Kirche und Staat im Kanton Schaffhausen

Kirche und Staat im Kanton Schaffhausen Referat von Walter Wolf vor der Kirchgemeinde Steig, 4. November 2013 In 6 Schritten durchwandere ich die Gesc...
Author: Babette Voss
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Kirche und Staat im Kanton Schaffhausen Referat von Walter Wolf vor der Kirchgemeinde Steig, 4. November 2013 In 6 Schritten durchwandere ich die Geschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Um möglichst knapp und klar zu sein, halte ich mich an einen ausformulierten Text. Ich lese ihn vor und hoffe dann auf eine angeregte Diskussion in Mundart. 1. Schritt: Kirchenpatronat im Mittelalter Im frühen Mittelalter gründen weltliche Grundherren (Adelige)– auch im Gebiet des heutigen Kantons Schaffhausen – Kirchen mit Pfarreien. Der Kirchenpatron, wie der Kirchenstifter genannt wird, wählt indirekt den Pfarrer – er schlägt ihn dem Bischof zur Wahl vor. Er ist nach damaligem Kirchenrecht verpflichtet, seine Pfarreien mit je einem Kirchenvermögen, dem so genannten Kirchengut, auszustatten. Das Kirchengut setzt sich aus Grundbesitz und Abgaben – z.B. dem Zehnten (zehnter Teil der Ernte) – zusammen. Der Patron bleibt Eigentümer des Kirchenguts. Als solcher hat er einerseits das Recht, den Überschuss aus dem Ertrag des Kirchenguts für sich zu behalten. Andererseits ist er verpflichtet, dass für den Lebensunterhalt des Pfarrers und den Unterhalt des Kirchengebäudes gesorgt ist. Eigentumsrecht und Sorgepflicht des Kirchenpatrons werden als Kirchenpatronat bezeichnet. Im Hoch- und Spätmittelalter gründen auch Klöster Pfarreien mit Gotteshäusern. Kirchenpatron ist in diesem Fall nicht ein weltlicher Herr, sondern ein Geistlicher, der Abt als Klostervorsteher. Zudem erwerben viele Klöster von manchem weltlichen Grundherrn das Kirchenpatronat. Auch Bistümer können Kirchen mit Pfarreien stiften oder aus weltlicher Hand übernehmen. Ums Jahr 1500 befinden sich fast alle Kirchenpatronate im Kanton Schaffhausen in geistlicher Hand. Kirchenpatron mit umfangreichem Grundbesitz ist in erster Linie das Kloster Allerheiligen (und sein Pendant, das Frauenkloster St. Agnes): ►Allerheiligen hat das Patronat über das Münster Schaffhausen (Klosterkirche), ►über das St. Johann-Schaffhausen (Stadtkirche) mit Neuhausen als Filiale, ►über die Kirchen von Beringen, Hemmental, Dörflingen und Buch. Der Spital von Schaffhausen, eine Stiftung des Klosters Allerheiligen, dient als städtisches Armen- und Krankenhaus. Er hat ► das Patronat über die Kirchen von Merishausen-Bargen & Löhningen-Guntmadingen Weitere Kirchenpatronate im Kanton Schaffhausen sind in der Hand des Klosters Paradies, weiterer Klöster sowie des Bistums Konstanz. 2. Schritt: Verstaatlichung des Kirchenguts im Zeitalter der §Reformation Am 29. September 1529 beschliessen der Kleine und der Grosse Rat von Schaffhausen die Einführung der Reformation. Trotz Konfessionswechsel existieren die bisherigen Pfarreien unverändert weiter. Die früheren katholischen Priester amten in der Regel als reformierte Pfarrer weiter.

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Zu dieser Zeit ist es undenkbar, dass in einem einzigen Staat zwei verschiedene Glaubensrichtungen nebeneinander existieren. Es entstehen also in Schaffhausen ein evangelischer Konfessionsstaat und eine evangelische Staatskirche. Kurz vor der Reformation hat sich das Kloster Allerheiligen aufgelöst. Mit der Aufhebung des Klosters und der Einführung der Reformation gehen alle Ländereien und Bauten von Allerheiligen entschädigungslos in das Eigentum des Stadtstaats Schaffhausen über. Das Klostergut wird also verstaatlicht. Allerdings wird es nicht mit dem übrigen Staatsgut verschmolzen, sondern als „Klosteramt“ in einer separaten Kasse verwaltet. Die Einkünfte werden für Kirchen- und Schulzwecke verwendet. Im Laufe der Zeit werden auch die Kirchengüter des Klosters Paradies, des Bistums Konstanz und des Klosters St. Georgen in Stein a.Rh. – z. T. gegen Entgeltung – ins staatliche Eigentum überführt. Auch hier werden entsprechende Ämter mit separaten Kassen errichtet. Allmählich wird die Naturalwirtschaft von der Geldwirtschaft abgelöst. Deshalb wird im Jahr 1855 das Kapital der verschiedenen Ämter in einen einzigen Kirchen- und Schulfonds zusammengelegt. Die Zinsen werden ausschliesslich für Kirchen- und Schulzwecke verwendet. Für diese finanzielle Leistung des Staates an die Kirche bürgert sich der Begriff „historische Rechtstitel“ ein. 3. Schritt: Konfessioneller Pluralismus seit ca. 1800 Im Gegensatz zum Konfessionsstaat Schaffhausen mit einheitlich protestantischer Bevölkerung kommt es in Ramsen zur konfessionellen Durchmischung. Warum dies? Das katholische Österreich verfügt dort über die hohe Obrigkeit und setzt durch, dass Ramsen katholisch bleibt. Im Jahr 1770 erwirbt dann das reformierte Zürich die hohe Obrigkeit und gewährt fortan den Ramsenern freie Religionsausübung. Seitdem gibt es in Ramsen eine katholische und eine reformierte Kirchgemeinde. 30 Jahre später tritt Zürich die hohe Obrigkeit an Schaffhausen ab. Um 1830 wird auch in der Stadt Schaffhausen eine katholische Pfarrei errichtet. Für ihre Finanzierung müssen die Katholiken, wie in Ramsen, selber aufkommen. Nach 1879 kommt es wegen des päpstlichen Unfehlbarkeitsdogmas zu einer Spaltung in der katholischen Kirche. Von der papsttreuen römisch-katholischen Kirche separiert sich eine romfreie Kirche. Nun entsteht in Schaffhausen die christkatholische Kirche als dritte christliche Konfession. So ist allmählich im ehemaligen protestantischen Konfessionsstaat ein konfessioneller Pluralismus entstanden. Mit dieser Neuerung macht die Schaffhauser Kantonsverfassung von 1876 ernst. Sie proklamiert die allgemeine Glaubens- und Gewissensfreiheit. Gleichzeitig ersetzt sie den Begriff Staatskirche durch den Terminus Landeskirche. Dem konfessionellen Pluralismus entspricht auch ein Stück weit das Pfarrbesoldungsgesetz von 1907. Es regelt die staatliche Besoldung aller 29 evangelischen Pfarrstellen, die es damals gegeben hat. Das geschieht aufgrund des alten, seit der Reformation verstaatlichten Kirchenguts. Im Weiteren übernimmt der Staat die Besoldung des römisch-katholischen Pfarrers in Ramsen und seines christkatholischen Kollegen in Schaffhausen. Dies jedoch erst, nachdem die beiden Kirchgemeinden eine Einstandssumme von je 30'000 Franken bezahlt haben. Der Verteilschlüssel 2

29 reformiert zu 1 römisch-katholisch zu 1 christkatholisch bleibt in den nächsten 75 Jahren unverändert. 4. Schritt: Staatsbeiträge anstelle von staatlichen Pfarrerlöhnen Im Jahr 1983 wird das Kirche-Staatsverhältnis im Bereich des Finanziellen von Grund auf neu geregelt. Fassen wir das Ergebnis in drei Punkten zusammen: 1. Der separate Kirchen- und Schulfonds wird in das allgemeine Staatsvermögen einverleibt. 2. Die insgesamt 31 Pfarrstellen, die bisher vom Staat besoldet wurden, werden von nun an von den Kirchen finanziert. Davon profitiert der Kanton. 3. Als Kompensation bezahlt der Staat neu den drei Landeskirchen einen indexierten Pauschalbeitrag von jährlich 2,4 Mio Franken. Diese Summe entspricht am Stichdatum November 1981 den 31 bisher vom Staat bezahlten Pfarrgehältern. Indexierung bedeutet, dass der Pauschalbeitrag fortlaufend an die Teuerung angepasst wird. So kann die kommende Geldentwertung jeweils ausgeglichen werden. Wie wichtig diese Indexierung ist, zeigt sich daran, dass der Landesindex der Konsumentenpreise vom November 1981 bis zum heutigen Tag um 68,1% angestiegen ist.1 Folglich hat der Franken seit 1981 um gut zwei Drittel an Kaufkraft verloren. Ohne Indexierung wäre der Staatsbeitrag allmählich weg geschmolzen. So aber sind – analog zur Teuerung – die Staatszuwendungen sukzessive von 2,4 Mio. Franken damals auf 4,1 Mio. Franken heute angehoben worden. Die Kirchen wissen dies sehr zu schätzen. Bis man sich seinerzeit auf die 3 Punkte geeinigt hat, sind intensive Verhandlungen, erst unter den Kirchen und dann mit der Kantonsregierung, nötig gewesen. Zunächst die Verhandlungen unter den drei Landeskirchen: Letztere sind sich einig, dass die reformierte Kirche als Rechtsnachfolgerin der alten kirchlichen Güter Anrecht auf die rechtshistorischen Titel hat. Auch besteht ein Konsens darüber, dass bei den Pfarrgehältern der bisherige Verteilschlüssel nicht mehr dem aktuellen Konfessionsproporz gerecht wird, da seit Erlass des Pfarrbesoldungsgesetzes die römisch-katholische Kirche wegen Zuwanderung stark gewachsen ist. Unter Berücksichtigung beider Komponenten (rechtshistorische Titel und Konfessionsproporz) einigen sich die Landeskirchen auf einen neuen Verteilschlüssel von 24 reformiert zu 6 römisch-katholisch zu 1 christkatholisch.2 Die Reformierten verzichten also auf den Anspruch von 5 bisherigen Pfarrgehältern zugunsten der Katholiken. Mit diesem Vorschlag gelangen die Kirchen an die Kantonsregierung. Und nun die Verhandlungen zwischen Kirche und Staat: Sie sind vom Geist der Partnerschaft geprägt. Das zeigt sich darin, dass der Regierungsrat nicht über den Kopf der Kirchen hinweg handelt, sondern das Gespräch mit ihnen sucht. Zudem attestiert er, dass „die Beziehungen zwischen Kirche und Staat im Kanton Schaffhausen das Ergebnis einer langen geschichtlichen Entwicklung“ sind und dass die Kirchen „nicht durch einen Gewaltakt beschädigt“ werden sollen.3 Wenn heute Markus Müller, Präsident der Grossratskommission für das Sparprogramms ESH3, meint, der Rückgriff der Landeskirchen auf die Geschichte sei „kalter Kaffee“4, so 1

Anstieg von 118,3 auf 198,9 Punkte; vgl. Teuerungsrechner des Landesindexes der Konsumentenpreise des Bundesamts für Statistik ‹http://www.portal-stat.admin-ch/lik_rechner/d/lik_rechner.htm› 2 Dieser Schlüssel wird später leicht variiert: reformiert 77,5%, römisch-katholisch 20,0%, christkatholisch 2,5%. 3 Vorlage des Regierungsrates vom 16. 3. 1977, S. 11. 4 SP sagt Nein zur Kürzung der Beiträge an die Kirchen, in: SN, 25.9.2013.

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seien ihm diese Worte des Regfierungsrats ins Stammbuch geschrieben. Immerhin steckt ein Wahrheitskern in der polemischen Aussage von Markus Müller. Als Historiker pflichte ich ihm bei, wenn er meint, dass die Geschichte einem steten Wandel unterliegt – mitsamt einer Weiterentwicklung des Rechts. In einer ersten Unterredung 1978 mit den drei Landeskirchen verspricht der Regierungsrat, dass der künftige Staatsbeitrag anstelle der bisherigen Pfarrgehälter „selbstverständlich indexiert“ werden könne.5 An dieses Versprechen will er sich allerdings anderthalb Jahre später in seinem ersten Gesetzesentwurf über die Staatsbeiträge6 nicht mehr erinnern. Entgegen seiner früheren Zusicherung verzichtet er nun auf eine Indexierung. Das wird von kirchlicher Seite nicht goutiert. Sie argumentiert: Ein Pauschalbeitrag ohne Indexierung führt zu unvorhersehbaren Teuerungsverlusten.7 In der Folge beginnt ein langes Seilziehen zwischen Kirchen und Staat über die Frage „Indexierung Ja oder Nein?“ und falls Ja, wie diese auszugestalten sei. Unter anderem spricht sich die reformierte Kirchensynode 1982 gegen einen Verzicht auf die Indexierung und damit gegen einen schleichenden Abbau der Staatsleistungen aus. Bemerkenswert ist, dass Regierungspräsident Kurt Amsler, Finanzdirektor und Kirchenglied in einer Person, an der Synode für einen Teuerungsindex plädiert. Damit wendet er sich gegen die weiter gehende Forderung nach einem Lohnindex, der auch allfällige Reallohnerhöhungen ausgeglichen hätte.8 Der Teuerungsindex, für den Kurt Amsler geworben hat, findet Eingang in das definitive Gesetz von 1983. Bekräftigt wird diese Massnahme durch den Satz: „Die auf historischen Rechtstiteln beruhenden Verpflichtungen des Staates bleiben gewahrt“.9 Mit dieser Formulierung wird zum Ausdruck gebracht, dass die Kirchen einen begründeten historischen Anspruch auf einen Teil der Staatszuwendungen haben. In der Volksabstimmung vom 27. Februar 1983 wird die Kirchenvorlage mit 15'839 Ja gegen 12'373 Nein klar, aber nicht überwältigend angenommen. Die Neuregelung tritt per 1. Januar 1985 in Kraft. 5. Schritt: Kürzung des Staatsbeitrags im Rahmen des Sparprogramms ESH3 Infolge Verschlechterung der Finanzlage und gestützt auf die Kantonsverfassung, die einen ausgeglichenen Staatshaushalt verlangt, sieht sich der Kanton heute zum Sparen gezwungen. Die Kirchen sind bereit, einen Beitrag dazu zu leisten. Doch gilt es auch zu beherzigen, was der frühere Schaffhauser Stadtpräsident Marcel Wenger sagt: Sparen ja, aber am rechten Ort, „Ich weigere mich, unserer Zivilgesellschaft und damit auch den Landeskirchen Mittel zu entziehen, während gleichzeitig andere sich grosszügig und steuerfrei bedienen können. … Statt Sparen am falschen Ort, braucht es Reformen für eine bessere Steuergerechtigkeit.“10 Von den heutigen Sparmassnahmen des Kantons sind – wie könnte es anders sein – auch die Kirchen betroffen. Die drei Eckpunkte lauten:

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Aktennotiz der Erziehungsdirektion zum Kontaktgespräch des Regierungsrats mit den 3 Kirchen, 30.6.1978,S. 2 f. Gesetzesentwurf der Regierungsrates, 13.11.1979, S. 11 f, 15. 7 Antworten der Kirchen auf den Gesetzesentwurf: reformiert, S. 2-4, römisch-katholisch S. 2, christkatholisch, S. 1. 8 Protokoll der reformierten Kirchensynode vom 5.6.1982, S. 3 f., 8, 16-19, 23. 9 Gesetz über Staatsbeiträge an die Landeskirchen, Art. 1 und 4. 10 „Stimmen für die Volkskirche“, in: Kirchenbote, November 2013. 6

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1. Im Mai 2012 teilt der Regierungsrat den drei Landeskirchen mit, dass der Kanton den Staatsbeitrag um 1 Mio. Franken kürzen werde. Gleichzeitig soll auf die Indexierung verzichtet werden. Verhandlungen mit den Kirchen lehnt die Regierung – im Unterschied zu den 1970er /80er Jahren – heute rigoros ab. 2. Dagegen setzen sich die Kirchen zur Wehr. Gleichzeitig sind sie aber solidarisch mit dem Staat und deshalb bereit, einen Beitrag an die Sparanstrengungen des Kantons zu leisten. Am 21. August schlagen sie vor, jährlich auf 400'000 Franken zu verzichten. Zentral für die Kirchen bleibt jedoch die Beibehaltung der Indexierung. Weil die Teuerung bestimmt weiter voranschreiten wird, würde ohne Indexierung der Staatsbeitrag an die Kirchen allmählich schmelzen wie der Schnee an der Sonne. Aber das Angebot der Kirchen zur Leistung eines Sparbeitrags wird vom Regierungsrat ignoriert. Trotz vielen Appellen zur Gesprächsbereitschaft weigert er sich, Verhandlungen mit den Kirchen aufzunehmen. Meiner Meinung nach widerspricht dies dem Geist der Partnerschaft. 3. Im Kantonsrat obsiegt in erster Lesung der Vorschlag der Kirchen – jedoch nur mit Zufallsmehr. In der zweiten Lesung hingegen krebst das Parlament ein Stück weit zurück. Zwar hält es an einer reduzierten Kürzung des Staatsbeitrags gemäss Antrag der Kirchen fest. Aber die Indexierung streicht es aus der Vorlage. In dieser Fassung gelangt nun die Vorlage für eine Teilrevision des Kirchengesetzes am 24. November 2013 zur Volksabstimmung. 6. und letzter Schritt: Die Position der Kirchen heute vor der Abstimmung vom 24. November 2013 Die drei Landeskirchen empfehlen ein Nein zur vorliegenden Gesetzesrevision. Wie lässt sich dies begründen? Dumm wäre es, wenn wir als Kirche sagen würden, die Zukunft der Volkskirche stehe auf dem Spiel.11 Wer so argumentiert, übertreibt und dramatisiert unnötig. Positiv hingegen ist, wenn wir im Vorfeld der Abstimmung die Chance wahrnehmen, engagiert zum Glauben und zur Kirche zu stehen. Das wertvollste Kapital, über das die Kirche verfügt, ist nicht das Geld, sondern die gute Nachricht, die sie zu verbreiten hat und das beachtliche Ansehen, das sie trotz Mitgliederschwund in breiten Bevölkerungsschichten geniesst. Zu beachten hingegen ist, dass die Streichung der Indexierung dem Kanton kurzfristig nichts bringt. Mit Recht wird im Grossen Rat darauf hingewiesen, dass mit dieser Massnahme das Ziel von ESH3, nämlich bis 2016 einen ausgeglichenen Staatshaushalt zu präsentieren, nicht erreicht werde.12 Wohl aber resultiert aus einem solchen Streichkonzert, langfristig eine „Schwächung der Zusammenarbeit mit den Landeskirchen und den von ihnen übernommenen Aufgaben“, wie weiter im Kantonsrat gesagt wird. 13 Der Staat würde sich bei einem Verzicht auf die Indexierung aus

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„Die Zukunft der Volkskirche steht auf dem Spiel“, Schlagzeile in: Kirchenbote, September 2013. Andreas Frei laut Protokoll der Sitzung vom 1. Juli 2013. 13 Vgl. Anm. 12. 12

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der Partnerschaft mit den Landeskirchen heraus schleichen, während umgekehrt bei einer Beibehaltung der Indexierung ein zuverlässiges Verhältnis zwischen Kirche und Staat garantiert wäre. Kommt hinzu, dass eine Eliminierung der Indexierung dem Kanton unter Umständen teuer zu stehen kommt. Im Kantonsrat wird festgestellt: „Mittelfristig wird es den Staat mehr kosten, wenn den Landeskirchen die finanziellen Mittel geschmälert werden, die sie für ihre (soziale) Arbeit zugunsten der ganzen Bevölkerung benötigen.“14 Dazu kommt eine weitere Überlegung: Der einzelne Mensch wie auch die ganze Gesellschaft lebt von Werten, die von den Kirchen mitgeprägt werden. In der gegenwärtigen Diskussion geht es halt nicht nur ums liebe Geld, sondern um das gesamte Wohl des Menschen. Neben den gesellschaftlichen und sozialen Angeboten der Landeskirchen sind die historischen Rechtsansprüche nach wie vor gültig. Zum Schluss noch ein kurzer Blick in die Zukunft: Trotz mangelnder Gesprächsbereitschaft will offenbar der Regierungsrat das Tischtuch mit den Kirchen nicht ganz durchschneiden. Er will zu einem späteren Zeitpunkt doch noch Verhandlungen mit ihnen aufnehmen. Regierungspräsidentin Rosmarie Widmer Gysel hat nämlich eine Anregung des Parlaments positiv aufgenommen, wonach „mit den Landeskirchen Leistungsvereinbarungen auszuhandeln“ seien.15 Dafür brauche es – so Frau Widmer Gysel – eine gesetzliche Grundlage, „die selbstverständlich mit den Betroffenen (also den Kirchen) vorbereitet und abgesprochen wird“. 16 Ob eine solche Leistungsvereinbarung sinnvoll ist, kann ich nicht beurteilen. Sollte Letzteres jedoch der Fall sein, so stellt sich die Frage, welches der Ausgangspunkt für die dafür notwendigen Verhandlungen sei. 1. Soll als Ausgangpunkt die Abstimmungsvorlage vom 24. November dienen, die zur Hauptsache auf der vom Regierungsrat husch husch übers Knie gebrochenen Gesetzesänderung basiert? 2. Oder soll als Ausgangspunkt das seinerzeit sorgfältig im Dialog erarbeitete, heute noch gültige Gesetz von 1983 dienen? Meiner Meinung nach kommt im Interesse einer seriösen Politik nur das Zweite in Frage. Dazu wäre am Abstimmungssonntag ein Nein nötig. – Ich möchte aber nochmals betonen: Leistungsvereinbarungen sind mir fremd. Deshalb kann ich nicht beurteilen, ob dies ein taugliches Instrument wäre. Eins aber ist sicher: Die Kirchen können im jetzigen Moment, also vor dem 24. November, auf ihr früheres Sparangebot zurückkommen und Hand bieten zu einer Kürzung des Staatsbeitrags in der Höhe von 400'000 Franken. Dies selbstverständlich unter Beibehaltung der Indexierung. Die Kirchen können den Ball aufnehmen, den ihnen die „Schaffhauser Nachrichten“ vor zwei Tagen in ihrem sympathischen Artikel „Für Fairness gegenüber den Kirchen“ zugespielt haben. Ich zitiere: „Die Kirchen sind gut beraten, vor der Abstimmung verbindlich zu erklären, dass sie auch bei einer Ablehnung der Gesetzesänderung auf die 400'000 Franken verzichten.“ 17

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Theresia Derksen laut Protokoll der Sitzung vom 1. Juli 2013. Vorschlag von Rainer Schmidig laut Protokoll der Sitzung vom 1. Juli 2013. 16 Rosmarie Widmer Gysel laut Protokoll der Sitzung vom 1. Juli 2013. 17 “Für Fairness gegenüber den Kirchen, in: Schaffhauser Nachrichten, 2. Nov. 2013. 15

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Übersehen wir nicht: In der uns bevorstehenden Abstimmung könnte es spitz heraus kommen. Die Ja und Nein könnten nahe beieinander liegen. Es kommt also auf jede Stimme an. In dieser Situation bringt es uns Kirchen nichts, wenn wir uns gegen die Regierung aufbäumen, weil diese so unerhört forsch gegen uns vorgegangen ist. Wir würden uns damit nur Sympathien beim Stimmvolk verscherzen. „Seid klug wie die Schlangen und ohne falsch wie die Tauben.“ Aber es geht nicht nur um Taktik, nicht nur um Abstimmungsstrategie. Es geht um viel mehr. Es geht vor allem um Inhalte. Im Sinne eines konstruktiven Nein sollten wir unverdrossen für eine Verwerfung der Gesetzesänderung einstehen, zudem aber ohne Zögern verbindlich erklären, dass wir auch im Falle einer Nein-Mehrheit auf die 400’000 Franken verzichten werden. So können wir heute schon und nicht erst am St. Nimmerleinstag den Tatbeweis erbringen, dass es uns ernst ist mit unserem Versprechen, durch Verzicht auf zehn Prozent der Staatszuwendung einen zugegebenermassen kleinen Beitrag zur Lösung der kantonalen Finanzprobleme zu leisten. Einen Beitrag indes, der in Relation zu dem steht, was der Staat für die Kirchen aufwendet. Dies läge im Sinne einer zukunftsträchtigen Weiterentwicklung des Kirche-Staat-Verhältnisses in unserem kleinen Paradies.

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