7
Nachweis von Strahlung
7.1
Durchgang von Strahlung durch Materie
Verständnis davon ist Voraussetzung für die Gestaltung von Kern- und Teilchenphysikexperimenten.
•
Detektion von Teilchen/Strahlung
•
Abschirmung gegen unerwünschte Strahlung Untergrund
Wir benötigen (in der Regel) Konversion in wahrnehmbare Signale (z.B. Photoplatte, Blasenkammer, Nebelkammer, zumeist aber elektrische Signale
→
Nuklearelektronik.
x
Mittlere freie Weglänge:
P (x) : Wahrscheinlichkeit für keine WW bis zur Tiefe x wdx : Wahrscheinlichkeit für WW zwischen x und x + dx = N σdx (N : Teilchenzahldichte, σ : Wirkungsquerschnitt) P (x + dx) = P (x)(1 − wdx) = P (x) + ⇒ dP = −wP dx ⇒ P (x) = Ce−wx C = 1 (wegen P (0) = 1) λ := w1 = N1σ mittlere freie Weglänge 7.1.1
dP dx dx
= P (x) − P (x)wdx
Elektrisch geladene Teilchen
WW von p, d,
α,
schwere Ionen mit Materie ist
a) mit Kernen: Rutherfordstreuung (wenige Ablenkungen in relativ groÿem Winkel) b) häugster Prozess: inelastosche WW mit den Elektronen der Absorberatome (viele Stöÿe mit kleiner Ablenkung und gevringem Energi1everlust)
Bethe-Bloch-Formel
beschreibt Energieverlust schwerer (M
>> e− ), geladener Teilchen durch
inelastische Stöÿe mit der Elektronenhülle der Atome im Absorber.
−
dE Z 2 e4 ne 2me v 2 = (ln − β2) dx 4πε0 me v I(1 − β 2 )
1
ne = nAtom · Z : Elektronenzahldichte des Absorbers z : Ladung des einlaufenden Teilchens I : eektives Ionisierungspotential der Absorberatome
dE/dx dE/dx
Ionisierungs− minimum
1,4
min
1,3
1,2 1,1 1
Minimum bei
βγ ≈ 3 − dE dx ∝
für kleine Energien:
1 E
∝
10 2
10
10 3
10 4
1 v 2 (Übung)
klassische Herleitung (von Bohr)
Annahme: geringer Energieverlust pro Stoss (v
≈ const
)
y e−
r
b
} v
−
Das Absorberelektron (e Kraftstoss
∆p =
R
r=
b cos
x
0
) erhält beim Vorbeiiegen des geladenen Teilchens (Ladung
ze
) einen
F dt , F = Fcoulomb
Nur die transversale Komponente spielt eine Rolle. Elektrisches Feld des Ions:
Ey (x) = Kraft auf das
e−
ze 1 cos ϑ 4πε0 r2
:
Fy=eEy ∆p =
+∞ R
eEy dt
−∞ π
dt =
dx v ;
x = b tan ϑ → dx =
b cos2 ϑ dϑ
R2
⇒ ∆p =
−π 2
Ze2 2πε0 bv
⇒ Energieverlust des Ions pro Elektronenstoss: 2 Z 2 e4 −∆Ee = (∆p) 2me ; −∆Ee = 8π 2 ε2 b2 v 2 me (*) 0
Elektronenanzahldichte:
ne =
Ne V
2
π
Ze2 1 4πε0 r 2 b tan ϑdϑ (r
=
b cos ϑ )
=
Ze2 4πε0 bv
R2 −π 2
cos ϑdϑ =
b
dE = {
bmax R
dV = 2◊ b d b d x
∆Ee ne 2πbdb}dx
bmin
− dE dx =
Z 2 e4 n e 4πε0 v 2 me
Was sind
bmin
bmin
bmax R bmin
und
db b
=
bmax
Z 2 e4 n e 4πε0 v 2 me
ln bbmax (**) min
?
: maximal übertragene Energie im klassisch zentralen Stoss ist
1 2 2 me (2v) 2 relativistisch: 2γ me v Z 2 e4 mit (*): = 2γ 2 me v 2 8π 2 ε20 b2min v 2 me nichtrelativistisch:
2
bmax
⇒ bmin =
Ze2 4πε0 γmev2
: Eelektron muss mindestens die Bindungsenergie
mit (*):
Z 2 e4 8π 2 ε20 b2max v 2 me 2 4
mit (**):
− dE dx =
I
des Elektrons mitbekommen:
=I
Z e ne 4πε0 v 2 me
2
2me v ln I(1−β 2 ) (klassische Bethe-Bloch-Formel)
Aus quantenmechanischer Ableitung mit relativistischen Korrekturen ergibt sich die vollständige Bethe-Bloch-Formel. Für praktische Anwendungen wird die Absorberdicke nicht in Einheiten
x , sondern %x (% : Dichte)
angegeben (Massenächenbelegung, Massendicke). Grund: gleiche Massendicke unterschiedlicher Materialien hat ungefähr denseleben Eekt auf dieselbe Strahlung
dE d(%x)
=
1 dE % dx spezischer Energieverlust
dE d x
MeV Ionisations− minimum
g cm2
10 3 10
2
H2
101
Pb 0
10
10
1
102
103
104
E kin MeV
spez. Energieverlust am Minimum und mehr als 2 Gröÿenordnungen darüber hinaus ist für alle dE MeV Stoe (bis auf H2 ) ungefähr gleich:− d(%x) |Ionisationsminimum ≈ 2 g cm−2
3
Typische Werte für mittleren Energieverlust ionisierender Teilchen h i h minimal i MeV cm
dE dx |min
Absorber
2, 03 7, 3 · 10−3 11, 7 12, 8 3, 7 · 10−4
Wasser Xenongas Eisen Blei Wasserstogas
MeV cm
dE d(%x) |min
2, 03 1, 24 1, 48 1, 13 4, 12
Energieverlust durch Ionisation und Anregung für Myonen im Eisen Β
dE d x
MeV
5
g cm 2
4 3 dE Β d x
Β
2 min
relativistischer Anstieg
dE d x
Sättigung
1 0
Feldlinien einer bewegten Punktladung
Transversale Feldstärke
→ →
relativistischer Anstieg für
Sättigung: Wenn
→ → → ('
E⊥ ∝ γ
(wegen Lorentzkontraktion)
gröÿere Reichwerte des Feldes
b'
βγ > 3
Atomabstand
Abschirmung der Ladung des einlaufenden Teilchens Anstieg von dE dx |Saett dE dx |min
E⊥
bleibt wirkungslos.
wird also bestimmt durch den Atomabstand im Absorber ist am gröÿten für Gase
1, 8)
Energieverlust durch Ionisations und Anregung für Elektronen, Myonen, Pionen, Protonen, Deuteronen und α -Teilchen in Luft d E keV d x cm
50
∇
◊
40
⇐
d
p
30 20
e
10
10Β 2
10Β1
1
10
100
4
10 3
104
Mechanismus: Abstrahlung von Photonen durch Ablenkung des geladenen Teilchens im Couombed der Atomkerne
→
Bremstrahlung
E
= EΒ E’
E
Ze
e
−
Ze
e
−
E E’
−
dE Z2 2 ∝ ·z dx A
e2 mc2
2 ·E
1 m2 ist Bremsstrahlung für Elektronen bedeutsam. Man unterscheidet zwei Energiebereiche, ja nach dem ob Ionisation Wegen
− dE dx ∝
(E > Ec )
(E < Ec ) oder Bremsstrahlung
der dominante Verlustmechanismus ist.
M eV Elektronen (und Z > 13 ): Ece ≈ 550 Z µ e mµ 2 Für Myonen in Eisen: Ec = Ec ( m ) ≈ 890 GeV Für
Strahlungslänge
1/e
X0 :
e
Tiefe im Absorber, in der die Teilchenenergie
durch Bremsstrahlung auf
abgenommen hat.
−
x dE E |Brems ≈ → E = E0 e− x0 dx X0
Energieverlust durch direkte Paarbildung
Mechanismus:Erzeugung von
e− /e+ -Paaren
im Coulombfeld der Absorberkerne z.B.
− dE dx
µ + Kern → µ + e+ + e− + Kern ∝E
Energieverlust durch photonukleare WW chen über virtuelle Photonen
→
Mechanismus: inelastische WW geladener Teil-
Kernanregung bzw. Aufbruch
−
dE ∝E dx
Gesamter Energieverlust geladener Teilchen
−
dE dE dE dE dE | =− | − | − | − | dx total dx Ionisation dx Brems dx Paar dx photonuklear
z.B. für Myonen im Eisen:
5
Energieverlust als Funktion der Eindringtiefe
Β
x in den Absorber (Bragg-Kurve)
dE dx Bragg−Peak
xB
x
höchste Ionisierung bei kleiner Teilchenenergie, d.h. kurz vor Stillstand der Teilchen im Absorber.
Anwendung: medizinische Bestrahlung mit Proton und Schwerionen. Einstellung der Einschussenergie der Energie, so dass Richtungen
→
xB
innerhalb des Krebsgeschwulst liegt. Bestrahlung aus verschiedenen
geringe Belastung des gesamten Gewebes.
R0
dE dE dE ist im Prinzip aus dx beechenbar, berücksichtigt E dx aber nicht Wegverlängerung durch Zickzackpfade und auch nicht z.T. starke Fluktuationen von dE dx durch Wechselwirkung mit sehr grossen Energieüberträgen.
Reichweite geladener Teilchen
•
für schwere Teilchen (M
R :=
me ) :
T Transmission 1 Reichweitenstreuung (straggling) 0,5
mittlere Reichweite
•
geringes straggling
•
für Elektronen
⇔
nahezu gerader Flugweg
6
x
T 1
extrapolierte Reichweite x
•
grosses straggling wegen Vielfachstreuung mit grosser Richtungsänderung. Weitere Konsequenz: groÿe Rückstreuwahrscheinlichkeit für niederenergetische Elektronen.
e−
Absorber
0,3
Cu
0,2
Al
0,1 C 0
0,1
1
7
10
•
α
Reichweite von
-Teilchen in Luft
R cm 25 20 15 10 5 2
• →α •
-Teilchen aus typischen
4
α
extrapolierte Reichweite von
6
8
10
12
14 E MeV ∇
-Zerfällen kommen in Luft nur wenige Zentimeter weit.
e− in
verschiedenen Absorbern:
R cm 103
Luft
10 Wasser Β1
10
Blei
Β3
10
0,1
•
0,5
2
Reichweite von Myonen in Fels
8
4
E e MeV
R g cmΒ 2
107
10 4
105
10 3
10
4
10
103
10
10
10 3
100
104
2
E ⇐ GeV
man benötigt dicke Gesteinsschichten, um kosmische Myonen abzuschirmen.
grundlabors z.B. Gran Sasso
•
10 5
106
1
• →
R m
Standard−Fels Z= 11, A= 22 , = 3 g cmΒ 2
→
→
Unter-
E15
Energieverlust im dünnen Absorber
∩E
mittlerer Geschwindigkeitsverlust
∩E
∩ E mp wahrscheinlichster Energieverlust
•
statistische Schwankung um
∆E
ist durch Statistik der Einzelprozesse und deren Details
bestimmt.
langer Ausläufer der Energieverteilung zu groÿem Energieverlust hin. Ursache: seltene Einzelprozesse mit hohem Energieübertrag (δ - oder Anstoÿ-Elektronen)
Näherung der Verteilung nach einer Theorie von Landau Landau-Verteilung: −λ 1 1 P (λ) = √ e− 2 (λ+e ) 2π
9
λ=
∆E − ∆Emp ξ ξ
materialabhaengig
Beispiel: 1cm dicke Argon-Gasschicht, minimal ionisierende Strahlung
∆Emp = 1, 2
keV,
∆E = 2, 7
(βγ ≈ 3)
keV
• Cherenkov-Eekt: Cherenkov Strahlung ist elektromagnetische Strahlung, die von Teilchen emittiert wird, die
c n durchlaufen. Grund: kurzzeitige asymmetrische Polarisierung der sich nahe der Teilchenbahn benden-
ein Medium mit Brechungsindex
n
mit Geschwindigkeit
v>
den Atome. Zeitlich veränderliches Dipolfeld strahlt elektromagnetische Strahlung ab.
−+
+−
c vΘ n
•
−+
+−
vΠ
c n
dE dx ist klein im Vergleich zu Ionisation und Anregung, selbst für minimal ionisierende Teilchen (max. wenige %) Beitrag zu
Abstrahlwinkel: (wie beim Mach'schen Überschallkegel)
10
A
B
¬c
C
•
AB = tv = tβc 1 ⇒ cos θc = nβ t nc → Emission nur möglich, wenn β >
1 n
Extremfälle:
β ≥ n1 : Emission in Vorwärtsrichtung β → 1 : Emission unter θc = arccos n1 → Schwellenverhalten kann zur Teilchenidentikation •
Zahl der pro Weglänge im Wellenlängenbereich
verwendet werden.
[λ1 , λ2 ]abgestrahlten
Photonen,
dN dx :
λ2 − λ 1 dN ≈ 2παz 2 sin2 θ dx λ1 λ2
Im optischen Bereich
dN 1 ∝ 2 → mehr blau, dxdλ λ (λ1 = 400 nm, λ2 = 700 nm):
als rot
dN −1 cm ≈ 490 sin2 θc (Z = 1) dx Literaturempfehlung:
•
Claus Grupen: Teilchendetektoren, B.I. Wissenschaftsverlag
•
W.R. Leo: Techniques for Nuclear and Particle Physiscs Experiments, A How-to Approach, Springer Verlag
7.1.2
Photonen
Nachweis durch Erzeugung elektrisch geladener Teilchen Wechselwirkungen von Photonen im Absorber führen zu
a) vollständiger Absorption
11
→
Ionisierung
→
Detektorsignal
b) Streuung unter groÿen Winkel
⇒ exponentielle Schwächung eines gerichteten I = I0 e−µ%x P µ = NAA i σi : Massenabsorptionskoezient NA : Avogadrozahl σi : atomarer WQ für Prozess
Photonenstrahls.
Prozesse
• Photoeekt Absorption eines Photons durch Atomelektronen
γ + Atom → e− + Ion Der Atomkern übernimmt Rückstoÿ Besonders groÿen WQ für
γ
-Absorption von
e−
in der K-Schale des Atoms wegen Nähe
zum Atomkern
Absorptionskanten (sprunghafte Änderung des WQ wenn
Eγ >
Ionisierungsenergie für
M,L,K-Schalenelektronen im Atom.
−7
σphoto ∝ Eγ 2 Z 5 (bei geringer Energie und fern σphoto ∝ Eγ−1 Z 4,5 (0, 1 MeV ≤ Eγ ≤ 5 MeV )
von Absorptionskanten)
atomphysikalische Sekundäreekte charakteristische Röntgenstrahlung Augerelektronen
• Comptoneekt elastische Streuung von einem Photon an einem quasifreien atomaren Elektrons.
γ + Atom → γ + e− + Ion
−
e
¬e
E
¬ E’
•
Eγ0 Eγ
=
1+
Eγ me c 2
1 (1−cos θγ )
totaler WQ (Klein-Nishima Formel QED) pro Atom:
σc ∝
ln E E
·Z
(Z-Abhängigkeit: inkohärente Streuung an den Hüllenelektro-
nen)
• Paarbildung
γ + Atom → e+ + e− + Atom Atomkern nimmt Restimpuls auf
12
Kinematische Voraussetzung:
m2 2 e c2 |M {z }
Eγ ≥ 2me c2 +
≈ 1, 022
MeV
Rueckstossenergie
σp ∝ Z
2
(kohärente Streuung an den Kernprotonen)
Totaler Photoabsorptionsquerschnitt: z.B. für Blei
WQ
barn Atom
5
10
L−Kante K−Kante
3
10
e
10 10Β 1 10Β 2
7.1.3
Photon
p 10Β 1
1
10
100 E MeV
Neutronen
Keine Coulomb-WW, aber starke WW mit Atomkernen WW ist sehr lokal→ groÿes Durchdringungsvermögen von Neutronen
•
Nukleare Prozesse: a) elastische Streuung:
A(n, n)A
Übertragung von Rückstoÿenergie ist Hauptmechanismus für Energieverlust von MeVNeutronen
→
Moderation
b) inelastische Streuung:
En > 1
A(n, n0 )A∗ , A(n, 2n0 )B
etc
MeV damit Kernanregung möglich ist.
c) Neutroneneinfang:
n + (Z, A) → γ + (Z, A + 1)
(n, γ) -Reaktionen 1 i.a. σcapture ∝ v In der Nähe von Kernresonanzen ist der Wirkungsquerschnitt stark überhöht. d) andere Kernreaktionen:
(n, p), (n, d), (n, α), (n, t), (n, αp) σ ∝ v1 (fern von Resonanzen)
etc.
Beispiele:
B(n, α) 7 Li∗ →7 Li + γ σth = 3840 barn He(n, p)3 H σth = 5330 barn 6 Li(n, α)3 H σth = 940 barn 10
3
13
bei
v = 2200 m s
e) Kernspaltung (n,f ) f ) Hochenergiehadronenschauererzeugung z.B.
n + n → n + n + π+ + π−
En > >100MeV
14