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E-Government-Gesetz

Abkürzung auf dem Dienstweg Mit dem „Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung“, kurz E-Government-Gesetz oder EGovG, hat die Bundesregierung im Sommer 2013 die Voraussetzung geschaffen, moderne Technologien gezielt in der Verwaltung nutzbar zu machen. Die langfristig angelegte Modernisierung der Behörden hat immense Auswirkungen auf die Verwaltungen, aber auch auf die Wirtschaft. Denn ein kurzer Dienstweg ist für einen attraktiven Wirtschaftsstandort ein wichtiger Faktor.

Eine effiziente, schlanke und vor allem gut erreichbare ­öffentliche Verwaltung ist vor allem für die Wirtschaft ein wichtiger Faktor. Viele Prozesse innerhalb eines Unternehmens münden in einen Verwaltungsakt: Auszüge aus den

Gewerberegistern, Sozialabgaben, öffentliche Ausschreibungen oder überhaupt das Erlangen eines Gewerbescheins sind nur einige Beispiele dafür. Aber auch die Bürger wünschen sich eine Amtsstruktur, bei der sich Behördengänge in den

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normalen Alltag integrieren lassen. Denn wer möchte schon für als lästig empfundene Notwendigkeiten wie die Zulassung des neuen Autos einen halben Urlaubstag opfern? Sicher ist, dass die öffentliche Hand in Sachen Effizienz, ­Effektivität und Serviceorientierung in vielen Teilbereichen hinter der Wirtschaft zurückliegt. Dabei sollte man jedoch bedenken, dass die Abläufe innerhalb der verschiedenen Verwaltungen sehr komplex sind. Zudem müssen hohe Standards an Rechtssicherheit, Datenschutz und viele andere Vorgaben eingehalten werden. Eine „Consumerization“ der öffentlichen Hand, eine Art Amazon für Behördendienstleistungen, würde diesen Ansprüchen sicher nicht gerecht. Der Weg zur modernen Verwaltung muss also gut vorbereitet sein und ­benötigt seine Zeit. Für das nötige Mehr an Effizienz soll das im Sommer 2013 beschlossene E-Government-Gesetz (EGovG) sorgen, das den Behörden ein langfristiges Modernisierungsprogramm verordnet. Der Gedanke hinter dem EGovG ist, den Zugang der Bürger und Unternehmen zu den Verwaltungsleistungen zu vereinfachen, das Angebot mehr an den Zielgruppen auszurichten und die Abläufe effizienter zu gestalten. Dabei fokussiert das Gesetz in erster Linie auf technologische Abläufe, die von den Bundesbehörden ermöglicht werden müssen. So fordert das EGovG zum Beispiel, dass Akten digital zu führen sind, die Online-Ausweisfunktion des Personalausweises für Online-Services der Ämter genutzt werden kann und vieles mehr. Bis 2020 sollen alle Punkte des Gesetzes realisiert sein.

Standortfaktor E-Government Vieles davon betrifft nicht nur die Bürgerinnen und Bürger, sondern verspricht auch der Wirtschaft einige Vorteile. Denn eine Online-Erreichbarkeit der Behörden verkürzt die Zeit, die für die unterschiedlichen Verfahren benötigt wird. Auch die Auskunft zum Stand eines Verfahrens soll künftig über das Internet abgerufen werden können. Damit eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten für die Kommunikation zwischen Amt und Firma: Informationen können direkt in die führenden Systeme eines Unternehmen eingebunden werden, heute noch manuelle Abläufe lassen sich automatisieren. Durch ein effektives E-Government können auf der Seite der Wirtschaft also deutliche Einsparungspotenziale entstehen – ein wichtiger Standortvorteil. Was allerdings verwundert: Der High-Tech-Standort Deutschland hinkt in Sachen E-Government dem europäischen Durchschnitt hinterher, wie der „eGovernment Benchmark“ der EU-Kommission vom Mai 2014 feststellt. Nur in den Punkten „eID“ und digitale Dokumente kann

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die Bundesrepublik eine überdurchschnittliche Performance für sich reklamieren. In allen anderen Bereichen wie Benutzerfreundlichkeit, Online-Verfügbarkeit von Diensten oder Transparenz ist Deutschland zum Teil deutlich abgeschlagen. Interessanterweise kommt die EU-Studie zu dem Schluss, dass kleine und mittlere Länder beim E-Government generell weiter vorangeschritten sind.

Guter Anfang mit Potenzial Dass die digitale Verwaltung in Deutschland noch immer Verbesserungspotenzial hat, bestätigt auch eine aktuelle Studie der Hochschule Harz, die im Fachbereich Verwaltungswissenschaften gemeinsam mit Materna durchgeführt wurde. Diese konstatiert den befragten Behörden auf Landes- und Kommunenebene auf der einen Seite einen hohen Wissensstand zu EGovG sowie umfangreiches, teils konkretes Planungspotenzial. Auf der anderen Seite jedoch sind sich viele der Studienteilnehmer unschlüssig, inwieweit die eigene Dienststelle von der Rechtsnorm betroffen ist. Vor allem auf kommunaler Ebene scheint noch einiges an Unklarheit zu herrschen, auch wenn die Kommunen laut der Studie den Ländern in Punkto E-Government voraus sind. Auch an anderer Stelle zeigt die Studie, dass sich die Verwaltung auf den verschiedenen Ebenen mit der Umsetzung des Gesetzes noch schwer tut. So haben die Behörden in der Regel erkannt, dass es sich beim EGovG um ein strategisches Thema handelt. Auf der anderen Seite hingegen ist die Umsetzung bei einem Großteil der Verwaltungen bei der internen IT-Abteilung angesiedelt, wird also in erster Linie als technologische Aufgabe betrachtet. 94 Prozent der Befragten gaben zudem an, dass die Unterstützung bei der Realisierung digitaler Angebote durch eigenes Personal erfolgt, nur die Hälfte der Studienteilnehmer zieht dabei noch externe Dienstleister hinzu. Das mag damit zusammenhängen, dass nur zehn Prozent der Behörden zukünftig mit einem höheren Budget für EGovG-Projekte rechnen können. Das Gros der Verwaltungen muss mit gleichbleibenden Finanzmitteln wirtschaften, 18 Prozent rechnen sogar mit sinkenden Budgets.

Blick auf Verwaltungskunde fehlt Eine weitere wichtige Erkenntnis der Studie: Die befragten Behörden sehen den Nutzen des EGovG in erster Linie für die Verwaltung selbst. Bundes- und Landesbehörden sehen die Wirtschaft an zweiter Stelle, kommunale Verwaltungen erwartungsgemäß den Bürger. Nur 22 Prozent der Verwaltungen erwarten für die Wirtschaftsförderung einen hohen oder sehr hohen Nutzen durch die digitalen Anstrengungen. Auch internen Effekten wie Entlastung der Verwaltung oder Kosten­

einsparungen stehen die Behörden skeptisch gegenüber. Die Studie kommt zu dem Schluss: „Finanzielle Ressourcen, Personal und Organisation sind nach wie vor die zentralen Hemmnisse.“ Zudem stellt die Studie fest: „In den meisten Verwaltungen dominiert noch immer stark die Binnensicht auf die Probleme und den Nutzen. Bürger und Wirtschaft spielen zwar keine geringe, aber in der Gesamtbewertung des Nutzens des Gesetzes immer noch eine nachrangige Rolle im Verhältnis zur eigenen Verwaltung.“ Es besteht also Handlungsbedarf, wenn das EGovG seine Wirkung voll entfalten soll. Die Autoren der Studie empfehlen entsprechend, mehr finanzielle Ressourcen und mehr Fachpersonal bereitzustellen. Zudem raten sie, die Umsetzung auf Ebene der Bundesländer zu verbessern. „Die komplexe Verwaltungsrealität und zahlreiche fachliche, institutionsgebundene und ressourcen­ bedingte Entwicklungen lassen eine einfache, klare und schnelle Lösung kaum zu“, gibt die Studie zu bedenken. Es gilt, innerhalb der Verwaltungen Vertrauen und IT-Kompetenz zu fördern sowie Anreizstrukturen zu schaffen, die sich an den Zielen des EGovG ausrichten.

bevorzugt über ein Benutzerkonto. Damit sparen sich Bürger langwierige Amtsbesuche und haben den Kommunikationsverlauf in ihrem Benutzerkonto übersichtlich im Blick. Auch für Unternehmen bietet das Bundesamt für Justiz einen ­erleichterten Verwaltungsprozess für die Beantragung eines

Materna und E-Government

Materna verfügt neben der Erfahrung aus zahllosen IT-Projekten in der Wirtschaft auch über jahrelanges Know-how in Projekten der öffentlichen Hand. Dabei beschränkt sich die Expertise nicht auf die technologische Seite. Ebenso verfügt Materna als bewährter Partner der Verwaltung über umfangreiche Verfahrens- und Prozesskompetenz.

E-Government kann erfolgreich sein Dass E-Government-Projekte zügig und erfolgreich realisiert werden können, zeigt zum Beispiel das Zentralregister des Bundesamtes für Justiz: Ebenfalls 2013 wurde das Bundeszentralregistergesetz dahin gehend geändert, dass Anträge auf ein Führungszeugnis auch direkt beim Bundesamt für Justiz gestellt werden können. Bisher konnten Bürger ihre Anträge nur über die kommunalen Meldeämter einreichen. Durch die Gesetzesänderung wurde die Option eingeführt, ein Führungszeugnis online beantragen zu können. Für dieses neue Verfahren wurde der Prozess völlig umgekrempelt, viele Abläufe mussten neu definiert werden. Das betrifft sowohl die Kommunikation mit dem Bürger als auch die internen Bearbeitungsschritte. Beim Bundesamt für Justiz gehen ­täglich bis zu 15.000 Anträge ein. Mit dem Projekt betraute der Bund Materna. Neben der technischen Konzeption und der kompletten Entwicklung bis hin zu den Formularen war der IT-Dienstleiter auch mit der praktischen Realisierung innerhalb von fünf Monaten betraut. Dabei gelang es, einen Prozess zu implementieren, der durchgängig ohne Medienbrüche abläuft. Nur das Führungszeugnis selbst wird noch in Papierform per Post verschickt. Der Antragsteller identifiziert sich dafür über die eID-Funktion des neuen Personalausweises. Auch die anfallenden Gebühren werden direkt über eine ePayment-Lösung eingezogen. Die sichere Kommunikation zwischen Amt und Bürger erfolgt

Das E-Government-Gesetz

Das 2013 beschlossene Gesetz zur Förderung der ­öffentlichen Verwaltung (EGovG) „dient dem Ziel, die elektronische Kommunikation mit der Verwaltung zu erleichtern und Bund, Ländern und Kommunen zu ­ermöglichen, einfachere, nutzerfreundlichere und effizientere elektronische Verwaltungsdienste anzubieten“, so das Bundesinnenministerium. Eckpunkte des Gesetzes sind unter anderem die Erreichbarkeit auf ­digitalem Weg, digitale Aktenführung, Akzeptanz digitaler Nachweise sowie Dokumentation und Analyse der Prozesse. Dabei gilt das EGovG nur für Bundesbehörden und Landesbehörden, die Bundesrecht ausführen. Verschiedene Behörden wie das Patent- und Markenamt oder Verwaltungstätigkeiten nach dem zweiten Sozialgesetzbuch sind davon ausgenommen. Die Einführung des EGovG erfolgt in drei Schritten und soll im Januar 2020 abgeschlossen werden. Zum Januar 2015 trat der zweite Schritt in Kraft, unter anderem müssen Bundesbörden nun per De-Mail erreichbar sein und die Nutzung des digitalen Identitätsnachweises nach dem Personalausweisgesetz ermöglichen.

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„Materna steht Behörden, die sich mit dem E-Government-Gesetz befassen, von Beginn an zur Seite. Wir holen die Behörden auf ihrem jeweiligen Wissensstand ab, beraten sie in den identifizierten Aufgabefeldern, verfügen aber auch über die technische Expertise zur Umsetzung vieler Anforderungen aus dem Gesetz.“ Olav Neveling Director Sales, Business Line Government, Materna

„­ Führungszeugnisses für Unternehmen“ an. Mit der Einführung der Internet-Plattform bildete die Behörde gleichzeitig den Prozess für die Beantragung von Auszügen aus dem Gewerbezentralregister online ab. Gerade Unternehmen, die regelmäßig an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen, können davon profitieren und ihren Antrag per Mausklick einfach erneuern.

Auch Wirtschaft ist gefordert Daneben gibt es noch zahlreiche weitere Beispiele aus den verschiedenen Verwaltungsebenen, die zeigen, dass E-Government für alle Beteiligten ein Gewinn ist. Entscheidend ist jedoch, dass die Verwaltungen klar den Nutzen der ­Digitalisierung erkennen. Das bedeutet jedoch auch, dass sich die öffentliche Hand verstärkt als Dienstleister wahrnehmen

muss, der für Bürger und Wirtschaft wichtige Services bereitstellt. Hier können die Behörden von den Erfahrungen der Wirtschaft profitieren, die den Wandel hin zu digitalen, kundenorientierten Prozessen in weiten Teilen bereits vollzogen hat. Mit der unausweichlichen Digitalisierung der Amtsstuben und dem Wandel hin zum E-Government ist auch die Wirtschaft gefordert: Die Online-Dienstleistungen der öffentlichen Hand können nur dann ihr volles Potenzial für die Unternehmen entwickeln, wenn es gelingt, die Verwaltungsprozesse in die eigenen Systeme zu integrieren. Denn wie heute bereits zahlreiche Beispiele für bürgerfreundliche Services zeigen, ist die digitale Transformation in der öffentlichen Verwaltung in vollem Gange. Über den Einsatz von E-Government-Technologien, ­ wie Web-Portale, eID und ePayment-Funktionen, kann aus der Verwaltung ein moderner Dienstleister entstehen. Jan Schulze

Digitale Verwaltung

Expertengespräch zum E-Government-Gesetz Prof. Dr. Jürgen Stember vom Fachbereich Verwaltungswissenschaften der Hochschule Harz erläutert im Interview, warum er die E-Government-Entwicklungen begrüßt und warum das Engagement weitergehen muss.

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Das E-Government-Gesetz (EGovG) wird in Stufen bis 2020 eingeführt – eine ziemliche lange Zeitspanne. Halten Sie das für angemessen? Projektziele in so einem langen Zeitrahmen vorzusehen, ist in der Tat problematisch. Da werden es sogar die E-GovernmentProtagonisten schwer haben, das Thema auf der Agenda der jeweiligen Verwaltung zu halten. Auf der anderen Seite sind ja auch noch andere Projektziele vorhanden, die in deutlich kürzerer Zeit erreicht und nicht nur durch das E-Government-Gesetz realisiert werden müssen, z. B. die eVergabe. Ergänzend dazu muss man jedoch ebenfalls einräumen, dass ein fünfjähriger Zeitraum für die Realisierung einer elektronischen Aktenführung, die ja im Jahr 2020 verpflichtend erfolgen muss, auch nicht unrealistisch lange erscheint. Denn besonders in großen Verwaltungen müssen zahlreiche Voraussetzungen noch geschaffen werden. Das EGovG regelt explizit zunächst nur den Bereich der Bundesverwaltung. Können sich Länder und ­Kommunen nun zurücklehnen und auf Best Practices der ­Bundesbehörden warten? Der Bund hat für das gesamte Themengebiet E-Government ein starkes Signal gesetzt. Unsere Studie hat diesbezüglich zwei relevante Ergebnisse gebracht. Auf der einen Seite fühlen sich in der Tat einige Verwaltungen kaum von diesem Gesetz ­betroffen und werden auch deshalb kaum selbst aktiv. Auf der anderen Seite war das Votum gerade der kommunalen Ebene für ein stärkeres Engagement der Länder hinsichtlich einer rechtlichen und technischen Unterstützung so klar und deutlich, dass sich die Länder kaum aus dieser Verantwortung ­ziehen können. Denn augenscheinlich werden auf der kommunalen Ebene die bisherigen Regelungsansätze als tendenziell unzureichend angesehen. Ein „Zurücklehnen“ wird es angesichts dieser Interessenlagen kaum geben können.

Die EGovG-Studie zeigt, dass sich ein erheblicher Teil der Landes- und Kommunalbehörden nicht vom Gesetz betroffen fühlen. Ist diese Selbsteinschätzung nicht gefährlich für die Attraktivität als Wirtschafts- und Wohnstandort? Nicht nur aufgrund der aktuellen Studie müssen wir feststellen, dass ein nicht kleiner Teil der Verwaltungen sich aus unterschiedlichen Gründen nicht aktiv und an vorderster Front an den E-Government-Innovationen beteiligt. Dies führt nicht zwangsläufig zu einer akuten Gefährdung der Standortattraktivität, kann aber mittel- und langfristig bedeuten, dass die Stadtverwaltung von den IT-Innovationen abgekoppelt wird. Da werden dann im Standortwettbewerb andere Kommunen schnell „die Nase vorn“ haben. Ein Schlüsselelement für die Kommunikation zwischen Behörden, Wirtschaft und Bürgern ist die De-Mail. Wie wird sich dieses Thema aus Ihrer Sicht weiterentwickeln? Die De-Mail wird sicherlich ein zentraler Baustein der E-Government-Entwicklung bleiben. Wie schnell sie sich ­ durchsetzen kann, darüber zweifeln die Experten noch. ­Bürger und Wirtschaft sind aber sicher nicht in einem akuten Zugzwang. Denn wenn man sich auch die verhaltene Nutzung und die noch überschaubaren Anwendungsmöglichkeiten des elektronischen Personalausweises ansieht, so muss man sicherlich einen längeren Akzeptanzzeitrahmen einkalku­ lieren. Ein wichtiger Motor für die Umsetzung sind Best Practice-Projekte. So haben auch wir am Fachbereich Ver­ waltungswissenschaften der Hochschule Harz zur CeBIT ein entsprechendes Praxisprojekt „De-Mail für öffentliches Prozess- und Kundendatenmanagement“ vorgestellt. Dies ­ ­erscheint mir der richtige Weg zu sein.

Prof. Dr. Jürgen Stember Hochschule Harz

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