Literatur. Phonologie III. Was bisher geschah. Heute:

Literatur F´ery, C. (2010) Phonologie des Deutschen. Eine optimalit¨atstheoretische Einf¨ uhrung. http://web.unifrankfurt.de/fb10/fery/teaching.html/...
Author: Hede Feld
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Literatur

F´ery, C. (2010) Phonologie des Deutschen. Eine optimalit¨atstheoretische Einf¨ uhrung. http://web.unifrankfurt.de/fb10/fery/teaching.html/PHONOLOGIE ganz.pdf - Kapitel IV und V

Phonologie III

Grewendorf/Hamm/Sternefeld – Kapitel III

Phonologische Dom¨anen, Phonotaktik, Suprasegmentalia Meibauer et al. – Kapitel zur Phonologie Gerrit Kentner

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Was bisher geschah

I

Segment und Phonem

I

Phonologische Prozesse

I

Allophonie

I

Problematisierung des Phonembegriffs

I

Merkmalssysteme

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Heute:

Phonologie III

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I

Phonotaktik

I

Suprasegmentale Phonologie

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Was bedeutet Phonotaktik?

Beschr¨ankungen u¨ber Lautabfolgen:

Lehre von den f¨ ur eine bestimmte Sprache zugelassenen Laut– oder Phonemkombinationen. F¨ ur jede Sprache gibt es spezifische phonotaktische Regeln, die die Verbindbarkeit von Phonemen in verschiedenen Positionen (An-, In- und Auslaut) beschreiben.

I

M¨ogliche und unm¨ogliche Segmentabfolgen mit [b,a,l,t]

I

[blat, balt, ablt] [*lbat, *labt (aber: lapt), *ltab, *tlab] [*albt (aber: alpt), *atlb, *atbl,] [*abtl (?aptl), *btal, *tbal ]

(H. Bußmann, 1990)

I

Nicht alle Abfolgen von Segmenten sind m¨oglich. Es kommt aber immer auf den Kontext an.

I

Manche der ’verbotenen’ Segmentabfolgen kommen doch vor: [lbat] - Wechselbad; [tlab] - Umweltlabor; [ltab] - das ist in der Regel Tabu; [atbl] - mattblau; [tbal] - Handball 5 / 43

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Beschr¨ankungen u¨ber Lautabfolgen:

Beschr¨ankungen u¨ber Lautabfolgen:

Um die Legalit¨ at von Lautabfolgen beurteilen zu k¨onnen, m¨ ussen wir den Kontext kennen

Um die Legalit¨at von Lautabfolgen beurteilen zu k¨onnen, m¨ ussen wir den Kontext kennen

+ [blat, balt] - innerhalb einer Silbe

+ [blat, balt, a.blt, a.bl#t, *.ablt.]

+ [a.blt] (kabelt) - [blt] nicht im Auslaut einer Silbe *[.ablt.]

+ [l#bat] - Wechselbad; [t#la.b] - Umweltlabor; [l#ta.b] - das ist in der Regel Tabu; [at#bl] - mattblau; [t#bal] - Handball

+ [l#bat] - Wechselbad; [t#la.b] - Umweltlabor; [l#ta.b] - das ist in der Regel Tabu; [at#bl] - mattblau; [t#bal] - Handball

→ # = Grenze eines phonologischen Wortes; . = Silbengrenze

→ # = Grenze eines phonologischen Wortes; . = Silbengrenze

Phonologisches Wort und Silbe sind phonologische Dom¨anen

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Prosodische Hierarchie

Prosodische Hierarchie

Prosodische Struktur: I

Intonationsphrase (I)

I

phonologische Phrase (F)

I

phonologisches Wort (ř)

I

Fuss (F)

I

Silbe (σ)

IP

F

Prosodische Struktur bildet Dom¨ anen f¨ ur phonologische Beschr¨ankungen oder Regeln. Sie muss daher Teil der phonologischen Repr¨ asentation sein.

F

ř

ř

ř

F

F

F

F

ř F

σ

σ

σ

σ

σ

σ

σ

Frau

M¨ ul

ler

kauft

Steck-

r¨ u

ben

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Prosodische Hierarchie

Prozesse Auslautverh¨artung

Prosodische Struktur bildet Dom¨ anen f¨ ur phonologische Beschr¨ankungen oder Regeln. Sie muss daher Teil der phonologischen Repr¨ asentation sein. I

Im Engl. ist /kn/ nur im Silbenansatz unzul¨assig know vs. acknowledge

I

Dt. Auslautverh¨ artung findet am Wortende statt

Bund: [bUnt - bYnd@] bunt: [bUnt - bUnt@] Maus: [maUs - mOYz@] nass: [nas - nEs5] doof: [do:f - do:v5] Weg: [ve:k - ve:g@] → stimmhafte Obstruenten d¨ urfen nicht am Ende eines Wortes stehen.

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Regel

Regel

Auslautverh¨artung Auslautverh¨artung → stimmhafte Obstruenten d¨ urfen nicht am Ende eines Wortes stehen.

→ stimmhafte Obstruenten d¨ urfen nicht am Ende eines Wortes stehen.

Wenn die zugrundeliegende Form einen stimmhaften Obstruenten hat, wird dieser am Ende des Wortes stimmlos [-sonorant, +stimmhaft] → [-stimmhaft] /

[-sonorant] → [-stimmhaft] /

#

#

Eine andere M¨oglichkeit w¨are, den Prozess als Beschr¨ankung u ¨ber die Distribution von Lauten zu beschreiben: → Stimmhafte Obstruenten kommen nur im Silbenansatz vor

noch einfacher ist folgende Regel (mit demselben Ergebnis) [-sonorant] → [-stimmhaft] / #

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Die Silbe

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Konstituenten der Silbe

Konstituenten der Silbe I

I

I

Eine Silbe hat mindestens einen Silbengipfel (Nukleus) i.d.R ein Vokal Zweite Silben in Bea [be:.a:] und Theo [te:.o:]

σ

In den allermeisten F¨ allen gibt es auch einen Ansatz (der kann auch komplex sein) jedes Wort hat mindestens einen Ansatz! aber, Uhr, schlank, Pflicht [Pa:.b5, .Pu:5., SlaNk, pflIçt] “ ...und oft gibt es auch eine Koda (kann auch komplex sein) Tag, Rumpf, Quark [ta:k, KUmpf, kvaKk]

Ansatz

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Nukleus

Koda

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Konstituenten der Silbe

Konstituenten der Silbe Bahn – Bann σ

→ W¨orter reimen sich unter Umst¨ anden: Saum, Raum, Baum, kaum, Flaum, Rind, Kind, Wind, bind usw.

b

→ Es gibt eine wichtige Abh¨ angigkeit von Nukleus und Koda (nicht aber von Ansatz und Nukleus) - mehr dazu gleich

Ansatz

Reim Nukleus

Nukleus a σ

σ

I

Reim

Ansatz

:

Ansatz b

Koda

Koda n

Reim Nukleus

Koda

a

n 17 / 43

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Konstituenten der Silbe

Konstituenten der Silbe

lau; Rah

Buch; Bucht σ Ansatz l

Reim Nukleus a σ

Ansatz K

σ Ansatz b

Koda

U

a

Nukleus u σ

Reim Nukleus

Reim

:

Ansatz b

Koda

:

x

Reim Nukleus U

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Koda

Koda x

t 19 / 43

Konstituenten der Silbe

Konstituenten der Silbe *ř ř σ

σ

σ

σ Reim

Ansatz Ansatz P

Reim Nukleus a

Ansatz t

Koda

U “

Reim Nukleus o

P

Koda

Nukleus a

t

Koda

Nukleus

U

:

Konstituenten der Silbe

O

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Komplexe Koda

Ruf; rauf, raff

σ

σ Ansatz

Ansatz

Reim

h Nukleus u

:

Koda

K

Nukleus a

U “

Ansatz

Koda f

K

Nukleus

Koda n

f

σ

σ Reim

Reim

a

f

σ Ansatz

Koda

“ I Analog: keine ungespannten Vokale in der Endsilbe von Otto, Abi, retro,... Ungespannte / Kurze Vokale nur, wenn Koda besetzt ist!! I bei unbesetzter Koda in Silbe mit Vollvokal → langer, gespannter Vokal

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K

Reim

Ansatz

Ansatz

Reim

K Nukleus

Koda

a

f

Reim Nukleus U

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Koda m

pf

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Komplexe Koda

Konstituenten der Silbe



*σ σ

Ansatz

Reim

Ansatz

Reim Ansatz

h

Nukleus a

K

Koda

:

n

Nukleus

f

u

:

Koda m

S

t

pf

Reim

K

Koda

Nukleus U

Silben mit komplexer Koda verlangen einen einfachen Nukleus! Ausnahme: Mond [mo:nt]

m

pf

s

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Konstituenten der Silbe

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Konstituenten der Silbe σ

Du r¨ umpfst die Nase Ansatz

σ

Reim Nukleus

Ansatz K

Appendix

Koda

Reim Nukleus Y

I

Stimmlose, koronale Obstruenten am rechten Silbenrand ([s] und [t]): Appendix Oft handelt es sich um Flexionsmorpheme

I

Wenn stl. koronale Obstruenten, die am rechten Rand einer Koda erscheinen, als Appendix analysiert werden, kann die Generalisierung “Langvokal → einfache Koda”beibehalten werden

Koda m

pf

s

t

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Konstituenten der Silbe

Konstituenten der Silbe Bucht (Deutsche Bucht) – bucht (sie bucht eine Reise) σ

σ

σ Reim

Ansatz

Reim

Ansatz K

Nukleus Y

Koda m

b

Appendix s

Nukleus U

t

App.

Koda x

t

Reim

Ansatz b

Nukleus u

:

App.

Koda

t

x

I Die Koda ist in der Regel mit h¨ ochstens zwei Segmenten besetzt. Der Reim hat demnach Platz f¨ ur maximal 3 Segmente. I Die Segmente, die nicht in den Reim passen, sind i.d.R. Flexionsmorpheme und geh¨ oren in den Appendix.

pf

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Silbenstruktur

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Sonorit¨atshierarchie

In vielen Sprachen ist die Struktur der Silbe massiv beschr¨ankt. I

I

I

Kodas werden vermieden; manche Sprachen erlauben keine Koda, z.B. das hawaiianische: engl. ticket → haw.: kikiki market → makeke Silben sollen Onsets haben: Glottalverschluss im Deutschen; Liaison im Frz. (l’ami) Resyllabifizierung: ve:k - ve:.g@, *ve:g.@

I

Warum gibt es Silben wie [.amt.] und [.alm.], aber nicht [.atm.] und [.aml.] ?

I

Generalisierung u ¨ber Segmentabfolgen in der Silbe:

I

Der Nukleus ist das sonorste Element; zu den Silbenr¨andern f¨allt die Sonorit¨at ab.

Prinzip der Onsetmaximierung: ma.tKo:.z@, *mat.Ko:.z@

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Sonorit¨atshierarchie

Sonorit¨atshierarchie

Erlaubte komplexe Ans¨atze: Vokale  Liquide  Nasale  Frikative  Plosive Plosiv-Frikativ I

Vorhersagen u ogliche und unm¨ogliche Silben. ¨ber m¨ Zunahme der Sonorit¨ at von den Silbenr¨andern Richtung Nukleus

pf - Pfau; ps - Psychologie; (pS - Pschorr); ts - Zunder; Zuber kf - Qual; ks - Xaver; (dZ - Dschungel), alle anderen Plosiv-Frikativ-Abfolgen mit stimmhaften Obstruenten sind ungrammatisch

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Sonorit¨atshierarchie

Sonorit¨atshierarchie

Erlaubte komplexe Ans¨ atze:

→ Im Ansatz i.d.R.: Plosiv vor Friaktiv vor Nasal, Liquid (Ausnahme s, S vor Plosiven - Pr¨afixe?)

Frikativ-Plosiv (nur mit s/S) sk - Skat, Skelett, st - Stil Sp - Spiel, St - Steuer, (Sk - Schkeuditz)

σ

I

Obstruent-Sonorant Blau, Brief, Plastik, Prunk, dringend, Traum, *dl, *tl, Glanz, grau, Gneis, Knatsch, Klatsch, Flasche, frisch, Pflaume, Pfr¨ unde, schmollen, Schnuller, schlau, Strumpf, *sn, *sl, *sm, *fn, *fm, *dorsaler Frikativ + Sonorant Plosiv + Nasal selten: kn - knapp, (pn - Pneu)); sehr markiert!

Pr¨afix

I

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Ansatz

Reim

Appendix

Nukleus Koda Pr¨afix in: Spiel, Stamm, Skat, Skelett...

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Sonorit¨atshierarchie

Sonorit¨atshierarchie

Erlaubte komplexe Kodas:

Erlaubte komplexe Kodas:

Plosiv - Frikativ nur bei Affrikaten: [pf, ts, tS] (Topf, Hatz, Matsch...) *kf, ks - Max; ps - Raps; pS - h¨ ubsch;

Frikativ-Plosiv ft - Haft; xt - acht *fk, *sk - (aber engl. ask), *fp, *sp - (aber engl. wasp), *Sp,*Sk st - Ast, Mist

dorsale Frikative erscheinen nicht in komplexer Koda nach Plosiv (vgl. franz. ‘autre’ [o:tK])

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Sonorit¨atshierarchie

Zur¨uck zur Ausgangsfrage

Erlaubte komplexe Kodas: Sonorant - Obstruent stark, derb, Alk, Berg, Alb, Bank, Lump, Sumpf, Ralf, Wurf, Hanf, M¨onch, Bank, halb, ... Liquid - Nasal Wurm, Halm, Film, Harn,...

I

Warum gibt es Silben wie [.amt.] und [.alm.], aber nicht [.atm.] und [.aml.]?

I

[.amt.] und [.alm.] entsprechen der Sonorit¨atshierarchie, [.atm.] und [.aml.] nicht.

I

Vokale  Liquide  Nasale  Frikative  Plosive

→ In der Koda: Liquid vor Nasal vor Obstruent. Stl. koronale Obstruenten beliebig

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Affrikaten

Ambilsyllabizit¨at

Vokale  Liquide  Nasale  Frikative  Plosive I

Affrikaten sind homorgan gebildete Plosiv-Frikativabfolgen [pf] [ts] [tS]

Vokalqualit¨at und Silbifizierung:

I

Sie k¨onnen sowohl im Silbenansatz, als auch in der Koda vorkommen.

Kippe - [kIp@]; Kiepe - [ki:p@]

I

In der Koda verletzen Sie die Sonorit¨atshierarchie, wenn man annimmt, dass eine Affrikate aus zwei Segmenten besteht! → entsprechend werden Affrikate als ein Segment gewertet (umstritten!!)

Wo ist die Silbengrenze?

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Ambilsyllabizit¨at

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Kurzzusammenfassung

Vokalqualit¨at und Silbifizierung:

I

Phonotaktische Regeln m¨ ussen f¨ ur phonologische Dom¨anen formuliert werden (Silbe, Wort)

Kippe - [kIp@]; Kiepe - [ki:p@]

I

Silbenkonstituenten sind: Ansatz, Reim mit Nukleus und Koda, Pr¨afix und Appendix

Sprecherintuition: /p/ in Kippe’ ist gleichzeitig Koda der ersten und Ansatz der zweiten Silbe. Achtung: es handelt sich nicht um eine Geminate wie in ital. citta

I

Der Reim hat normalerweise mindestens 2 (Ausnahme schwa-Silbe in Blume) und h¨ochstens 3 Positionen (Ausnahme: Mond, je nach Analyse des finalen [t])

I

Die Segmentabfolge innerhalb der Silbe gehorcht i.d.R. der Sonorit¨atsabfolgebeschr¨ankung: Die Sonorit¨at steigt zum Silbengipfel (Sonorit¨atsmaximum) monoton an und f¨allt danach wieder ab.

I

Manche Segmente sind geh¨oren zwei Silben an: Ambisyllabische Konsonanten (nach Kurzvokal in nichtfinaler Silbe: Kippe, Mutti, Wache, Asche...)

Daraus kann gefolgert werden: Betonte Silben m¨ ussen mindestens zwei Reimpositionen besetzen: Langvokal oder Kurzvokal mit Koda. Ausserdem: Silbengrenzen m¨ ussen nicht zwischen Segmentgrenzen stehen!

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Aufgaben I

Zeigen Sie die Silbenstruktur von ‘Bad’ ?

I

welche der folgenden Implikationen sind f¨ ur die Silbenstruktur des Deutschen g¨ ultig? “Langvokal → einfache Koda” “einfache Koda → Langvokal” “Kurzvokal → komplexe Koda” “komplexe Koda → Kurzvokal”

I

Warum hat das Wort ‘Himmel’ zwei Silben?

I

Welchen Status hat das [m] in ‘Himmel’ ?

I

Bilden Sie m¨ ogliche Silben mit [g, t, O, K]!

I

Was spricht gegen eine Silbe [KOgt]?

I

Inwiefern ist die Vorstellung, der Sprachstrom sei eine Kette von Segmenten, problematisch?

I

Welchen Status hat der Glottalverschluss im phonologischen System des Deutschen? 44 / 43