Literatur
F´ery, C. (2010) Phonologie des Deutschen. Eine optimalit¨atstheoretische Einf¨ uhrung. http://web.unifrankfurt.de/fb10/fery/teaching.html/PHONOLOGIE ganz.pdf - Kapitel II und III
Phonologie I Segmente und Allophonie
28. April 2011 1 / 26
Was bisher geschah
I
Artikulatorische Phonetik
I
Akustische Phonetik
I
Klassifikation von Lauten / Lautinventar
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Heute:
Phonologie Segmente und Allophonie
Was Sie jetzt wissen sollten: Grunds¨ atzliches zur Artikulation und Akustik von Sprachlauten, Transkription der Laute im Deutschen mit IPA Artikulationsarten, Artikulationsorte, aktive und passive Artikulatoren, Lautklassen (Obstruenten, Sonoranten...)
in den kommenden Wochen: Merkmalssysteme, Phonotaktik, Suprasegmentalia
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Was sind Segmente?
Was sind Segmente? Die Phonologie untersucht die einzelsprachlichen Segmentinventare. Darin tauchen nicht alle Laute auf, die tats¨achlich von Sprechern einer Sprache ge¨aussert werden, sondern nur solche mit distinktiver Funktion. Ein Beispiel:
Der Sprachstrom kann als Kette von Lauten verstanden werden. Die Einzellaute entsprechen den Kettengliedern und werden daher auch ‘Segmente’ genannt. F¨ ur die Phonologie sind zun¨achst diejenigen Segmente von Interesse, die distinktiv (d.h. bedeutungsunterscheidend) verwendet werden. Die Phonetik interessiert sich f¨ ur alle Laute (und deren akustische, artikulatorische Eigenschaften), die Sprecher einer Sprache produzieren. Die Phonologie betrachtet diese Laute danach, welche Funktion im Sprachsystem sie haben (z.B. distinktive vs. nicht-distinktive Laute).
Erster Laut in ‘Panne’ [ph an@], ‘Teller’ [th El5], ‘Kater’ [kh a:t5] unterscheidet sich vom zweiten Laut in ‘Spanne’ [Span@], ‘Stella’ [stEla], ‘Skat’ [ska:t]. → Plosive, die am Anfang einer (betonten) Silbe stehen, werden aspiriert. 4 / 26
Was sind Segmente?
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Was sind Segmente?
Erster Laut in ‘Panne’ [ph an@], ‘Teller’ [th El5], ‘Kater’ [kh a:t5]
Minimalpaare im Hindi
unterscheidet sich vom zweiten Laut in
[pal] (aufpassen) – [ph al] (Klinge)
‘Spanne’ [Span@], ‘Stella’ [stEla], ‘Skat’ [ska:t].
[tan] (Gesang) – [th an] (Stoffrolle)
Die Opposition von aspirierten und ‘reinen’ Plosiven ist im Deutschen allerdings nicht distinktiv.
[kan] (Ohr) – [kh an] (Pantomime)
Wieso? Es gibt im Deutschen kein Minimalpaar, das sich nur durch die Aspiration des Plosivs unterscheidet.
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Der Phonembegriff
Der Phonembegriff
Segmente, die distinktive Funktion haben (also bedeutungsunterscheidend sind), werden Phonem genannt.
Aspirierte vs. nicht-aspirierte Plosive im Deutschen: [ph an@] – ? [pan@]
Phoneme unterscheiden W¨ orter: I
‘Panne’ [ph an@] – ‘Kanne’ [kh an@] → /p/ und /k/ sind Phoneme (im Deutschen)
? [Sph an@]
I
Hindi: [pal] (aufpassen) – [ph al] (Klinge) → /p/ und /ph / sind Phoneme (im Hindi)
I
Der Phonembegriff ist nur innerhalb einer Sprache sinnvoll!
Die aspirierten Plosive haben keinen Phonemstatus, weil sie nicht bedeutungsunterscheidend sind (und man mit ihnen keine neuen W¨orter bilden kann). Es sind Realisierungsvarianten oder Allophone eines Phonems.
– [Span@]
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Allophonie
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Alternationen I
idiosynkratische Alternation I
Abstrakte Beschreibungseinheit und konkrete Realisierung Ein Beispiel aus der Graphemik: Das Graphem hat u.a. folgende Realisierungsvarianten → A, a, A, a, A, a ... I
Die Realisierungsvarianten (im Fall der Graphemik = Allographe) sind kontextuell lizensiert:
systematische Alternation I
Am Satzanfang und am Anfang eines Nomens: ‘A’, sonst ‘a’ I
Allophonie (kontextuell vorhersagbar) z.B. Alternation des Ich-Ach-Lauts, Auslautverh¨artung ([ve:k, ba:t, bo:shaft]) Nasalassimilation ([baNk, hINk@n, PambOs])
freie Variation (Alternation in derselben Umgebung) I
*BanAne, *apfel, *angela Merkel
Minimalpaare (mit unvorhersagbarem Bedeutungsunterschied) Not – Tod Wiese – Vase ...
[Si:na:, ki:na:, çi:na:] [be:K@n, bE:K@n]
vermutlich ist freie Variation nicht frei, sondern dialektal oder soziolektal determiniert. 10 / 26
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Allophonie
Allophonie
Alternation des Ich-Ach-Lauts im Deutschen: Komplement¨are Distribution (Peter Parker und Spider Man) [x] - Loch, Bach, Buch (nach hinteren Vokalen) [ç] - L¨ocher, B¨ache, B¨ ucher, China, echt... (in anderen Kontexten)
I
Alternation des Ich-Ach-Lauts
I
Alternation von aspirierten und unaspirierten Plosiven
I
...
In Analogie zum Graphem kann das Phonem als Klasse von Realisierungsvarianten definiert werden. Das Phonem ist also eine abstrakte Einheit. Die Realisierungsvarianten sind kontextuell vorhersagbar und (meist) komplement¨ar distribuiert.
[ç] und [x] sind (im Standarddeutschen) komplemten¨ar distribuiert. In der Umgebung, in der [x] steht, kann [ç] nicht vorkommen [*lOç, *baç, *bu:ç, *by:x5, *xi:na:]
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Allophonie
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Allophonie
Phonem als Klasse komplement¨ ar distribuierter Laute? Distribution von [h] und [N] im Deutschen Beziehung von Phon und Phonem: I
[h] nur am Silbenanfang
I
[N] nur am Silbenende
[k] - /g, k, ç/
→ l¨ uckenhafte Distribution I
→ komplement¨ are Distribution aber keine Allophonie!
I
wesentlich f¨ ur Allophonie sind Kriterien wie phonetischen ¨ Ahnlichkeit bzw. Vorkommen in morphologisch verwandten W¨ortern
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I
Prag
I
Sack
I
China
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Allophonie
Das Phoneminventar
Beziehung von Phonem und Phon: /ç/ - [ç, x, X, S, kh ] I
China
I
Macht
I
Buch
I
China (idiolektale / dialektale Variante)
I
China (idiolektale / dialektale Variante)
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Das Phoneminventar
Das Phoneminventar (Offene) Fragen
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I
Bestehen Affrikaten (= homorgane Plosiv-Frikativabfolgen, [ts, pf] aus einem oder zwei Phonemen?
I
Wieviele r-Laute gibt es? Sind es alles Allophone eines zugrundeliegenden Phonems?
I
Liegt jedem [x] ein [ç] zugrunde oder umgekehrt, oder ist keines der beiden Segmente prim¨ar?
I
Hat das [N] Phonemstatus?
I
Ist das [Z] Phonem des Deutschen?
I
Welchen Status hat die Vokall¨ange im Deutschen?
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Phonembegriff
Phonologische Prozesse
Der Phonembegriff ist problematisch, da es nicht immer einfach zu entscheiden ist, ob ein bestimmter Laut Phonemstatus hat oder nicht.
I
Tilgung von Segmenten (Elision, Synkope)
I
Hinzuf¨ ugen von Segmenten (Epenthese)
I
kontextuell lizensierte Ver¨anderung von Segmenten (Assimilation, Dissimilation)
I
Umstellung von Segmenten (Metathese)
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Phonologische Prozesse
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Phonologische Prozesse
I I
Tilgung von Segmenten (Elision, Synkope) I
I I
Epenthese (Lauteinf¨ ugung zur Ausspracheerleichterung ohne morphologische Motivation) t in [y:bKIg@nts, vezEntlIç] (¨ ubrigens, wesentlich) Frankfurt - Frankfurter Tokio - Tokioter I [fYmpf] (f¨ ur 5) I ruh-e – ruh-st [Ku:st]; bad-e – bad-est [ba:d@st], *[ba:dst];
engl. ‘bomb, bombing’ ([bOm, bomIN]) vs. ‘bombard’ ([bOmbaôd]) dt. [nIç] (f¨ ur ‘nicht’) selbst + st¨andig – [zElpStEndIç] , #[zElpstStEndIç]
I
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Phonologische Prozesse
I
Phonologische Prozesse
Assimilation I
I
I
Regressive Assimilation [fYmpf] (f¨ ur 5), [baNk]
I
I
Progressive Assimilation [le:bm, re:gN, pakN, møvm] (Leben, Regen, M¨ oven)
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Phonologische Prozesse
I
Metathese I I
Dissimilation
Roland – Orlando – Ronaldo Krokodil – cocodril
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Kloblauch - Knoblauch aus althochdeutsch klobalouh, mittelhochdeutsch klobelouch lat. -alis / aris -Alternation: navis - navalis; sol - solaris
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