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Nachweis bestrahlter Lebensmittel: Perspektiven Henry Delincee Institut für Ernährungsphysiologie der Bundesforschungsanstalt für Ernährung Haid-und-Neu-Str. 9, 76131 Karlsruhe

Zusammenfassung Neben der rein administrativen Kontrolle - Dokumentation in den Bestrahlungsanlagen und Begleitpapiere für die bestrahlten Produkte - ist das Vorhandensein von Nachweismethoden für eine erfolgte Bestrahlung direkt am Lebensmittel auf der Stufe des lnverkehrbringens erforderlich. Die Entwicklung von Nachweismethoden wird aufgezeigt, die durchgeführten Ringversuche zur Validierung dokumentiert und die amtlichen Methoden aufgelistet. Es ist festzuhalten, daß heute für fast alle Lebensmittel, bei denen eine Bestrahlung sinnvoll erscheint, der Nachweis einer Bestrahlung geführt werden kann. Weiterhin findet ständig eine Verbesserung und Verfeinerung der Methoden statt. Der Einsatz der Nachweismethoden in der Lebensmittelüberwachung zeigt, daß bisher nur sehr wenige bestrahlte Lebensmittel auf dem deutschen Markt zu finden waren.

Einleitung Die Konservierung von Lebensmitteln mit ionisierenden Strahlen - energiereiche Strahlung 6 137 aus Gamma-Quellen ( °Co oder Cs), Röntgenanlagen oder Elektronenbeschleunigern hat in letzter Zeit einen lebhaften Aufschwung erfahren. So ist bei Kräutern und Gewürzen die weltweit behandelte Menge von etwa 7000 Tonnen/Jahr in 1987 auf etwa 36 000 Tonnen/Jahr in 1994 und zuletzt auf fast 80 000 Tonnen/Jahr in 1998 angestiegen. Die Hauptmenge wird dabei in den USA behandelt, 1998 etwa 40 000 Tonnen/Jahr. In den USA steht auch die Bestrahlung von Hamburgern zur Diskussion, wobei die amerikanische Lebensmittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) bereits die Zulassung am 3.12.97 erteilt hat [1]. Es fehlen nur noch die Durchführungsrichtlinien seitens der Überwachungsbehörden (USDA/FSIS). Da der Verzehr von Hamburgern in den USA wiederholt zum Ausbruch von Infektionskrankheiten, u.a. durch E.coli 0157:H7, geführt hat, überlegt man, ob die hygienische Qualität durch Bestrahlung verbessert und damit das Infektionsrisiko gesenkt werden könnte. Auch bei einer Reihe von anderen Produkten, z.B. Krebstieren, Weichtieren, Eiprodukten und Geflügel könnte die ionisierende Bestrahlung dazu beitragen, die hygienische Qualität zu verbessern . Es ist daher nicht verwunderlich, daß einige Länder die Behandlung von Lebensmitteln mit ionisierenden Strahlen als einen Beitrag zum Schutz der öffentlichen Gesundheit ansehen [2]. Andere Länder dagegen verhalten sich zur Lebenmittelbestrahlung eher zögerlich, in einigen weiteren ist sie schlicht verboten, wie in der Bundesrepublik Deutschland. Die Weltgesundheitsbehörde WHO sieht jedoch eher die Vorteile und befürwortet das Verfahren, um die weltweite Verbreitung von Krankheitserregern in Lebensmitteln einzudämmen, um durch Lebensmittel verursachte Infektionskrankheiten zu bekämpfen und um dem Verbraucher sichere und nahrhafte Lebensmittel zur Verfügung zu stellen [3,4]. Verbraucherschutz bedeutet laut "Guidelines for consumer protection" der Vereinigten Nationen [5] u.a. 1) Versorgung mit gesunden und hygienisch einwandfreien Lebensmitteln, 2) das Recht auf Information, damit eine fundierte Wahl der Lebensmittel nach Wunsch und Bedarf ermöglicht wird und 3) das Vorhandensein von Behörden, die Sicherheit und Qualität von Lebensmitteln überwachen.

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Das Verfahren der Lebensmittelbestrahlung kann bei vielen Verbrauchern Grund zur Besorgnis sein. Wahrscheinlich haben die Behörden es in vielen Fällen unterlassen, fundierte Informationen über dieses Verfahren an den Verbraucher weiterzuleiten. Bei der Tagung im Jahr 1988 über Akzeptanz, Kontrolle und Handel von bestrahlten Lebensmitteln berichtete eine Vertreterin der australischen Verbraucher: "Es gibt bis jetzt kein anderes Verbraucherthema, über das soviel Blödsinn, Desinformation und Nonsens gesagt worden ist, wie über die Lebensmittelbestrahlung" [6]. Auf der anderen Seite hat die Verbraucherforschung in den USA ergeben, daß Konsumenten bereit sind, auch bestrahlte Lebensmittel zu kaufen, wenn sie mit sachlicher, fundierter Information über Lebensmittelbestrahlung unterrichtet wurden [7,8,9]. Damit der Verbraucher die freie Wahl des von ihm gewünschten Lebensmittels erhält, ist eine entsprechende Kennzeichnung unerläßlich. Um die Kennzeichnung zu überprüfen, bzw. bestehende Verbote zu überwachen, leisten analytische Nachweisverfahren, die direkt am Lebensmittel feststellen, ob es bestrahlt wurde oder nicht, einen wesentlichen Beitrag. Eine solche Kontrolle - neben der rein administrativen anhand von Begleitpapieren - kann das Vertrauen des Verbrauchers in eine korrekte Anwendung des Bestrahlungsverfahrens und seine zuverlässige Überwachung durch die Behörden stärken. In der demnächst zu verabschiedenden Europäischen Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die mit ionisierenden Strahlen behandelten Lebensmittel und Lebensmittelbestandteile ist eine Kennzeichnung ausnahmslos vorgeschrieben. Ebenfalls ist vorgeschrieben, daß für die Überwachung der Richtlinie normierte oder validierte Analysenmethoden, bzw. Methoden, die so rasch wie möglich genormt oder validiert werden, eingesetzt werden. Die Ergebnisse der Kontrollen auf der Stufe des lnverkehrbringens sind der Kommission alljährlich von den Mitgliedsstaaten mitzuteilen. Die Kommission ihrerseits veröffentlicht darüber einen Bericht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften. Da die Bedeutung von amtlichen Untersuchungsmethoden zum Nachweis bestrahlter Lebensmittel, normiert oder validiert, durch die neueste Gesetzgebung besonders betont wird, soll im folgenden auf die Entwicklung der Nachweismethoden eingegangen und verschiedene Perspektiven aufgezeigt werden.

Entwicklung der Nachweismethoden Frühe Entwicklung

Im Jahr 1989 erschien eine Broschüre der Verbraucherzentralen [1 O] mit dem Titel "Bestrahlte Lebensmittel - Was können wir dagegen tun". Auf dem Titelblatt war ein Hähnchen abgebildet, gekennzeichnet mit dem Warnzeichen für Radioaktivität und mit den Worten "radioaktiv bestrahlt". Mit diesem Titelblatt (Abb.1) fand eine gezielte Verunsicherung der Verbraucher statt, die glauben mußten, bestrahlte Lebensmittel seien radioaktiv. Diese Verunsicherungskampagne hat gewirkt: noch heute gibt es besorgte Verbraucher, die ernsthaft glauben, daß Lebensmittel durch Bestrahlung radioaktiv werden. Es ist jedoch schon lange bekannt, daß dieses Risiko vernachlässigbar ist. 1981 hat das gemeinsame Expertenkomitee der FAO/IAENWHO dies nochmal bestätigt [11]. Auch neuere Untersuchungen haben wieder bestätigt, daß bei der korrekten Durchführung der Lebensmittelbestrahlung, d.h. Begrenzung auf die im "General Standard for lrradiated Foods" des Codex Alimentarius [12] genannten Strahlungsenergien keine zusätzliche Radioaktivität entsteht [13). Einige Seiten später in der Broschüre [1 O] ist dann auch zu lesen "Lebensmittel werden durch Bestrahlung nicht radioaktiv." Also wissen es auch die Verbraucherzentralen. Um so schlimmer ist diese bewußte Irreführung der Verbraucher auf

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der Titelseite. Wenn jedoch die bestrahlten Lebensmittel tatsächlich eine erhöhte Radioaktivität aufwiesen, wäre der Nachweis ein leichtes, da es genügend empfindliche Methoden gibt, eine solche Radioaktivität zu erfassen.

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