DER LANGE WEG ZUR TRENNUNG VON KIRCHE UND STAAT

Anton Schuberl Wilhelm-Busch-Str. 12 94535 Eging am See DER LANGE WEG ZUR TRENNUNG VON KIRCHE UND STAAT Gliederung LITERATURVERZEICHNIS ..............
Author: Matthias Weiß
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Anton Schuberl Wilhelm-Busch-Str. 12 94535 Eging am See

DER LANGE WEG ZUR TRENNUNG VON KIRCHE UND STAAT

Gliederung LITERATURVERZEICHNIS ................................ ................................ ................................ ................... 3 DER WEG ZUR TRENNUNG VON KIRCHE UND S TAAT ................................ ............................. 4 EINLEITUNG ................................ ................................ ................................ ................................ ................ 4 BEGRIFFE ................................ ................................ ................................ ................................ .................... 4 ENTWICKLUNG BIS 1848 ................................ ................................ ................................ ............................ 5 Mittelalter und Reformation ................................ ................................ ................................ ................ 5 Aufklärung ................................ ................................ ................................ ................................ ............ 5 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts ................................ ................................ ................................ ............ 6 DIE P AULSKIRCHENVERFASSUNG VON 1848/49 ................................ ................................ ....................... 7 Ursachen d er Trennungsforderung ................................ ................................ ................................ .....8 Verhandlungen ................................ ................................ ................................ ................................ .....8 Ergebnis ................................ ................................ ................................ ................................ .............. 12 DAS KAISERREICH ................................ ................................ ................................ ................................ ...13 DIE WEIMARER VERFASSUNG ................................ ................................ ................................ ................. 15 BEWERTUNG ................................ ................................ ................................ ................................ ............. 18

LITERATURVERZEICHNIS − Apelt, Willibalt, Geschicht e der Weimarer Verfassung, München 1946 − Campenhausen, Axel von, Das bundesdeutsche Modell des Verhältnisses von Staat und Kirche – Trennung und Kooperation, in: ZevKR 42, 1997, 169ff. − Dollinger, Hans (Hrsg.), Das Kaiserreich. Seine Geschichte in Bildern un d Dokumenten, München 1966. − Droysen, Die Verhandlungen des Ve rfassungsausschusses der deutschen Nationalversammlung I, Leipzig 1849. − Hase, Karl von, Kirchengeschichte auf der Grundlage akademischer Vorlesungen, herausgegeben von Krüger, 1895, Bd. III. − Kirchhof, Paul, Der unverzichtbare Kern des deutschen Staatski rchenrechts und seine Perspektive im EU -Gmeinschaftsrecht, in: Campenhausen, Axel von (Hrsg.), Deutsches Staatskirchenrecht zwischen Grundgesetz und EU Gemeinschaft, Frankfurt am Main 2003, S. 14 7ff. − Lempp, Richard, Die Frage der Trennung von Kirche und Staat im Frankfurter Parlament, Tübingen 1913. − Neundörfer, Karl, Der ältere deutsche Liberalismus und die Forderung der Trennung von Staat und Kirche, Mainz 1909. − Rümelin, Gustav, Aus der Paulskirc he. Berichte an den Schwäbischen Merkur aus den J ahren 1848 und 1849, herausgegeben von Schäfer , Stuttgart 1892. − Schleiermacher, Reden über die Religion, 4. Rede, Jubiläumsausgabe von R. Otto, 1899. − Schmidt-Volkmar, Erich, Der Kulturkampf in Deutschland 18 71–1890, Göttingen 1962. − Stenographische Berichte über die Verhandlungen der beiden Häuser des Landtages. Haus der Abgeordneten. Erster Band, 23. Sitzung vom 30. Janu ar 1872, Be rlin 1872, S. 534 -536. − Wigard, Franz (Hrsg.), Stenographische Berichte über di e Verhandlungen der deutschen konstituierenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main, Leipzig 1848 f. − Voll, Otto, Handbuch des B ayerischen Staatskirchenrechts, München 1985. 3

DER WEG ZUR TRENNUNG VON KIRCHE UND STAAT Einleitung Die Frage des Ve rhältnisses von Staat und Kirchen zueinander ist aktueller, als man glaubt. Fast täglich gibt es Schl agzeilen, die direkt oder indirekt dieses Thema betreffen. Einmal stellt sich die Frage, ob in öffentlichen Schulen ein Kruzifix hängen darf, dann ob ein Gottesbezug in die europäische Verfassung soll, ob Lehrerinnen Kopftücher tragen dürfen, ob religiöse Karikaturen und Satiresendungen, sei es über Mohammed oder den Papst, vom Staat geschützt oder bestraft werden sollen, wieweit der Staat die Kirchensteuer eintreiben und ob Religionsunterricht verpflichtend sein soll. Ist eine radikale Trennung sinnvoll? Wieweit darf sich der Staat mit den Kirchen verbinden? Wie sieht das deutsche Modell einer Trennung von Staat und Kirche aus und wie ist es zu bewerten?

Mit diesen Fragen möchte ich mich hinsichtlich der geschichtlichen Entwicklung des kirchlich-staatlichen Verhältnisses beschäftigen. Dabei lege ich den Schwerpunkt auf die Zeit z wischen 1848 und 1919, mit besonderem Interesse an der verfassungs mäßigen Regelung.

Begriffe Der Laizismus, die Trennung von Kirche und Staat , ist ein schwer fassbarer Begriff. Eine absolute Trennung ist sehr schwierig, da Kirche und Staat im selben Land mit den selben Leuten zu tun haben. Wenn sich keiner dem anderen unterordnet e und sie sich absolut gleichberechtigt gegenüber stünden, zerstörte dies das Ge waltmonopol, die Souveränität, welche unserem Staatsverständnis zugrunde liegt.

Unter der Trennung ist mehr ein System zu verstehen, in dem Religionsf reiheit herrscht, bestehend aus der Glaubens- und Gewissensfreiheit, der Berechtigung, sich öffentlich zu seinem Glauben zu bekennen und sich mi t Gleichgesinnten zu

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gemeinsamer Ausübung zu verbinden. 1 Dazu kommt die Gleichberechtigung der Religionsgesellschaften, ohne Privilegierung du rch das öffentliche Recht oder durch Staatsgelder. Der Staat müsste alle Gemeinschaften als Vereine oder als Stiftungen gleich und nach privatrechtlichen Grundsätzen behandeln, bei rechtlicher Unterordnung unter den Staat. 2

Entwicklung bis 1848 Mittelalter und Reformation Im Mittelalter herrschte die Idee einer einzigen christlichen Gemeinschaft, einer Einheit von geistlicher und weltlicher Gewalt und Ordnung (unum corpus christianum). Die Kirche forde rte noch eine Unterordnung unter die geistliche Gewalt. Bereits durch die Reformation wurde diese Auffassung abgelöst durch die Vorstellung eines dualistischen Nebeneinanders von geistlicher und weltlicher Macht. Die Kirche hatte ja bereits e ine eigenständige Organisation und eigenes Recht. Der protestantische Landesherr schützte jedoch als p raecipuum membrum ecclesiae die von Gott gestiftete Kirche und regelte ihre äußeren Angelegenheiten. Mit der Theorie des landesherrlichen Episkopats, wurde das Regiment über die Kirche zu einem Recht des Fürsten. Er hatte sein L and nach den Geboten Gottes zu leiten und sorgte für den Glauben seiner Bürger, beraten durch Geistliche.

3

Aufklärung Die Aufklärung brachte eine ungeheure Stärkung des Staates, die bis heute nachwirkt. Der Staat war nicht mehr von Gott gegeben, um die Me nschen zum Glauben zu führen, er wurde Selbstzweck. Die Staatsräson, die salus publica, bestimmte das Staatsregiment. Nicht mehr der Staat sollte sich der Kirche unterordnen oder Staat und Kirche sollten gleichberechtigt nebeneinander stehen, sondern die K irche musste sich dem Staat unte rwerfen. Genauer gesagt, erst einmal dem absolutistische n Landesherrn. Doch mit fortschreitender Aufklärung wurde der bisherige fürstliche Absolutismus durch einen Staatsabsolutismus abgelöst. Durch das aufgeklärte 1

Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, S. 323. Lempp, Trennung von Kirche und Staat, S. 7f. 3 Voll, Ba yerisches Staatskirchenrecht, S. 18 ff; Lempp, Trennung von Kirche und Staat, S. 2. 2

5

Denken wu rde der Staat in immer mehr Bereichen des menschlichen Seins aktiv und mächtiger als je zuvor. Die Ge walt des Staates sollte allumfassend sein und die Kirchen und Religionsgemeinschaften hatten sich im Sinne einer einheitlichen Landeshoheit einzuordnen. De nnoch gab es eine Differenzierung dieses Macht anspruchs. Während der Staat das ius circa sacra voll beanspruchte, gewährte er den Religionsgemeinschaften meist Autonomie in den Bereichen der Lehre und des Kultus, dem ius in s acra. Wenngleich der Staat die Grenze zwischen interna und externa definierte und trotzdem noch oft befehlend, beaufsichtigend und bevormundend eingreift, wurde ein erster kleiner Schritt in Ri chtung modernes Staatskirchenrecht getan. Hoheit des Staates über die Kirche, aber Freiheit d er Kirche in ihren inneren Angelegenheiten. 4 Wobei sowohl der Staat auf die Kirche n, als auch diese auf den Staat hohen Einfluss behielten.

1. Hälfte des 19. Jahrhunderts Die Französische Revolution brachte liberale Gedanken auch nach Deutschland. M it ihrer radikalen Trennung von Kirche und Staat, ja fast der vollständigen Abschaffung der Kirche und ihre brutale Unterwerfung unter den Staat, schreckte sie jedoch auch ab. Erst durch Napoleons Expansionspolitik wurden die liberalen Vorstellungen eines modernen Staates verstärkt in Deutschland eingeführt, waren aber natürlich längst nicht mehr so radikal wie in den ersten Jahren der Re volution.

Ein sehr radikaler Eingriff in die Kirchen war die Säkularisierung im Zuge des Reichsdeputationshauptschlusses. Ein e Enteignung sondersgleichen, die jedoch verständlich ist, da die weltliche und ungeheure wirtschaftliche Macht der Kirchen mit dem Staatsabsolutismus nicht mehr vereinbar waren. Die weltliche Entmachtung der Bischöfe war ein weiterer Schritt zur Trennung von weltlicher und geistlicher Gewalt.5

Durch die Säkularisierung und Mediatisierung wurden die f rüher konfessionell einheitlichen Territorien nun gemischt. Auf dem Wiener Kongress wurde der Deutsche Bund gegründet. D urch Artikel 16 der deutschen Bundes akte wurden den 4 5

Voll, Bayerisches Staatskirchenrecht, S. 18 ff; Lempp, Trennung von Kirche und Staat, S. 2. Lempp, Trennung von Kirche und Staat, S. 3.

6

Anhängern der drei christlichen Religionsparteien die gleichen bürgerlichen und politischen Rechte gewährt. Deshalb wurden fast alle deutschen Staaten paritätisch, die Kon fessionen also als gleichberechtigt anerkannt. Die Landesherren blieb en jedoch ihren territorialistischen Grundsätzen treu und führten das Kirchenregiment nun bei allen Konfessionen ihres Landes, egal ob sie selbst dieser angehörten.

6

Dies rief natürlich weiteren Unmut hervor. Eine evangelische Kirche konnte über einen katholischen Landesbischof nicht sehr glücklich sein. Und auch die katholische Kirche konnte sich kaum vo r den Übergriffen protestantischer Landesherren schützen. Dass der Staat über d as Ziel hinausgeschossen war und er sich wieder zurücknehmen muss te, wurde auch schon in dieser Zeit vielen bewusst.

Die Paulskirchenverfassung von 1848/49 Einen sehr großen Einschnitt bringt die Revolution von 1848. Hier beginnt die demokratische

Verfassungstradition

Deutschlands.

Die

Regelungen

der

Paulskirchenverfassung sind sehr wichtig, auch wenn sie de facto nie in Kraft getreten sind. So sagte während des Kaisserreichs ein Kirchenhistoriker treffend: „Die Beschlüsse der Nationalversammlung in der Paulskirche zu Frankfurt, mit welchen begeisterten Hoffnungen sie auch gefaßt und begrüßt wurden, sie sind zerstoben und erloschen wie die Spur des Wanderers in der Wüste. Dennoch jede friedliche politische Erhebung der deutschen Nation wird dort ihre Ideale wieder aufnehmen , ihre Irrtümer zu vermeiden suchen. Insofern ist auch die kirchliche Gesetzgebung jenes ersten deutschen Reichstags noch immer leh rreich genug.“ 7 Er sollte Recht behalten. Die Paulskirchenverfassung bildete die Grundlage für die kirchlichen Regelungen der Weimarer Verfassung. Und dieses Zitat wäre auch in der Zeit des Dritten Reichs treffend gewesen. So hat auch das Grundgesetz wieder an die alte Tradition angeknüpft.

6 7

Lempp, Trennung von Kirche und Staat, S. 3. Hase, Kirchengeschichte, S. 545.

7

Ursachen der Trennungsforderung Staatliche Repression gegenüber de n Kirchen und vor allem den Gläubigen schürte die Forderungen nach einer strikte n Trennung von Kirche und S taat. Preußen hatte zwei katholische Erzbischöfe festnehmen lassen, obwohl diese nach Ansicht der Katholiken nur nach ihrem Glauben gehandelt hatten. Der preußische Staat mischte sich mit offener Gewalt in geistliche Fragen ein u nd rief dadurch große Ressentiments unter den katholischen Bürgern des Landes hervor. Aber auch die Protestanten in Preußen wurden unter Druck gesetzt, damit die Kirche einheitlich blieb und sich keine Abspaltungen erg aben. 8

Der Bayerische König Ludwig I. brachte durch den Kniebeugeerlass die Protestanten gegen sich auf. Die pro testantischen Soldaten und O ffiziere wurden gezwungen, vor dem Sanktissimum niederzuknien. Eine Demütigung, die verständliche Opposition hervorrief. Ähnliche Übergriffe des Staates auf die Kirchen und den Gl auben der Bürger gab es auch in anderen Territorien. So dass es nicht verwundert, wenn die Nationalversammlung 1848 in ihrer Aufstellung der „Grundrechte des deutschen Volkes“ auch endlich die religiöse und kirchliche Freiheit fe stlegt und somit das Ende einer territorialistischen Kirchenpolitik einleitet. 9

Die liberalen Bewegungen des Vormärz und in de r Blütezeit des Liberalismus forderten immer lauter eine radikale Trennung von Kirche und Staat. Dennoch kam es nicht dazu. Statt dessen führten die freiheitlichen Ideen von 1848 weg von der Abhängigkeit der Kirche vom Staat, hin zur Idee der Religionsfreiheit. Dieses allerdings ohne Kirche und Staat radikal auseinander reißen zu wollen. Ein sehr wichtiges Spezifikum des heutigen Ve rhältnisses von Staat und Kirche in Deutschland, das sich in dieser Zeit langsam herauskristallisierte. 10

Verhandlungen „Hinweg mit jeder solchen Verbindung zwischen Kirche und Staat, das bleibt mein katonischer Rat bis ans Ende, oder bis ich es erlebe, sie wirklich zertrümmert zu

8

Lempp, Trennung von Kirche und Staat, S. 1. Lempp, Trennung von Kirche und Staat, S. 1 f. 10 Voll, Bayerisches Staatskirchenrecht, S. 20. 9

8

sehen. Ein Privatgeschäft ist nach den Grundsätzen der wahren Kirche die Mission eines Priesters in der Welt; ein Privatzimmer sei auch der Tempel, wo seine Rede sich erhebt, um die Religion auszusprechen; eine Versammlung sei vor ihm und keine Gemeinde; Redner sei er für alle, die hören wollen, und nicht Hirt für eine bestimmte Herde.“ 11 So ein Redner dieser Ze it. Die Forderung nach einer vollständigen Trennung wurde immer lauter, aber es gab Unstimmigkeiten unter den Liberalen .

Einerseits kämpften sie für eine freiheitliche Verfassung der Kirchen, um den Gläubigen in der Kirche mehr Freiheit zu gewähren. Andererseits stellten sich z.B. beim Kölner Erzbischofstreit viele Liberale auf die Seite der Kleriker, um die Freiheit der Kirc he vor staatlichen Übergriffen zu schützen. Um aber die Freiheit in der Kirche durchsetzen und schützen zu können, wünschten sie sich wieder den Einfluss des Staates. Sie forderten die Freiheit der Religionsausübung aber gleichzeitig ein staatliches Verbot der Jesuiten, des Zölibats und der Klöster. Es gab die Angst, dass durch eine völlige Freilassung der Kirchen der Aberglaube und der Einfluss nichtstaatlicher Stellen auf die Bürger wieder zunehme.

12

Von diesem Zwiespalt

waren auch die parlamentarischen Ve rhandlungen geprägt.

Das Vorparlament in Frankfurt beschloss die „Gleichstellung der politischen Rechte ohne Unterschied des Glaubensbekenntnisses und Unabhängigkeit der Kirche vom Staat“. Der vom Bundest ag berufene Ausschuss der 17 Vertrauensmänner ford erte: „Freiheit des Glaubens und der privaten und öffentlichen Religionsübung, Gleicheit aller

Religionsparteien

in

bürgerlichen

und

politschen

Rechten.“

Die

Nationalversammlung wählte einen 30köpfigen Verfassungsausschuss, der die Verfassung vorbereiten s ollte. § 1 des En twurfs lautete: „Freiheit des Glaubens und der privaten sowohl als öffentlichen Religionsübung; Recht zur Bildung neuer Religionsparteien und Gleichheit aller Religionsverwandten in bürgerlichen und politischen Rechten.“ 13

11

Schleiermacher, Reden über die Religion, Rede 4, S. 123. Lempp, Trennung von Kirche und Staat, S. 8f. 13 Droysen, Die Verhandlungen des Verfassungsausschusses, S. 363. 12

9

Im ersten Entwur f eines Artikels über die Religion wurden diese Forderungen vom Verfassungsausschuss konkreter gestaltet und diese Normen ähneln schon sehr denjenigen der Weimarer Verfassung. Er enthielt die Freiheit des Glaubens und Gewissens und dessen Ausübung, die Una bhängigkeit von den staatsbürgerlichen Rechten, die Freiheit, neue Religionsgemeinschaften unabhängig vom Staat zu gründen, das Verbot zu einer kirchlichen Handlung gezwungen zu werden, sowie die obligatorische Zivilehe. Es wurde jedoch vorerst vermieden e ine klare Trennung von Kirche und Staat auszusprechen. Hierfür gab es drei Motive. Einmal wollte man die Einheit Deutschlands nicht wegen konfessioneller F ragen aufs Spiel setzen . Weiter hieß es, dass bei einer vollständigen Unabhängig keit der Kirche vom S taat, letzterer vor Übergriffen durch besondere Maßregeln zu sichern sei. Vor allem aber war die evangelische Kirche in ihrer damaligen Verfassung so sehr mit Preußen verwachsen, dass eine radikale und plötzliche Trennung äußerst schwierig gewesen wäre. Die Paragraphen dieses Artikels entspringen somit zwar dem Gedanken einer Trennung von Kirche und Staat, verwirklichen ihn aber nicht vollständig.

14

Am umstrittensten

war die F reiheit, neue Religionsgemeinschaften gründen zu können, ohne einer Genehmigung des Staates zu bedü rfen, da die Kirchen eine Ze rsplitterung befürchteten .15

Eine ähnliche Haltung hatte die Nationalversammlung zu dem Artikel, welcher von der Schule handelte. Die Frage der Trennung von Schule und Kirche wurde wegen zu weit auseinandergehend en Meinungen erst einmal ausgeklammert und nicht ger egelt. Auch vor dem Hintergrund , dass man das in manchen Gegenden sehr gut funktionierende System nicht gefährden wollte. 16

Jedoch schien es an fangs, als würde eine große Meh rheit in der Versammlung eine vollständige und radikale Trennung von Kirche und Staat durchsetzen. Diese Mehrheit über alle politischen Klubs verteilt, hatte zwar teilweise völlig konträre Motive, aber dieses einheitliche Ziel. Sehr eifrig stritten die Klerikalen für die Trennung, unterstützt durch so manche n Bischof. Obwohl dies nicht ganz

14

Stenographische Berichte, Bd. I, S. 683, 685. Neundörfer, Trennung von Staat und Kirche, S. 33. 16 Droysen, Die V erhandlungen des Verfassungsaus schusses, S. 381. 15

10

unumstritten war, da sogar später der Papst die Trennung verdammte. 17 Für sie war das Motiv die Abschaffung der „Ausgeburt der allerverkehrtesten Theorien, die es je gegeben

hat,

des

Gallikanismus,

Fe bronianismus,

Episkopalismus, Territorialsystems, Kollegialsystems“.

18

des

p rotestantischen

Sie forderten die Freiheit

der Religionsübung in inneren und äußeren Angelegenheiten .19 Doch als es dann zur Abstimmung kam, wurde bei den anderen Abgeordneten die Angst vor einer übermächtigen katholischen Kirche zu groß . Bezeichnend hierfür die Aussage in einem Zeitungsartikel des Schwäbischen Merkur: Einem „Verein von 24 Millionen Menschen, der mit der strengsten hierarchischen Gliederung von einem italienischen unverantwortlichen, unerreichbaren Haupt geleitet wird, einem Verein mit einem Kirchengut von vielen hundert Millionen und dem Anhängsel von Klöstern und Orden, mit der Leitung des gesamten Jugendunterrichts, des Armen wesens und dem entscheidenden Einfluß auf die Familien“, einem solchen Verein gegenüber kann sich der

Staat

nicht

gleichmäßig

indifferent

verhalten

Kasinogesellschaft oder einem Verein für Altertumskunde.

wie 20

gegenüber

einer

Und so unterblieb eine

radikale Trennung.21

Die Frage der Trennung von Kirche und Staat war eine der umstrittensten, wie die große Anzahl an Ve rbesserungsanträgen aus der Nationalversammlung und eine Flut von Petitionen aus dem Volk zeigen. In einem Bericht heißt es, dass dies „die schwierigste und folgenschwerste Frage für D eutschlands Zukunft“ sei und dass in Debatten der Nationalversammlung alles, „was nur von ferne an kirchliche Gegenstände hinstreifte, gleich die hitzigsten Kä mpfe hervorrief“. 22

Trotz diesem hohen Diskussions bedarf, war man durch die äußeren Umstände zur Eile geboten. Beim blutigen Septemberaufstand z. B. wurden die Barrikaden schon

17

Lempp, Trennung von Kirche und Staat, S. 236. Phillips, in: Stenographische Berichte, Bd. III, S. 1642. 19 Lempp, Trennung von Kirche und Staat, S. 41. 20 Rümelin, Aus der Paulskirche, S. 77ff. 21 Lempp, Trennung von Kirche und Staat, S. 20f. 22 Rümelin, Aus der Paulskirche, S. 28, 76. 18

11

aufgebaut, während in de r Paulskirche noch die Nationalversammlung tagte. Und so wurden am Ende viele Bestimmungen doch nicht mehr ausreichend diskutiert. 23

Ergebnis Das Ergebnis der Verhandlungen war Artikel V de r Grundrechte des deutschen Volkes: § 14

Jeder Deutsche hat volle Glaubens - und Gewissensfreiheit. Niemand ist verpflichtet, seine

religiöse Überzeugung zu offenbaren oder sich irgend einer religiösen Genossenschaft an zuschliessen. § 15

Jeder Deutsche ist unbeschränkt in der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen Übung

seiner Religion. § 16

Durch das religiöse Bekenntnis wird der Genuss der staatsbürgerlichen Rechte weder bedingt

noch beschränkt. Den staatsbürgerlichen Pflichten darf dasselbe kei nen Abb ruch tun. § 17

Jede Religionsgemeinschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheite n selbständig, b leibt

aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen. Keine Religionsgesellschaft geniesst vor anderen Vorrechte durch den Staat; es besteht fernerhin keine Staatskirche. Neue Religionsgesellschaften dürfen sich bilden, einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht. § 18

Niemand soll zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden.

§ 19

Die Formel des Eides soll künftig lauten: So wahr mir Gott helfe.

§ 20

Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe ist nur von der Vollziehung des Zivilaktes abhängig; die

kirchliche

Trauung

kann

erst

nach

der

Vollziehung

des

Zivilaktes

stattfinden.

Die

Religionsverschiedenheit ist kein bürger liches Ehehindernis. § 21

Die Standesbücher werden von den bürgerlichen Behörden geführt.

24

Dieser Artikel war ein Kompromiss, der unter hohem Zeitdruck entstand, aber trotzdem sehr fortschrittlich war. Paragraph 17 war di e mit Abstand umstrittenste Norm, denn hier wurde die Trennung von Staat und Kirche festgelegt, wenngleich sie nicht radikal erfolgte. Im großen und ganzen ist diese Regelung dem heutigen deutschen Modell sehr ähnlich, teilweise sogar wortwörtlich die selbe. Jedoch werden bestimmte Verbindungen zwischen Staat und Kirche in der Weimarer Verfassung stärker berücksichtigt und die Trennung weiter gemildert.

23 24

Lempp, Trennung von Kirche und Staat, S. 21 ff. Stenographische Berichte, Bd. 6, S. 4302.

12

Das Kaiserreich Die Verfassung von 1848 ist de facto niemals in Kraft getreten. Und somit hatten die Bestimmungen über Religionsgemeinschaften eine nur geringe Bedeutung. Es wurde kein einheitliches Reich geschaffen und das Staatskirchentum in den einzelnen deutschen Staaten blieb bestehen. Und auch als 1871 das deutsche Kaiserreich mit Gewalt geschaffen wurd e, blieb die Zuständigkeit für Kirche und Religion bei den Ländern und von den fortschrittlichen Ideen von 1848 war nicht mehr viel zu finden . Die Landesherren

blieben die Oberhäupter der jeweiligen protestantischen

Landeskirche und hielten diese fest in s taatlicher Hand. S ie schützten diese dafür vor Abspaltungen und sogenannten Ir rlehren. Die k atholische Kirche war demgegenüber viel unabhängiger vom Staat. Es gab zwar auch hier immer Bestrebungen, sie unter die Herrschaft des Landesherrn zu bekommen, aber der Papst in Rom als oberste Autorität, war für die staatlichen Stellen unereichbar. Die Versuche des Staats, die katholische Kirche unter ihre Gewalt zu bekommen und die Versuche der Kirche, sich vom Staate freier zu machen, schaukelten sich gegenseitig auf, bis es zum sogenannten Kulturkampf zwischen Bismarck und den Ultramontanisten kam.

Eben wegen dieser U nerreichbarkeit des katholischen Oberhauptes und somit Unkontrollierbarkeit

der

Katholiken

misstraute

Bismarck

der

katholischen

Zentrumspartei, die er aus diesem Grunde ultramontan n annte. Er und auch große Teile der ev angelischen preußischen Regierung glaubten, dass sie die Interessen der katholische Kirche über die des Staates stellen würde und desh alb staatsgefährdend oder gar staatsfeindlich sei. Bismarck sagte: „Ich habe (…) die Bildung dieser Fraktion nicht anders betrachten können, als im Lichte einer Mobilmachung der Partei gegen den Staat.“ 25

Der Kulturkampf schaukelte sich auf. Da gab es die Verkündung des Unfehlbarkeitsdogmas des Papstes, d ie Verhängung des Kirchenbannes über Abweichler. Im Gegenzug von staatlicher Seite die Aufhebung der katholischen Abteilung im preußischen Kultusminis terium, sowie vieler Gesetze, wie den Kanzelparagraph, das Schulaufsichtsgesetz, das Verbot des Jesuitenor dens, das 25

Stenographische Berichte des Landtages, S. 536.

13

Gesetz über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen, Gesetze über die kirchliche Disziplinargewalt und d as Expatriierungsgesetz. Der Vatikan und die katholischen Bischöfe konterte n mit vielerlei Maßn ahmen. Am 5. Februar 1875 erklärte

z.B.

der

Papst

durch

eine

Enzyklika

die

gesamte

p reußische

Kirchengesetzgebung für ungültig. Daraufhin verschärfte die Regierung ihr Vorgehen, füh rte die Zivilehe ein, erließ das Sperr - und Brotkorbgesetz, verbot die geistlichen Orden der Kirche und hob die Arti kel 15, 16 und 18 der preußischen Verfassung auf. Mit dem Tod Pius IX und der Wahl Leos XIII und auch innenpolitischer Veränderungen, begann der Kampf abzuflauen und die Regierung erließ Milderungsgesetze. 26 Am Ende war es Bismarck fast ein bischen peinlich , den Kulturkampf geführt zu haben. 27

Der gesamte Kulturkampf war geprägt von Paradoxien. Bismarck machte liberale Politik und versuchte das Machtmonopol des modernen Staates auszubauen und zu verteidigen. Somit musste er die Macht des Heiligen Stuhls über die Katholiken im Reich brechen, wenn nötig mit Gewalt. Zugleich aber war ein moderner , liberaler Staat religionsneutral und schützte mit der Freiheit der Bürger auch die Freiheit von deren Religionsgemeinschaften. Bismarck musste also einerseits die Mach t der Kirche mit Gewalt brechen, andererseits die Kirchen als Religionsgemeinschaf ten seiner Bürger schützen. 28 Aus diesem Grunde behauptete er auch, nicht gegen die Kirche, sondern nur gegen die Partei des Zentrums vorgehen zu wollen, da diese ihre Konfession in den Bereich des Politischen trug. 29 Ein Kampf gegen das Zentrum konnte jedoch nicht ohne Kampf gegen die Katholiken und die Kirche geführt werden.

Das zweite Paradoxon ist, dass Bismarck einerseits versuchte, die katholische Kirche unter die Herrsch aft des Staates, nach protestantischem Vorbild, zu bekommen, andererseits aber die Trennung von Kirche und Staat vorantrieb. Da er die katholische Kirche nicht vo llständig unterzuordnen verm ochte, be trieb er gleichzeitig liberale

26

Zeittafel in: Schmidt -Volkmar, Der Kulturkampf in Deutschla nd, S. 386f. Dollinger, Das Kaiserreich, S. 136. 28 Nipperdey, Deutsche Geschichte, S. 364f. 29 Dollinger, Das Kaiserreich, S. 136. 27

14

Politik und schnitt die Ki rche von ihren Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft ab.

Interessant ist in diesem Zusammenhang nicht der genaue Ablauf oder Inhalt des Kulturkampfes an sich, sondern seine Konsequenzen für die Frage der Trennung von Kirche und Staat. Sowohl die Kir che griff massiv in d ie Kompetenzen des Staates ein und beanspruchte mit de r Aufhebung der kirchlichen Gesetze durch die Enzyklika sogar eine Vormachtstellung gegenüber dem Staat. Und dieser wurde der Kirche gegenüber ziemlich übergriffig, z.B. durch das V erbot des Jesuitenordens und d er Inhaftierung sehr vieler Geistlicher. Solche Ereignisse bleiben in bitterer Erinnerung, so dass es nicht wunde rt, wenn nach der Revolution die Trennung von Kirche und Staat end lich durchgesetzt werden kann.

Die Weimarer Verfassung Die Verabschiedung der Weimarer Verfassung im Jahre 1919 veränderte das Verhältnis z wischen Staat und Kirche grundsätzlich. Der Kaiser des Deutschen Reiches, Wilhelm II. musste ins Exil gehen und Deutschland wurde eine Republik. Damit verlor die e vangelische Kirche in Preußen ihr Oberhaupt. Ein landesherrliches Kirchenregiment konnte nicht mehr aufrechterhalten werden, vor allem auch, weil sich die aus der Revolution hervorgegangene Staat sgewalt nicht als neue T rägerin des Kirchenregiments eignete und dies auch nicht wollte. 30

Größtenteils

knüpfte

die

Weimarer

Republik

an

die

Ergebnisse

der

Paulskirchenverfassung an. Trotzdem gab es bei den Verhandlungen über die Verfassung große Meinungsverschiedenheiten. Die Linke wollte eine vollständige Trennung, wie es in anderen westlichen Demokratien, wie Frankreich, üblich war. Die Rechte jedoch wollte soviel von der Verbindung von Staat und Kirche retten, wie nur möglich. Es musste, wie schon 1848 eine Kompromisslösung gef unden werden. 31

30 31

Voll, Bayerisches Staatskirchenrecht, S. 22. Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, S. 325 f.

15

Weimarer Verfassu ng Art. 135 Alle Bewohner des Reichs genießen volle Glaubens und Gewissensfreiheit. Die ungestörte Religionsausübung wird durch die Verfassung gewährleistet und steht unter staatlichem Schutz. Die allgemeinen Staatsgesetze bleiben hiervon unberührt.

Art. 136 1) Die bürgerlichen und staatsbü rgerlichen Rechte und P flichten werden durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt. 2) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerli cher Rechte sowie die Zulassung zu ö ffentlichen Ämtern sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. 3) Niemand ist verp flichtet, seine religiöse Üb erzeugung zu offenbaren. Die Behörden haben nur soweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu fragen als davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert. 4) Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiö sen Übungen oder zur Benutzung einer re ligiösen Eidesform gezwungen werden.

Art. 137 1) Es besteht keine Staatskirche. 2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellsc haften wird gewährleistet. Der Zusammenschluß von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen. 3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürg erlichen Gemeinde. 4) Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den all gemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes. 5) Die Religionsgesellschaften bleiben Körpgerschaften de s öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durc h ihre V erfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr auf Daue r bieten. Schließen sich mehrere derartige ö ffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verb and eine öffentlich-rechtliche Körperschaft. 6) Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben. 7) Den Religionsgesellschafte n werden die Vereini gungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen. 8) Soweit die Durchführung dieser Bestimm ungen eine weitere Regelung erfordert, liegt diese der Landesgesetzgebung ob.

16

Art. 138 1) Die auf Gesetz, Vertr ag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf. 2) Das Eigentum und andere Rechte der Religionsgesellschaften und religiös en Vereine an ihren für Kultus-, Unterrichts - und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigen Vermögen werden gewährleistet.

Art. 139 Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.

Art. 140 Den Angehörigen der Wehrmacht ist die nötige freie Zeit zur Erfüllung ihrer religiösen Pflichten zu gewähren.

Art. 141 Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge im Heer, in Krankenhäusern, Stra fanstalten oder sonstigen öffentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen, wobei jeder Zwang fernzuhalten ist.

Art. 149 1) Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach der Schu len mit Ausnahme der bekenntnisfreien (weltlichen) Schulen. Seine Erteilung wird im Rahmen der Schulgesetzgebung geregelt. Der Religionsunterricht wird in Üb ereinstimmung mit den Grundsätzen der betreffenden Religionsgesellschaft unbeschadet des Aufsichtsrechts des S taates erteilt. 2) Die Erteilung religiösen Unterrichts und die Vornahme kirchliche r Verrichtungen bleibt der Willenserklärung der Lehrer, die Teilnahme an religiösen Unterrichtsfächern und an kirchlichen Feiern und Handlungen der Willenserklärung desjenig en überlassen, der über die religiöse Erziehung des Kindes zu bestimmen hat. 3) Die theologischen Fakultäten an den Hochschulen bleiben erhalten.

Grundsätzlich wurde mit dem Satz „Es bes teht keine Staatskirche“ die Trennung festgelegt. Dazu regelt jede Re ligionsgemeinschaft ihre Angelegenheiten selbständig und

verleiht

Ämter

unabhän gig

vom

Staat.

Und

alle

Religions -

und

Weltanschauungsgemeinschaften waren gleichberechtigt. Somit hat ten die Kirchen nicht nur Autonomie in Lehre und Kultus, sondern auch in Or ganisation und Verwaltung. Der Staat war nicht mehr christlich oder gar protestantisch, sondern allen 17

Religionsgemeinschaften gegenüber neutral. Trotzdem

erkannte der Staat den

öffentlichen Charakter kirchlichen Handelns an und so behielten die Kirchen den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie dienten also weiterhin staatlichen Zwecken. Der Sonntag und bestimmte kirchliche Feiertage wu rden staatliche Feiertage. Die Kirchen bekamen Vorrechte bei der Seelsorge in Heer, Krankenhäuse rn,

Strafanstalten

und

sonstigen

öffentlichen

Anstalten.

Religionsunterricht wurde ordentliches Lehrfach der Schulen. Und der Staat erhob die Kirchensteuern über die bürgerlichen Steuerlisten.

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Wenn jedoch eine Körperschaft eine vom Staat abgeleitete Gewalt ausübt, dann darf sie nicht sou verän handeln, sondern muss weiterhin staatlicher Aufsicht unterworfen sein. Eine Vorraussetzung für jede staatliche Autorität. Man brauchte also neben der verfassungsrechtlichen Regelung eine weitere Säule. Diese bildeten die Konko rdate der einzelnen Länder mit dem Heiligen Stuhl und die Kirchenverträge mit den jeweiligen Landessynoden der evangelisch -lutherischen Kirche. 33

Über diese Verträge verpflichteten sich z.B. die Kirchen vor der Besetzung der obersten Ämter in Bayern mit d er Regierung über die in Frage kommenden Personen zu reden. Auch die Qualifikation von Pfarrern wurde festgelegt. Im Gegenzug verzichtete der Staat auf ein Einspruchsrecht. 34

Der Schritt, weg von der Konfrontation oder Unterordnung, hin zu gegenseitigem Anerkenntnis und Kooperation war wohl die bedeutendste Neuerung der Weimarer Verfassung, gegenüber den Bestimmungen von 1848 und 1871.

Bewertung Das Grundgesetz hat durch Artikel 140 die Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der Weimarer Verfassung aufgenomme n. Das heutige Staatskirchenrecht gehört zu den wenigen Bestandteilen des Grundgesetztes, die originär aus der deutschen

32

Apelt, Geschichte de r Weimarer Verfassung, S. 326 ff. Voll, Bayerisches Staatskirchenrecht, S. 22; Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, S. 327. 34 Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, S. 328. 33

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Verfassungsgeschichte erwachsen sind. 35 Sowohl in der Pauls kirchenverfassung, als auch der Weimarer Verfassung und dem Grundgesetz, muss ten wegen großer Konflikte viele Kompromisse geschlossen werden, weshalb wir nun ein Mischsystem aus Trennung und Kooperation haben. Für die Bewertung stellt sich nun die Frage: Ist dieses deutsche Modell ein fauler Kompromiss oder ein Vorbild?

Kirchen sind auf den Staat angewiesen. Er ist es, der ihnen Schutz bietet, sie in ihrem Wirken unterstützt und ihnen Freiheit gewährt. Gleichzeitig ist aber auch der Staat auf die Kirchen angewiesen. Beide kümmern sich um den selben Menschen, der Staatsbürger und K irchenmitglied oder Gläubiger zugleich ist.

Niemand kommt an der Frage nach dem Sinn des Lebens oder dem Ursprung und Ziel seiner Existenz vorüber. Die Beschäftigung mit dieser Fra ge gehört zu den wichtigsten geistigen Tätigkeiten des Menschen. Sie ist fü r ihn existenziell not wendig. Niemand kann diese Frage jedoch hundertprozentig beantworten. Deshalb darf ein Staat, de r das Gewaltmonopol beansprucht und seine Grundsätze absolut durchsetzen kann, diese Glaubensfragen niemals beantworten. Doch er benötigt die Rückbindung an den Glauben und die Weltanschauungen seiner Bürger, um nicht als seelenlose Maschine zu einer „Staats - und Gesellschaftsordnung ohne Gott, ohne Gewissen und ohne Achtung vor der Würde des Menschen“

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zu werden. Nur

aufgrund eines starken , aber toleranten Staates ist es für jeden Bürger möglich seinen Glauben und seine Weltanschauung zu leben und so die p luralistische Gesellschaft zu bereichern.37

Somit ist das deutsche Modell, bei dem zwar Staat und Kirche grundsätzlich voneinander getre nnt sind, aber der religiös -neutrale Staat die öffentliche Bedeutung des kirchlichen Handelns anerkennt und fördert, ein vorbildliches System.

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Campenhausen, Axel von, Das bundesdeutsche Modell des Verhältnisses Trennung und Kooperation, ZevKR 42, 1997, 169ff. 36 Präambel der Verfassung des Freistaates Bayern vom 2. Dezember 1946. 37 Vgl. Kirchhof, Staatskirchenrecht und EU, S. 149f.

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von Staat und Kirche –