkularisierung gefestigter zu sein.

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Die offenere Einwanderungspolitik Australiens seit dem Zweiten Weltkrieg bis in die 1970er Jahre kommt auch in dem Wachsen verschiedener Glaubensgemeinschaften zum Ausdruck, die 1891 noch ganz unbedeutend gewesen waren. Der Anteil der Juden, der Muslime und der Buddhisten ist angestiegen und wird in der Zwischenzeit wohl noch weiter gestiegen sein. Die orthodoxe Kirche dürfte von der Zuwanderung der Griechen profitiert haben. Was die religiöse Struktur angeht, so scheint sich Australien auf dem Weg von einer eher britischen zu einer eher US-amerikanischen Gesellschaft zu befinden.

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Historikerinnen und Historiker sollten freilich nicht den Fehler machen, die Selbstbeschreibung der Kirchen mit der Wirklichkeit zu verwechseln. In den außereuropäischen Siedlungskolonien war wahrscheinlich der wichtigste Glaube im ausgehenden 19. Jahrhundert nicht der an einen Gott, sondern der an den Fortschritt (vgl. die Ausführungen zu „marvellous Melbourne“ letzte Sitzung), der an die Überlegenheit der weißen Rasse und speziell der britische Zivilisation (bzw. im Falle Algeriens der der französischen usw.) oder der an den schließlichen Sieg des Sozialismus. Gerade in Australien nahm „der Glaube an die Zukunft … bisweilen den Charakter einer diesseitigen Religion an und weckte große Heilserwartungen. … Utopisches Denken wurde … zu einem konstitutiven Merkmal der australischen Kultur … Indem im 19. Jahrhundert die Australier sich an der Zukunft anstatt an der Vergangenheit orientierten, unternahmen sie einen bedeutsamen Schritt in Richtung einer autonomen und authentischen Selbstdefinition. Sie schufen damit die Grundlage für die kulturelle Erfindung Australiens. Dieser Selbstentwurf ermöglichte es ihne, mit Mut und Tatkraft den psychologischen und materiellen Herausforderungen ihrer neuen Umwelt zu begegnen.“8

Kultur ist natürlich nicht nur Religion. Und Kultur ist – gerade in Australien – nicht zuerst Hochkultur: „Culture had been what superior and leisured people did to amuse themselves and fill in their time. In Australia it became what ordinary people did with their leisure to amuse themselves and make them feel superior.”9 Australien war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Modernität verpflichtet. Aufgrund der fehlenden alten Aristokratie und

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Norbert R. Platz: Australiens kulturelle Befindlichkeit und Selbstbestimmung im Spiegel seiner Zukunftsentwürfe und identitätsstiftenden Leitbilder, in: Rudolf Bader (Hg.): Australien. Eine interdisziplinäre Einführung, Trier 1996, 263-300, hier 270. 9 Beverley Kingston: The Oxford History of Australia, Bd. 3: 1860-1900. Glad, Confident Morning, Melbourne u.a. 1988, 175.

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des fehlenden arrivierten Bürgertums – für das die Squatter-Aristocracy und das im Boom der 1850er Jahre entstehende Wirtschaftsbürgertum nur einen schwachen Ersatz boten – kam in Australien der Übergang von der Hoch- zur Massenkultur besonders früh und besonders stark. Er verband sich mit dem wachsenden Bemühen, sich selbst zwar als Teil des britischen Empire, aber als Australier zu verstehen und auszudrücken. Engländer, die Australien besuchten, fanden die massenkulturelle Selbstinszenierung der Australier befremdlich. Der englische Schriftsteller Douglas Sladen entdeckte nach eigener Aussage, „that nothing was of any importance in Australia except sport and money. If Tennyson or Walter Scott had gone to a bush township, he would have been judged merely by his proficiency or absence of proficiency as a groom. Horsemanship is the one test of the inhabitants of a bush township.”10 Pferdesport wurde zur Passion auch in den australischen Metropolen. Für die kolonialen Eliten in Melbourne und Sydney war der Besuch der “racing season” seit den 1880er Jahren eine soziale Notwendigkeit. Football und Cricket waren die populärsten Mannschaftssportarten. Pferdesport, Cricket und Football verbreiteten ihre Regelwerke von der Oberschicht aus. Sie wurden aber bald zu Freizeitaktivitäten breiterer Schichten, die sich mit „Stars“ und Teams identifizierten. In Wettbewerben mit englischen Teams oder englischen Pferden drückte sich das entstehende nationale Selbstverständnis aus. Sport wurde zur nationalen Passion. Als der australische Ruderer Harry Searle 1889 23jährig an Typhus starb, wurde seine Leiche von Melbourne über Sydney zu seinem Geburtsort MacLean gebracht. Große Menschenmengen begleiteten den Sarg. In Melbourne und Sydney wurden öffentliche Totenfeiern für Searle veranstaltet, die Tausende anzogen11. Auch manchen Australiern war die in diesen Beispielen aufscheinende körperbetonte, wettbewerbsorientierte und früh kommerzialisierte Massenkultur peinlich: „Sheep-culture, agriculture, physical culture have reached high standards in Australia, but intellectual culture has been neglected, schrieb P. R. Stephensen noch 1936. „We require now to grow to fuller intellectual stature – to become an nation in all attainments.“12 Diese Selbstanklage war übertrieben. Eine australische Hochkultur war durchaus schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden. Malerei und Literatur haben ihren Teil zur Entstehung eines nationalen Selbstverständnisses beigetragen. „In the 1860s two poets led this slow process of adaptation“: Henry Kendall und Adam Lindsay Gordon. Ihre Naturlyrik be-

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Zitiert nach Beverley Kingston: The Oxford History of Australia, Bd. 3: 1860-1900. Glad, Confident Morning, Melbourne u.a. 1988, 188. 11 Vgl. Scott Bennett: The Clarence Comet. The Career of Henry Searle 1866-1889, Sydney 1973. 12 Zitiert nach Norbert R. Platz: Australiens kulturelle Befindlichkeit und Selbstbestimmung im Spiegel seiner Zukunftsentwürfe und identitätsstiftenden Leitbilder, in: Rudolf Bader (Hg.): Australien. Eine interdisziplinäre Einführung, Trier 1996, 263-300, hier 263.

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schäftigte sich nicht mehr mit dem Europäischen im Australischen, sondern pries bellbirds und wattle trees. Das Schöne Australiens war für sie das Eigene, das Nicht-Europäische. In der Malerei brach die „Heidelberg school“ (Heidelberg ist ein Vorort von Melbourne) in den späten 1880er Jahren den Bann. Sie entdeckten die Schönheit des Outback, der Trockenheit, der Variationen von Braun und Ocker und wandten sich damit von den bisher vorherrschenden „europäischen“ Landschaftsthemen wie Flüssen und Bergen, Wasserfällen und dunklen Wäldern ab. Einige Jahre später sollte Dorothea Mackellar einen der meist zitierten Verse der australischen Literatur schreiben: „I love a sunburnt country“.13

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Vgl. Geoffrey Blainey: A Shorter History of Australia, Milsons Point 1997, 103-105.