Seltene Ursachen von Nekrosen

KliWiKo Angiologie 27.9.06 Fallvorstellungen Seltene Ursachen von Nekrosen Dr. R. Simon Fallbericht 1: 72-jährige Frau G.C. Anamnese: - PA: - Fa...
Author: Judith Sommer
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KliWiKo Angiologie 27.9.06 Fallvorstellungen

Seltene Ursachen von Nekrosen

Dr. R. Simon

Fallbericht 1: 72-jährige Frau G.C. Anamnese: -

PA:

-

Fallbericht 1: 72-jährige Frau G.C.

Seit Jahren rezidiv. Nekrosen am Oberschenkel und Abdomen, spontanes Abheilen nach Wochen-Monaten, aktuell Progredienz Diverse Hosp., St.n. rezidiv. transfusionsbedürftige Blutungen Histo: diffuse dermale Angiomatose (Basel) Therapieversuche mit Prednison, Imurek (Vaskulitis), Retinoide, Cellcept ohne Erfolg. Schmerzbekämpfung mit Tramal / MST 30mg

D.m.II (Insulin / Glucophage) KHK mit AKE 1997 seither unter OAK art. Hypertonie, Adipositas BMI 37kg/m2

Fallbericht 1: 72-j. Frau G.C. Labor: - Hb 9.1g/dl, TC 397ooo, LC um 15ooo, CRP 80-220, Krea 76umol/l, Albumin 22g/l, LDH bis 780U/l - CK, Protein C und S normal - Auto-AK, Hep C, IgG normal - Ca tot.1.8mmol/l , Ca ion norm - P tief 0.6mmol/l, Ca x P-Produkt tief - Parathormon passager 117(-65), später 37 - Vit.D3 leicht erniedrigt MRI: Gefässkonvolute Histo USZ: Mediakalzinose, Intimahyperplasie

Fallbericht 1 : 72-jährige Frau G.C. Was ist die Diagnose?

DD: Marcoumar-Nekrosen Calciphylaxis

Verlauf: -

Mehrere ausgedehnte Debridements Abdomen / Oberschenkel bis zur Faszie, grössenprogrediente Wunden mit neuen Nekrosezonen Transplantation Euroskin (menschliche Spenderhaut) Versuch mit Na-Thiosulfat i.v. Trotz voller med. und chirurgischer Therapie Verschlechterung Abbruch der Therapien und natürlicher Verlauf, steigendes CRP Zurückverlegung auf IPS Bellinzona Schmerztherapie : Ketalar-Perfusor, EDA mit Naropin, Morphium i.v.

Marcoumarnekrosen • • • •

Erstbeschreibung 1943 Selten, Inzidenz 1/7oo bis 1/10`ooo = 0.01-0.1% ca. 300 publizierte Fälle weltweit Beginnt mit Schmerz an der Stelle->Erythem-> Petechien->Nekrosen mit hämorrhag. Bullae • Häufig bei kongenitalem Protein C und S-Mangel • Vermuteter Mechanismus: Coumarine -> hemmen Fakt.II,VII,IX und X, sowie Prot.C / S -> beim Beginn der Th kommt es zum Ungleichgewicht zw. dem pro- und antikoagulatorischen Faktoren wegen der unterschiedlichen t1/2 (antikoag. Protein C t1/2: 6-8h, prokoag. Prothrombin t1/2: 2-5d) wenn nicht mit Heparinen überlappt wird -> thrombotische Verschlüsse der kleinen Gefäss -> Nekrosen

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Marcoumarnekrosen • Aus früheren Berichten bekannt: - mittleres Alter - Adipositas -w>m - symmetrische Läsionen wo viel subkutanes Gewebe Brust, Gesäss, Abdomen • Häufig erscheinen Hautsymptome 1-10 Tage nach Beginn mit Marcoumar, peak 3. – 6. Tag • Einige Berichte über „late-onset“ coumarin-induced skin necrosis nach Jahren (Verschlechterung einer NI durch NSAR, Stopp einer Macroumar-Th u. Wiederbeginn, Med.Interaktionen ASS)

Marcoumarnekrosen Therapie: -

Bei Verdacht Absetzen des Coumarins Eine Besserung der Klinik spricht für einen Zusammenhang Umstellung auf LMWH oder Wiederbeginn mit niedrigdosiert Coumarin und Heparin überlappend

Marcoumarnekrosen Nicht nur bei kongenitalem Prot.C-Mangel, sondern auch bei transientem, erworbenem oder funktionellem Mangel: - chronische Lebererkrankungen, Niereninsuffizienz / Dialyse, akute Leukämie, Autoimmunerkrankungen (Lupus,Antiphospholipid) Infektionen (Epstein-Barr), ARDS, DIC, Plasmapherese u.a.

Typische Histologie: Verschlüsse der kleinen Gefässe in der Subkutis durch Thromben

Calciphylaxis = Calcific (uremic) arteriolopathy • Seltenes Krankheitsbild, ca. 160 Fälle weltweit publiziert • Meistens bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz / Dialyse mit sekundärem Hyperparathyreoidimus mit erhöhtem Ca x P-Produkt. Ansonsten Pg weitgehend unklar

( Alternativpräparat: Indanedione )

• Rasch auftretende, teils ausgedehnte Hautnekrosen resp. akrale Gangrän Finger / Zehen • Zusätzlich: metastatische Weichteilverkalkungen an Gelenken und inneren Organen

Calciphylaxis

Calciphylaxis

Typische Histologie:

Review von 155 Fällen (J. Hafner et al., VASA 1998):

Prominente Mediakalzinose und Intimahyperplasie der subkutanen Arterien und / oder digitalen Arterien Klinik: Nekrotische Areale an der Basis induriert und peripher livid verfärbt sehr schmerzhaft Zusätzliche Risikofaktoren: - Diabetes mellitus - Hypoalbuminämie - Übergewicht - Th mit Marcoumar / Vit.D / Calcium

- proximale Lokalisation der Nekrosen (OS, Gesäss, Stamm) mit schlechter Prognose = 63% Mortalität verglichen mit distaler Lokalisation (US, Vorderarme, Finger, Zehen) = 23% Mortalität - Diabetiker mit chronischer NI: 61% akrale Nekrosen Nicht-Diabetiker: 34% akrale Nekrosen Therapieansätze aus der Literatur: Lokal: hyperbare O2-Therapie (90min, 5Tage / Woche) VAC-Verband, feuchte Verbände schlechte Wundheilung durch Hypoxie skin graft

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Calciphylaxis Systemisch: Prinzipiell das Ca-P-Produkt senken - medikamentös (Ca-Bindner: Sevelamer) - Parathyreoidektomie Prednison Natrium-Thiosulfat: verwendet bei Cyanidvergiftungen >Antioxidans, Calciumbindner >verbessert Endotheldysfunktion (pro-thrombogen) >nur intravenös verabreicht Korrektur Hypoalbuminämie, Vit.D-Mangel Kein Marcoumar, Heparin bevorzugt

Erythromelalgie = Erythermalgia -

seltene, chronische Erkrankung Meistens symmetrische Schmerzen v.a. in Beinen mit Rötung und Wärme, aber auch andere Areale betroffen (Erythroprosopalgia, prosopon=Gesicht)

-

Erstbeschreibung 1878 durch Mitchell: Erythromelalgie > Rötung (erythros) > Extremität (melos) > Schmerz (algos)

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Smith und Allen prägten 1938 den Begriff: Erythermalgie (erhöhte Temp. in den Akren)

Erythromelalgie

Fallbericht 2: 74-jähriger Mann K.H. Anamnese: - seit 1996 Schmerzen in beiden Füssen / Unterschenkeln, Brennen und Hitzegefühl - 7-8 x / Nacht aufstehen für kaltes Fussbad - Therapieversuche mit Aspirin, Molsidomin, Magnesium, Betablockern, Indometacin, Cox-2-Hemmern, zahlreiche Schlafmittel und Relaxantien, Akupunktur, Reflexzonenmassage, Bioresonanztherapie/Neuraltherapie PA: - normokardes Vorhofflimmern 12/05 unter OAK - M.Basedow mit endokriner Orbitopathie, unter Thyreostatika

Erythromelalgie Kriterien nach Thompson: - brennende Extremitätenschmerzen - Schmerzen werden durch Wärme verschlimmert - Schmerzen durch Kühlung gelindert - Rötung in den betroffenen Arealen - erhöhte Temperatur der betroffenen Areale während den Attacken und im Zusammenhang mit Schmerzen und Rötung Klinik: - Intermittierende Beschwerden, v.a. untere Extremitäten - typischerweise symmetrisch, Besserung durch Hochhalten der Beine - Pruritus und „pin and needles“ gehen den Schmerzen voraus - Attacken von Minuten bis mehrere Stunden, schwere Fälle dauernd - Ausgelöst durch: warmes Wetter/Sauna, dependency, sportliche Aktivitäten, Wärme (Decke, Schuhe), Alkohol

Erythromelalgie

Klassifikation: - Primär:

v.a. Personen mittleren Alters alle Altersstufen möglich m>w

- Sekundär: 1) Hämato-onkologisch: Polycythämie,Thrombocytämie

Leukämie,TTP,Lymphom,B12 2) Kollagenosen: cP, SLE,Sjögren, Mischkollagenosen 3) Infektionen: AIDS, Syphilis 4) Muskuloskelettal/Neurolog.: Ischias, CTS, Neuropath. MS, spinale Verletzungen 5) Med.induziert: Kontrastmittel(jod), Impfungen (Influenza,Hep.), Ca-Antagonisten,Bromocriptin 6) Varia: Diabetes mellitus, Atherosklerose, Cholesterinembolien, traumatisch, Kälteexposition

DD: Sudeck (complex regional pain syndrom= CPRS) - meistens nach Trauma, nicht symmetrisch, kontinuierliche Schmerzen intermittierende Sz bei Erythromelalgie Neuropathie (oft kombiniert) Ulcera anderer Genese ( bei Eythromelalgie oft durch zu lange Exposition in eisgekühltem Wasser) Weiterführende Diagnostik: - Hautbiospie: oft small- and large-fiber neuropathies - Laser-Doppler: gesteigerter Blutfluss - erhöhte Hauttemperatur

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Erythromelalgie Therapie: -

Vermeiden von Auslöser Für die sekundäre Form (Thrombozytose): Aspirin Für die primäre Form: Gapapentin Diltiazem,Prazosin Sertraline, Amitryptyline, Imipramin Paroxetine, Fluoxetine

Fallbericht 2: 74-jähriger Mann K.H. Therapie (Intensivstation): - Gabe eines Bolus 100mg Lidocain i.v. (Herzrhythmusüberwachung) -> Fussschmerzen verschwanden und Rötung regredient - weiteres Verabreichen von Lidocain 2mg/min für 90min -> total 280mg Lidocain i.v. - 3 Stunden nach Infusions-Stopp -> erneute Fussschmerzen - Beginn mit Mexitil oral 3x200mg

4 Fallberichte mit Mexiletine, erster Bericht 1999 (Mayo Clinic) Mexiletine: orales Analogon vom Lidocain (i.v.) (beides Klasse IB Antiarrhythmika, blockieren die Na+ Kanäle)

Erythromelalgie • Lokalanästhetika wie Lidocaine und Mexiletine wirken schmerzbefreiend, indem sie die Nervenleitung unterbrechen • Zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen sekundär durch Diabetes mellitus bedingt, Rückenmarksverletzungen, chronischen Schmerzsyndromen sekundär nach Verletzungen von peripheren Nerven, Fibromyalgie und Adiposis dolorosa (Dercum disease) • Im klinischen Gebrauch: Lidocaine intravenös appliziert dient als Prädiktor für ein Ansprechen auf die orale Mexiletine Gabe • Es gibt Studien mit einerseits Tiermodellen mit Nervenverletzungen und andererseits Phantomschmerzen beim Menschen, die darauf hindeuten, dass sich nach der Verletzung periphere Mechanismen entwickeln, welche auf Blockierung der Natriumkanäle ansprechen

Fallbericht 3 : 44-jähriger Mann J.I.

Follow-up: Patient musste nur noch 1-2x nachts aufstehen, Beschwerden sind praktisch ganz verschwunden

Fallbericht 3 : 44-jähriger Patient J.I. • Anamnese: - Polytoxikomanie mit IVDA 1978-1990 (Methadonprogramm) - St.n. Hep. A und B, chronische Hep.C seit 2002 (Genotyp 3A) und positiven Kryoglobulinen - Beginn mit Kombinationstherapie Ribavirin und IFNα, wegen Gefängnisaufenthalt abrupt beendet Æ danach Auftreten von lividen Verfärbungen der Finger und Zehen, Purpura an den UnterschenkelnÆ 6 Wochen hosp., Th: Ilomedin, ASS und Fragmin mit Abheilung - Erneuter Beginn mit IFN α und Ribavirin mit erneuten lividen Verfärbungen der Finger und Zehen

Fallbericht 3 : 44-jähriger Mann J.I. • Differentialdiagnose? - M.Bürger: + Alter, Raucher - Purpura, auswärtige Angiographie (Zehen- und Fingerarterien-Verschlüsse) - Kryoglobulinämie/Hep.C:

+ Kryoglobuline, Lokal. Purpura Hep.C - Zusammenhang mit IFN α / Ribav.

- IFN-induzierte Vaskulopathie: + Lokalisation Purpura, IFN-Th. - zeitl.Verlauf, IFNα sehr selten

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Fallbericht 3 : 44-jähriger Mann J.I. Verlauf: - Biopsie: Thromben und PAS-positive Ablagerungen vereinbar mit kryoglobulinämischer Vaskulitis - Immunologie: C3c = 0.77 (0.9-1.8), C4 = 0.02 (0.1-0.4) RF