Lange Nacht DER INDUSTRIE

Lange Nacht 8-seitiges Special D E R I N D U ST R I E 16. November 2016 Vollstedt / prima events 9. Langen Nacht der Industrie ANZEIGE LANGE NAC...
10 downloads 2 Views 2MB Size
Lange Nacht 8-seitiges Special

D E R I N D U ST R I E 16. November 2016

Vollstedt / prima events

9. Langen Nacht der Industrie

ANZEIGE

LANGE NACHT DER INDUSTRIE

GRUSSWORT

2 Entscheidender Wohlstandsmotor der Stadt

Hamburger Abendblatt

Aus Tradition lecker Lebensmittelveredler Worlée gewährt einen Blick hinter die Kulissen

Frank Horch, Wirtschaftssenator und Initiator der Langen Nacht der Industrie Ingo Röhrbein

:: Seit neun Jahren zieht die Lange Nacht

GRUSSWORT

der Industrie – eine Hamburger Erfindung – viele Besucher an. Ich finde das wichtig, weil die Industrie für den Wirtschaftsstandort Hamburg eine tragende Rolle spielt. Sie ist Basis für die Expansion von Dienstleistungen. Sie stellt viele gut bezahlte Arbeitsplätze bereit. Sie ist mit ihrer enormen Innovationskraft und Exportstärke ein entscheidender Wohlstandsmotor der Stadt. DerArbeitsweltstehtnuneindramatischer Umbruch bevor. Digitalisierung und Industrie 4.0 verändern die Bedingungen. Maschinen und Dinge kommunizieren miteinander und vernetzen sich zur klugen Fabrik. Doch der Industriestandort Hamburg ist gewappnet für diesen Transformationsprozess. Die Spezialisierung auf wissensintensive Industrien und das relativ hohe Qualifikationsniveau in Hamburg bilden dafürdieGrundlage.DieBesucherderLangen Nacht der Industrie konnten sich davon vor Ort überzeugen.

Innovationen für die Welt von morgen Michael Westhagemann, Industrieverband Hamburg, Vize-Präses Handelskammer, Vorstand Nordmetall Bertold Fabricius

:: Interessierte Nachbarn und Fachkräfte sowie in diesem Jahr besonders viele junge Menschen haben sich auf ihrer abendlichen Tour durch Hamburger Unternehmen ein Bild von unserer innovativen Industrie gemacht. Die Teilnehmer sprachen mit Fachleuten und sahen, wie in den Werkshallen gearbeitet und in den Laboren geforscht wird. Die Menschen, die ich unterwegs traf, waren begeistert von dem, was sie bei der Langen Nacht der Industrie kennengelernt und erlebt haben. Die Industrieunternehmen in Ihrer Nachbarschaft sind erstklassige Arbeitgeber und Ausbilder mit Zukunft. Sie sind Vorreiter der Digitalisierung und treiben Innovationen für die Menschen in der Welt von morgen voran. Außerdem engagiert sich die Industrie für Energieeffizienz und schont damit die natürlichen Ressourcen. Unsere Industrie arbeitet ständig daran, ihre Produkte und Dienstleistungen zu verbessern. So bestehen die Firmen erfolgreich im internationalen Wettbewerb und stärken unsere Stadt Hamburg und die Region. Damit war auch die neunte Auflage unserer Langen Nacht der Industrie ein großer Erfolg!

Teekoster Holger Lorenz zeigt den Teilnehmern, weshalb man Tee auch schlürfen muss

SEBASTIAN MEISSNER

:: „Ich wette, dass Sie alle schon Produkte von Worlée gegessen haben, auch wenn sie es nicht wissen“, begrüßt Bernd Rosenstein die rund 90 Besucher. Und natürlich hat der Geschäftsführer der Worlée NaturProdukte GmbH damit recht. Ob exotische Trockenfrüchte, Gemüse, Kräuter, Gewürze, Pilze oder Tee: Viele der Lebensmittel in Trockensuppen, Müslis, Sportriegeln oder Snacks werden in der Firmenzentrale in Hamburg-Billbrook produziert. Seit über 160 Jahren beliefert das in fünfter Generation familiengeführte Unternehmen inzwischen seine Kunden aus dem In- und Ausland. Worlée-Produkte finden sich in mehr als 500 Markenprodukten. Weitere Abnehmer sind die Pharma-, Tiernahrungund die Getränkeindustrie. Rund 23.000 Tonnen Trockenprodukte veredelt das Unternehmen jedes Jahr. Jahresumsatz: rund 120 Millionen Euro. Wie aus den Rohstoffen edle Lebensmittel werden, das konnten die Teilnehmer der Langen Nacht der Industrie hautnah erleben. In rund zwei Stunden führten Rosenstein und sein Team die Besucher – ausgestattet mit Schutzkitteln und -hauben – durch die Produktionshallen auf dem 35.000 m² großen Gelände. „In einem ersten Schritt geht es darum, die Ausgangsware zu reinigen“, sagt Rosenstein. Beispiel Steinpilze: Da sie auf Waldboden wachsen und per Hand geerntet werden, können sie pathogene Keime, etwa Salmonellen, enthalten. Bei Worlée werden sie deshalb in aufwendigen Verfahren per Dampf, Temperatur und Vakuum davon befreit und anschließend im Siedeverfahren oder per Laser gereinigt. Im sogenannten Metall- und Magnetcheck werden magnetische, metallische und nichtmetallische Fremdkörper entfernt. Das kann per Siebmaschine oder manuell am Laufband geschehen. Je nach Kundenanforderung wird das Produkt anschließend auf die gewünschte Größekonfektioniert.Dazuwirdesmechanisch geschnitten, granuliert oder zu Pul-

ver gemahlen. „Naturprodukte-Veredelung“ heißt der Fachbegriff. Ein weiteres Standbein von Worlée sind Produktentwicklungen. „Das Ernährungsbewusstsein steigt, und die Gewohnheiten ändern sich regelmäßig. Unsere Aufgabe ist es, unseren Kunden neue Ideen vorzustellen und dem Markt immer einen Schritt voraus zu sein“, sagt Rosenstein. Die Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Traditionsunternehmens spürt weltweit Trends auf und entwirft neue Teemischungen sowie Rezepturen für Smoothies oder Gewürzkompositionen. „Gesundes Essen ist ein Wachstumsmarkt. Deshalb sind wir mit unseren Produkten für die Zukunft sehr gut aufgestellt“, sagt Reinhold von Eben-Worlée, Geschäftsführender Gesellschafter des Familienbetriebs. Die Besucher kommen anschließend in den Genuss einer Teeverkostung. Zwischen 4000 und 5000 Pflanzen aus 45 Ländern werden jedes Jahr in Hamburg-Billbrook angeliefert. Das sind bis zu 1000 Container Rohware. Im November haben Teufelskralle aus Namibia, Kamille aus Argentinien, Hibiskus aus Nigeria und Löwenzahnwurzel aus Polen Saison. Gute Partnerschaften zu den Produzenten sind

Bernd Rosenstein erklärt, wie aus Rohstoffen edle Lebensmittel werden

Michael Zapf

daher unerlässlich. Holger Lorenz, Produktmanager der Abteilung Botanicals bei Worlée, bereiste viele Erzeugerländer. Im Teelabor erklärt er den Teilnehmern, wie man Tee verkostet. „Auch wenn das die Tischmanieren untersagen: Man schlürft Tee, damit die Zunge mit ihren unterschiedlichen Geschmacksregionen auf einen Schlag komplett und nicht erst nach und nach benetzt wird. Nur so kann man das gesamte Geschmackspanorama eines Tees schmecken“, sagt Lorenz. Junge Menschen haben gute Chancen auf eine Festanstellung

Die Zuhörer sind begeistert. „Ich bin sehr beeindruckt. Wir konnten heute sehen, dass Industrie nicht qualmen und stinken muss, sondern mit sinnlichem Genuss zu tun haben kann“, sagt Adrian Ulrich, Geschäftsführer und Leiter des Geschäftsbereichs Innovation und Umwelt bei der Handelskammer Hamburg. Auch Dr. Rolf Bösinger, Staatsrat in Hamburg, ist angetan: „Worlée hat mehrere Kriege, die Inflation und andere Katastrophen überstanden. Qualität setzt sich eben am Ende durch.“ Die Schüler unter den Teilnehmern verfolgen den Rundgang mit großem Interesse. Denn Worlée – derzeit sind 520 Mitarbeiter an den Standorten Hamburg, Lauenburg und Lübeck beschäftigt – hat als Arbeitgeber und Ausbilder einen hervorragenden Ruf. Die Fluktuation, sagt Personalleiterin Ursel Nitsch-Kotthoff, sei sehr gering. „Dennoch suchen wir regelmäßig junge Leute. Vor allem Fachkräfte für Lebensmitteltechnik und Chemikanten haben aktuell sehr gute Chancen.“ Voraussetzung für eine Bewerbung ist die mittlere Reife.„WichtigersindunsjedochBegeisterung für Chemie, handwerkliches Geschick und eine IT-Affinität“, sagt NitschKotthoff. 33 Azubis hat Worlée derzeit. Alle haben sehr gute Chancen, übernommen zu werden. Das war auch im vergangenen Jahr der Fall, als alle Absolventen eine Festanstellung bekamen.

LANGE NACHT DER INDUSTRIE

Hamburger Abendblatt

3 19

Einblicke in die Firmen

Standort Hamburg und Umgebung

Die Lange Nacht der Industrie war geboren. In diesem Jahr fand sie in Hamburg zum neunten Mal statt. Und weil sie in der Hansestadt von Anfang an ein Erfolgsmodell war, wurde das Konzept auf andere Städte und Regionen übertragen. In diesem Jahr gab es die Lange Nacht der Industrie unter anderem in Berlin, Bremen, Dresden, Hannover, Rhein-Ruhr, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, dem Saarland und im Thüringer Wald. Inzwischen geht es bei der etablierten Veranstaltung längst nicht mehr nur noch um Imagepflege. Die teilnehmenden Firmen – wie in jedem Jahr ist vom familiengeführten Mittelständler bis hin zum Weltkonzern wieder die ganze Bandbreite ver-

20

5 13

2 16

:: „Industrie 4.0“, sagt Hamburgs Wirt-

Rund 40 Prozent der Teilnehmer sind jünger als 30 Jahre

10

Branchen

4 6 12 15 8

21 Unternehmen öffneten ihre Tore bei der 9. Langen Nacht der Industrie schaftssenator Frank Horch, „hat nach Meinung vieler die Bedeutung einer vierten industriellen Revolution.“ Damit spricht Horch die unglaublichen Veränderungen an, die in der industriellen Welt Einzug halten oder schon gehalten haben. Es ist die Vernetzung der Maschinen untereinander. Produktionsprozesse, die sich dramatisch verändern und kaum noch daran erinnern, was einmal mit dem Begriff industrielle Produktion gemeint war. Die Lange Nacht der Industrie (LNDI) gibt faszinierende Einblicke in diese sich rasant verändernde Welt. Das ist auch der Grund, warum Frank Horch im Jahr 2008, damals noch in seiner Funktion als Präses der Handelskammer Hamburg, den Auftrag gegeben hatte, etwas für das Image der Industrie in Hamburg und Umgebung zu tun. Prima-events-Chef Jürgen Henke hatte dann die Idee, Menschen und Unternehmen nach dem Vorbild der „Langen Nacht der Museen“ zusammenzubringen. Interessierte konnten sich anmelden und dann kostenlos zwei Industrieunternehmen an einem Abend besichtigen.

20

Heide Kaltenkirchen Kiel

9 1 3 14 18 21

7

F LU G H A F E N H A M B U RG

11 17 5

Nr. beteiligte Unternehmen

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Mitarbeiter

Albis Plastic ArcelorMittal Hamburg Cargill Texturizing Solutions Eppendorf F. Reyher Nachfolger Flughafen Hamburg H&R Ölwerke Schindler Hamburger Hochbahn Ingredion Germany KVP Pharma+Veterinär Produkte Pfannenberg

Grafik: fh

450 550 145 770 > 650 1864 276 5000 280 rd. 700 250

Nr. beteiligte Unternehmen

12 13 14 15 16 17 18 19 20 21

Mitarbeiter

Philips Medical Systems 1300 Siemens 2393 Stadtreinigung Hamburg rd. 2600 Stromnetz Hamburg 1200 Trimet Aluminium SE 340 Vattenfall Kraftwerk Moorburg Vattenfall Kraftwerk Tiefstack Vishay BComponents Beyschlag Wiska Hoppmann & Mulsow 210 Worlée Naturprodukte 280

* Mitarbeiter Vattenfall in Hamburg insgesamt

Stand: November 2016

Quelle: IVH

:: So nah an die Maschinen kommt sonst nur das Bodenpersonal. Faszinierende Einblicke hinter die Kulissen von Deutschlands fünftgrößtem Flughafen, der sich nun zu Ehren des Altkanzlers mit dem Namenszusatz „Helmut Schmidt“ schmückt. Die Chance, die Abläufe in Bereichen zu verfolgen, die sonst aus Sicherheitsgründen für den Publikumsverkehr gesperrt sind, ist einer der Gründe, warum der Hamburger Flughafen bei der Langen Nacht der Industrie immer ein Besuchermagnet ist. Denn zum Programm gehört grundsätzlich auch der Busausflug aufs Rollfeld. Zuvor wurden die Abläufe des Flughafenbetriebs im beeindruckenden Modell plastisch erklärt. Eine faszinierende Arbeitswelt – nicht nur für Piloten und Stewardessen. Der Airport nimmt auch bei der Ausbildung ganz anderer Berufsgruppen wie Industriemechaniker und Servicekaufleuten eine herausragende Stellung ein. ANZEIGE

treten – nutzen die Lange Nacht der Industrie als Stellenmarkt: Qualifizierter Nachwuchs wird überall gebraucht, die Chance zum Werben in eigener Sache kommt da gerade recht. So wundert es nicht, dass zum Programm am Abend bei vielen Firmen auch ein Überblick über die Ausbildungsmöglichkeiten und Karrierechancen gehört. Cargill, ein Lebensmittelkonzern mit weltweit 150.000 Mitarbeitern, hat verschiedene Trainee-Programme vorgestellt, die auch Auslandseinsätze beinhalten. In Studentenkreisen und an den Schulen hat sich das inzwischen herumgesprochen. Die Lange Nacht der Industrie steht besonders beim jungen Publikum hoch im Kurs: Rund 40 Prozent der Teilnehmer sind jünger als 30 Jahre. Auch in Zeiten von Industrie 4.0 geht bei der Arbeits- und Ausbildungsplatzsuche nichts über den persönlichen Kontakt.

Industrie spielt wichtige Rolle Der Standort Hamburg genießt große Akzeptanz :: Drei Viertel aller Hamburger vertreten

den Standpunkt, die Industrie nehme in derStadteine„wichtigebisunverzichtbare Rolle“ ein. Das ergab eine repräsentative Umfrage zur Akzeptanz von IndustrieUnternehmen in der Hansestadt. Eine deutliche Mehrheit der Befragten verbindet mit dem Begriff so positive Aspekte wie „Steuereinnahmen für die Stadt“ (74 Prozent), „Ausbildungsmöglichkeiten“ (66 Prozent) und „Wohlstand“ (62 Prozent). Aktuelle Zahlen belegen, dass die Befragten mit ihrer Einschätzung recht haben. Mehr als 120.000 Menschen – das ist etwa jeder siebte Sozialversicherte – arbeiten in einem der etwa 600 Industrieunternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten. Nur in Berlin und München sind es noch

mehr. Hinzu kommt, dass jeder Arbeitsplatz in der Industrie zwei Arbeitsplätze in anderen Bereichen wie Vertrieb, Handel und Werbung generiert – denn die hergestellten Waren müssen schließlich konfektioniert, transportiert, beworben und gehandelt werden. Schwerpunktbranchen der Hamburger Industrie sind die Luftfahrt (weltweit Platz drei hinter Seattle und Toulouse), die Grundstoffindustrie, die Bauwirtschaft und der maritime Sektor mit allein mehr als 50.000 Beschäftigten. Zu den neueren Industriezweigen zählen heute außerdem die Bereiche Life Science mit den Pionieren Philips Healthcare und Beiersdorf sowie die erneuerbaren Energien mit mehr als 100 Unternehmen.

ALBIS PLASTIC gehört zu den weltweit agierenden Unternehmen in der Distribution und Compoundierung technischer Thermoplaste. Mit über 1.200 Mitarbeitern und 23 Tochtergesellschaften ist das Hamburger Unternehmen in vielen Ländern innerhalb und außerhalb Europas vertreten. Den Erfolg verdanken wir nicht zuletzt unseren qualifizierten Mitarbeitern. Übernehmen auch Sie Verantwortung in einem internationalen Unternehmen mit hanseatischen Wurzeln. Profitieren Sie von spannenden Herausforderungen und vielfältigen Perspektiven. Ergreifen Sie jetzt die Initiative und bewerben Sie sich! ALBIS PLASTIC GmbH Mühlenhagen 35 · D-20539 Hamburg Tel.: +49 40 / 7 81 05-0 [email protected] · www.albis.com

LANGE NACHT DER INDUSTRIE

4

Hamburger Abendblatt

Hardware für die Fahnder Aus der Baracke zum Großkonzern Eppendorf AG – wie „Eppis“ die Welt eroberten

– so viel Power könnte das Kraftwerk Moorburg theoretisch produzieren. Doch in Zeiten der Energiewende ist ein anderer Punkt mindestens genauso wichtig: die Flexibilität. Denn es darf nur so viel Strom ins Netz gespeist werden, wie verbraucht wird. Deswegen kann die Leistung der beiden Kraftwerksblöcke in nur 15 Minuten um 600 MW hoch- oder runtergefahren werden. Und das alles mit jährlich 2,3 Millionen Tonnen weniger CO2 als ein älteres Kraftwerk. Zahlen, die Moorburg zu einem der modernsten Steinkohlekraftwerke Europas machen.

1945 war an solche Großleistungen noch nicht zu denken. Der Ingenieur Netheler und der Physiker Hinz, damals beide Mitte 30, stellten sich bei der Klinikleitung vor. Sie hätten ein Team von etwa 20 Physikern und Ingenieuren und wollten das tun, was das Land am meisten braucht: die Lebensbedingungen der Menschen verbessern. Das ist noch heute das Leitmotiv der Eppendorf AG. In der Uniklinik gab es eine Menge Arbeit. Die Bomben der Alliierten hatten wichtiges medizinisches Gerät zerstört oder beschädigt, die „Arbeitsgruppe Dr. Netheler“ sollte reparieren. Gleichzeitig bekam sie Aufträge zur Entwicklung neuer

Geräte. Schon ein Jahr später nutzte sie ihre Kenntnisse aus dem Bereich der Radartechnik und baute das erste Ultraschallgerät. Im selben Jahr präsentierten die Firmengründer das Reizstromgerät „Stimulator“, das die UKE-Mediziner für die postoperative Muskelregeneration in Auftrag gegeben hatten. „Eine ähnliche Technik kommt heute in den modernen Fitnessstudios zum Einsatz, die mit EMS arbeiten“, erklärt Franz. Entwicklung, Produktion, Vertrieb und Service aus einer Hand. Diese historischen Säulen im Geschäftsmodell der 1984 in Eppendorf umbenannten Firma waren maßgeblich für den schnellen wirtschaftlichen Erfolg verantwortlich. Der weltweite Durchbruch der Eppendorfer aber kam mit einem System, das heute so selbstverständlich ist, dass sich in diesen so penibel auf Hygiene fixierten Zeiten kaum jemand vorstellen kann, dass es mal anders gehandhabt wurde. Franz: „Früher saugten Wissenschaftler ihre Proben mühsam mit dem Mund in gläserne Saugrohre auf. Das ist natürlich sowohl für die zu analysierende Probe als auch für die Wissenschaftler eine kritische Angelegenheit. Die Probe könnte kontaminiert werden, die Wissenschaftler sich infizieren.“ 1961 revolutionierte Eppendorf das alte Analyseprozedere mit der ersten Kolbenhubpipette. Diese Mikroliterpipette sowie die in den folgenden Jahren entwickelten Zentrifugen, Mischer, Thermostate und hochwertigen Verbrauchsmaterialien ergeben zusammen das EppendorfMikroliter-System, das 1963 vorgestellt wurde. Kern dieses Systems sind wie kleine Vasen geformte, 1,5 bis fünf Milliliter fassende Plastikbehälter, die sogenannten Eppendorf-Tubes. Diese genormten Reaktionsgefäße für die Probenvorbereitung, Zentrifugation oder Lagerung kommen in allen Labors weltweit zum Einsatz. „Und weil Eppendorf Tubes ein etwas umständlich auszusprechendes Wort ist, werden sie überall nur ‚Eppi‘ genannt“, so Franz. Produziert werden die „Eppis“ nicht am Hamburger Unternehmenssitz, der Ende der 1960er Jahre nach Poppenbüttel an den Barkhausenweg verlegt wurde, son-

Die beiden Firmengründer Dr. HeinrichNethelerundDr.HansHinzzogensich 1971 gemeinsam aus dem operativen Geschäft zurück. Netheler starb 1999, Hinz 1993. Aus der GmbH wurde 2000 eine Aktiengesellschaft, die allerdings nicht an der Börse notiert ist. Alle Aktien sind im Familienbesitz. Aus dem Baracken-Start-up wurde ein Konzern mit weltweit mehr als 3000 Mitarbeitern und Tochtergesellschaften in 25 Ländern, der im vergangenen Jahr einen Umsatz von 630 Millionen Euro machte.

VAT T ENFALL T IE FSTACK

INGREDION

V I S H AY

STA DT R E I N I G U N G

:: Das schwedische Energieversorgungs-

:: „Ingred“ bezieht sich auf das englische Wort „Ingredients“ (Zutaten). „Ion“ ist griechisch für „etwas, das sich bewegt“. So steckt im Firmennamen, was und wie bei Ingredion produziert wird: Zutaten für die Lebensmittelindustrie, aber mit neuen Entwicklungen. Zu den Spezialgebieten von Ingredion gehört die Arbeit mit Stärke und verschiedenen Süßstoffen. Das Hamburger Werk, 1941 von Dr. Oetker gegründet, ist Teil des weltweiten IngredionNetzwerks mit mehr als 11.000 Mitarbeitern an über 60 Standorten. Die Hamburger Mannschaft ist international: Die Mitarbeiter kommen aus 18 Nationen.

:: „Auch nachts leisten wir Widerstand“ war das Motto bei Vishay, dem Weltmarktführer bei Dünnschichtwiderständen. Ein spezieller Sektor, den das Unternehmen aus Heide – in Schleswig-Holstein – mit seinen 460 Mitarbeitern bewusst bedient, um nicht im direkten Wettbewerb zur Billigkonkurrenz aus Asien zu stehen. VishayWiderstände funktionieren auch unter extremen Bedingungen tadellos. Das ist in der Automobilbranche ein entscheidendes Kriterium, denn Sicherheitssysteme in AutosmüssenimgriechischenSommergenauso funktionieren wie im finnischen Winter.

:: Nachhaltige Müllverwertung – wie das

HOLGER SCHÖTTELNDREIER

STRO M NET Z H A M B U RG

:: Es ist ein unscheinbares Gebäude in der City Nord, aber wenn hier etwas schiefläuft, steht Hamburg still. Im Kontrollzentrum der Stromnetz Hamburg GmbH laufen alle Informationen über Hamburgs Stromversorgung zusammen. 53 Umspannwerke, 27.000 Kilometer Kabel. Wer hier arbeitet, darf sich auch in schwierigen Situationen nicht aus der Ruhe bringen lassen. Alle Mitarbeiter müssen deswegen den „Tower-Test“ bestehen, der ursprünglich eigentlich für die Flugsicherung entwickelt wurde. Es geht darum, die Mitarbeiter auf ihre Fähigkeit zu testen, auch unter Stress noch überlegte Entscheidungen zu treffen.

VAT T ENFALL MOORB URG

:: ElfMilliardenKilowattstundenjährlich

unternehmen Vattenfall hat sich das Ziel gesetzt, bei der Entwicklung einer nachhaltigen Energieversorgung eine führende Rolle zu spielen. Das Heizkraftwerk Tiefstack, 1993 in Betrieb genommen, produziert gleichzeitig Strom und Wärme und deckt fast die Hälfte des Fernwärmebedarfs von Hamburg ab. 2009 wurde es um ein mit Erdgas betriebenes Gas- und Dampfturbinenwerk erweitert. Die Anlage ist mit modernsten Rauchgasreinigungsanlagen bestückt und unterschreitet die zulässigen Grenzwerte bei Schadstoffemissionen deutlich.

:: Garagen sind bei Technik-Unternehmen geradezu mystische Gründungsorte. Steve Jobs und Steve Wozniak sollen an einem solchen Ort ihren ersten AppleComputer zusammengeschraubt, Bill Gates und Paul Allen angeblich die erste Software für Microsoft geschrieben haben. Dr. Heinrich Netheler und Dr. Hans Hinz hatten im zerbombten Hamburg 1945 keine Garage, aber eine Vision und eine Baracke – und die lag strategisch perfekt auf dem Gelände der Uniklinik Eppendorf. Der Biologe Dr. Oliver Franz hatte sichtlich Spaß daran, den Besuchern der Langen Nacht der Industrie diese Geschichte aus den Anfängen des Unternehmens zu erzählen. Die Innovationskraft der Eppendorf AG und ihrer Gründer hat im Laufe der folgenden Jahrzehnte Geräte und Techniken hervorgebracht, die von der Fachwelt als Meilensteine gewürdigt wurden und in vielen Fällen noch heute als Standardmethoden in der biomedizinischen Forschung zum Einsatz kommen. Dazu zählen das Photometer, die Kolbenhubpipette, das erste elektrische Fieberthermometer „Thermorapid“, mit dem sich die Temperatur innerhalb von Sekunden messen ließ, und vor allem das 1963 präsentierte revolutionäre EppendorfMikroliter-System (EMS). Die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern ist Firmen-Leitmotiv

dern im ostholsteinischen Oldenburg. Das 1975 eingeweihte Werk produziert jährlich mehr als zwei Milliarden Einmalartikel aus Kunststoff. Klassische Medizintechnik wie in den Anfangsjahren wird von der Eppendorf AG nicht mehr produziert. „Heute entwickeln und produzieren wir im weitesten Sinne Labortechnik“, erklärt Franz. Ein Zukunftsmarkt. Beispiel DNA-Analysen. An Tatorten werden oft nur winzige Mengen DNA gefunden. Um damit kriminaltechnisch arbeiten zu können, müssen die Moleküle vervielfältigt werden. Die Hardware dazu kommt von Eppendorf – und ist nicht selten im Fernsehen zu sehen. „Bei ‚Navy CIS‘“, sagt Franz lachend, „sind unsere Pipetten und Geräte praktisch im Dauereinsatz.“ „Navy CIS“ gilt derzeit als weltweit erfolgreichste Krimi-Serie. Für die Entdeckung der Technik, auf der die Funktionsweise dieses Schuhkarton-großen Thermocyclers beruht, erhielt der amerikanische Biochemiker Kary Mullis 1993 einen Nobelpreis. Der Blick in eine der Fertigungshallen zeigte den Besuchern der Langen Nacht der Industrie, wie viel Handarbeit in den Produkten steckt. „In diesem Teil der Endmontage ist der Automatisierungsgrad relativ gering“, sagt Franz, „deshalb sind wir bemüht, die Arbeitsplätze so ergonomisch wie möglich zu gestalten, und haben dafür im vergangenen Jahr den Hamburger Gesundheitspreis für die besten Arbeitsplätze bekommen.“ Weltweit arbeiten 3000 Menschen in 25 Ländern für das Unternehmen

funktioniert, wissen die wenigsten Menschen. Um dies zu ändern, öffnet die Stadtreinigung nicht nur in der Langen Nacht der Industrie (LNDI) die Türen zu ihrer Müllverwertungsanlage Borsigstraße. 320.000 Tonnen Abfall werden dort jährlich verbrannt. Die gewonnene Energie wird zur Fernwärmeversorgung der Hamburger Haushalte genutzt. Die effiziente Rauchgasreinigung macht es möglich, fast alle anfallenden Reststoffe zu verwerten. Wer es zur LNDI nicht geschafft hat, kann sich online unter mvb-fuehrungen@ srhh.de anmelden.

LANGE NACHT DER INDUSTRIE

Hamburger Abendblatt

5

Stephan Wallocha

SIEMENS

:: „Business to Society“ – das Zusammenspiel von Wirtschaft und Gesellschaft ist für den Weltkonzern Siemens ein zentraler Punkt. Wo muss ein Unternehmen Verantwortung übernehmen? Wie ist es der Gesellschaft verpflichtet? Keine abstrakten Fragen. Den Besuchern der Langen Nacht der Industrie wurde anhand der wichtigsten Unternehmensfelder aufgezeigt, wie Siemens seinen gesellschaftlichen Verpflichtungen nachkommt und dass Profitstreben sowie soziale und ökonomische Nachhaltigkeit keine Widersprüche sind. Besonders nachvollziehbar war dies bei den von Siemens entwickelten Windkrafträdern.

P H I L I PS

:: Waspassiert,wennichimComputertomografen (CT) liege und das Gerät meinen Körper durchleuchtet? Die Antwort ist spektakulär – zumindest optisch. Auf der Langen Nacht der Industrie öffnet Philips jedes Jahr in seinem Entwicklungs- und Produktionszentrum an der Röntgenstraße einen CT und gibt den Blick frei auf die atemberaubende Mechanik dieses präzisen Diagnoseverfahrens. Die Übung hat einen Sinn: Jedes Gerät wird vor der Auslieferung an Krankenhäuser oder andere medizinische Einrichtungen genau geprüft, damit bei der echten Diagnose keine Probleme auftauchen.

A L B I S PL AST I C

F. REYHE R

KV P PH A R M A

H A M B U RG E R H O CH BA H N

:: Albis zählt zu den ersten Adressen, wenn es um passgenaue Kunststofflösungen für unterschiedliche Industriezweige geht (z. B. Automotive). Hinter einer Instrumenten- oder Anzeigetafel im Auto steckt mehr Know-how, als man vermutet. Auch in der Verpackungsindustrie und im Healthcare-Sektor finden die Kunststoffe des Familienunternehmens große Beachtung. Die Firma investiert verstärkt in ihren Hauptsitz in Rothenburgsort. Nach dem Bau einer neuen Halle zur Vergrößerung der Lagerkapazitäten wird die Gebäudeaufstockung und -modernisierung vorangetrieben.

:: Es ist nicht nur die Masse, es ist die

:: Einer der Verkaufsschlager erleichtert Hunden und Katzen in 70 Ländern das Leben: Das Seresto-Halsband hält Flöhe und Zecken fern. KVP Pharma + Veterinärtechnik in Kiel ist eine Tochter des Chemiegiganten Bayer. Dort werden 175 verschiedene Produkte für die Tiergesundheit produziert.50ProzentallervonBayerverkauften Tierarzneien kommen inzwischen aus Schleswig-Holstein. Damit ist die KVP das zweitgrößte Industrieunternehmen in Kiel und ein wichtiger Arbeitgeber für die Region. Insgesamt arbeiten an dem Fertigungs- und Logistikstandort an der Förde 600 Mitarbeiter.

:: Vergangenheit und Moderne gehören

automatisierte Bearbeitung, die fasziniert: 600 Tonnen Ware werden jeden Tag bei Reyher in Deutschlands größtem Zentrallager für Schrauben und Verbindungselemente bewegt. Auf 40.000 Quadratmetern sind 80.000 Katalogartikel ständig vorrätig und können bundesweit innerhalb eines Tages geliefert werden. Ein neues Hochregallager mit Platz für 40.000 Paletten wird 2017 fertiggestellt. 11.000 Kunden hat das Traditionsunternehmen in AltonaNord. Mehr als 650 Mitarbeiter bearbeiten täglich rund 3500 Aufträge mit 19.000 Auftragspositionen.

bei der Hamburger Hochbahn traditionell eng zusammen. Die rund 40 Teilnehmer besichtigten bei ihrem Rundgang in der UBahn-Hauptwerkstatt in der Hellbrookstraße in Hamburg-Barmbek alle U-BahnFahrzeug-Generationen. Angefangen von der seit 1991 ausgemusterten DT1 bis zur DT5, die zum ersten Mal durchgängig begehbar war. Leckerbissen für angehende Azubis: die Vorstellung einiger Projekte in der Ausbildungswerkstatt Elektronik. Darunter ELMO, ein elektrisch betriebenes fahrtüchtiges Motorrad, das der Nachwuchs in Eigenregie gebaut hat.

LANGE NACHT DER INDUSTRIE

6

Hamburger Abendblatt

C A RGI L L

:: Knusprige Brötchen, feine Schokola-

den und Margarine, die beim Braten nicht spritzt – ohne das Naturprodukt Lecithin würde die Lebensmittelwirtschaft vor großen Herausforderungen stehen. 150.000 Menschen arbeiten weltweit für den 1865 in den USA gegründeten Konzern Cargill, der sich auf die Lecithinherstellung und -veredelung spezialisiert hat. Qualifizierter Nachwuchs wird ständig gebraucht und in der Firma gesucht. Dafür hat das Traditionsunternehmen verschiedene TraineeProgramme aufgelegt, in denen die künftigen Führungskräfte für verschiedene Unternehmensbereiche aufgebaut werden sollen.

Bei ArcelorMittal erhalten die Besucher einen Eindruck von der Arbeit im Stahlwerk

P FANNENB E RG

:: Was haben der Eiffelturm in Paris und

der St.-Gotthard-Tunnel gemeinsam? Beide sind mit Elektrotechnik aus Hamburg ausgestattet. Der Eiffelturm wird mit Blitzleuchten von Pfannenberg in Szene gesetzt, für den 52 Kilometer langen Tunnel in den Alpen hat das mittelständische Familienunternehmen 900 Kühlgeräte geliefert, die für die richtige Temperatur sorgen. Weltweit ist Pfannenberg mit innovativen Lösungen überall dort präsent, wo es um die Sicherheit von Mensch, Maschine und Umwelt geht. Im Entwicklungsprozess dieser Produkte ist der 3-D-Drucker nicht wegzudenken.

H & R Ö LW ER K E

:: Für Außenstehende ist das Geschäft

schwer nachzuvollziehen: Die H&R Ölwerke Schindler GmbH (1500 Mitarbeiter) verdient ihr Geld mit „Atmosphärischen Rückständen“. Das sind Abfallprodukte, die bei der Diesel- und Benzinraffinerie anfallen. Mit intelligenten Verfahren entstehen daraus mehr als 800 innovative, umweltfreundliche und qualitativ hochwertige Produkte: Weichmacher für Autoreifen, sehr reine Weißöle für Kosmetika oder Paraffine für Kerzen. Beteiligt sind daran viele Berufsgruppen wie beispielsweise Chemiker, Laboranten, Verfahrenstechniker und Ingenieure.

Roland Magunia

Aus Schrott wird Stahldraht Im Elektrostahlwerk von ArcelorMittal ging es für die Teilnehmer heiß her SAB RI NA J U NG E

:: „Schon mal erlebt, wie sich 1000 C° aus der Nähe anfühlen?“, fragt Kerstin Wrede in die Runde. Stumm schütteln die mit blauen Kitteln, Schutzbrille, Gehörschutz und Helm ausstaffierten Besucher die Köpfe. „Da bekommt man auf jeden Fall warme Füße“, sagt Wrede lachend. Entschlossen läuft die 28-Jährige voran auf eine kleine Brücke. Das Szenario, das sich darunter den Teilnehmern der Langen Nacht der Industrie bietet, erinnert an Züge, die den Bahnhof verlassen: Auf sieben verschiedenen Bahnen treten nach und nach rot glühende Stahlstränge aus der Gießanlage. Rasch passieren die „glühenden Züge“ die Brücke, auf der die Werksbesucher stehen, in Richtung Wendekühlbett. „Diese gegossenen Stücke nennen wir Knüppel“, erklärt Wrede. „Direkt nach dem Vergießen schneiden wir sie auf die vom Kunden gewünschte Länge.“ Das Erz bezieht das Unternehmen aus konzerneigenen Minen in Nordamerika

Kerstin Wrede ist Projektingenieurin bei ArcelorMittal in Hamburg. Seit August vergangenen Jahres arbeitet die studierte Verfahrenstechnikerin für den Stahlhersteller. Der Konzern beschäftigt weltweit rund 209.000 Mitarbeiter. Diese produzieren pro Jahr bis zu 97 Millionen Tonnen Stahl. Im Elektrostahlwerk in Hamburg erzeugen 550 Mitarbeiter pro Jahr eine Million Tonnen Stahl. Dafür werden Schrott und Eisenschwamm eingeschmolzen, zu Knüppeln vergossen und zu Draht gewalzt. Die Besucher bekommen einen Eindruck, wie die Mitarbeiter Schrott in dem spektakulären Produktionsprozess neues Leben einhauchen. „Normalerweise sind

die Tore bei uns zu. Die Lange Nacht der Industrie ist eine tolle Möglichkeit für Interessierte reinzuschnuppern“, sagt Heidi Warnecke von ArcelorMittal. Um 17.45 Uhr trudeln die ersten Besucher ein. 50 Männer und Frauen, jung und alt: Die Gruppe ist bunt gemischt. Heidi Warnecke und ihre Kollegin Wrede führen jeweils 25 Teilnehmer über das Gelände. Nach einer kurzen Unternehmensvorstellung geht es los: Im Gänsemarsch laufen die Werksbesucher zur ersten Station, der MIDREX-Anlage. In der Reduktionsanlage wird das Eisenerz mithilfe von Wasserstoff und Kohlenmonoxid reduziert. „Im Prinzip wird der Sauerstoff rausgesaugt, damit wir am Ende reines Eisen, auch Eisenschwamm genannt, haben“, sagt Wrede. Im Hintergrund ist die 450 Meter lange Kaimauer zu erkennen. Dort kommen die sogenannten Eisenerzpellets, die in der Reduktionsanlage landen, per Schiff an. Das Erz bezieht ArcelorMittal aus konzerneigenen Minen in Nordamerika. Wrede lotst die Besucher über das Gelände in Richtung Stahlwerk – durch die kühle Winterluft und den dichten Dampf der Kühltürme. „Mal schauen, wie viele Mitarbeiter wir heute in den Hallen zu Gesicht bekommen“, sagt Wrede auf dem Weg. „Da bei uns in Schichten gearbeitet wird, ist nie mehr als ein Viertel der Belegschaft zeitgleich in den Produktionshallen anzutreffen.“ Damit die Besucher sie trotz des Lärms verstehen können, sind alle mit Kopfhörer ausgestattet. Beim Betreten des Stahlwerks wird es schlagartig wärmer, in der Halle riecht es nach einer mit Knallkörper durchzechten Silvesternacht.HierunddasindArbeiterin silberner Schutzkleidung an den verschie-

denen Stationen zu sehen. Die Gruppe stoppt vor dem gigantischen Elektrolichtbogenofen. Hier werden Eisenschwamm und Schrott zusammengeführt. Je nach Mixtur kann die Qualität des Stahls beeinflusst werden. „Ist der Schrottpreis hoch, setzen wir mehr Eisenschwamm ein. Ist der Schrottpreis niedrig, setzen wir mehr Schrott ein. Das ist ein enormer Vorteil gegenüber Hochöfen“, erklärt Wrede. Wie viel denn da reinpasse, möchte einer der Besucher wissen. „Eine Charge fasst 140 Tonnen“, antwortet Wrede. „Daraus werden etwa 100 Knüppel. Das sind am Ende 100 Drahtbunde.“ Der Stahl ist in Ketten, Baukränen und auch in Sitzpolstern versteckt

In den nebenliegenden Pfannenöfen wird die optimale Temperatur eingestellt und verschiedene Legierungsmittel hinzugegeben, um die Eigenschaften des Stahls zu beeinflussen. Eine Feder muss elastisch sein, eine Schraube braucht andere Eigenschaften. Anschließend wird die 1600 C° heiße Schmelze zu Knüppeln gegossen, geschnitten und zu Draht gewalzt. Er kommt bei den unterschiedlichsten Produkten zum Einsatz. „Ob in Sitzpolstern, Ketten oder Baukränen – unser Stahl ist in vielen Produkten versteckt“, sagt Wrede. Besucher Ahmad Orabi ist von der Besichtigung begeistert. „Das war echt interessant. In Syrien habe ich Maschinenbau studiert, aber ich könnte mir gut vorstellen, hier eine Ausbildung zu machen“, sagt der 26-Jährige. Ähnlich geht es Fachoberschüler Tobias Claus: „Die Dimension der Öfen ist gewaltig. Im Stahlwerk zu arbeiten stelle ich mir sehr spannend vor. Die Branche kommt nach der Schule auf jeden Fall für mich infrage.“

Hamburger Abendblatt

LANGE NACHT DER INDUSTRIE

7

Zauber mit Leichtmetall Der Aluminiumhersteller Trimet öffnete seine 24-Stunden-Produktion für Besucher GUNTHER MEYN

:: „Bitte keine EC- und Kreditkarten oder

mechanische Uhren mit in die Hütte nehmen“, warnt Produktionsleiter Richard Meier. „Die Magnetfelder, die bei der Elektrolyse entstehen, können den Magnetstreifen auf den Karten schnell den Garaus machen.“ Bereitwillig entledigen sich die Teilnehmer der Werksführung ihrer empfindlichen Plastikkarten, bevor sie Sicherheitshelme und Schutzkittel anlegen. Rund 100 Besucher haben sich an diesem Abend im Hamburger Standort des Aluminiumherstellers Trimet eingefunden: eine wissenshungrige Gruppe: aus Berufstätigen, Schülern mit ihren Eltern, Studenten und Auszubildenden. Alle freuen sich trotz frühwinterlicher Außentemperaturen auf einen Rundgang durch die 60 Meter lange Produktionshütte. Zuvor wurden die Besucher in einem kurzweiligen Vortrag von Werksleiter Dr. Jörg Prepeneit in die Welt des Aluminiums eingeführt. „Im Gegensatz zum jahrtausendealten Kupfer und Bronze, wird das Leichtmetall erst seit 100 Jahren hergestellt“, erklärt der Experte. Heute ist der Werkstoff unverzichtbarer Bestandteil etwa in der Autoindustrie und für die Verlegung von Überlandleitungen. Er ist doppelt so leitfähig wie Kupfer, dabei deutlich leichter und kostet nur ein Viertel. Chemie in der Praxis – Elektrolyse als spektakuläres Live-Erlebnis

In der Produktionshalle können die Teilnehmer hautnah miterleben, wie im 24-Stunden-Betrieb flüssiges Aluminium gewonnen wird. Der Rundgang beginnt mit einem Blick in einen riesigen Tiegel, in dem sich das Endprodukt befindet. Ehrfürchtig und mit gebührendem Abstand staunen die Besucher, wie Produktionsleiter Meier das 960 Grad heiße Flüssigmetall mit einer Kelle umrührt. Eine dünne rote Schicht bedeckt die lavaartige Masse. Sie entsteht durchOxidation,alsodenKontaktmitLuft – das Geheimnis für die Rostbeständigkeit von Aluminium. „Die hauchdünne Oxidationsschicht ist weniger als einen Millimeter dick und wirkt als Schutzschicht gegen Korrosion“, sagt Meier. Weiter geht es entlang der 90 Brennöfen, die sich in schier endlos langen Reihen durch die gesamte Halle ziehen. In jedem Ofen wird mittels Elektrolyse – eines chemischen Prozesses – das begehrte Leichtmetall gewonnen. Hier ist längst vergessenes Schulwissen gefragt. „Welchen Ausgangsstoff braucht man nochmal für die Aluminiumgewinnung?“, will Gruppenleiter Meier von den Teilnehmern wissen. Jonte-Finn Schäfer antwortet sofort: „Aluminiumoxid.“ Richtig! Der 14-jährige Schüler ist mit seiner Mutter Stefanie gekommenundgehörtzudenjüngstenGruppenmitgliedern. „Ich möchte später einmal einen technischen Beruf erlernen und Ingenieur werden“, erzählt er. „Hier kann ich schon mal sehen, wie solche Industrieanlagen funktionieren.“ Auch seine Mutter hat ein Faible für Technik und ist begeistert von der Werksführung. „Ich finde Industrieanlagen sehr spannend und habe

WISKA

Produktionsleiter Richard Meier beantwortet bei der Führung viele Fragen R. Magunia

bisher nur stillgelegte Hütten besichtigt. EinenfunktionierendenBetriebzuerleben ist faszinierend.“ Eindrucksvoll ist auch die folgende Demonstration des Gruppenleiters. Da für die Elektrolyse, also die Abspaltung von Aluminium und Kohlendioxid aus Aluminiumoxid, elektrischer Strom benötigt wird, entsteht zwischen den Öfen ein starkes Magnetfeld. Büroklammern richten sich schon in größerer Entfernung senkrecht auf. Um noch besser zu zeigen, wie stark die Anziehungskraft tatsächlich ist, bittet Meier freiwillige Teilnehmer mit einer Eisenstange zwischen zwei Öfen entlangzugehen. Keiner schafft es, die Stange ruhig zu halten. Jonte-Finn wird bei dem Versuch fast einen halben Meter weggezogen. Spätestens jetzt ist allen klar, warum sie ihre Geldkarten im sicheren Umkleide-Exil lassen mussten! Pro Jahr werden 130.000 Tonnen Aluminium gefördert

Kurz vor Ende des Rundgangs bietet sich ein weiterer beeindruckender Anblick: Langsam nähert sich in gut fünf Metern Höhe ein gigantischer Kran. Er senkt sich bei jedem Ofen, versorgt ihn mit neuem Aluminiumoxid. Insgesamt werden bei Trimet in Hamburg jährlich 130.000 Tonnen Aluminium produziert – 120.000 Tonnen davon gehen als Tiegel an das Walzwerk der benachbarten Hydro. Fazit: Die sechste Teilnahme Trimets bei der Langen Nacht der Industrie ist wieder ein voller Erfolg mit zufriedenen Teilnehmern. „Man sieht solche Betriebe ja immer nur im Vorbeifahren“, sagt Kai Schröder (36), Immobilienkaufmann aus Bargteheide, „Hier kann man einen Blick hinter die Kulissen werfen.“

IMPRESSUM Die Beilage zur Langen Nacht der Industrie ist ein Extra des Hamburger Abendblatts in Zusammenarbeit mit print projekt Leitung: Georg J. Schulz Redaktion: Manuela Keil

Fotos: Roland Magunia, Prima Events, Stephan Wallocha, Michael Zapf Layout: Andrea Riesch, Lektorat: Carsten Fecker Telefon 040/55 44-71171

:: Wer Spaß an Industrie zum Anfassen hatte, der war bei Wiska gut aufgehoben. Der Industrie-, Handwerk- und Schiffbauzulieferer hat eine Reihe von Produkten im Angebot, die auch funktionieren müssen, wenn’s kälter oder rauer wird. Das sind zum Beispiel Kabeleinführungen und -verschraubungen, maritime Lichtprodukte, Kameraüberwachungs- und Kühlcontainersysteme. Highlight bei der Langen Nacht der Industrie war neben dem Rundgang durch die Spritzgussfertigung die Besichtigung der Labor- und Prüfräume. Hier werden die Produkte auf Wasserdichtigkeit, Staubbeständigkeit und Schlagfestigkeit geprüft. Außerdem gibt es eine Klimakammer und einen Salzsprühtest. Wiska ist ein Familienbetrieb, der in dritter Generation geführt wird. Gegründet wurde das Unternehmen 1919 in Hamburg. Aus Kapazitätsgründen erfolgte bereits 1969 der Umzug nach Kaltenkirchen. Heute arbeiten weltweit 260 Menschen für Wiska, 50 davon in den Niederlassungen in England, Indien, Spanien, China und Paraguay. ANZEIGE