Heft 04 | 2008

OrganisationsEntwicklung

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OrganisationsEntwicklung

Zeitschrift für Unternehmensentwicklung und Change Management

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08 Werte im Management Gut sein wirkt

Gutes tun und davon profitieren Das Potenzial von Corporate Social Responsibility für Unternehmensentwicklung und Wachstum

Einladung zur Grillparty des Staatsanwaltes Caspar von Hauenschild, Vorstand Transparency Deutschland, im Gespräch über Change Management und Korruption

Der Führungsnachwuchs fordert eine neue Managementkultur Schwerpunkt: Werte im Management

€ 17,50 CHF 29,--

Warum Top-Down implementierte Werte nicht ausreichen

Fairness-Check bei Wandelprojekten Vier Dimensionen von Gerechtigkeit und wie man sie berücksichtigt

Neue Medien im Change Management Wie sind Web 2.0-Instrumente für Veränderungsprojekte nutzbar?

Reflexion | Raus aus der Pfadabhängigkeit – rein in die Pfadgestaltung! | Marc R. H. Roedenbeck, Philip Holtmann

Marc R. H. Roedenbeck Dipl. Ing., Stipendiat und Doktorand im DFG-Graduiertenkolleg «Pfade organisatorischer Prozesse» an der Freien Universität Berlin. www.holtmann-roedenbeck.com

Philip Holtmann Dipl. Kfm., Stipendiat und Doktorand im DFG-Graduiertenkolleg «Pfade organisatorischer Prozesse» an der Freien Universität Berlin. www.holtmann-roedenbeck.com Kontakt: [email protected]

Kontakt: [email protected]

Raus aus der Pfadabhängigkeit – rein in die Pfadgestaltung! Pfadabhängigkeit bedeutet, dass initiale Entscheidungen zu unbeabsichtigten Konsequenzen führen können, die durch Selbstverstärkung immer weiter fortbestehen. Pfad-Management wiederum ermöglicht Organisationen, Pfade zu erkennen und sich vor derartigen Entwicklungen zu schützen, indem sie bereits vorliegende Pfade brechen. Kern dabei ist das Mentoring zur Selbstberatung. Dabei werden Agenten des Wandels innerhalb der Organisation trainiert, um aus der eigenen Organisation heraus potenziellen Verfestigungen und Beharrlichkeiten entgegenwirken zu können. Entscheidend ist, dass Verantwortung und Veränderungsmacht in den Händen der Organisation verbleiben und nicht an externe (Beratungs-)Organisationen abgegeben werden.

Die QWERTY-Tastatur hat sich seit über 150 Jahren am Markt durchgesetzt – und das, obwohl sie längst überholt und ineffizient ist! Es ist das wohl prominenteste Beispiel der Pfadforschung. Diese wird seit dem bahnbrechenden Artikel von Paul David (1985) in der Wissenschaft von Jahr zu Jahr populärer. Die QWERTY-Geschichte erzählt, wie sich eine Technologie – ausgelöst durch zufällige Ereignisse und Entscheidungen – durch Selbstverstärkung sukzessive am Markt als Standard etabliert. Dies ist zunächst unproblematisch. Je weiter aber die Verbreitung der Tastatur, je größer der investierte Lernaufwand und die Gewöhnung zur Bedienung derselben, desto unwahrscheinlicher ist ein Wechsel. Dies entspricht auf einer

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sehr allgemeinen Ebene bereits einer Inferiorität: Je weiter die Abhängigkeit fortgeschritten ist, desto unmündiger und weniger flexibel werden die QWERTY-Anwender im Zeitverlauf. Konkret bedeutet im Fall von QWERTY die erwähnte Ineffizienz einen real messbaren Zeitverlust durch die Nutzung von QWERTY, so Paul David. Damit verringert sich die Chance auf ernstzunehmende Konkurrenz. Das Ergebnis: Ein nicht umkehrbares Verharren (irreversibler Lock-In) einer minderwertigen (inferioren) Technologie. Während sich nun über die genaue Definition von Ineffizienz und Inferiorität kontrovers diskutieren lässt, erachten wir es als viel dringlicher, das Phänomen Pfadabhängigkeit für

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Marc R. H. Roedenbeck, Philip Holtmann | Raus aus der Pfadabhängigkeit – rein in die Pfadgestaltung!

Organisationen fruchtbar zu machen. Denn wenn innerhalb einer Organisation als soziales System ineffiziente Prozesse vorliegen, deren Überwindung nahezu unmöglich scheint, ist es Zeit für eine aktive Auseinandersetzung. Die Ursache von Pfaden liegt in einer spezifischen Art von Mechanismus, dessen Ausprägungen oft unbeobachtet in den Systemen ablaufen: Selbstverstärkung. Im Falle von QWERTY sind es Lerneffekte und Gewöhnung, die einen Wechsel zu anderen Tastaturlayouts erschweren oder gar unmöglich machen. Durchleuchten – verstehen – anwenden: In diesem Artikel möchten wir das in der Literatur bislang sehr abstrakte und theoretische Konstrukt der Pfadabhängigkeit aufgreifen, erklären und daraus einen Werkzeugkoffer für Organisationsgestalter und -entwickler zusammenstellen. Zunächst wird dazu das zugrunde liegende Beratungsverständnis (Mentoring) vorgestellt. Zum zweiten wird der Begriff des Pfades beschrieben und Pfad-Management als Instrument eingeführt. Anschließend wird Pfad-Management in vier konkrete Handwerkszeuge der Reflexion übersetzt und an einem Beispiel erklärt. Umfassendes Ziel dieser Übersetzung ist die Schärfung des Blicks auf einen bisher unbewussten Mechanismus.

Beratung ist nicht gleich Beratung Wir unterscheiden zwischen Beratung erster und zweiter Ordnung sowie dem Mentoring zur Selbstberatung. In den ersten beiden Fällen gibt der zu beratende Klient die Verantwortung in die Hände externer Beratungsorganisationen ab. Anders beim Mentoring: Hier kann und muss sich die Organisation mit sich selbst beschäftigen. Die Kompetenz zum Wandel liegt im Unternehmen selbst – nur so können die eigenen Probleme in funktionale Lösungen umgedacht werden.

Beratung erster und zweiter Ordnung Systemische Beratung ist in der Beratungsbranche mittlerweile zu einer festen Größe geworden. Auch für uns bedeutet Beratung die Intervention eines Beratersystems in ein Klientensystem (vgl. Königswieser, Exner und Pelikan 1995). Dabei ist zu beachten, dass das Beratersystem (z.B. Accenture, BCG oder McKinsey) auch während des Beratungsprozesses außerhalb des Klientensystems (also z.B. Ihr Unternehmen) steht. Beide Systeme formen das Beratungssystem, welches durch die Interaktion neu entsteht. Durch die Beauftragung eines externen Beratersystems geben die Klientensysteme auf der einen Seite ihre eigene Verantwortung ab und erschaffen auf der anderen Seite durch den Beratungsauftrag die Kompetenz des Beratersystems. In der Praxis wird diese Beratung erster Ordnung häufig genutzt. Das zeigen die Umsatzzahlen des Beratermarktes beim BDU (Bund Deutscher Unternehmensberater). Andererseits

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| Reflexion

wird sie aber viel kritisiert: Sie ist zu teuer, hat eine Fehlerquote zwischen 25 und 80 Prozent und erzeugt sich selbst zwischen 70 und 80 Prozent neue Folgeaufträge (vgl. Mohe 2007). Diese Kritik wird aber durch die beratenen Organisationen selbst gefördert: Externe Beratersysteme werden bei der Beratung erster Ordnung häufig als Legitimation längst beschlossener Änderungen herangezogen. Im gegenteiligen Fall – die Klientenorganisation will sich gar nicht wandeln – bringt sie sich kaum in den Beratungsprozess mit ein. Die Schuld für einen gescheiterten Turnaround wird dann den Beratern zugeschrieben. Angesichts der angesprochenen hohen Fehlerquote, der zunehmenden Komplexität und Undurchschaubarkeit im Dschungel unterschiedlicher Beratungsleistungen (erster Ordnung) wurde von der Wissenschaft der Begriff der Beratung zweiter Ordnung eingeführt. Es ist eine Meta-Beratung, welche aus zwei Perspektiven verstanden werden kann: Auf der einen Seite bedeutet sie die Beratung der Berater selbst. Auf der anderen Seite liegt sie vor, sofern die zu beratene Organisation bei der Beraterauswahl beraten wird. Meta-Berater dienen dabei vor allem der Selektion von Beratern erster Ordnung. Aber auch hier werden erhebliche Einwände geäußert (vgl. Mohe 2007): Meta-Berater als Berater zweiter Ordnung müssten zur Beurteilung der Berater erster Ordnung Experten-Experten sein, um überhaupt beurteilen zu können. Zudem könnte es doch konsequenterweise auch Meta-Meta-Berater geben und Meta-Meta-Meta-Berater – ein Gedankenspiel, welches sich in einem endlosen Regress selbst ad absurdum führt. Auch besteht die Gefahr, dass Meta-Berater von Organisationen herangezogen werden, um nach außen eine Rationalitätsillusion gegenüber Stakeholdern aufzubauen oder zu wahren. Zu guter Letzt bleibt das obige politische Argument der Beratung erster Ordnung, dass die Organisationen Meta-Beratungen zur Wahl von Beratungen auch nur für die Legitimation längst beschlossener Ziele verwendet werden. So sind gleich zwei Buh-Männer gefunden worden: Einer, der die Entscheidung des Managements nach Außen trägt (Meta-Berater) und der andere, der sie im Detail trägt und ausführt (Berater). Zentraler Gedanke sowohl von Beratung erster als auch zweiter Ordnung ist also die Verantwortungsabgabe an andere. Geht es gar nicht anders?

Mentoring zur Selbstberatung Es scheint zunächst paradox, dass sich Organisationen mit einem blinden Fleck (etwas, was sie über sich selbst nicht wissen) selbst beraten sollen. Aber impliziert nicht bereits die Entscheidung eines Klienten, einen Beratungsauftrag zu vergeben seine Vermutung eines eigenen blinden Flecks? Im Fall der politischen Legimitation liegen sogar bereits Lösungen vor. Rein pragmatisch lässt kein soziales System eine externe Beratung zu, wenn es nicht bereits selbst Kenntnis über ein

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Problem hat. Im Sinne ihrer eigenen Selbsterschaffung stößt eine Organisation erst an ihre Grenzen, wenn sie beginnt, um ihre Selbsterhaltung zu fürchten. Jetzt hat sie erkannt und öffnet sich Einflüssen. Demnach wissen Organisationen schon über ihren blinden Fleck, sobald sie eine Beratung erster oder zweiter Ordnung um Hilfe bitten. Warum verfolgt die Organisation mit dieser Erkenntnis nicht den Lösungsprozess selbst? So wäre sie in Macht und Verantwortung. Interessanterweise lassen selbst-erhaltende Systeme ja auch nur denjenigen Wandel zu, welcher bereits an ihr vorhandenes Wissen anschlussfähig ist; anderes können sie gar nicht verstehen (vgl. Schmidt 1992). Die konsequente Schlussfolgerung kann nur folgende sein: Wie schon Baron Münchhausen sich an seinen eigenen Haaren aus dem Sumpf gezogen hat, so kann und muss sich auch die Organisation aus eigener Kraft von ihren Problemen befreien. Wird bei der klassischen Beratung nach umfassender Untersuchung die Diagnose gestellt und passende Therapie verordnet, werden dem Klienten beim Mentoring Instrumente beigebracht. Nur so wird er bei seinem eigenen Selbstheilungsprozess unterstützt. Was heißt das jetzt konkret für die Beratungspraxis? Ähnlich wie der Ansatz des Self-Coachings (vgl. Giegler 1994) bedeutet Mentoring zur Selbstberatung für uns konkret die Schulung und Supervision von unternehmensinternen Agenten des Wandels. Es sind Mitarbeiter, deren Kompetenz sich in ein Fachgebiet und die unternehmensinterne Beratung aufgliedert. Die Einstellung von weiteren Mitarbeitern kann dabei zur Entlastung der Fachgebietsarbeit führen. Wichtig ist, dass die Agenten des Wandels die Legitimation der Geschäftsführung erhalten. Diese Legitimation muss sich auf die Beobachtung und Störung der gesamten Organisation – inklusive der Geschäftsführung selbst – beziehen. Das Training dieser Agenten des Wandels beinhaltet in einem ersten Schritt das Erlernen von Instrumenten anhand von konkreten Fall-

Tabelle 1

Die drei Schritte des Mentorings Schritte des Mentorings

Inhalte

1. Case Studies

Bearbeitung von Fallbeispielen aus der Theorie zum Erlernen der Instrumente.

2. Corporate Studies

Anwendung der Instrumente im eigenen Unternehmenskontext.

3. Supervision

Reflexionsgespräche zwischen Mentoren und unternehmensinternen Agenten des Wandels als Plattform zur Erkennung eigener blinder Flecken.

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beispielen (Case Studies). Es folgt in einem zweiten Schritt die Transferleistung in die Praxis. Die unternehmensinternen Agenten des Wandels wenden die Instrumente in ihrer eigenen Organisation an (Corporate Studies). Als dritter Schritt folgt optional eine Supervision durch externe Mentoren. Sie assistieren den Agenten des Wandels bei der Überwindung eigener blinder Flecken (vgl. Tabelle 1).

Pfade und Pfad-Management Kommen wir nun zur Umsetzung des Mentorings zur Selbstberatung mit dem Instrument des Pfad-Managements. Dazu wollen wir kurz noch einmal einführen, was diese Pfade eigentlich sind und wie daraus ein Pfad-Management entstehen kann. Dieses Pfad-Management wird sich von den ersten wissenschaftlichen Vorschlägen (vgl. Dievernich 2007) durch eine konkrete Übersetzung in Handlungsoptionen unterscheiden.

Was sind Pfade? Zur Veranschaulichung unseres Pfadverständnisses verwenden wir in Anlehnung an eine Fallstudie das abstrahierte Beispiel eines Handelsunternehmens, welches sich durch Selbstverstärkung zu einer Abhängigkeit entwickelte. Dieses Beispiel verdeutlicht Pfadabhängigkeit in einer Organisation, wohingegen die oben erwähnte QWERTY-Tastatur technologische Pfadabhängigkeit beschrieb. Zum Gründungszeitpunkt legt sich ein Unternehmen auf eine Geschäftsstrategie oder das Businessmodell fest, ohne die langfristige Entwicklung abschätzen zu können. In unserem Fall entschied sich das Unternehmen zunächst aus einer Vielzahl von Möglichkeiten für den Aufbau eines Handelsunternehmens (vgl. Abbildung 1). Aufgrund von Skaleneffekten entstand die erste organisatorische Selbstverstärkung (1. Kreis im Pfadtrichter, Abbildung 1): Um die Margen durch die Erzielung von Rabatten zu erhöhen, entschied sich das Management zur Steigerung der Absatzmenge. Die daraus resultierenden Skalenerträge führten zu einer weiteren Entscheidung des Unternehmens: Bestärkt durch die hohen Gewinne wurde die Fertigung für eine spezifische Produktpalette vom Unternehmen selbst übernommen und der Vertrieb dahingehend reduziert. Es wäre natürlich auch möglich gewesen, die Angebotspalette zu vergrößern, jedoch war die Gewinnerwartung für ein spezifisches Produkt relativ hoch. Aus diesem Aufbau der Fertigung entstand eine weitere selbstverstärkende Kraft: Die Komplementarität oder gegenseitige Abhängigkeit. Nachfolgende Unternehmensentscheidungen berücksichtigten stets die bestehenden Verbindungen von Fertigung und Vertriebsstrukturen (2. Kreis im Pfadtrichter). Dies bestärkte die gewählte Strukturierung des Unternehmens. Neben dieser Komplementarität zwischen Vertrieb und

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| Reflexion

Abbildung 1

Pfadverlauf eines Handelsunternehmens zum Direktvertreiber Pfad-Trichter

Wertschöpfungskette

Lizenzerwerb

Lizenzerwerb

?

Vertrieb

Fertigung

Direkt-Vertrieb

Fertigung

?

Fertigung entschied sich das Unternehmen zusätzlich, die Vertriebsstruktur durch die Einführung eines Direktvertriebs auf eine Zielgruppe zu konzentrieren. Parallel wurde der Einkauf auf diese Zielgruppe abgestimmt, so dass eine reine Zweitvermarktung von stark nachgefragten Produkten mit bereits abgelaufenen Lizenzen erfolgte. Mit dieser weiteren Komplementarität zwischen Vertrieb und Einkauf entstanden höhere Margen, welche die Entscheidung bestätigten (3. Kreis im Pfadtrichter). Allerdings ging diese Erfolgsspirale mit wandelnden Marktbedingungen einher: Geänderte Kundenwünsche und der Eintritt neuer Wettbewerber führten zu einem Zusammenbruch der direkten Vertriebsstruktur. Das Problem: Durch die einseitige Ausrichtung von Einkauf und Fertigung am Vertrieb erhöhte sich die Inflexibilität des Unternehmens (Lock-In). Als Folge löste der Zusammenbruch des Direktvertriebs eine ganze Kette von Effekten aus: Rückgang der Absatzmenge, Preissteigerungen, Rückgang der Skaleneffekte sowie des Gewinns. Das pfadabhängige Handelsunternehmen geriet somit in eine Abwärtsspirale und endete in der eigenen Zahlungsunfähigkeit. Auf diesem Weg wurde lediglich versucht, das bereits bestehende, marode Vertriebssystem zu retten. Zwei Dinge sind ergänzend zum im Fallbeispiel beschriebenen Prozess zu erwähnen: Erstens kann die Selbstverstärkung wie z.B. die beschriebenen Komplementaritäten auf unterschiedlichen Ebenen wirken (sozial, unternehmerisch und individuell), verschiedene Ausprägungen haben und interagieren (vgl. Tabelle 2, anlehnend an Beyer 2005). Komplementarität ist dabei nur eine von mehreren Ausprägungen in sozialen

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Selb stve rstär kung

Fertigung

Lock-in

Zeit

Handel

DirektVertrieb

Systemen. Weitere Ausprägungen bilden Macht, Legitimität, Funktionalität, Koordinations- oder Netzwerkeffekte sowie Konformität. Die genannten Skalenerträge sind eine Ausprägung, die zur unternehmerischen Ebene zählt. Hierzu gehören gleichermaßen die versunkenen Kosten. Auf einer im Beispiel bislang nicht behandelten individuellen Ebene können zusätz-

Tabelle 2

Typologisierung der Ausprägungen von Selbstverstärkung Ebene

Ausprägung

Sozial

• • • • • •

Unternehmerisch

• Versunkene Kosten • Skalenerträge

Individuell

• • • • •

Macht Legitimität Funktionalität Komplementarität Koordinationseffekte/Netzwerkeffekte Konformität

Erwartungen Erwartungserwartungen Emotionen Lerneffekte Wahrnehmung

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lich Erwartungen, Erwartungserwartungen, Emotionen, Lerneffekte und Wahrnehmung selbstverstärkend wirken. Alle diese genannten Ausprägungen der Selbsterstärkung können in unterschiedlichster Kombination auf die Entstehung von Pfaden einwirken. Als zweiter ergänzender Punkt ist anzufügen, dass der LockIn aufgrund der allgemeinen Abhängigkeit des eingeschlagenen Entscheidungspfades per se bereits eine Inferiorität darstellt. Konkret kann eine spezifische Ineffizienz vorliegen, sofern z.B. eine kostengünstigere Alternative vorhanden ist.

Pfad-Management Pfad-Management heißt für uns zunächst eine auf der Pfadforschung basierende Kombination von verschiedenen Ansätzen. Es lassen sich drei wesentliche Stränge extrahieren: Pfadabhängigkeit, Pfadbruch und Pfadkreation (vgl. Schreyögg, Sydow und Koch 2003; Garud und Karnoe 2001). Zentraler Gedanke beim Pfad-Management ist immer die Auflösung der Ohnmachtsposition. Die Abhängigkeit wird verlassen und der Weg zu einer aktiven Gestaltungsmöglichkeit bereitet. Dazu dienen unsere vier Elemente des Pfad-Managements (vgl. Tabelle 3). Die Abhängigkeit umfasst die Beschreibung der unintendierten Entstehung von Pfaden und die Wirkung des Mechanismus der Selbstverstärkung. Für eine Organisation lässt sich daraus ableiten, dass ein Handwerkszeug dazu dienen muss, den Pfad zu entdecken (Pfad-Entdecker/Path Detector). Wenn dieser Pfad nun entdeckt wurde, dann stellt sich natürlich in einem zweiten Schritt die Frage der Selbstbewältigung als Werkzeug des Pfad-Brechers (Path Breaker). Liegt kein Pfad vor oder ist er erfolgreich überwunden worden, ist der Schutz vor entstehenden Pfaden eine permanente zu bewältigende Aufgabe (Pfad-Schutz/Path Preventor). Aus einer unternehme-

rischen Perspektive kann die Abhängigkeit aber auch sinnvoll genutzt werden: Sofern es einer Organisation gelingt, ein Produkt als Standard im Markt zu etablieren (beispielsweise das VHS-Videoformat von JVC), profitiert die Organisation von der Selbstverstärkung und dem Lock-In – Kundenbindung durch Pfadkreation. Daher ist als letztes Handwerkszeug auch ein Reflexionsrahmen zu bieten, auf dessen Basis ein derartiger Pfad entstehen kann (Pfad-Treiber/Path Driver). In Abbildung 2 ist vorgreifend der zentrale Angriffspunkt des Pfad-Managements – die Selbstverstärkung – visualisiert. Hierbei wird deutlich, dass alle vier Elemente des Pfad-Managements an der Selbstverstärkung ansetzen, um diese zu identifizieren, zu brechen, zu verhindern bzw. zu erschaffen.

Die vier Elemente des Pfad-Managements Jetzt liegt uns alles vor, was wir zur Umsetzung des Mentoring zur Selbstberatung brauchen. Sie als Leser sind unternehmensinterne Agenten des Wandels, denn Sie interessieren sich für diese Zeitschrift und arbeiten in einer Organisation. Vielleicht sind Sie auch bisher als externer Berater tätig gewesen und wollen jetzt bei sich selbst mit der Beratung beginnen. Natürlich können Sie das Pfad-Management auch Ihren Kunden mitteilen. Dann agieren Sie aber nur als Mentoren, welche die Selbstreflexion der Unternehmen unterstützen. Wir werden Ihnen nun als externe Mentoren anhand einer Fallstudie (1. Schritt des Mentorings) das Instrument des PfadManagements vorstellen, welches Sie parallel in Ihr Unternehmen übertragen können (2. Schritt des Mentorings). Für eine Supervision (3. Schritt des Mentorings) können Sie uns oder andere zur Spiegelung Ihrer eigenen blinden Flecken gerne fragen – so paradox es klingt: Wie Baron von Münchhausen ziehen Sie sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf.

Tabelle 3

Die vier Elemente des Pfad-Managements Elemente des Pfad-Managements

Inhalt

Pfad-Entdecker (Path Detector)

Ein Reflexionsrahmen zur Auffindung von Pfaden in Systemen.

Pfad-Brecher (Path Breaker)

Ein Methodenrahmen zur Intervention in Systemen, bei denen Pfade wirken.

Pfad-Schutz (Path Preventor)

Ein Reflexionsrahmen zum Schutz vor der Entstehung von Pfaden in Systemen.

Pfad-Treiber (Path Driver)

Ein Methodenrahmen zur Erschaffung von Pfaden in Systemen.

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Pfad-Entdecker (Path Detector) Schauen wir noch einmal auf unsere Definition von Pfaden, dann gilt es folgende Merkmale zu berücksichtigen: Initiale Entscheidungen mit Ergebnisoffenheit, der Mechanismus der Selbstverstärkung mit seinen Ausprägungen und schließlich Inflexibilität. Die Analyse dieser drei Merkmale werden wir nun im Rahmen unseres Fallbeispieles erklären. Initiale Entscheidungen zu finden ist nicht unbedingt einfach. Gesucht wird eine auslösende Entscheidung, die eine Kette von Entscheidungen nach sich gezogen hat. Und dabei ist wichtig, dass die letzte Entscheidung nicht unbedingt schon mit der ersten zu erwarten war. Diese erste Entscheidung zu finden, ist schon von den Chaostheoretikern als fast unmöglich eingestuft worden, denn wo ist schon der Anfang für eine Entscheidung? In unserem Beispiel scheint die initiale

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Abbildung 2

Selbstverstärkung als zentraler Angriffspunkt des Pfad-Managements Pfad-Trichter

Zeit

Selb stve rstär kung

Instrument

Lock-in

Pfad-Management

Entscheidung die Konstituierung des Handelsunternehmens zu sein. Gleichermaßen könnte allerdings auch die Entscheidung der Gründer, sich überhaupt selbständig am Markt zu beteiligen, ausschlaggebend für den gesamten Prozess gewesen sein. Dieses Gedankenspiel lässt sich mühelos bis zur Geburt der Gründer weiterführen. So wird deutlich, dass es höchst mühsam oder praktisch sogar unmöglich ist, nach den Wurzeln und grundlegenden Ursachen von Entscheidungsketten zu suchen. Besser ist, Sie nehmen einfach das am weitesten zurückliegende Ereignis, an das Sie kommen, das Ihnen einfällt oder das Sie durch Kollegen erfahren haben. Jetzt überlegen Sie, ob der heutige Zustand als Folge dieser Entscheidung zu erwarten war. Folgt aus der Gründungsentscheidung zum Handelsunternehmen als einzige Möglichkeit die Einführung des Direktvertriebs? Wenn nicht – unser Unternehmen hätte auch ein reiner Handelsbetrieb bleiben können – dann sind Sie Ihrem Pfad auf der Spur. Als zweiten Schritt zur Überprüfung der Existenz von Pfaden wählen wir das Aufdecken der Inflexibilität – und nicht der Selbstverstärkung. Wir zäumen damit das Pferd von Hinten auf, denn wenn Sie Kopf und Schwanz im Griff haben, dann liegt es nur an Ihnen, den Platz zum Aufsitzen zu finden. Finden Sie keine Inflexibilität, können Sie sich den aufwendigsten Teil der Suche nach Selbstverstärkung sparen. Die Aufdeckung der Inflexibilität erfolgt durch einen Alternativencheck. Dabei versuchen Sie, mit den jeweiligen Entscheidungsträgern über Möglichkeiten zu reden. Fragen Sie nach allem, was Ihnen einfällt. In unserem Beispiel sind es z.B. die Vergrößerung der Kun-

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dengruppen durch Internationalisierung, die Diversifikation der Vertriebskanäle oder die Erweiterung der Produktvielfalt. Reagieren die Entscheidungsträger ablehnend oder finden sie immer ein gutes Argument zur Unterstützung ihrer strategischen Wahl, so bestärkt sich die Pfadvermutung. Erst wenn Sie den Kopf (eine Entscheidung mit unbekannter Auswirkung) und den Schwanz (Inflexibilität und Abwehr von Alternativen) von Pfaden gefasst haben, kann die Suche weitergehen. Ihre Aufgabe ist es nun, entsprechend den oben aufgeführten Ausprägungen der Selbstverstärkung (vgl. Tabelle 2), Fragen zu formulieren. In unserem Beispiel lauten die zu beantwortenden Kernfragen: «Beeinflussen steigende Skalenerträge die Entscheidungen des Managements?» und «Wie wirkt

«Gesucht wird eine auslösende Entscheidung, die eine Kette nach sich gezogen hat, wobei deren letzte nicht schon mit der ersten Entscheidung zu erwarten war.» die Einführung der Fertigung auf das Handelsunternehmen, und wie wirken mögliche Veränderungen auf die Fertigung zurück?» Ähnliche Fragen sind für alle aufgeführten Ausprägungen der drei Ebenen zu stellen. Hiermit können Sie sich deren Präsenz bewusst werden. Machen Sie sich eine Liste und notieren dabei deren Wirkungsweise. Jetzt können Sie im nächsten Schritt die Brechung einleiten.

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Pfad-Brecher (Path Breaker) Als unternehmensinterner Agent des Wandels haben Sie also einen Pfad in Ihrem Unternehmen entdeckt. Dieser ist auf die Wirkung einzelner oder sogar mehrerer Ausprägungen von Selbstverstärkung zurückzuführen. Die übrigen Komponenten des Pfades – die initialen Entscheidungen sowie Inflexibilität – sind für die Pfadbrechung bedeutungslos. Ausschließliches Ziel ist es, die Wirkung der Selbstverstärkung zu beeinflussen bzw. aufzulösen. Bei dieser Pfadbrechung sind drei zentrale Schritte von Relevanz: Kommunikation Ihrer Erkenntnisse, die schrittweise Bearbeitung jeder Ausprägung der Selbstverstärkung sowie die unnachgiebige Umsetzung von Alternativen. Beginnen wir mit der Kommunikation Ihrer Erkenntnisse: In unserem Handelsunternehmen ist die Erkenntnis der Skaleneffekte sowie der Komplementaritäten an die Entscheidungsträger heranzutragen. Dies ist in einem offenen Dialog mit den Entscheidungsträgern durchzuführen. Beide Seiten müssen dazu in der Lage sein, Kritik offen anzusprechen sowie zu empfangen. Besteht in Ihrem Unternehmen an dieser Stelle bereits ein Problem, so ist die Beteiligung eines Mediators zu empfehlen. Weigert sich die Geschäftsführung dennoch, ist die Integration von Stakeholdern in Betracht zu ziehen.

«Für nachhaltige Pfadbrechung ist Beharrlichkeit nötig. Vorzeitiger Abbruch ist ein weiterer Beweis für Pfadabhängigkeit.» Punkt zwei – die schrittweise Bearbeitung jeder Ausprägung der Selbstverstärkung – verlangt nach detaillierten, gegensteuernden Maßnahmen. Für jede Ausprägung sind jeweils Aktivitäten zur Abschwächung bzw. Auflösung einzuleiten. Im Fall unseres Handelsunternehmens haben wir konkret steigende Skalenerträge und komplementäre Zusammenhänge zwischen Fertigung und Vertrieb sowie Fertigung und Lizenzerwerb ermittelt. Die Ertragskraft der Skalenerträge kann zwar nicht geleugnet werden, dennoch ist die Berücksichtigung weiterer Kennzahlen von großer Bedeutung: In diesem Sinne sollten externe Faktoren des Marktumfelds wie Lieferanten, Kunden, Substitute und Wettbewerber bedacht werden. Basierend auf intensiver Marktforschung könnte sich unser Handelsunternehmen dem Wettbewerb stellen und neue Geschäftsfelder durch Internationalisierung oder Neuproduktentwicklung erschließen. Wichtig ist, Skalenerträge nicht durch andere selbstverstärkende Effekte zu ersetzen, da dies nur den Prozess der Abhängigkeit beschleunigt. Den Komplementaritäten unseres Handelsunternehmens kann mit einer konsequenten Entflechtung der bestehenden Abhängigkeitsverhältnisse begegnet werden. Dies beinhaltet beispielsweise die Einrichtung der Auftragsfertigung für Fremdunternehmen, die Erweiterung des Erwerbs abgelaufener

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Lizenzen um den Verkauf neuer Produkte sowie die Ausweitung des Direktvertriebs um weitere Distributionskanäle. Dieser exemplarischen Darstellung entsprechend müssen auch Sie jede von Ihnen ermittelte Ausprägung der Selbstverstärkung mit adäquaten Gegenmaßnahmen versehen. Förderlich ist Beharrlichkeit. Um den Prozess der Pfadbrechung zu einem nachhaltigen Abschluss zu bringen, ist es von großer Bedeutung, die Brechung mit Geduld zu begleiten. Nur eine langfristige Perspektive der Auflösung Ihrer identifizierten Ausprägungen wird Sie zu einer nachhaltigen Veränderung führen. Wenn Sie den Prozess vorzeitig abbrechen, weil z.B. die Auftragsfertigung für Fremdunternehmen nicht direkt zu hohen Erträgen führt, sind Ihre Bemühungen nur ein weiterer Beweis für die Pfadabhängigkeit Ihres Unternehmens.

Pfad-Schutz (Path Preventor) Die Prävention sollte bereits vor der Ausprägung eines Lockin ansetzen. Das Werkzeug des Pfad-Schutzes arbeitet dabei prinzipiell mit denselben Methoden wie der Pfad-Brecher, nur ist es proaktiv gestaltet. Zur proaktiven Verhinderung von Pfaden sind wieder Sie als unternehmensinterner Agent des Wandels gefragt. Wichtig ist, dass Sie weitere Kollegen in Ihre Arbeit mit einbeziehen. Bestenfalls sollten sich diese Kollegen aus unterschiedlichen Abteilungen zusammensetzen. Bei größeren Unternehmen ist auch die Einrichtung einer eigenständigen Abteilung der Organisationsbeobachtung möglich. Diese Beobachtungsabteilung kann aus einem Rotationssystem bestehen, in welchem Mitarbeiter aller Abteilungen für befristete Zeiträume die eigenen Abteilungen reflektieren. Insbesondere neue Arbeitskräfte können durch ihre noch unbeeinflusste, bis dato externe Perspektive wertvolle Impulse für die Beobachtungsabteilung liefern. Durch einen kleinen Basisstamm an Mitarbeitern wird garantiert, dass die Beobachtung der Ausprägungen von Selbstverstärkung aus und auf immer andere Abteilungen reibungslos erfolgt. Die Geschäftsführung ist in dieses Rotationsprinzip selbst zu integrieren. Die Aufgabe der Agenten des Wandels liegt darin, die Wirkweise der oben aufgeführten Ausprägungen der Selbstverstärkung zu beobachten. Die gewonnenen Erkenntnisse sind wie bereits erwähnt offen und unter Zulassung von Kritik intern zu kommunizieren. Der Mehraufwand zur Pfad-Prävention relativiert sich angesichts der hohen Aufwendungen zur Brechung einer Abhängigkeit. Unser Handelsunternehmen hätte z.B. frühzeitig alternative Geschäftsfelder entwickeln oder andere Vertriebsstrukturen implementieren können. Dieser Aufwand wäre geringer und zudem noch möglich gewesen anstatt nach dem Zusammenbruch des Direktvertriebs mit folgender Zahlungsunfähigkeit eine Finanzierung für eine komplett neue Vertriebsstrategie und -struktur einzuwerben.

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| Reflexion

Abbildung 3

Umsetzung der vier Elemente des Pfad-Managements am Fallbeispiel

Pfad-Entdecker

Initiale Entscheidungen

Ursachen von Entscheidungsketten

Lock-In

Alternativen-Check mit Entscheidungsträgern

Selbstverstärkung

Check der Ausprägungen

Kommunikation Marktforschung Pfad-Brecher

Selbstverstärkung Entflechtung Beharrlichkeit

Reflexionseinheit als Rotationssystem Pfad-Schutz

Selbstverstärkung Interne Kommunikation

Mobilisierung Beteiligter Initiale Entscheidungen Anschlussfähigkeit Pfad-Treiber Aktive Unterstützung Selbstverstärkung Multiplikatoren

Pfad Treiber (Path Creator) Wie erläutert bedeuten Pfade für Unternehmen eine potenzielle Gefahrenquelle. Im Gegensatz dazu kann es durchaus im Interesse des Unternehmens liegen, Pfade bewusst zu erschaffen, indem Kunden gebunden oder spezifische Märkte gewonnen werden. Für die erfolgreiche Erschaffung eines Pfades muss die bisher unbeachtete Anfangsphase durch Akteure gesteuert werden. Die Steuerung muss so lange erfolgen bis die Selbstverstärkung einsetzt und der Prozess zum Selbstläufer wird. Als Beispiel verwenden wir wieder unser Handelsunternehmen, legen aber den Fokus auf die bewusste Entscheidung, Kunden über den Direktvertrieb an das Unternehmen zu binden.

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Wie kann das Handelsunternehmen diesen Pfad aktiv gestalten? Bei der Entwicklung von Pfaden geht es zunächst um die demokratische oder geführte Mobilisierung von Beteiligten (Mobilizing Minds). Einerseits müssen die Kunden von der Nutzung des Direktvertriebes überzeugt werden. Der Beispielfall zeigte, dass sich neben den direkten Werbemaßnahmen Freundschaftswerbung und die Einführung von Treueprämien zur Kundenbindung als besonders erfolgreich gestalteten. Aber auch innerhalb des Unternehmens bedurfte die Idee der Einführung eines Direktvertriebes Unterstützung. Zur Generierung finanzieller Mittel wurde die Geschäftsführung von deren Wirkung überzeugt.

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Generell berücksichtigt die erfolgreiche Mobilisierung von Beteiligten den Grundsatz der Anschlussfähigkeit (Boundary Spanning): Pfadtreibende Ideen sind an bestehende Systeme anzulehnen, um damit den Beteiligten deren Vorteile ersichtlich zu machen und Mitarbeit zu erwirken. Die Vertriebsabteilung unseres Handelsunternehmens hat mit Kosten- und Einnahmeprognosen die Sprache der Geschäftsführung gewählt. Auf Kundenseite wurde die Anschlussfähigkeit durch zielgruppengerichtete Werbemaßnahmen und personalisierte Ansprache erreicht. Neben Mobilisierung und Anschlussfähigkeit kann die Idee des Direktvertriebs mit weiterer Bewegungsenergie versehen werden (Momentum). Die Agenten des Wandels unterstützten in unserem Beispielfall aktiv die Ausprägungen der Selbstverstärkung. Dies erfolgte durch die Forcierung von Lern- und Gewöhnungseffekten im Zusammenspiel zwischen Produktangebot und den Kunden. Der Selbstverstärkungsprozess wird beschleunigt, wenn die Beteiligten als überzeugte Multiplikatoren die Idee selbständig weiter tragen (Distributed Agency). Dies gilt für unser Handelsunternehmen bei steigenden Raten der Freundschaftswerbung durch Kunden und der Ausschüttung von hohen Leistungslöhnen an die Vertriebsabteilung durch die Geschäftsführung. Ein kreierter Pfad liegt vor.

Ausblick Zur Veranschaulichung des Mentorings zur Selbstberatung haben wir das Instrument des Pfad-Managements an einem abstrahierten Fall der aktuellen Forschungspraxis dargestellt. Abbildung 3 fasst die vier Elemente des Pfad-Managements und deren im vorherigen Abschnitt erläuterte Ansatzpunkte im Fallbeispiel grafisch zusammen. Zentral in allen vier Elementen des Pfad-Managements ist deren Einwirkung auf die Selbstverstärkung. Belege für die Existenz von Pfaden in anderen Branchen liegen mittlerweile vor, allerdings fehlen Erfahrungen mit der Brechung und Kreation von Pfaden. Die Begleitung von freiwilligen Testsystemen steht nun im Vordergrund, welche sich an der Erprobung zu einem beiderseitigen Nutzen für Wissenschaft und Praxis beteiligen. Unser Instrument, das wir als Mentoren an Sie vermittelt haben, müssen wir daher mit dem bekannten Spruch versehen: «Bei Risiken und Nebenwirkungen (oder spezifischen Fragen) wenden Sie sich bitte an den Hersteller». Wir hoffen trotz der offenen wissenschaftlichen Probleme der Praxis mit unserer Idee einen Input geliefert zu haben, der zu einem regen Austausch führt. Das bedeutet für beide Seiten, aufeinander zuzugehen und Bereitschaft zur Veränderung zu zeigen. Schließlich ist zu bedenken, dass Pfade nicht nur in Organisationen, sondern in allen Systemen vorherrschen können.

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Literatur

• Beyer, J. (2005). Pfadabhängigkeit ist nicht gleich Pfadabhängigkeit! – Wider den impliziten Konservativimus eines gängigen Konzeptes. Zeitschrift für Soziologie, 34 (1), 5–21. • Dievernich, F. E. P. (2007). Pfadabhängigkeit im Management. Wie Führungsinstrumente zur Entscheidungs- und Innovationsunfähigkeit des Managements beitragen. Stuttgart: Kohlhammer. • Garud, R. und Karnoe, P. (2001). Path Dependence and Creation. London: Lawrence Erlbaum Associates, Inc. • Giegler, N. (1994). Vom Consulting zum Self-Consulting. REA-Verlag Managementforschung. • Königswieser, R., Exner, P. und Pelikan, J. (1995). Systemische Intervention in der Beratung. OrganisationsEntwicklung, 14 (2), 52–65. • Mohe, M. (2007). Meta-Beratung – eine neue Form der Wissensproduktion? Arbeit – Zeitschrift für Arbeitsforschung, Arbeitsgestaltung und Arbeitspolitik, 16 (3), 191–204. • Schmidt, S. J. (1992). Über die Rolle von Selbstorganisation beim Sprachverstehen. In Küppers, G. (Hrsg.), Emergenz: Die Entstehung von Ordnung, Organisation & Bedeutung (293–333). Frankfurt a. M.: Suhrkamp. • Schreyögg, G., Sydow, J. und Koch, J. (2003). Organisatorische Pfade - Von der Pfadabhängigkeit zur Pfadkreation. In Schreyögg, G. und Sydow, J. (Hrsg.), Managementforschung 13: Strategische Prozesse und Pfade Wiesbaden.

OrganisationsEntwicklung Nr. 4 |2008

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Faxblatt ZOE | Format 200 x 270 | Beschnitt 3 mm | Farbe 4c | Datei PDF/X3 | Stand 21.01.2008

Organisations Entwicklung Zeitschrift für Unternehmensentwicklung und Change Management

Wandel erkennen. Veränderung gestalten. Zukunft gewinnen. Planung, Gestaltung und Umsetzung strategischer und organisatorischer Veränderungsprozesse stehen im Mittelpunkt unserer Berichterstattung. Das damit verbundene Projekt- und Prozess-Management wird vielseitig beleuchtet, wobei stets eine gute Balance zwischen theoretischer Reflexion und Praxisnähe wichtig bleibt. Die Zeitschrift OrganisationsEntwicklung – Ihr qualifizierter Partner in allen Veränderungsprozessen.

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Schwerpunktthemen OrganisationsEntwicklung 2007-2008 • • • • •

Sinnvoll Scheitern Wie Organisationen aus Fehlern wirklich lernen Roadmapping Zukunft entwerfen Erfolgsfaktor Partizipation? Beteiligung wirksam gestalten Am Puls der Veränderung Indikatoren des Wandels Gesichertes Wissen nutzen Evidenzbasiertes Change Management

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