Nr. 2 - Oktober 2016 (überarbeitet 7. Januar 2017)

Armut – soziale Sicherung – „Hartz IV“  Was ist eigentlich Arbeitslosengeld II bzw. Hartz IV … In Deutschland sind die Systeme sozialer Sicherung und Unterstützung weit ausgebaut. Trotzdem gibt es zu viele Menschen, die arm oder von Armut bedroht sind. Im Jahr 2014 waren 16,2 % der nordrhein-westfälischen Bevölkerung von relativer Einkommensarmut betroffen. Damit lag die Armutsrisikoquote um 1,5 Prozentpunkte höher als im Jahr 2010. Kinder und Jugendliche waren im Alter von unter 18 Jahren mit 21,9 % zu einem überdurchschnittlich hohen Anteil betroffen. Nicht vernachlässigt werden darf die hohe Dunkelziffer bei der „verdeckten Armut“. Hier haben Menschen Anspruch auf Sozialleistungen, beantragen diese aber aus unterschiedlichen Gründen nicht. Nachfolgend unternehmen wir den Versuch, wesentliche Inhalte des deutschen Sozialhilfesystems gemäß des Sozialgesetzbuches II (SGB II) kurz und knapp darzustellen. Hierbei sind Lücken unvermeidbar. Gewisse Fehler werden sich aufgrund der Komprimierung nicht verhindern lassen. Deshalb ist die nachfolgende Beschreibung auch nur als Info-Text (ohne Rechtsverbindlichkeit) einzusetzen.

 Es gilt der Grundsatz „Fördern und Fordern“ … Das erklärte Ziel bei der Einführung des SGB II im Jahr 2005 war, Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Hierfür haben die JobCenter auch diverse Möglichkeiten zur Vorbereitung auf die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt von am Arbeitsmarkt benachteiligten Menschen. Seit Beginn wird intensiv darüber diskutiert, ob der Grundsatz des „Förderns und Forderns“ ausgewogen Anwendung findet oder das Fordern zunehmend an erster Stelle steht.

 Antragsberechtigte sind und zur Bedarfsgemeinschaft gehören … Arbeitslosengeld II (ALG II), auch unter dem Namen Hartz IV bekannt, erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte zwischen 15 und 65 Jahren. Es bemisst sich nach dem individuellen Bedarf der leistungsberechtigten Person. Dieser setzt sich aus dem Regelbedarf, eventuellen Mehrbedarfen sowie den Bedarfen für Unterkunft und Heizung zusammen. Auch mit dem Antragsteller in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Angehörige haben Anspruch auf Hartz IV, sofern sie ebenfalls bedürftig sind. Wenn bei arbeitenden Menschen das Erwerbseinkommen nicht ausreicht bzw. nicht durch Vermögen gedeckt werden kann, besteht grundsätzlich auch ein Anspruch auf ALG II („Aufstocker“).

Zur Bedarfsgemeinschaft gehören:   



Erwerbsfähiger Hilfebedürftiger (Antragsteller) Ehepartner/ eingetragener Lebenspartner (soweit nicht dauernd getrennt lebend) Partner in eheähnlicher Gemeinschaft Wird vermutet wenn Partner: - länger als ein Jahr zusammenleben, - mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, - Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen, - befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen - etc. Eigene, unverheiratete Kinder unter 25 Jahren ohne eigenes Einkommen und Vermögen

Eine Bedarfsgemeinschaft hat zur Folge: 

Das Einkommen und Vermögen des gesamten Haushalts wird angerechnet, aus dem sich die Bedarfsgemeinschaft zusammensetzt

Sozialgeld steht nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zu, die mit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Grundsätzlich gelten Kinder unter 15 Jahren als nicht erwerbsfähig und sind demzufolge anspruchsberechtigt. Um Hartz IV beantragen zu können, muss die hilfebedürftige Person:  erwerbsfähig sein – also mehr als drei Stunden täglich arbeiten können –  sich in einer finanziellen Notlage befinden  und eine Gefährdung des Existenzminimums vorliegen.

 Nicht anspruchsberechtigte Personen sind … Keinen Anspruch auf das ALG II haben Personen, die Altersrente beziehen oder soweit erwerbsgemindert sind, dass sie keine drei Stunden am Tag arbeiten können. Diese erhalten die Grundsicherung im Alter bzw. Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII. Für diese Menschen ist auch nicht das JobCenter zuständig. In unterschiedlicher Prägung hat das „kommunale Sozialamt“ die Zuständigkeit. Ebenfalls von ALG-II-Leistungen ausgeschlossen sind auch Personen, die in stationären Einrichtungen untergebracht sind, es sei denn,  sie sind für voraussichtlich weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus untergebracht,  sie sind in einer stationären Einrichtung untergebracht, aber mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig

 Hilfebedürftigkeit Hilfebedürftig ist derjenige, der seinen und den Lebensunterhalt der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nicht oder nicht ausreichend bestreiten kann und keine erforderliche Hilfe von dritter Seite erhält. Das bedeutet insbesondere, dass der Lebensunterhalt nicht sichergestellt werden kann durch  die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit,  den Einsatz von Einkommen und Vermögen,  die Unterstützung von Angehörigen oder anderen Sozialleistungsträgern.

 Beantragt werden können … Im Vordergrund für die Antragsteller stehen die Hartz-IV-Leistungen, also der monatliche Betrag, der den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zusteht. Regelsatz bzw. -bedarf Dieser deckt den laufenden und einmaligen Bedarf für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Strom (ohne Heizung) und für die Bedürfnisse des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch für Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben.

Regelbedarf – Übersicht

ab 01.01.2017

Regelbedarf für Alleinstehende/ Alleinerziehende

409,00 €

(jeweils beide) volljährige Partner innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft

368,00 €

Bedarf für unter 25-Jährige im Haushalt der Eltern

327,00 €

Kinder von der Geburt bis 6 Jahre

237,00 €

Regelsatz für Kinder von 6 bis unter 14 Jahre

291,00 €

Jugendliche von 14 bis unter 18 Jahre

311,00 €

Mehrbedarfe Der Bezug des Regelbedarfs ist nicht zwingend Voraussetzung, um Mehrbedarfe oder Sonderbedarfe zu erhalten, diese Leistungen können durchaus unabhängig voneinander gezahlt werden. Selbiges gilt beispielsweise für Leistungen zur Erstausstattung der Wohnung, für Kleidung oder auch bei Schwangerschaft.  Mehrbedarf für Schwangere Schwangeren Hilfebedürftigen steht ein Mehrbedarfszuschlag von 17 Prozent des maßgeblichen Regelbedarfs zu. Dieser wird bei werdenden Müttern ab der 13. Schwangerschaftswoche gezahlt. Allerdings ist hier nicht Umstandskleidung etc.

gemeint, diese kann separat über die Erstausstattung beantragt werden.  Mehrbedarf für Alleinerziehende Alleinerziehende Elternteile können diesen Mehrbedarf erhalten, wenn sie sich ausschließlich alleine um die Pflege und Erziehung der Kinder kümmern. Dabei beträgt der Zuschlag mindestens 12 Prozent bei Kindern über sieben Jahren und 36 Prozent bei unter 7-jährigen. Bis maximal 60 Prozent des Regelsatzes kann als Mehrbedarf gewährt werden. Ausschlaggebend für die Höhe sind also das Alter und die Anzahl der Kinder.  Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung bei (chronischer) Erkrankung Wird aufgrund von Erkrankungen besondere Kost verordnet, die in der Regel kosten aufwändiger ist, steht dem Hartz-IV-Empfänger ein zusätzlicher Bedarf zu, um diese erhöhten Kosten abzudecken. Beispielhaft für einen solchen Mehrbedarf wären Niereninsuffizienz, Zöliakie, Krebs, HIV, Laktoseintoleranz etc.  Mehrbedarf für dezentrale Warmwasseraufbereitung (Warmwasser) Wird das Warmwasser in der Wohnung nicht über die Zentralheizung erwärmt, sondern zusätzlich (dezentral) durch einen Durchlauferhitzer, Boiler oder eine Gastherme etc., besteht ein zusätzlicher Anspruch auf den Mehrbedarf zur Deckung der zusätzlichen Kosten für Strom oder Gas.  Unabweisbare, laufende besondere Bedarfe in Härtefällen Weiterhin stehen auch Mehrbedarfe bei regelmäßig wiederkehrenden und unabweisbaren Kosten zu, wie beispielsweise bei der Wahrnehmung des Umgangsrechts, der Anschaffung von ärztlich verschriebenen Pflegeprodukten etc. Sonderbedarfe Im Unterschied zu den Leistungen des Regel- und Mehrbedarfs sind weitere Leistungen nur in außergewöhnlichen Lebenslagen oder Notsituationen zur Deckung eines Sonderbedarfs vorgesehen:  Erstausstattung für Wohnungen einschließlich Haushaltsgeräten (Darlehen)  Erstausstattungen für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt (Zuschuss)  mehrtägige Klassenfahrten (Zuschuss)  Als Sonderbedarf hat die Rechtsprechung bei Teilnahme an einem Integrationskurs dagegen die Fahrtkosten zur Unterrichtsstätte eingestuft. Die Leistungen für die Erstausstattung werden in der Regel nur bedingt zur Anschaffung von neuen Möbeln oder Einrichtungsgegenständen ausreichen. Das JobCenter geht eher davon aus, dass diese Einrichtungsgegenstände auch gebraucht gekauft werden können. weitere Leistungen Zusätzlich zum Hartz-IV-Regelbedarf und gegebenenfalls. weiteren Bedarfen steht dem Leistungsempfänger bzw. der gesamten Bedarfsgemeinschaft die Übernahme der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (Unterkunft und Heizkosten – KdU) zu.

Kosten für den Haushalts-Strom müssen vom Hilfebedürftigen selbst aus der Regelleistung bestritten werden. Sollten die Wohnkosten nicht angemessen sein, besteht die Verpflichtung diese Kosten zu senken, gegebenenfalls auch durch einen Umzug in eine kleinere oder günstigere Unterkunft.

 Anrechnung von Einkommen und Vermögen Hartz IV wird unter der Anrechnung des eigenen Einkommens sowie des vorhandenen Vermögens gezahlt. Allerdings gibt es beispielsweise bei Erwerbseinkommen auch Freibeträge vom Einkommen sowie Pauschalen für Versicherungen. Auch das Vermögen wird nicht in voller Höhe angerechnet sondern ebenfalls unter Berücksichtigung von Freigrenzen, je nach Alter des Empfängers oder Art des Vermögens (z. B. Altersvorsorge). Als Einkommen zählen folgende Einkünfte:          

Einnahmen aus selbständiger Erwerbstätigkeit, Einkünfte aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit, Entgeltleistungen wie Arbeitslosengeld oder Krankengeld, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Unterhaltsleistungen (auch Unterhaltsvorschuss), Kindergeld, Kinderzuschlag, Elterngeld, Betreuungsgeld, Renten (Leibrente, Riester-Rente etc.), Steuererstattungen, Erstattung der Stromkosten etc.

Anrechnungsfrei verbleiben weitere Beträge prozentual gestaffelt nach Einkommenshöhe:  Bei einem Bruttoeinkommen zwischen 100,01 Euro und 1.000,00 Euro verbleiben 20 Prozent des maßgeblichen Regelsatzes und  zwischen 1.000,01 Euro und 1.200,00 Euro nochmals 10 Prozent. Dieser Betrag erhöht sich von 1.200 Euro auf 1.500 Euro, wenn der Hilfeempfänger ein minderjähriges Kind hat oder mit einem minderjährigen Kind in einer Bedarfsgemeinschaft lebt.

 Mitwirkungspflichten und Leistungskürzungen Um Leistungskürzungen in Form von Sanktionen zu vermeiden, muss jeder Hilfeempfänger Pflichten erfüllen. Hierzu gehören:  Bemühungen um Arbeitsaufnahme,  Meldepflichten,  in der Regel werden Betroffene auch vom JobCenter aufgefordert, eine Eingliederungsvereinbarung (EGV) zu unterschreiben.  etc.

 SGB-II-Checkliste/Testbogen Wir haben für Sie einen SGB-II-Testbogen entwickelt. Stark vereinfacht lässt sich durch diese Checkliste die Höhe der Grundsicherung für Arbeitsuchende (gem. SGB II/Hartz IV) annäherungsweise ermitteln! U. a. kann diese Arbeitshilfe im Internet abgerufen werden unter: http://www.caritas-paderborn.de/beraten-helfen/armut-schulden/hartz-iv-kurzinfo-undcheckliste/hartz-iv-kurzinfo-und-checkliste

 Weitere Infos: http://www.hartziv.org/hartz-iv-rechner.html http://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/sgb-ii-rechner/