So steht es um die landwirtschaftliche Lehre

Rundschau So steht es um die landwirtschaftliche Lehre Viele Azubis dürfen schon nach kurzer Zeit selbstständig fast alle Stallarbeiten übernehmen. ...
Author: Hansl Fiedler
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Rundschau

So steht es um die landwirtschaftliche Lehre Viele Azubis dürfen schon nach kurzer Zeit selbstständig fast alle Stallarbeiten übernehmen.

Foto: Höner

Ausbildungs-

CHECK

Sind Sie ein guter Ausbilder und Sie ein guter Azubi? top agrar hat die Stimmung auf den Höfen getestet. Über 2 700 angehende Landwirte und ihre Chefs haben mitgemacht.

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eute einen guten Auszubildenden zu finden, ist gar nicht so einfach. Es kommen zunehmend die geburtenschwachen Jahrgänge aus den Schulen. Die Konjunktur brummt. Auch andere Branchen suchen Azubis und locken mit guten Angeboten. Da wird manch ein landwirtschaftlich interessierter Kopf schwach und macht „erstmal“ eine andere Ausbildung. Das bestätigt auch das Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) in Bonn. Die Ausbildungsexperten sehen vor allem in der Landwirtschaft und im Handwerk Nachwuchsprobleme. Inzwischen haben die ersten landwirtschaftlichen Ausbilder das Hand-

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tuch geworfen. Immerhin 11 % der am top agrar-Ausbildungscheck teilnehmenden Landwirte wollen nicht mehr ausbilden. Weil sie nicht sicher sind, jedes Jahr einen Azubi zu bekommen, setzen viele inzwischen auf einen festangestellten Mitarbeiter. Immer klarer wird: Wer auch künftig ein attraktiver Ausbildungsbetrieb sein will, muss den jungen Leuten einiges bieten. Erwartet werden vor allem eine

erstklassige Betreuung, interessante und abwechslungsreiche Tätigkeiten sowie faire Arbeitszeiten. Ist das heute auf den Höfen die Realität? Wir wollten es genauer wissen und haben Azubis und Ausbildern den Puls gefühlt. Über 2 700 haben an der top agrar-Umfrage teilgenommen und geben ein gutes Stimmungsbild darüber, wie es um die landwirtschaftliche Lehre steht.

Über 2 700 Teilnehmer Der 2. große top agrar-Ausbildungscheck richtete sich in zwei getrennten Fragebögen an Ausbilder und Azubis in der Landwirtschaft. Die Teilnehmer kamen aus allen Regionen Deutschlands. Mit fast 2 500 Azubis haben im Vergleich zu der Umfrage vor vier Jahren mehr als doppelt so viele Lehrlinge mitgemacht. Das ist fast ein Drittel aller landwirtschaftlichen Azubis in Deutschland. Der „typische“ Azubi

ist 20 Jahre alt, männlich (85 %) und kommt vom Hof (66 %). Die ca. 260 Ausbilder halten zu 60 % Milchkühe. Knapp 40 % gaben Schweinehaltung und/oder Marktfruchtbau als Betriebszweig an. Mit 43 Jahren sind sie eher jung. Daher hat die Hälfte von ihnen erst ein bis fünf Lehrlinge ausgebildet. Drei von vier Ausbildern sind staatlich geprüfte Agrarbetriebswirte oder Meister. Jeder Vierte hat ein Agrarstudium.

Im Großen und Ganzen läuft es rund

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arte Arbeit, kaum Freizeit und wenig Geld. Das stört die allermeisten landwirtschaftlichen Auszubildenden nicht. Sie sind mit ihrer Ausbildung sehr zufrieden und vergeben beim 2. top agrar-Ausbildungscheck ein fast glattes „gut“ (2,1). Damit ist das Ergebnis noch eine Spur besser als beim 1. Ausbildungs-Check in 2010. Damals bewerteten die Azubis die Ausbildung mit der Schulnote 2,2. Trotzdem haben die angehenden Landwirte noch Wünsche. Viele hätten gerne mehr Betreuung und Unterstützung von ihrem Chef. Die Ausbilder könnten z. B. viel häufiger den Ausbildungsnachweis kontrollieren, meinen ihre Lehrlinge. Nicht einmal die Hälfte der Ausbilder tut das regelmäßig (Übersicht 1).

Mehr Fortbildung:Auch die Weiter­

bildung könnte intensiver sein. Viele wünschen sich mehr überbetriebliche Informationen. Wie auch schon 2010 schicken nur knapp ein Drittel der Betriebsleiter ihre Azubis regelmäßig zu externen Veranstaltungen. Die Ausbilder haben da eine ganz andere Wahrnehmung. 76 % gaben in unserer Umfrage an, dass sie regelmäßig den Ausbildungsnachweis kontrollieren. Und knapp die Hälfte schickt die Azubis auch zu Fachtagungen und anderen Veranstaltungen. Ein Widerspruch muss das nicht unbedingt sein. Erstens stammen Azubis und Ausbilder nicht unbedingt von den gleichen Betrieben und zweitens nehmen erfahrungsgemäß vor allem überdurchschnittlich gute Ausbilder an der Umfrage teil, die mehr Wert auf die Betreuung ihrer Auszubildenden legen. Vergleichbare Ergebnisse haben wir auch beim Thema Prüfungsvorbereitung gefunden. Fast 80 % der Lehrherren unterstützen nach eigenen Angaben ihre Lehrlinge dabei regelmäßig. Die Azubis nehmen diese Hilfestellung nicht ganz so intensiv wahr. Nur 55 % fühlen sich hier gut betreut. Das sind

Übers. 1: So bewerten die Azubis ihre Ausbildung gute Wissensgutevermittlung Wissensvermittlung Teilnahme an externen Veranstaltungen Teilnahme an externen Veranstaltungen Ausbilder hat sich Zeit genommen Fragen etc. Ausbilderfürhat sich Zeit genommen für Fragen etc. Ausbildungsnachweis regelmäßig kontrolliert Ausbildungsnachweis regelmäßig kontrolliert gute Unterstützung bei dergute Prüfungsvorbereitung Unterstützung bei der Prüfungsvorbereitung Feldarbeiten dürfen selbstständig erledigt Feldarbeiten dürfen werden selbstständig erledigt Stallarbeiten dürfenwerden selbstständig erledigt Stallarbeiten dürfen werden selbstständig erledigt werden 0% 20 % 0% 20% trifft voll zu 2013: trifft 2013: 2010: trifft voll voll zu zu 2010: trifft voll zu

40 % 60 % 40% 60% trifft teilweise zu trifft trifft teilweise teilweise zu zu

80 % 100 % 80% 100% trifft gar nicht zu trifft trifft gar gar nicht nicht zu zu

trifft teilweise zu

trifft gar nicht zu

Einige Azubis wünschen sich mehr Betreuung und Unterstützung durch den Chef.

Übers. 2: So bewerten die Ausbilder die Azubis Praktische Kenntnisse Praktische Kenntnisse Theoretische Kenntnisse Theoretische Kenntnisse Motivation/Arbeitseinsatz Motivation/Arbeitseinsatz Selbstständigkeit Selbstständigkeit Flexibilität Flexibilität Sorgfalt Sorgfalt Pünktlichkeit Pünktlichkeit 0% 20 % 0% 20% 2013: Note 1 - 2 2013: Note 1-2 2010: Note 1 - 2 2010:

40 % 40% Note 3 Note 3

Note 3

60 % 60%

80 % 80% Note 4 - 5 Note 4 - 5

100 % 100%

Note 4 - 5

Die Lehrherren beurteilen die Fähigkeiten Ihrer Azubis als durchwachsen.

sicher keine schlechten Werte, zeigt aber, dass es noch „Luft noch oben“ gibt. Sehr positiv äußern sich die Auszubildenden dagegen über die Arbeitsinhalte. Die selbstständige Erledigung von Stall- und Feldarbeiten ist offenbar die

Regel (Übersicht 1). Das bestätigt uns auch Kilian Fenske aus Bissendorf (Niedersachsen). „Ich kann mir aus einer Liste die Arbeiten für den Tag selbstständig aussuchen und auch teilweise die Reihenfolge eigenständig festlegen“, berichtet Kilian. Ein gutes Beispiel, wie top agrar 3/2014

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Grafiken: Bendig

Mit „gut“ bewerten die Agrar-Azubis ihre Ausbildung. Viele wünschen sich aber mehr Betreuung. Und die Betriebs­ leiter mehr Sorgfalt.

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Das ist Azubis und Ausbildern wichtig

innovative Arbeitsmodelle die Arbeitsmotivation stärken können.

Herkunft nicht entscheidend:Ein

heikles Thema ist die fachliche Qualität der Azubis. Die Lehrherren beurteilen diese sehr unterschiedlich. Das sie in den letzten Jahren besser geworden ist, meinen nur 9 %, schlechter hingegen 28 %. Die Streuung zwischen guten und schlechten Azubis ist größer geworden. Das sehen 81 % der Ausbilder so. Wo die Azubis herkommen, ob vom Hof oder nicht, ist dabei absolut kein Thema. 24 % der Ausbilder haben mit der außerlandwirtschaftlichen Herkunft ihrer Azubis eher schlechte Erfahrungen gemacht, genauso viele (25 %) eher bessere. Über die Hälfte der Chefs sieht keinen qualitativen Unterschied darin, ob ein Lehrling landwirtschaftliche Wurzeln hat oder nicht. Viele Ausbilder sind offenbar mit der Arbeitsqualität ihrer Azubis nicht ganz zufrieden. Die Ergebnisse fielen hier eher mittelmäßig aus (Übersicht 2). Die Mehrheit der Lehrherren mit 67 % findet die Sorgfalt bei der Arbeit ihrer jungen Angestellten allenfalls befriedigend. Nur 16 % der Ausbilder beurteilten sie mit gut und sehr gut. „Ich wünsche mir machmal mehr Gründlichkeit. Es kam schon häufiger vor, dass der Schlepper oder der Schweinestall nach dem Waschen nicht richtig sauber war oder Azubis beim Grubbern Streifen liegen ließen“, bringt es ein Ausbilder aus Bayern auf den Punkt.

Wenn Azubis und Ausbilder nicht miteinander „können“, wird die Zusammenarbeit auf Dauer schwierig. Deshalb wird sorgfälitig ausgewählt.

ner sind die Chefs mit den praktischen Fähigkeiten ihrer Azubis. 42 % der Lehrherren vergeben hier Spitzennoten. Das sieht dann bei den theoretischen Kenntnissen der jungen Leute schon wieder ganz anders aus. Mehr als zwei Drittel der Ausbilder bewerten diese mit einem befriedigend. Hier könnten die Lehrherren vielleicht auch selber für Abhilfe sorgen. Nach eigenen Angaben nehmen sich nämlich nur 36 % der Ausbilder mehr als zwei Stunden pro Woche Zeit für die Betreuung der Azubis und 55 % bis zu zwei Stunden. 9 % kümmern sich nur dann um ihre Azubis, wenn es die betriebliche Belastung zulässt. Insgesamt scheinen die Ausbilder inzwischen aber etwas mehr Zeit für ihre Azubis aufzuwenden. 2010 waren es nur 31 %, die sich über zwei Stunden Zeit pro Woche nahmen. Auch der Anteil der Chefs, die ihre Azubis neben der täglichen Arbeit nur dann betreuen, wenn es die Arbeitssituation zulässt, war mit 16 % deutlich höher.

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Foto: Höner

Gute Praktiker:Wesentlich zufriede-

Die meisten Azubis finden, dass ihr Ausbilder die Lehrinhalte gut vermittelt.

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ie finde ich den richtigen Ausbildungsbetrieb? In der Regel geht die Initiative von den Azubis aus. Wie bereits 2010 sind die meisten Suchenden über ein privates Netzwerk auf den Ausbildungsbetrieb aufmerksam geworden (70 %, Übersicht 3). Auch die Ausbilder (48 %) bekommen Hinweise aus dem Bekanntenkreis. Das Internet mit seinen Agrar-Jobbörsen ist die zweite wichtige Fundstelle für die Azubis. 23 % finden so ihren Ausbildungsbetrieb. Immerhin jeder fünfte Azubi wird über einen Ausbildungsberater vermittelt.

Kriterien für die Auswahl:Das wichtigste Kriterium für die Auswahl ist der Produktionsschwerpunkt des Ausbildungsbetriebes. Vor allem Hofnachfol-

ger suchen sich in der Regel einen Betrieb, der ähnliche Produktionsschwerpunkte wie der heimatliche Betrieb hat, um möglichst viele Anregungen für zu Hause mitzunehmen. Das zweitwichtigste Kriterium ist für die Azubis der gute Ruf des Ausbilders und des Betriebs. Dahinter liegt sicher die Erwartung der angehenden Landwirte, möglichst viel von ihrem Ausbilder zu lernen. Umgekehrt ist für die Ausbilder das ausgeprägte Interesse des Bewerbers an der Landwirtschaft das mit Abstand wichtigste und entscheidende Kriterium. 9 von 10 Betriebsleitern achten darauf. Darüber hinaus gehört für 86 % der Ausbilder auch der Schlepper-Führerschein zum Anforderungsprofil. Knapp

tipps & trends  Rundschau

Viele in Heimatnähe.Auf den ersten

Blick scheint es, als sei den Azubis die Nähe zum Elternhaus bei der Auswahl des Betriebes nicht mehr so wichtig. Nur 21 % der Azubis geben diese als entscheidenden Faktor bei der Auswahl des Ausbildungsbetriebs an. Vielleicht ist dabei aber der Wunsch Vater des Gedankens. Denn in der Realität liegt bei 3 von 4 Azubis der Ausbildungsbetrieb max. 50 km vom Elternhaus entfernt. Bis 200 km trauen sich nur 21 % und weiter als 200 km nur 6 % weg. Einer dieser Wagemutigen ist Tewes Rickert aus Fehmarn. Er hat seine Ausbildung bei der Agrargesellschaft Potz-

Übersicht 3: So auf den Ausbildungsbetrieb aufmerksam geworden Angaben in % Ein gut ausgebautes Netzwerk lohnt sich: Die meisten der Azubis finden ihren Ausbildungsbetrieb über Empfehlungen.

Empfehlung Bekannte, Freunde, Verwandte

70 69 7

Anzeige in Fachzeitung Internet

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23 2010 noch nicht erhoben 20

Vermittlung Ausbildungsberater Sonstiges

low in der Uckermark gemacht, 400 km von zuhause entfernt. Wie es ihm dabei ergangen ist und welche Vor- und Nachteile das hat, können Sie auf Seite 26 lesen.

Probearbeit nimmt zu:Weiter zuge-

nommen hat die Probearbeit. Schon knapp die Hälfte der befragten Azubis

Grafik: Bendig

die Hälfte der Ausbilder legt zudem Wert auf persönliche Reife. Dazu gehört auch das selbstbewusste Auftreten, dass 16 % der Ausbilder zu schätzen wissen. Weniger entscheidend sind den Ausbildern der Schulabschluss (14 %) und die Schulnoten (6 %). Vielleicht schauen sie auch deshalb nicht so genau hin, weil die meisten Bewerber mit einem Realschulabschluss (51 %) bzw. dem Abitur bzw. Fachabitur (21 %) ohnehin einen hochwertigen Schulabschluss haben.

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2013 2010 Mehrfachantworten waren möglich

hat im Durchschnitt für sechs Tage auf möglichen Ausbildungsbetrieben mitgearbeitet (2010: 43 %). Auch für die befragten Ausbilder gehört die Probe­ arbeit zum Standard. Mehr als zwei Drittel lassen Bewerber im Schnitt für drei Tage zur Probe arbeiten. Die Probearbeit ist für beide Seiten ein Gewinn. Schließlich verbringen top agrar 3/2014

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Die glücklichen Gewinner Allen Teilnehmern danken wir herzlich! Und hier die Gewinner :

Azubis: 1. Preis (1 000 €): Anna

Wirtz, Waldbrunn; 2. Preis (750 €): Jan Friedrich Drewes, Horn-Bad Meinberg; 3. Preis (500 €): Maik Hosang, Rathenow; 4. Preis (iPad mini): Dominik Droste, Schmallenberg; 5. Preis (200 €-Amazon-Gutschein): Christine Cohrs, Hermannsburg; 6. – 10. Preis (top agrar-Jahresabo): Patrick Vornholt, Südlohn; Sigrid Obermeier, Mettenheim; Manuel Gähler, Nassau; Saskia Kopelke, Handewitt; Jan Meier, Lügde.

Ausbilder:1. Preis (1 000 €):

Maximilian von Laer, Bad Wünnen-

berg; 2. Preis (750 €): Ingo Hiller, Westerheim; 3. Preis (500 €): Anne Pracht, Friesoythe, 4. Preis (iPad mini): Bodo Meyer, Beetzendorf; 5. Preis (Kaffee-Automat): Anamaria Chaveco Ojeda, Rosenbach; 6. – 10. Preis (100 € top agrar-Gutschein): David Ziegler, Gundheim; Georg Neidlein, Wassertrüdingen; Margarete Galatowski, Lüssow; Cornelius Hoogendoen, Alttellin; Heinz-Peter Schröder, Titz. Preise mit freundlicher Unterstützung der Landwirtschaftlichen Rentenbank.

Azubi und Ausbilder viel Zeit miteinander, nicht selten sogar mit direktem Familienanschluss.

Überwiegend zwei Betriebe: Mehr als zwei Drittel der Azubis macht die Lehre auf mindestens zwei Fremd-Betrieben. Etwa jeder Fünfte geht auf drei Betriebe. Anna Ebel aus Osterburken sieht nur Vorteile, die Lehre auf mehreren Höfen zu absolvieren: „Ich konnte meine Ausbildung nicht auf drei Betrieben machen, da es in Baden-Württemberg noch das Berufsgrundbildungsjahr gibt. Auf zwei Betrieben zu lernen war mir wichtig, um die Mutterkuhhaltung und den Ackerbau kennenzulernen.“ -vn-

Lesen Sie in der nächsten Ausgabe wie die Berufsschulen abschneiden und was die Lehrer dazu sagen.

Darum in die Ferne schweifen Die meisten jungen Landwirte absolvieren ihre Ausbildung in der Heimat. Tewes Rickert hingegen hat sich in die Ferne gewagt und dabei viel gelernt.

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Foto: Mayer

ür Landwirtssohn Tewes (20) von der Ostsee-Insel Fehmarn stand eines fest: „In meinem dritten Lehrjahr wollte ich noch einmal ganz woanders hin.“ Also bewarb er sich in der rund 400 km entfernten Uckermark bei der Agrar­ gesellschaft Potzlow. Er wollte die großen Ackerschläge in den neuen Bundesländern hautnah erleben. Aber auch die Chance mit Kühen zu arbeiten, reizte ihn. Denn seine ersten beiden Ausbildungsjahre hatte er bei seinen Eltern – einem Betrieb mit Biogasan­lage – sowie bei einem nordfriesischen Schweinehalter absolviert. Nach der Zusage aus Potzlow zog er los in Richtung der ehemaligen LPG mit 1 500 ha Acker- und Grünland sowie 570 Milchkühen. Mit dieser Einstellung ist Tewes eine Ausnahme. Wie unsere Umfrage zeigt, bleiben die meisten deutschen Azubis in der Landwirtschaft lieber nahe der Heimat. Die Gründe dafür sind ganz unterschiedlich: Während die einen auf dem elterlichen Betrieb mitanpacken müssen, wollen die anderen nicht ihre Familie und den Freundeskreis zurücklassen.

Ausbilder Ulrich Blumendeller mit einem seiner fünf Azubis, Tewes Rickert.

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Sich etwas zu trauen, dass kann Tewes seinen Azubi-Kollegen nur empfehlen. Vor allem im Bereich Ackerbau hat er in der Uckermark viele Dinge gelernt, die er nach seiner Lehre auf dem heimischen Betrieb umsetzten will. So möchte er einige Aspekte der konservierenden Bodenbearbeitung, wie er sie hier kennengelernt hat, auch auf dem elterlichen Betrieb einmal ausprobieren. Außerdem hat er als Technikbegeisterter viel Spaß daran, mit den stets brandneuen Maschinen der Agrargesellschaft die Felder zu beackern. „Nur hier können die Betriebe in die neueste Technik investieren und diese auch auslasten“, erklärt er.

Selbstständig werden:  Doch neben

der landwirtschaftlichen Praxis nimmt Tewes vor allem eines mit: Selbstständigkeit. Denn im Azubi-Wohnheim der Agrargesellschaft kümmern sich die fünf angehenden Landwirte um sich selbst. Dort hat jeder ein eigenes Zimmer. Küche, Bad und die damit verbundene Putzarbeit werden geteilt. „Ich habe hier zum ersten Mal in meinem Leben selber gekocht, gewaschen und geputzt“, sagt Tewes. „Dadurch bin ich

viel selbstständiger geworden“, ist er sich sicher. Auch Ausbilder und Geschäftsführer Ulrich Blumendeller ist begeistert von der Entwicklung, welche die Azubis hier durchmachen: „Viele kommen als Kinder und gehen als Erwachsene“, berichtet er. Über Azubi-Bewerbungen von weiter weg freut sich Blumendeller übrigens immer. Die Azubis würden damit schon im voraus Flexibilität beweisen. Dadurch würde ihnen dann meist auch die Ausbildung leichter fallen, hat er festgestellt. „Denn wer sich gerne auf Neues einlässt, der lässt sich auch gerne neue Verfahren und Praktiken in der Landwirtschaft erklären“, so der erfahrene Ausbilder, der pro Jahr ein bis zwei neue Azubis einstellt. Doch auch aus noch einem anderen Grund freut sich der gebürtige Westfale über jede auswärtige Bewerbung von weiter weg: Es wird immer schwieriger, geeignete Azubis zu finden. Hätten sich vor einem Jahrzehnt rund zehn junge Menschen auf eine Azubi-Stelle beworben, seien es heute oft nur noch ein oder zwei. Da ist er über geeignete Bewerber aus allen Winkeln der Bundesrepublik sehr froh.

Schnell gelesen •  Am zweiten top agrar-Aus­

bildungs-Check nahmen über 2 700 Azubis und Aus­ bilder teil.

•  Die Azubis sind mit ihrer Aus-

bildung zufrieden, wünschen sich in einigen Bereichen aber mehr Unterstützung.

•  Viele Ausbilder sind mit

der Arbeitsqualität, z. B. der Sorgfalt ihres Azubis nicht zufrieden.

•  Die meisten Azubis suchen

den Ausbildungsbetrieb in der Nähe des Elternhauses.

•  Probearbeit wird immer

wichtiger.

Im Sommer dieses Jahres steht für Tewes seine Abschlussprüfung an. Er ist stolz, den Blick über den Tellerrand gewagt zu haben und hat davon sehr profitiert.   Claus Mayer top agrar 3/2014

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