Naturforscher im Luterhölzli

Naturforscher im Luterhölzli Kurt Maibach und Rudolf Stähli Luterhölzli? Nie gehört ? Natürlich können Sie dieses Wäldchen nicht kennen, denn es e xis...
Author: Judith Otto
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Naturforscher im Luterhölzli Kurt Maibach und Rudolf Stähli Luterhölzli? Nie gehört ? Natürlich können Sie dieses Wäldchen nicht kennen, denn es e xistiert längst nicht mehr. Abgeholzt im Jahre 1881. Und was haben Naturforscher in diesem Hölzli gesucht? Des Rätsels Lösung lie gt v or dem Museum Schw ab in Biel : einer der schönsten Schalensteine aus dem Seeland. Und die Naturforscher , die sich um diesen Stein bemühten, tragen grosse Namen wie Oberst Friedrich Schwab (1 803–1869, der Entdeck er von La Tène), Prof. Bernhard Studer (1794–1887, Universität Bern), Ferdinand Keller (1800–1881, Altertumsforscher von Zürich) und andere. Aus heutiger Sicht mag es erstaunen, dass sich die damaligen Koryphäen der Naturforschenden Gesellschaft so v ehement für die Erhaltung dieser Findlinge einsetzten. Zwei Gründe sprechen für diese Haltung. Zum einen ist es die Erkenntnis, dass diese Granite in der letzten Eiszeit durch die Gletscher ins Seeland transportiert worden waren – eine Erkenntnis, die um Schützenhaus

1850 noch äusserst umstritten w ar. Geologieprofessor Bernhard Studer stand dieser Theorie lange skeptisch gegenüber. Es dauerte Jahre, bis er sich durch die Forschungen von V enetz, Charpentier und Agassiz überzeugen liess. Für den Bieler Oberst Schw ab dagegen waren es sicher die rätselhaften, hervorragend erhaltenen Schalen, die sein Interesse für diese Steine weckten. Der passionierte Archäologe der ersten Stunde stand v or einem Rätsel, das er zwar nicht lösen k onnte, dessen Zeugen er aber wenigstens der Nachwelt erhalten wollte. Auf der Suche nach dem Luterhölzli Bereits 1 863 erwähnt Oberst Schw ab in seinem in Zürich publizierten 5.Pfahlbaubericht den Schalenstein im Lutersholz bei Mett. Seinem Bericht legt er auch gleich eine genaue Zeichnung des Steins und seiner 18 Schalen bei. Eine weitere geo-

Luterhölzli

Mett 1939 (von Norden).

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Das Luterhölzli heute (von Süden).

grafische Orientierung liefert Ferdinand Keller in den Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft von Zürich 1870: «Auf der w aldigen, etwa eine halbe Stunde östlich von Biel gelegenen Höhe, stehen in dem sogenannten Luter - und Langholz Granitblöck e v on v erschiedener F orm und Grösse, die auf der oberen Flache mit grösseren und klei-

neren Schalen bedeckt sind. Der Merkwürdigste ist ein auf einer freienAnhöhe des Luterholz stehender , 1,92 m langer und 1 ,68 breiter Block, von dem mir Oberst Schwab, mit dem ich denselben ein paarmal besichtigte, eine genaue Zeichnung der Schalen verfertigt hat.» Eine genaue Lokalisierung des Wäldchens liefert uns die Erstausgabe der

Der Schalenstein vom Luterhölzli (Pfahlbaubericht 1863).

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Siegfried-Karte v on 1 872. Ein kleines Wäldchen südlich des Battenber gs wird als «Lauterhölzli» bezeichnet. Am Südhang des Hügels ist eine P arzelle mit Reben eingezeichnet.

Sammlungen, gelangte dieser Stein zum Antiquarium der Stadt Bern, dem Vorläufer des 1 894 eröffneten Historischen Museums Bern. Anfrage an die Burgergemeinde Nidau

Die Expedition der Naturforscher Oberst Schwab, der seinen Freund Keller auf die erratischen Blöck e aufmerksam gemacht hatte, verstarb 1869. Keller war aber weiterhin f asziniert v on diesen «sculptierten Steinblöcken» und fest entschlossen, diese «Monumente» ir gendwie zu retten. ImAnzeiger für Schweizerische Altertumskunde 1874 Heft 4 ist zu lesen: «Am Sonntag den 21. Juli 1874 fand [...] eine eigentliche Expedition zu diesen rätselhaften Monumenten einer unbekannten Vorzeit statt. Der immer noch rüstige Prof. Bernhard Studer, alt Grossrat Bürki, Edmund v on Fellenber g, F. Keller und der Zeichner Bühler v on Bern, lassen sich v om Oberförster Schluep aus Nidau zu den geheimnisvollen Steinen führen [...] Wir besuchten den wunderv ollen Schalenstein im Luterholz, welches aber zu Nidau gehört und im Winter abgeholzt werden soll.» Die Teilnehmer w aren sich einig : Der Stein müsse unbedingt vorher noch zum Museum Schw ab (1 873 eröf fnet) gebracht werden. Auf der gleichen Erkundungstour führte Schluep die Herren Naturforscher zu einem weiteren Stein im Schlossbann Büttenberg. Die Überraschung w ar gross, als man in der Stellung der Schalen den astronomischen Grossen Bären samt Polarstern zu entdeck en glaubte. Dank der Bemühungen v on Edmund von Fellenberg, damals Konservator der bernischen archäologischen

Was den Luterhölzlistein betraf, musste rasch gehandelt werden. Nach einer Besichtigung vor Ort im Juli wandte sich die Museumsk ommission Biel schriftlich an die Besitzerin des Luterhölzlis, die Bur gergemeinde Nidau. Hier der Brief vom 15. August 1874 im Wortlaut: «Herr Präsident! Herren Räthe! Wir sind von mehreren Seiten auf einen interessanten Schalenstein aufmerksam gemacht worden, welcher sich in Ihrem

Der Schalenstein vom Luterhölzli liegt heute vor dem Museum Schwab.

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Lauterhölzli bei Mett befindet. Da diese Waldung abgeholzt werden soll und der Stein der Zerstörung entge gen geht, so nehmen wir die Freiheit, Sie Herren Räthe, höflich anzufragen, ob Sie uns diesen Stein nicht schenk en würden, damit wir denselben abführen und im Hofe unseres Museums aufstellen können. So würde diese merkwürdige Antiquität der Nachwelt aufbewahrt. Achtungsvollst zeichnen Namens der Museumskommission Der Präsident: J. Lanz, Arzt Der Sekretär: N. Jacob.» Im Nidauer Ratsmanual vom August 1874 finden wir den Protokolleintrag zu der Anfrage aus Biel: «Vorgelegt wird

ein Schreiben der Commission des Museums Schw ab in Biel, das Gesuch enthaltend, die Burgergemeinde möchte dem Museum den merkwürdigen Schalenstein im Lauterhölzli zur Aufstellung beim Museum abtreten. Der Bur gerrat erklärt sich bereit, diesem Wunsche zu entsprechen und die Wegnahme dieses Steines schon jetzt zu erlauben, wenn dies dem Walde unbeschadet geschehen kann. Sollte das jedoch nicht möglich sein, so wird, da die v orausgesetzte Abholzung dieses Waldes erst später erfolgen wird, die Wegnahme des Steines auf später geschehen müssen.» Die Museumsk ommission handelte jedoch sofort und liess den Stein abtrans-

Siegfriedatlas Blatt Biel 1872/1876…

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portieren. So wurde der Findling v or seiner Zerstörung gerettet, hatte aber durch die Versetzung seine ursprüngliche (rituelle ?) Funktion, die w ohl an den Standort gebunden war, verloren. Und was geschah mit dem Luterhölzli? Bereits im Gesuch der Museumsk ommission ist angetönt, dass das Luterhölzli abgeholzt werden sollte. Offenbar überlegte sich die Bur gergemeinde Nidau, das kleine Waldstück zu v erkaufen. Neben f inanziellen Überle gungen mag eine Rolle gespielt haben, dass die ursprüngliche Funktion des Wäld-

chens überholt war. Aus dem Luterhölzli stammten in v orindustrieller Zeit die Dählen (Föhren), aus denen jene Brunnenleitungen gebohrt wurden, die das Wasser aus den Quellen an der Hueb in das Städtchen und das Schloss führten. Nidau hatte während Jahrhunderten nur über einen einzigen Brunnen in der Stadtmitte v erfügt. Erst 1 795 und 1 801 wurden zwei weitere Brunnen gesetzt (alle drei Brunnentröge stammten aus Solothurn). Um die erforderlichen Brunnenleitungen zu beschaffen, mussten Dutzende Dählen aus dem Luterhölzli per Fuhrwerk in das Städtchen gebracht und zu Dünkel (Röhren) v erarbeitet werden. 1 831 allerdings wurden die Zuleitungen von der Hueb durch eiserne

…und 1918/1924.

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Leitungsrohre ersetzt. Das könnte der tiefere Grund sein, weshalb das Luterhölzli für Nidau nicht mehr v on vitaler Bedeutung w ar und somit v eräussert werden konnte. Doch erst 1881, sieben Jahre nach dem Alarm der Museumskommission, stellte der Burgerrat das Gesuch an den Re gierungsrat mit der Bitte, das Luterhölzli abholzen, ausreuten, verkaufen und damit der landwirtschaftlichen Nutzung zuführen zu dürfen. Als Ersatz würde Nidau auf den Staudmatten in Magglingen und auf der Strandmatten am See aufforsten lassen. Das Gesuch wurde genehmigt und Grossrat Johann Renfer von Bözingen ersteigerte das Waldstück für Fr . 28000.–. Bereits vier Monate später v erkaufte Renfer die westliche Hälfte des Grundstücks an den Nidauer Holzhändler A. Cre voisier, der am Zusammenfluss von Madretsch-Schüss und Zihl im so genannten Sagiloch eine Sägerei betrieb. Crevoisier verkaufte das Holz seinerseits nach Chamblay im Jura. Johann Renfer dürfte seine Hälfte des Luterhölzlis in der eigenen Sägerei in Bözingen verwertet haben. Vom Renferhügel zum Battenberg Soweit das historisch belegte Geschehen rund um das Luterhölzli, das nun seinen alten Namen langsam v erlor und im Volksmund zum Renferhügel mutierte. Dieser Hügel war im Winter ein Ski- und Schlittelparadies für die Metter Jugend. Die ältere Generation schwärmt noch heute von den Abfahrten auf der Nordpiste – der Südhang galt als zu steil! Am nördlichen Hang des Renferhügels lag auch der Scheibenstand zum Schützenhaus an der Orpundstrasse, das den Ortsvereinen auch als Festplatz diente.

Er wurde durch den heutigen Battenbergweg erschlossen, der nicht mehr durchgehend bef ahrbar ist. Nach 1 940 nahm die zentrale Schiessanlage im Bözingenmoos den Betrieb auf und die Anlage in Mett wurde aufgehoben. Die Bezeichnung Renferhügel v erschwand endgültig, als das Battenberg-Schulhaus und die Stiftung Battenber g gebaut wurden. Aber ein bescheidenes Strassenstück und ein Fusswe g haben den Namen Luterhölzli übernommen und erinnern damit an den ehemaligen Burgerwald der Stadt Nidau. Apropos Namen : Der Flurname Luterhölzli ist zw ar aus der alten Landschaft verschwunden, taucht aber glücklicherweise 2008 im Ortsnamenb uch des Kantons Bern wieder auf, mit einer auf ein helles (lauter, luter), das heisst offenes Dählenwäldchen passenden Interpretation. Quellen: Burgerarchiv Nidau: Ratsprotokolle und Correspondenzenbücher Museum Schwab: 5. Pfahlbaubericht, 1863, S. 176 Mitteilungen der Antiquarischen Gesellsc haft Züric h XVII, Heft 3, 1870 Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde VII, Heft 4, 1874; VIII, Heft 1, 1875 Elisabeth Bleuer , Das Geheimnis der Schalensteine. In: Bieler Jahrbuch 1985, S. 76 –106 Ortsnamenbuch des Kantons Bern, 2008, S. 195

Kurt Maibach, pensionierter Sekundarlehrer von Nidau, und Rudlf Stähli, alt Posthalter von Port, widmen sich einzeln oder gemeinsam lokalhistorischen Themen.

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