Soziale Sicherung und Sozialpolitik

Soziale Sicherung und Sozialpolitik Modul 8100 Prof. Dr. Georg Kortendieck Leseprobe Volkswirtschaftslehre kompakt – Soziale Sicherung und Sozialpo...
Author: Elsa Sommer
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Soziale Sicherung und Sozialpolitik Modul 8100 Prof. Dr. Georg Kortendieck

Leseprobe

Volkswirtschaftslehre kompakt – Soziale Sicherung und Sozialpolitik

Impressum Die Berufsbezogenen Weiterbildungsstudiengänge Sozialmanagement und Öffentliches Dienstleistungsmanagement in der Studienform Fernstudium wurden als Projekt entwickelt und durch die BundLänder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung gefördert. Verfasser:

Prof. Dr. Georg Kortendieck Professor für Betriebswirtschaftslehre im Sozialen Sektor/Sozialmanagement an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften Braunschweig/ Wolfenbüttel, Fakultät Soziale Arbeit, Fachbereich Sozialwesen

Der Studienbrief wurde auf der Grundlage des Curriculums für das Modul „Volkswirtschaftslehre“ verfasst. Die Bestätigung des Curriculums und des Studienbriefes erfolgten durch den Fachausschuss für Sozialmanagement, dem als Mitglieder Professoren und Dozenten von HDL- und kooperierenden Hochschulen angehören.

2. Auflage 2015

ISBN 978-3-86946-026-0

Redaktionsschluss: Dezember 2014

Studienbrief

2-020-2803

© 2014 by Service-Agentur des Hochschulverbundes Distance Learning. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung und des Nachdrucks, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung der Service-Agentur des HDL reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Service-Agentur des HDL (Hochschulverbund Distance Learning) c/o Agentur für wissenschaftliche Weiterbildung und Wissenstransfer e. V. Magdeburger Straße 50, 14770 Brandenburg Tel.: 0 33 81 - 35 57 47 E-Mail: [email protected] Fax: 0 33 81 - 35 57 49 Internet: http://www.aww-brandenburg.de

Volkswirtschaftslehre kompakt – Soziale Sicherung und Sozialpolitik

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungen ..................................................................................................................................................................................6 Einleitung .........................................................................................................................................................................................7 Literaturempfehlung ....................................................................................................................................................................8 1

Grundlagen der sozialen Sicherung....................................................................................................................9

1.1

Die Absicherung gegen Risiken ...........................................................................................................................................................9

1.2

Aufbau des Sozialsystems................................................................................................................................................................... 10

1.3

Begründung sozialer Sicherung ....................................................................................................................................................... 13

1.4

Ziele der sozialen Sicherung .............................................................................................................................................................. 16

1.6

Entwicklung der sozialen Sicherung............................................................................................................................................... 19

1.7

Finanzierung der sozialen Sicherung ............................................................................................................................................. 21

2

Einrichtungen der sozialen Sicherung ............................................................................................................ 24

2.1

Die existenzielle Grundsicherung (SGB II)..................................................................................................................................... 24

2.2

Die gesetzliche Arbeitslosenversicherung (SGB III)................................................................................................................... 29

2.3

Die gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) ............................................................................................................................. 31

2.4

Die gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) ............................................................................................................................ 37

3

Probleme der sozialen Sicherung ..................................................................................................................... 46

3.1

Kostenentwicklung in der sozialen Sicherung ............................................................................................................................46

3.2

Probleme der Arbeitslosenversicherung und der Grundsicherung ................................................................................... 49

3.2.1

Die Ursachen von Arbeitslosigkeit – eine kontroverse Diskussion ..................................................................................... 49

3.2.2

Die passive Arbeitsmarktpolitik ....................................................................................................................................................... 52

3.2.3

Die aktive Arbeitsmarktpolitik .......................................................................................................................................................... 53

3.2.4

Armuts- und Arbeitslosigkeitsbekämpfung im Widerspruch? ............................................................................................. 57

3.3

Probleme der gesetzlichen Rentenversicherung....................................................................................................................... 62

3.3.1

Die Rente ab 67 oder doch mit 63? .................................................................................................................................................. 62

3.3.2

Demografische Entwicklung: der Generationenvertrag ......................................................................................................... 65

3.3.3

Umlagefinanzierung vs. Kapitaldeckungsverfahren ................................................................................................................68

3.4

Probleme der gesetzlichen Krankenversicherung ................................................................................................................... 70

3.5

Ausblick ..................................................................................................................................................................................................... 73

Antworten zu den Kontrollfragen ........................................................................................................................................ 76 Literaturverzeichnis ................................................................................................................................................................... 79

HDL

6

Volkswirtschaftslehre kompakt – Soziale Sicherung und Sozialpolitik

Abkürzungen

HDL

Abb.

Abbildung

ALG

Arbeitslosengeld

ALG II

Arbeitslosengeld II („Hartz IV“)

Art.

Artikel

Aufl.

Auflage

B

Anzahl der Beitragszahler

b

Beitragssatz zur Rentenversicherung

BAföG

Bundesausbildungsförderungsgesetz

BiB

Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

BIP

Bruttoinlandsprodukt

BMAS

Bundesministerium für Arbeit und Soziales

bspw.

beispielsweise

Ed.

Edition

EU

Europäische Union

EZB

Europäische Zentralbank

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

GG

Grundgesetz

GKV

gesetzliche Krankenversicherung

GPV

gesetzliche Pflegeversicherung

GRV

gesetzliche Rentenversicherung

Hrsg.

Herausgeber

IAB

Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung, Nürnberg

Kap.

Kapitel

o. J.

ohne Jahr

OECD

Organisation for Economic Cooperation and Development

P

Preis

R

Anzahl der Rentner

r

durchschnittliche Rente

S.

Seite

SGB

Sozialgesetzbuch

SVR

Sachverständigenrat (zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung)

Tab.

Tabelle

Y

durchschnittliches Einkommen

Volkswirtschaftslehre kompakt – Soziale Sicherung und Sozialpolitik

Einleitung Der letzte Band der Reihe „Volkswirtschaftslehre kompakt“ wendet sich nach der Einführung in das volkswirtschaftliche Denken im Rahmen der Mikroökonomie und Makroökonomie und den Grundlagen der Wirtschaftspolitik der sozialen Sicherung zu. Die soziale Sicherung im weiteren Sinne umfasst alle Aufgaben, die durch das Sozialbudget der Bundesrepublik Deutschland erfasst werden. Letztlich handelt es sich um die Felder der Sozialpolitik: – Hierzu zählen die Bereiche Fürsorge (Kinder- und Jugendhilfe, Sozialhilfe), Versorgung (Förderung von Familien, aber auch Beamtenversorgung) und – die soziale Sicherung im engeren Sinne, die Sozialversicherungen. – Diese stehen mit der Grundsicherung nach SGB II auch im Zentrum der Betrachtungen in diesem Studienbrief. Die Sozialversicherungen umfassen zwei Drittel des Sozialbudgets und betreffen die Absicherung gegen die (Einkommens- und Vermögens-)Risiken aus Arbeitslosigkeit, Krankheit, Pflege, Unfall und Alter. In diesem Studienbrief erfahren Sie zunächst, wie das Sozialbudget aufgebaut ist, welchen Umfang es mittlerweile hat und welche Rolle die Sozialversicherungen darin spielen. Um zu verstehen, weshalb es überhaupt Sozialversicherungen gibt, betrachtet Kapitel 1 zudem die Prinzipien der Sozialpolitik: Eigenverantwortung, Solidarität und Subsidiarität. Die Sozialversicherungen haben zwar noch eine Reihe von marktwirtschaftlichen Elementen, sie sind aber weitgehend einer rein marktwirtschaftlichen Steuerung entzogen. Die Begründungen hierfür liegen zum einen in den distributiven Zielen, zum anderen in den allokativen Mängeln des Marktsystems. Die Ausgestaltung der großen Sozialversicherungen und der Grundsicherung werden im zweiten Kapitel näher analysiert. Im Mittelpunkt stehen die Arbeitslosenversicherung (SGB III) und die Grundsicherung nach SGB II, die gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) und die aus ihr herausgelöste soziale Pflegeversicherung (SGB XI) sowie die größte Sozialversicherung, die gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI). Nach einer grundlegenden Erörterung ihrer Begründung, Prinzipien und Entwicklung zeigt das dritte Kapitel die wesentlichen Probleme und alternative Lösungsansätze auf. Vor dem Hintergrund konjunktureller und demografischer Entwicklungen stehen eher wettbewerbliche oder eher bürokratische Reformansätze zur Diskussion.

HDL

7

8

Volkswirtschaftslehre kompakt – Soziale Sicherung und Sozialpolitik

Literaturempfehlung Die Sozialversicherungen und die einzelnen Fürsorge- und Versorgungssysteme des Sozialbudgets finden Sie ausführlich erläutert im vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales jährlich herausgegebenen – Sozialbericht, der über aktuelle Entwicklungen der Sozialpolitik Auskunft gibt sowie in der – „Übersicht über das Sozialrecht“ (2014; 15. Auflage) die auf die einzelnen Gesetzesbücher des Sozialgesetzbuches und aktuelle Entwicklungen eingeht, wie z. B. in der aktuellen Auflage die abschlagsfreie Rente mit 63, die Mütterrente oder auch die Veränderungen in den Beitragssätzen der Rentenversicherung u. a. m. Sehr zu empfehlen sind die umfassenden Darstellungen zur Sozialpolitik von – G. BÄCKER, G. NAEGELE, R. BISPINCK, K. HOFEMANN und J. NEUBAUER, die ihren Klassiker „Sozialpolitik und soziale Lage in Deutschland“ (2010) mittlerweile in der 5. Auflage herausgebracht haben. Sie geben auch die Informationsplattform: www.sozialpoltik-aktuell.de der Universität Duisburg-Essen heraus, die für Recherchen zur sozialen Sicherung aktuelle Zahlen, Hintergründe und Literaturquellen sowie Links anbietet. Nicht ganz so umfangreich wie das Standardwerk von BÄCKER u. a. (2010), aber genauso empfehlenswert sind die Lehrbücher zur Sozialpolitik von: – J. BOECKH, E.-U. HUSTER und B. BENZ (2011): „Sozialpolitik in Deutschland“, – M. BELLERMANN (2011): „Sozialpolitik“ und – H. LAMPERT, J. ALTHAMMER (2007): „Lehrbuch der Sozialpolitik“. (Die neueste Auflage erscheint 2014.) Wissenschaftliche Auseinandersetzungen aus ökonomischer Sicht und wirtschaftspolitische Empfehlungen bietet der – Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR), der jedes Jahr im Herbst sein Gutachten herausgibt. Zur theoretischen Einordnung der sozialen Sicherung und zur Begründung der Sozialpolitik als wesentliches Element der Sozialen Marktwirtschaft sei auf die zwei vorangegangenen Studienbriefe verwiesen: – G. KORTENDIECK (2013): „Volkswirtschaftslehre kompakt – Mikro- und Makroökonomie“. – G. KORTENDIECK (2014): „Volkswirtschaftslehre kompakt – Wirtschaftspolitik“. sowie – Knappe, E./Berthold, N. (Hrsg.) (1998): Ökononische Theorie der Sozialpolitik.

HDL

Volkswirtschaftslehre kompakt – Soziale Sicherung und Sozialpolitik

1

9

Grundlagen der sozialen Sicherung

Studienziel dieses Kapitels ist es, die Sozialversicherung als soziale Sicherung im engeren Sinne einzuordnen und sie im Kontext sozialpolitischer Ziele, Funktionen und Prinzipien zu sehen. Sie lernen in diesem Kapitel  die grundlegenden Prinzipien einer Versicherung kennen,

Studienziele

 wie das Sozialsystem aufgebaut ist,  warum in Deutschland bestimmte Risiken sozial versichert werden,  welche Ziele die soziale Sicherung verfolgt und  wie sich die soziale Sicherung in den letzten Jahren entwickelt hat. Seit den 1970er-Jahren verwendet die Bundesregierung in ihrem Sozialbericht den Begriff „soziale Sicherung“. Der Begriff „soziale Sicherung“ umfasst dabei neben den klassischen Sozialversicherungen, die gegen die Risiken des Lebens absichern sollen, auch die Bereiche Versorgung (z. B. Kindergeld) und Fürsorge (Sozial- und Jugendhilfe). Damit wird nahezu der gesamte Bereich der Sozialpolitik abgebildet (vgl. die Grundlagenwerke zur Sozialpolitik von LAMPERT/ ALTHAMMER, 2007, BÄCKER u. a., 2010, BOECKH u. a., 2011, BELLERMANN, 2011).

1.1

Die Absicherung gegen Risiken

Unter dem damaligen Reichskanzler BISMARCK wurden 1883 die gesetzliche Krankenversicherung, 1884 die Unfallversicherung und 1889 die Invaliden- und Rentenversicherung ins Leben gerufen. 1927 kam die Arbeitslosenversicherung, 1994 – als besonderer Zweig der Krankenversicherung – die Pflegeversicherung hinzu. Die Sozialversicherungen sind von dem Gedanken getragen, dass die individuellen Risiken krank, pflegebedürftig oder arbeitslos zu werden unterschiedlich zwischen den Menschen verteilt sind. Dies gilt grundsätzlich für jede Versicherung. Jede Versicherung basiert auf dem Prinzip der Streuung und Zusammenfassung (Poolbildung) von Risiken. Ein Risiko ist definiert als: Schadenshöhe × Schadenswahrscheinlichkeit.

Definition

Für risikoscheue Individuen ist es vorteilhaft, sich zu versichern, weil der Nutzenverlust eines regelmäßigen geringen Versicherungsbeitrags niedriger ist als der Nutzenverlust eines individuell gegen mögliche Schäden aufgebauten Vermögens, das im Schadensfall verbraucht werden muss. Je wahrscheinlicher und je höher ein möglicher Schaden sein kann, desto attraktiver ist es für den Einzelnen, sich bereits mit kleinen Beiträgen gegen die finanziellen Folgen solcher Schäden zu versichern. Aufgabe jeder Versicherung ist es, die unterschiedlichen Risiken durch eine möglichst große Versichertengemeinschaft breit zu streuen. Dies gelingt ihr durch das Gesetz der großen Zahlen: Je mehr Personen sich gegen die Risiken versichern, desto leichter ist ein Ausgleich unterschiedlicher Risiken. Obwohl HDL

10

Volkswirtschaftslehre kompakt – Soziale Sicherung und Sozialpolitik

Versicherungen immer wieder auch große Schadensfälle zu begleichen haben, können sie die Versicherungsprämien niedrig halten, weil diese Schadensfälle nur vereinzelt auftreten und sich die Einnahmen über die Beiträge gleichzeitig auf die große Zahl der Versicherten verteilt. Wenn eine Versicherung prinzipiell günstiger ist als die individuelle Absicherung gegen Risiken, fragt man sich, warum es die großen Sozialversicherungen überhaupt gibt. Ein Grund waren die damals mit der Industrialisierung massiv auftretenden Risiken der lohnabhängigen Arbeit, die unter anderem dazu führten, dass in Konjunkturkrisen viele Menschen ihre Arbeit verloren und verarmten. Krankheit und Alter stellten weitere gravierende Risiken der Verarmung dar. Sozialversicherungen sind dann erforderlich, wenn – sich die Individuen nicht von sich aus gegen diese Risiken versichern können (z. B. wenn das Einkommen zu gering ist) oder wollen (wenn bspw. das individuelle Risiko des Schadenseintritts als gering eingeschätzt wird), – es diese Versicherungen nicht am freien Markt gibt oder – neben der Absicherung noch weitere soziapolitische Ziele mit verfolgt werden sollen (z. B. Umverteilungen). Im Rahmen der Sozialpolitik kommt zum Versicherungsgedanken und zur Vermeidung von Risiken durch Schutzbestimmungen die Fürsorge durch den Staat als letztes Sicherungsnetz hinzu. Wenn die Versicherungssysteme nicht greifen, ist es Aufgabe der fürsorglichen Leistungen, den Betroffenen ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen.

Definition

Als Leistungen kommen grundsätzlich Geld-, Sach- und Dienstleistungen sowie die Gewährung und Durchsetzung von Rechten in Frage. Diese Leistungen und ihre Finanzierung erfasst das Sozialbudget (Sozialbericht, 2013, S. 159 ff.).

1.2

Aufbau des Sozialsystems

Das Sozialbudget unterscheidet die Leistungen nach Arten, Funktionen und Institutionen. Zu den Leistungsarten zählen: Sozialschutzleistungen (Einkommens- und Sachleistungen) sowie Verwaltungsausgaben. Die funktionale Gliederung zeigt, welchen Risiken vorgebeugt und welches Ziel verfolgt wird: Krankheit, Invalidität, Alter, Hinterbliebene, Kinder, Ehegatten, Mutterschaft, Arbeitslosigkeit, Wohnen und allgemeine Lebenshilfe. Üblich ist auch die Zusammenfassung zu noch größeren Aggregaten, wie „Alter und Hinterbliebene“, „Gesundheit“, „Arbeitslosigkeit“, „Ehe und Familie“ und Sonstiges (s. Tabellen 1.1 und 1.2):

HDL

Volkswirtschaftslehre kompakt – Soziale Sicherung und Sozialpolitik

Sozialbudget 2012

1991

2000

2010

2011p

2012s

Leistungen nach Arten ............................ 397.252 608.464 764.598 768.071 782.439

2013s

2017s

808.257 902.467

Sozialschutzleistungen............................... 382.808 587.030 733.920 737.404 751.708 776.177 869.162 Period. Einkommensleistungen......... 260.479 398.610 460.536 459.865 467.402 476.689 526.266 3.859 7.267 5.712 5.223 5.359 5.268 Einmalige Einkommensleistungen..... 2.611 Sachleistungen................................. 119.718 184.561 266.117 271.827 279.083 294.129 337.628 Verwaltungsausgaben................................ 13.536 19.918 28.410 28.319 28.250 29.026 30.808 908 1.517 2.269 2.348 2.482 3.054 2.497 Sonstige Ausgaben..................................... Finanzierung nach Arten ......................... 420.220 636.403 810.446 826.246 844.063

853.012 947.369

Sozialbeiträge ............................................ 295.521 der Arbeitgeber ................................ 177.565 - Tatsächliche Beiträge .................... 117.112 - Unterstellte Beiträge ...................... 60.453 der Versicherten................................ 117.956 - Arbeitnehmer.................................. 99.569 - Selbständige................................... 4.684 - Eigenbeiträge v. Empf. soz.Leist..... 8.873 - Übrige............................................. 4.830 Zuschüsse des Staates.............................. 110.550 Sonstige Einnahmen................................... 14.150 Finanzierungssaldo .................................

22.969

417.235 241.561 165.297 76.264 175.674 143.821 7.701 15.717 8.435 204.312 14.855

498.893 267.594 185.863 81.731 231.298 173.442 14.483 32.256 11.118 297.153 14.400

521.617 276.872 192.317 84.555 244.745 183.095 14.938 33.617 13.095 290.907 13.721

537.285 285.016 198.303 86.713 252.269 189.553 15.294 34.413 13.009 293.240 13.538

548.434 290.862 201.892 88.970 257.572 192.589 15.690 36.057 13.236 290.706 13.872

616.063 323.990 225.286 98.704 292.073 217.446 17.650 41.524 15.453 315.854 15.453

27.939

45.847

58.175

61.624

44.755

44.903

Leistungen nach Funktionen 1)................ 382.808 587.030 733.920 737.404 751.708 776.177 869.162 Krankheit ................................................... Invalidität ................................................... Alter ........................................................... Hinterbliebene ............................................ Kinder ........................................................ Ehegatten .................................................. Mutterschaft ............................................... Arbeitslosigkeit .......................................... Wohnen ..................................................... Allgemeine Lebenshilfen ............................

124.243 174.206 238.655 245.413 252.864 267.191 312.198 29.469 47.680 56.822 57.879 59.722 62.087 70.663 115.805 192.723 242.472 244.692 249.503 254.054 284.021 40.866 52.224 52.771 52.864 53.553 54.128 59.299 29.522 59.962 75.537 77.684 79.881 81.200 85.312 3.971 4.756 2.101 2.080 2.124 2.148 2.209 1.444 1.850 2.581 2.138 2.183 2.279 2.617 32.193 43.874 42.325 34.270 31.517 32.731 31.920 3.835 6.570 16.992 16.479 16.218 16.005 15.784 1.459 3.185 3.663 3.906 4.143 4.352 5.141

Finanzierung nach Quellen ..................... 420.220 636.403 810.446 826.246 844.063 Unternehmen (Kapitalgesellschaften)......... Bund .......................................................... Länder ....................................................... Gemeinden ................................................ Sozialversicherung .................................... Private Organisationen .............................. Private Haushalte ...................................... Übrige Welt ................................................

853.012 947.369

147.477 196.441 212.612 219.766 225.935 230.647 257.850 77.018 131.908 199.005 191.560 191.527 187.776 202.078 33.765 58.732 70.290 72.148 73.865 75.370 82.598 34.380 56.655 78.036 78.657 80.556 81.342 89.887 1.455 2.754 2.982 3.213 3.244 3.289 3.747 6.349 10.462 11.808 12.244 12.646 12.912 14.485 119.620 178.998 235.648 248.635 256.287 261.673 296.719 156 451 65 23 3 4 5

1) ohne Verwaltungs- und Sonstige Ausgaben. Ab 2009 einschließlich privater Krankenversicherung. Werte 2013 bis 2017 sind Ergebnisse von Modellrechnungen. Datenstand Mai 2013 p: vorläufig, s: geschätzt

Tabelle 1.1 Sozialbudget in Millionen Euro nach Arten, Funktionen und Quellen: Entwicklung von 1991 bis 2017 (BMAS, 2014, T6)

HDL

11

12

Volkswirtschaftslehre kompakt – Soziale Sicherung und Sozialpolitik

Funktionen

2013 Mrd. Euro

%

Sozialbudget insg.

779,6

100,0

Alter und Hinterbliebene

307,4

39,4

Gesundheit

332,1

42,6

Ehe und Familie

86,6

11,1

Arbeitslosigkeit

32,3

4,2

Wohnen

16,5

2,1

4,6

0,6

allg. Lebenshilfen

Tabelle 1.2 Anteil der Funktionen am Sozialbudget1, geschätzte Werte konsolidiert um die Beträge des Staates ohne steuerliche Leistungen, ohne Verwaltungs- und sonstige Ausgaben (Quelle: BMAS, 2014, S. 14)

Das Sozialbudget wird nach folgenden Institutionen differenziert (s. Tabelle 1.3): – Sozialversicherungssysteme: Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und Unfallversicherung, – Sondersysteme der Altersversorgung und Versorgung im öffentlichen Dienst, – Arbeitgebersysteme: Entgeltfortzahlung, betriebliche Altersversorgung, – Entschädigungssysteme: soziale Gründe, Lastenausgleich, Wiedergutmachung, – Förder- und Fürsorgesysteme: Familienlastenausgleich, Kindergeld, Erziehungsgeld, Elterngeld, Grundsicherung für Arbeitssuchende, sonstige Arbeitsförderung, Ausbildungsförderung, Sozialhilfe, Wohngeld, Kinderund Jugendhilfe, – steuerliche Leistungen.

1

HDL

Die Differenz des Sozialbudgets in Tab. 1.1 bzw. 1.2 ergibt sich durch Vernachlässigung der Verwaltungs- und sonstigen Ausgaben in Tab. 1.1.

Volkswirtschaftslehre kompakt – Soziale Sicherung und Sozialpolitik

Deutschland insgesamt Mrd. €

%

% BIP

% 1991 – 2012

Sozialbudget insg.1)

812,2

100

29,7

+69,9

Sozialversicherung

494,7

61,7

19,1

+89,6

– Rentenversicherung

263,3

31,1

9,6

+95,1

– Krankenversicherung

192,8

22,8

7,0

+97,3

– Arbeitslosenversicherung

28,9

3,4

1,1

−22,5

– Pflegeversicherung

24,3

2,9

0,9

– Unfallversicherung

12,5

1,5

0,5

+58,0

153,1

18,1

5,6

166,9

41,2

4,9

1,5

– Sozialhilfe

29,7

3,5

1,1

+53,9

– Kinder- und Jugendhilfe

30,8

3,6

1,1

+165,0

Förder- und Fürsorgesysteme: darunter – Grundsicherung f. Arbeitssuchende

– Wohngeld

1,1

0,1

0,0

−49,3

– Elterngeld

5,3

0,6

0,2

+54,0

41,9

4,9

1,5

+302,5

2,6

0,3

0,1

+75,1

64,7

7,7

2,4

+49,0

– Pensionen

47,8

5,7

1,7

+97,4

– Beihilfen

13,7

1,6

0,5

+104,4

Arbeitgebersysteme::

76,0

9,0

2,8

+59,5

– Kindergeld & Familienleistungsausgleich – Ausbildungs-/Aufstiegsförderung Systeme d. öff tl. Dienstes: darunter

darunter – Entgeltfortzahlung

40,0

4,7

1,5

+43,3

– betriebliche Altersversorgung

24,0

2,8

0,9

+86,8

– Zusatzversorgung

11,4

1,3

0,4

+88,4

2,7

0,3

0,1

-68,2

Entschädigungen 1)

Sozialbudget insgesamt und Sozialversicherungssysteme konsolidiert um Beiträge des Staates.

Tabelle 1.3 Sozialbudget: Leistungen nach Institutionen 2013 (geschätzte Werte; Quelle: BMAS, 2014, S. 9ff.)

1.3

Begründung sozialer Sicherung

Der Begriff „soziale Sicherung“ ist mehrdeutig. „Sozial“ kann bedeuten, dass im Sinne einer gesellschaftlichen Lösung die Allokation bestimmter Risiken zu organisieren ist. „Sozialpolitik“ ist weit gefasst demnach als jede Form politischer Eingriffe zu verstehen, die die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit gestaltet (siehe hierzu BELLERMANN, 2011, Kap. 2). Andererseits meint „sozial“, helfend tätig zu werden. Der Begriff „Soziale Arbeit“ leitet sich sicherlich von dieser Interpretation ab. Die Forderung, helfend tätig zu werden, bedeutet, defizitäre Lebenslagen zu beseitigen oder zumindest zu kompensieren. Soziale Ungleichheit gilt als ein Missstand der Gesellschaft und begründet aus distributiven Gründen staatliche Eingriffe in das Marktsystem. Diesen mateHDL

13