Kapitalismus und Demokratie Kapitalismus ist nicht demokratisch und Demokratie nicht kapitalistisch Jürgen Kocka und Wolfgang Merkel

1

Einleitung

Kapitalismus und Demokratie haben sich in den vergangenen zwei Jahrhunderten als die erfolgreichsten wirtschaft lichen und politischen Ordnungssysteme erwiesen . Der Kapitalismus hat sich seit dem Kollaps des sowjetischen Staatssozialismus nach 1989 und der Transformation der Volkswirtschaft Chinas weltweit durchgesetzt . Nur wenige Enklaven wie Nordkorea konnten sich mit barbarischen Mitteln dem kapitalistischen Siegeszug widersetzen . Der Markt als Koordinationsform und die Profitmaximierung als Motiv und Antrieb ökonomischen Handelns scheinen den Wettlauf der Wirtschaftssysteme gewonnen zu haben . Spricht man vom Kapitalismus im Singular, verhüllt dies allerdings die Unterschiede der „varieties of capitalism“ (Hall und Soskice 2001)1 . Das staatskapitalistische System Chinas, der neoliberale Kapitalismus angelsächsischer Provenienz oder die wohlfahrtsstaatlichen Marktwirtschaften Skandinaviens unterscheiden sich erheblich, harmonieren oder disharmonieren in unterschiedlicher Weise mit demokratischen Regimen . Der Erfolg der Demokratie war im letzten Viertel des 20 . Jahrhunderts zwar beeindruckend, aber doch viel unvollständiger als die Durchkapitalisierung der Welt . Misst man ihn mit der weiten Elle eines minimalistischen Verständnisses, so ließen sich im Jahr 2010 123 Länder (von knapp 200 Staaten) als „electoral democracies“ bezeichnen (freedomhouse .com) . Misst man jedoch mit dem anspruchsvollen Maßstab der rechtsstaatlichen Demokratie, schrumpft deren Zahl auf rund 60 Staaten zusammen (Merkel 2010) . Sowohl für elektorale als auch rechtsstaatliche Demokratien kann aber gelten, dass alle mit kapitalistischen Wirtschaftsformen 1

Hall und Soskice widmen sich allerdings nur zwei Varianten des Kapitalismus, wie sie ihn innerhalb der OECD-Welt vertreten sehen: liberal market economies und coordinated market economies .

308

Jürgen Kocka und Wolfgang Merkel

koexistieren. Auch historisch gilt: Keine entwickelte Demokratie ist bisher ohne den Kapitalismus ausgekommen. Vice versa trifft dies nicht zu. Die Beispiele des nationalsozialistischen Deutschlands, der Volksrepublik China, Singapurs, der kapitalistischen Diktaturen Lateinamerikas oder Asiens im 20. Jahrhundert zeigen, dass der Kapitalismus unter verschieden politischen Herrschaftsformen bestehen oder gar blühen kann. Der beachtliche Siegeszug der Demokratie im Weltmaßstab koinzidiert allerdings mit zunehmender Kritik am gegenwärtigen Zustand der entwickelten Demokratien. Seit der Jahrtausendwende mehren sich Theorien und Analysen, die den reifen Demokratien nur noch „Schwundstufen“ (Offe 2003), „postdemokratische Zustände“ (Crouch 2004) oder bloße „Fassaden“ (Streeck 2013a, S. 241) attestieren. Als Hauptursache gilt der Kapitalismus, der insbesondere als Finanzkapitalismus die Ungleichheit der Einkommen und politischen Beteiligungschancen verschärfe, Parlamente entmündige und Regierungen wichtige Handlungskompetenzen nehme. Die nicht nur von Liberalen behauptete Komplementarität von Kapitalismus und Demokratie2 erscheint spätestens seit der Finanzkrise von 2008 und der nachfolgenden Eurokrise nicht mehr als herrschendes Paradigma. Es drängen sich Widersprüche, wenn nicht gar Unvereinbarkeiten, zwischen den beiden Ordnungssystemen in Bezug auf Theorie wie empirische Analyse auf. Wie vereinbar sind Kapitalismus und Demokratie? Wie tief reicht die Inkompatibilität der „varieties of capitalism“ mit den Varianten der Demokratie? Inwieweit ist der Kapitalismus in seinen unterschiedlichen Varianten zu einer Herausforderung für die Demokratie und ihren normativ-funktionalen Qualitätsstandards geworden? Im Folgenden werden die beiden Ordnungssysteme vorgestellt (Kapitel 2 und 3), ihre Entsprechungen und Spannungen, Kompatibilitäten und Inkompatibilitäten grundsätzlich und historisch erörtert (Kapitel 4) sowie schließlich die zunehmende Spannung von Kapitalismus und Demokratie im Zuge des Aufstiegs des Finanzkapitalismus seit den späten 1970er Jahren analysiert (Kapitel 5 und 6). Ein kurzes Fazit fasst die Hauptergebnisse zusammen.

2  Auch die sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien haben dies vor allem nach 1945 in der politischen Praxis akzeptiert und verzögert auch in ihrer Programmatik anerkannt.

Kapitalismus und Demokratie

2

309

Kapitalismus: Begriff, Struktur, Phasen

2.1 Begriff Viele Wissenschaftler vermeiden den Begriff Kapitalismus. Er erscheint ihnen zu polemisch, ist er doch seit seiner Einbürgerung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht nur für deskriptive und analytische Zwecke, sondern auch als kritisch-polemischer Kampfbegriff und häufig als bloßes Schlagwort benutzt worden. Wenn man ihn präzise definiert, kann er jedoch leisten, womit sich konkurrierende Begriffe wie Marktwirtschaft schwerer tun, zum Beispiel den Zusammenhang analysieren zwischen ökonomischer Entwicklung einerseits und ihrer sozialen, kulturellen und politischen Voraussetzungen und Folgen andererseits. Wir verstehen Kapitalismus als eine Form des Wirtschaftens mit sozialen, kulturellen und politischen Bedingungen und Folgen, die, in Grenzen, unterschiedliche Gestalt haben und bis zu einem gewissen Grad auch unterschiedlich gestaltet werden können. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass erstens die Mobilisierung und die Koordination der wirtschaftlichen Akteure vor allem über Märkte stattfinden, also über Wettbewerb und Preise, durch Kauf und Verkauf von Waren. Das ‚Zur-Ware-werden‘, die immer weiter treibende Kommodifizierung von Ressourcen, Produkten, Beziehungen und Chancen aller Art ist für Kapitalismus zentral. Dies gilt auch für die Arbeit als Lohnarbeit mit den daraus resultierenden asymmetrischen Abhängigkeits-, Verteilungs- und Spannungsverhältnissen. Zweitens finden im Kapitalismus die wichtigsten wirtschaftlichen Entscheidungen dezentral statt3 – häufig in Unternehmen. Legitimiert werden sie durch dezentralisierte Eigentumsrechte und – jedenfalls im Prinzip – mit der Folge dezentraler Zuordnung der Erfolge und Misserfolge, des Profits und der Haftung. Drittens ist Kapital grundlegend für Kapitalismus, also die Investition von Vermögen, einschließlich der Reinvestition von Erträgen in der Gegenwart mit dem Ziel, höhere Erträge in der Zukunft zu erreichen. Das impliziert das Streben nach Vergrößerung, Bereicherung, Verbesserung, Innovation, aber auch den Umgang mit Unsicherheit und Risiko. Wandel ist dem Kapitalismus als Normalität eingeschrieben (Kocka 2013, S. 9-23). Einerseits hat kapitalistisches Wirtschaften vielfältige soziale, kulturelle und politische Voraussetzungen wie Folgen. Es trägt sich nicht aus sich selbst heraus, weder in den Anfängen seiner Entwicklung noch in späteren Phasen mit ihren oft 3  Der Dezentralisierungsgrad der ökonomischen Entscheidungen variiert allerdings mit der Oligopolisierung und Hierarchisierung von Märkten. Je stärker die Oligopole (Banken, IT-Multis), je dominanter einzelne Märkte (Finanzmärkte), umso geringer der machtbrechende Faktor der Dezentralisierung. Dies wird später bei der jüngsten Finanzialisierung des Kapitalismus zu berücksichtigen sein.

310

Jürgen Kocka und Wolfgang Merkel

krisenhaften Erscheinungen. Welche „Einbettung“ in welche sozialen, rechtlichen und kulturellen Kontexte Kapitalismus braucht, um zu existieren und gemeinwohlverträglich in der Lage zu sein, seine Krisen zu überleben, ist eine wissenschaftlich wie praktisch zentrale Frage (zum Begriff der Einbettung: Polanyi 1944). Andererseits stellt Kapitalismus ein Wirtschaftssystem dar, das nach eigenen Regeln funktioniert und eine eigene Logik besitzt, also nur funktionieren kann, wenn es ein gewisses Maß an Autonomie besitzt (Luhmann 1984). Grad und Art dieser, immer nur relativen, Teilautonomie ändern sich mit der Zeit, sind politisch umstritten und teilweise gestaltbar. Die spannungsreiche Verschränkung von Einbettung und Ausdifferenzierung ist ein Dauerthema der Analyse des Kapitalismus, nicht zuletzt auch hinsichtlich seiner Wirkung auf die Demokratie und ihre Systemlogik.

2.2

Strukturveränderungen seit dem 19. Jahrhundert

Der Kapitalismus bildete sich als Kaufmanns-, Finanz- und Agrarkapitalismus heraus, lange bevor er sich – beginnend mit dem 18. Jahrhundert – als Industriekapitalismus allgemein durchsetzte und schließlich global ausbreitete. Seit dem frühen 19. Jahrhundert lässt sich eine Bewegung vom Eigentümer-Kapitalismus über den Manager-Kapitalismus hin zum Investoren-Kapitalismus erkennen. Während im frühen 19. Jahrhundert die wichtigsten wirtschaftlichen Entscheidungen in einer Vielzahl kleiner bis mittelgroßer Unternehmen von Eigentümer-Unternehmern (Familienunternehmen) getroffen wurden, kam seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das häufig viel größere Manager-Unternehmen meist auf Aktienbasis auf, an dessen Spitze eine gewisse Trennung von Eigentum und Kontrolle stattfand. Die wichtigsten Entscheidungen wurden von angestellten Unternehmern (Managern) getroffen, während sich die Eigentümer auf Grundsatzentscheidungen beschränkten. Man hat vom „Manager-Kapitalismus“ gesprochen (Burnham 1941; Chandler 1990). In einigen Bereichen ist dieser aber mittlerweile vom Investoren-Kapitalismus verdrängt worden, der dadurch gekennzeichnet ist, dass zentrale Entscheidungen über Investitionen und Strategien von Vertretern großer Fonds- oder Finanzierungsgesellschaften getroffen werden, für die die Unternehmen bloß noch Ort der Anlage und Quelle des Profits sind (Windolf 2005). Soweit sich dieser Trend vom Eigentümer- über den Manager- zum Investoren-Kapitalismus durchgesetzt hat, war damit eine schrittweise Herauslösung der kapitalistischen Kernfunktion, der Investitionsentscheidung, aus dem Ensemble der vielfältigen Leitungsfunktionen verbunden, die im Eigentümer- wie auch noch zum Teil im Manager-Unternehmen von den Unternehmensleitungen im Zusammenhang erledigt wurden bzw. werden. Damit kam es zu einer Ausdifferenzierung – ‚Entbettung‘– der kapitalistischen

Kapitalismus und Demokratie

311

Investitionsfunktion, die zunehmend von darauf spezialisierten Personen, Gruppen und Institutionen wahrgenommen wird. Wenn man das Verhältnis von Markt und Organisation – insbesondere das Verhältnis von Markt und Staat – als zentrales Unterscheidungsmerkmal von Kapitalismustypen wählt, lassen sich mit Blick auf die letzten beiden Jahrhunderte drei Typen unterscheiden, die in unterschiedlichen Phasen dominierten. • Der marktliberale Kapitalismus: Er war in Europa und Nordamerika im größten Teil des 19. Jahrhunderts durch die Dominanz des Wettbewerbsprinzips im Verhältnis der Unternehmen zueinander und durch weitgehende Zurückhaltung staatlicher Organe bei wirtschafts- und sozialpolitischen Eingriffen gekennzeichnet (Berend und Schubert 2007). • Der organisierte Kapitalismus: Kapitalismusinterne Koordinierungs- und Regulierungsbedürfnisse unter sich verändernden technologisch-organisatorischen Bedingungen einerseits, die Zunahme sozialer Störungen als Folge des kaum regulierten Kapitalismus andererseits waren die hauptsächlichen Triebkräfte, die zu zunehmender Organisation des Kapitalismus führten. Diese manifestierte sich zum einen in zunehmender, wettbewerbsbeschränkender Kooperation großer Wirtschaftsunternehmen in Form von Kartellen, Fusionen, Verbänden und Ansätzen zu gemeinsamer Planung und Interessenvertretung, andererseits in zunehmenden staatlichen Interventionen in Wirtschaft und Gesellschaft, unter anderem mit Mitteln des Arbeitsrechts, der selektiven Subventionierung und Verstaatlichung, mit zunehmender Regulierung, aber auch durch den Aufbau des Sozialstaates und den Ausbau der Sozialgesetzgebung – in Deutschland seit den 1880er Jahren (Winkler 1974; Lash und Urry 1987). Der so entstehende organisierte Kapitalismus trat im 20. Jahrhundert in liberal- beziehungsweise sozialdemokratischen Varianten auf, so im New Deal der 1930er und 1940er Jahre in den USA, als soziale Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland und anderen europäischen Ländern oder als ausgeprägter keynesianisch-wohlfahrtsstaatlicher Kapitalismus in Frankreich und Skandinavien. Aber er existierte und existiert auch in diktatorisch-autoritären Varianten, so im deutschen Nationalsozialismus und in anderer Weise im ostasiatischen Staatskapitalismus der letzten Jahrzehnte.4 • Der neoliberale Kapitalismus: Seit den 1970er Jahren hat sich, teilweise in ausdrücklichem Gegensatz zum keynesianisch-wohlfahrtsstaatlichen Kapitalismus, 4  Die Bezeichnungen für diesen Typus variieren: „organisierter Kapitalismus“, „koordinierter Kapitalismus“, „keynesianischer Wohlfahrtsstaat“ (KWS), oder aber „Fordismus“. Wir verwenden die beiden ersten Begriffe synonym und betrachten den KWS als eine besonders demokratie-kompatible Variante des „koordinierten Kapitalismus“.

312

Jürgen Kocka und Wolfgang Merkel

„neoliberale“ Kritik geltend gemacht, die die Mechanismen der Märkte, die Prinzipen der kapitalistischen Selbstregulierung und die Grenzen staatlicher Lenkungsfähigkeit betonte (Harvey 2007). Eine neue Phase des Kapitalismus setzte ein, die durch Deregulierung, Privatisierung und partiellen Rückbau des Sozialstaates gekennzeichnet war, während die Globalisierung rasch voranschritt, der internationale Finanzkapitalismus immens an Bedeutung gewann und die sozialökonomische Ungleichheit in den Gesellschaften wieder zu wachsen anfing.

3

Demokratie: Drei Varianten

Der Demokratiebegriff ist umstritten: konservative, liberale, soziale, pluralistische, elitäre, dezisionistische, kommunitaristische, kosmopolitische, republikanische, deliberative, partizipative, feministische, kritische, postmoderne oder multikulturalistische Demokratiemodelle konkurrieren miteinander (Lembcke et al. 2012). Vereinfacht lassen sich aber drei Gruppen von Demokratietheorien unterscheiden: die minimalistische, die mittlere und die maximalistische Theorie.5 Je nachdem welches Demokratiemodell man heranzieht, wird man kaum, häufig oder fast immer eine ‚Krise der Demokratie‘ entdecken können. Wir wollen für unsere Analyse das mittlere Demokratiemodell, genauer – das Konzept der eingebetteten Demokratie – als Referenz verwenden.6 Wie in der Einleitung dieses Buches ausgeführt, konstituiert sich die „embedded democracy“ (Merkel 2004) aus fünf Teilregimen: dem demokratischen Wahlregime (A), dem Regime politischer Partizipationsrechte (B), dem Teilregime bürgerlicher Freiheitsrechte (C), der institutionellen Sicherung der Gewaltenkontrolle (horizontal accountability) (D) sowie der Garantie, dass die effektive Regierungsgewalt der demokratisch gewählten Repräsentanten de jure und de facto gesichert ist (E). Diese fünf Teilregime erfüllen bestimmte Funktionen im Gesamtsystem Demokratie. Und jedes von ihnen ist spezifischen internen und externen Herausforderungen ausgesetzt. Es hängt von der ‚Krisenverarbeitungskapazität‘ jedes einzelnen Teilregimes und seiner Inter- und Independenz innerhalb der gesamten eingebetteten Demokratie ab, ob ein Bereich von einer Krise infiziert wird und inwieweit sich der jeweilige ‚Krisenvirus‘ über die Teilregimegrenzen hinaus ausbreiten kann. Wir werden uns im Folgenden nur auf jene Herausforderungen der Demokratie

5  Vgl. Einleitung in diesem Buch; ebenso Merkel (2013). 6  Dieses wird hier nur knapp rezipiert. Siehe ausführlich: Einleitung in diesem Band.

Kapitalismus und Demokratie

313

beziehen, die durch den Kapitalismus in seinen verschieden Erscheinungsformen generiert werden.

4

Kapitalismus und Demokratie – Kompatibilitäten und Inkompatibilitäten

4.1 Logiken Es ist nicht zu übersehen, dass sich die Logiken von Kapitalismus und Demokratie grundsätzlich unterscheiden und in Spannung zueinander stehen. Kapitalismus und Demokratie besitzen unterschiedliche Legitimationsgrundlagen: ungleich verteilte Eigentumsrechte dort, gleiche Staatsbürgerrechte hier. In ihnen dominieren unterschiedliche Verfahren: der profitorientierte Tausch im Kapitalismus, Debatte und Mehrheitsentscheidung in der demokratischen Politik. Die egoistische Wahrnehmung partikularer Vorteile ist für kapitalistisches Handeln das eindeutige Ziel, auch wenn mit Adam Smith beansprucht werden kann, dadurch indirekt dem allgemeinen Nutzen zu dienen.7 Die Verwirklichung des allgemeinen Wohls ist dagegen das Ziel demokratischer Politik, auch wenn klar ist, dass sich dessen Inhalt erst in diesem Prozess „a posteriori“ (Fraenkel 1974[1964], S. 189) herausbildet und die Wahrnehmung partikularer Interessen im Rahmen des demokratischen Entscheidungsprozesses legitim, ja dessen Voraussetzung ist. Entscheidungen und ihre Implementierung führen im Kapitalismus zu einem Ausmaß an wirtschaftlicher und sozialer Ungleichheit (an Einkommen, Vermögen, Macht und Lebenschancen), das nach den an gleichen Rechten, Chancen und Pflichten orientierten Grundsätzen der Demokratie – oberhalb einer gewissen, nicht ein für alle Mal bestimmbaren, vielmehr auszuhandelnden Grenze – schwer akzeptabel und unerträglich erscheint. Dies umso mehr, als die tatsächliche Wahrnehmung demokratischer Rechte und Pflichten von verfügbaren ökonomischen und sozialen Ressourcen abhängig ist, und häufig geballte ökonomische Ressourcen in politische Macht transformiert werden können. Umgekehrt ist die volle Anwendung demokratischer Entscheidungsregeln – allgemeine und gleiche Partizipations- und Eigentumsrechte, Mehrheitsentscheidungen und Minderheitenschutz – mit den Regeln des Kapitalismus unvereinbar. Kapitalismus ist nicht demokratisch, Demokratie nicht kapitalistisch.

7  Adam Smith wird oft als Stammvater des marktradikal-neoliberalen Denkens rezipiert und in Anspruch genommen. Dies tut seinem Werk Unrecht (s. Blomert 2012).

314

Jürgen Kocka und Wolfgang Merkel

Doch dies ist nur eine Seite, zwei andere müssen mitbedacht werden. Zum einen ist es ein fundamentaler Grundsatz freiheitlicher Demokratie, dass die Reichweite politischer Entscheidungen begrenzt wird: durch die Sicherung von Grundrechten, zu denen seit John Locke und der Aufklärung auch das Eigentumsrecht gehört; durch Verfassung und Rechtsstaatlichkeit; durch die Anerkennung des Prinzips, dass demokratische Entscheidungsregeln zwar für das politische System zentral sind, aber andere gesellschaftliche Teilsysteme nach anderen Regeln – ihren Logiken – funktionieren, wenngleich im Rahmen der politisch gesetzten und nur demokratisch veränderbaren Verfassung (Walzer 1983; Luhman 1984). Freiheitliche Verfassungsordnungen begründen seit dem 18. Jahrhundert die jeweilig begrenzte Eigenständigkeit von Wirtschaft und Politik, auch von kapitalistischer Wirtschaft und demokratischer Politik. Sie binden die Ausübung der politischen Macht zunächst an rechtsstaatliche, seit dem 19. Jahrhundert an demokratische Grundlagen, und gerade nicht an ökonomische Ressourcen. Gleichzeitig sichern sie das Recht auf Eigentum und aus ihm folgende Verfügungsrechte als Grundrechte ab und entziehen somit einen Kernbestand wirtschaftlicher Handlungsmacht dem Zugriff auch der demokratischen politisch-staatlichen Macht. Wenn aber die Verteilung und der Gebrauch von Eigentumsrechten zur Kumulation von Vermögensressourcen in einer Größenordnung führen, die es erlaubt, die Politik in ihrer eigenen politischen Sphäre in kapitalistische Schranken zu weisen, oder aber wenn demokratische Entscheidungen zu einer Einschränkung der Eigentumsrechte führen, kommt es zum Konflikt. In der Abwägung gilt generell, Eigentums- und Kapitalverfügungsrechte dann einzuschränken, wenn sie die demokratischen Entscheidungscodes der politischen Sphäre überlagern und verformen. Demokratische Rechte können dann in der Legitimationshierarchie eine normative Superiorität beanspruchen, ohne dazu legitimiert zu sein, den Kernbestand jener grundrechtlich verbürgten eigentumsbasierten Verfügungsrechte auszuhebeln. Zum anderen ist auf gewisse Affinitäten und Interdependenzen zwischen Kapitalismus und Demokratie zu verweisen. In beiden spielen Wettbewerb und Wahlentscheidungen eine wichtige Rolle – Aspekte der praktizierten Freiheit von Individuen. Kapitalismus und Demokratie haben gemeinsame Feinde: unkontrollierbare Zusammenballung staatlicher oder ökonomischer Macht, Regellosigkeit und Unberechenbarkeit, Korruption und Krieg. Schließlich können sich Kapitalismus und Demokratie wechselseitig stützen. Denn einerseits tut sich nachhaltiger Kapitalismus schwer ohne eine im Grundsatz berechenbare staatliche Ordnung, die auf Dauer am ehesten demokratisch gewährleistet werden kann. Andererseits gilt, dass nachhaltiges Wachstum, das demokratische Institutionen erfahrungsgemäß legitimiert und stärkt, am ehesten – trotz seiner Konjunkturen und Krisen – von einem demokratisch eingebetteten Kapitalismus hervorgebracht wird.

Kapitalismus und Demokratie

315

4.2 Konstellationen Das Verhältnis von Kapitalismus und Demokratie stellt sich also in systematischer Hinsicht als polyvalent oder gar widersprüchlich dar. Dem entsprechend finden sich in historischer Hinsicht viele Variationen. Einige zentrale Stationen seien beispielhaft benannt. Der Kapitalismus setzte sich in seinen verschiedenen Varianten in der Frühen Neuzeit vor allem im westlichen Europa durch. Die Niederlande und England nahmen dabei eine Führungsstellung ein. Landwirtschaft und Gewerbe waren dort schon im 17. und 18. Jahrhundert großenteils kapitalistisch strukturiert. Von Amsterdam und London aus boomte der Finanzkapitalismus, durch die Finanzierung von Staaten und ihrer Kriege weltweit, aber auch bei der Organisation der atlantischen Ökonomie mit Plantagenwirtschaft, Sklavenhandel, Warenexport und kolonialer Ausbeutung. In England begann im 18. Jahrhundert der Industriekapitalismus. Dies war eine vordemokratische Zeit. Aber zweifellos waren die Niederlande und England nicht nur die kapitalistischsten Länder der Welt, sondern auch an politischer Freiheit, Verfassungsstaatlichkeit und zivilgesellschaftlicher Dynamik allen anderen deutlich voraus.8 Kapitalistische Entwicklung und die Entstehung repräsentativer Regierungsformen mit limited government und Rechtstaatlichkeit verliefen hier also Hand in Hand. Die Demokratisierung kam in Europa im 19. und frühen 20. Jahrhunderts sehr ungleichmäßig voran. Typischerweise setzten sich Kapitalisten, Unternehmer und Manager zwar für gemäßigte liberale Verfassungs- und repräsentative Regierungsformen mit Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit ein, selten aber für das allgemeine Wahlrecht und andere Formen der entschiedenen Demokratisierung. Im Gegenteil, je weiter diese voranschritt, desto häufiger befand sich die Bourgeoisie auf der Seite der Warner, Bremser und Gegner. Aber der sich ausbreitende Industriekapitalismus erfasste große Teile der Bevölkerung, ließ eine qualifizierte, selbstbewusste und zunehmend fordernde Arbeiterklasse entstehen und trug entscheidend zur Stärkung sozialer und politischer Bewegungen bei, die die sich vergrößernde sozialökonomische Ungleichheit kritisierten, mehr Bildungschancen einforderten und sich für radikale Demokratisierung einsetzten. Nimmt man Nordamerika hinzu, lässt sich sagen, dass die Spannungen zwischen kapitalistischen Interessen und Demokratisierungsbestrebungen erheblich waren, dass Kapitalismuskritik im Namen demokratischer Grundsätze wuchs, aber trotzdem die Demokratisierung

8  Dies gilt nach innen. Die Außenseite dieses Kapitalismus bedeutete aber auch Kolonialismus, Raub, Landnahme oder gar Arbeitssklaverei.

316

Jürgen Kocka und Wolfgang Merkel

am ehesten in den Teilen der Welt an Boden gewann, in denen sich gleichzeitig der Kapitalismus ausbreitete. Der Erste Weltkrieg brachte nicht nur einen Durchbruch der Demokratisierung – Massenmobilisierung, das allgemeine Wahlrecht jetzt häufig für beide Geschlechter, Fortschritte der Parlamentarisierung, Ausbau des Sozialstaates, Machtgewinn der Arbeiterbewegungen und Beginn der Entkolonialisierung –, sondern auch die Radikalisierung antidemokratischer Reaktionen, meist gestützt von den kapitalistischen Führungsschichten. Nach wenigen Jahren setzten sich in weiten Teilen Europas autoritäre Systeme und Diktaturen durch. Die entschiedene Beseitigung des Kapitalismus nach der Revolution von 1917 und unter sowjetischer Hegemonie nach 1945 hat im östlichen Teil Europas zur Verhinderung der Demokratie ganz entschieden beigetragen. Denn die Enteignung und Vergesellschaftung oder Verstaatlichung des Kapitals beseitigte eben auch jene strukturelle Machtteilung zwischen Markt und Staat, zwischen ökonomischen Ressourcen und politischer Macht, die als Voraussetzung von Freiheit und Demokratie letztlich unersetzbar ist, und ohne die die Überwältigung der Zivilgesellschaft durch staatlich-politische Machtzusammenballung zur kaum zu kontrollierenden Gefahr wird. Umgekehrt zeigte sich in der Entstehungs- und Gewaltgeschichte der faschistischen Diktaturen Europas, wie demokratiefeindlich kapitalistische Führungsschichten in der Krise des Kapitalismus wie in der Abwehr konsequenter Demokratisierung und befürchteter revolutionärer Herausforderungen von links reagieren können: Sie wurden zu Steigbügelhaltern für Diktatoren und sympathisierende Befürworter der Vernichtung freiheitlicher Demokratie. Die deutsche Geschichte 1933-1945 zeigt überdies, dass der Kapitalismus, obwohl von den nationalsozialistischen Herrschern entschieden instrumentalisiert und in einigen Bestandteilen amputiert, auch unter extremen diktatorischen Bedingungen – in der engen Kooperation mit Diktatoren – florieren kann. In der zweiten Hälfte, vor allem im dritten Viertel des 20. Jahrhunderts erwies sich im westlichen Europa, in Nordamerika und in Japan ein zunehmend organisierter Kapitalismus als besonders kompatibel mit der demokratischen Verfasstheit der Politik. Dies geschah, obwohl oder besser, weil ein zunehmend ausgebauter Interventions- und Sozialstaat in die kapitalistischen Ökonomien eingriff: regulierend, stabilisierend und egalisierend. In manchen nord- und kontinentaleuropäischen Ländern entstand der „keynesianische Wohlfahrtsstaat“ (Offe 1984) als eine soziale und koordinierte Form des Kapitalismus. Gleichzeitig nahmen die Tendenzen zur Selbstorganisation von Wirtschaft und Gesellschaft zu, blieben die Wahrnehmung wirtschaftlicher Chancen und Aufgaben ebenso wie das Austragen von Verteilungs-und wichtigen Sozialkonflikten den wirtschaftlichen und sozialen Akteuren überlassen. Ein intensives Geflecht von Interdependenzen zwischen Staat

Kapitalismus und Demokratie

317

und Markt, zwischen demokratischen Institutionen und kapitalistischer Wirtschaft entstand, das die wirtschaftlichen Akteure vielfach einbettete, regulierte, privilegierte und in die Pflicht nahm. Andererseits öffneten sich die staatlichen Entscheidungsprozesse weit für wirtschaftliche und soziale Einflussnahmen, was als „Neokorporatismus“ beschrieben wurde (Schmitter 1974, 1982). Punktuell wurden Elemente der Demokratie ins Wirtschaftssystem eingepflanzt – beispielsweise durch gesetzlich vorgeschriebene Mitbestimmung von Arbeitnehmern und durch die rechtlich einklagbare Absicherung von Arbeitnehmerinteressen. Das rasche Wirtschaftswachstum der ersten Nachkriegsjahrzehnte, die schockartigen Erfahrungen mit den kapitalistischen Krisen und politischen Katastrophen der Kriegs- und Zwischenkriegszeit, die weiterhin starke Kritik am Kapitalismus im Namen von Demokratie und sozialer Gerechtigkeit, vor allem aber die im Westen aufmerksam registrierte Herausforderung durch die Existenz einer starken nichtkapitalistischen Alternative in Form des real existierenden Staatssozialismus sowjetischer Prägung waren wichtige historische Faktoren, die die Herausbildung dieses Systems wechselseitiger Verflechtung, Kontrolle und Stützung von Kapitalismus und Demokratie erleichterten. Obwohl dies vor allem in Nord- und Westeuropa die Phase einer besonderen Koexistenz von sozialem Kapitalismus und sozialer Demokratie markierte, blieb sie dennoch unvollkommen, spannungsreich, labil und von Land zu Land unterschiedlich ausgeprägt (Esping-Andersen 1990; Hall und Soskice 2001). In den letzten Jahrzehnten hat sich der Kapitalismus auch in Weltregionen hinein ausgeweitet, die ihm lange verschlossen waren. Kapitalistische Formen des Wirtschaftens haben beispielsweise in Süd- und Südostasien, in China, seit den frühen 1990er Jahren auch in großen Gebieten der ehemaligen Sowjetunion und im ehemals sowjetisch beherrschten Teil Europas Fuß gefasst. Der Kapitalismus erwies erneut seine grenzüberschreitende Expansionsenergie, die bereits Marx und Engels im Kommunistischen Manifest voraussahen. Damit bestätigte sich in dramatischer Weise, was schon die Geschichte des 19. und des 20. Jahrhunderts zeigte: Der Kapitalismus kann zwar nicht in allen politischen Systemen9 existieren, aber doch unter sehr unterschiedlichen politischen Regimen: nicht nur in Taiwan und Korea, wo sich die Erfolge von Kapitalismus und Demokratie schließlich gegenseitig verstärkt haben; nicht nur in autoritär gelenkten Legalstaaten wie Singapur, das sich als besonders kapitalismusfreundlich erweist; sondern auch in Diktaturen, wenn diese wie die chinesische bereit sind, gewisse kapitalistische Grunderfordernisse 9  Kommunistische Diktaturen haben ihm den Garaus gemacht, und unter den chaotischen Bedingungen von anhaltenden Bürgerkriegen und failing states ist die Herausbildung kapitalistischer Strukturen unwahrscheinlich.

318

Jürgen Kocka und Wolfgang Merkel

zu gewährleisten wie ein Minimum an Berechenbarkeit staatlicher Aktionen, die Möglichkeit von Märkten, die Akzeptanz von ausgeprägter Ungleichheit und Bereicherung sowie ein Mindestmaß an Anerkennung und Einfluss für Kapitalisten, Unternehmer und Manager. Ob und wie lange eine Diktatur in der Lage ist, diese Konzessionen im Interesse von Wachstum, Wohlstandvermehrung und Machtzuwachs zu machen, ohne sich als Diktatur schrittweise aufzuheben, ist eine zentrale Frage, die auch im chinesischen Fall noch nicht beantwortet ist. Die modernisierungstheoretisch begründete Hoffnung, dass moderner Kapitalismus, offene Gesellschaft und irgendeine Form von Demokratie letztlich aufeinander angewiesen sind und deshalb langfristig nur gemeinsam florieren können, wird durch die jüngsten historischen Erfahrungen jedenfalls nicht bestätigt.

5 Finanzkapitalismus Seit den 1970 er Jahren hat sich der Kapitalismus in einer Weise verändert, dass seine Vereinbarkeit mit der Demokratie deutlich abgenommen hat. Dazu trugen die Wende zum Neoliberalismus vor dem Hintergrund der Globalisierung und der rasante Aufstieg des Finanz- und Investorenkapitalismus entscheidend bei. Die Große Rezession seit 2008 manifestierte und verschärfte die krisenhaften Elemente in dieser Entwicklung. Sie veränderte das Verhältnis von Wirtschaft und Staat erneut. Aus der Krise des Kapitalismus droht eine Krise der Demokratie zu werden. Seit den späten 1970er Jahren kam es zu gezielten Deregulierungs- und Privatisierungsschüben wie zu einem gewissen Rückbau sozialstaatlicher Leistungen10. Neoliberale Theorien in der Nachfolge von Friedrich von Hayek und Milton Friedman gewannen in Wissenschaft wie Publizistik an Boden. Sie schätzten die Selbstregulierungskräfte des Marktes als hoch, die Interventionsmöglichkeiten des Staates als schädlich ein. Die Stimmung schlug um: weg von den Leitwerten Organisation und Solidarität, hin zum Lob der Vielfalt und Individualität. Das angloamerikanische Modell des Finanzkapitalismus drohte den verschiedenen Varianten des stärker koordinierten Kapitalismus kontinentaler Prägung den Rang abzulaufen. Zu den Ursachen dieser Trendwende gehörten zweifellos Schwächen des bis dahin dominierenden keynesianischen Wohlfahrtsstaat – man denke an die „Stagflati10  Der Rückbau geschah in Skandinavien, Deutschland, Österreich und Frankreich nur sehr moderat, im Bereich des angelsächsischen Kapitalismus (USA, UK, NZ) jedoch drastisch.

Kapitalismus und Demokratie

319

on“ der siebziger Jahre –, aber auch technisch-organisatorische Innovationen im beginnenden IT-Zeitalter, vor allem aber die grenzüberschreitende Konkurrenz und weltweite Verflechtung, die mit der rasch voranschreitenden Globalisierung zunahmen. Die Globalisierung setzte das Modell des organisierten Kapitalismus unter erheblichen Druck, war es doch durchweg im nationalstaatlichen Rahmen entwickelt worden. Die Regulierungsfähigkeit starker Nationalstaaten sah sich nun dem scharfen Wind grenzüberschreitender Konkurrenz ausgesetzt. Globalisierung und Neoliberalisierung gingen Hand in Hand. Die Globalisierung des Kapitalismus wurde nicht von der Herstellung globaler staatlicher Strukturen begleitet, die ihm zähmend und regulierend hätten Paroli bieten können. Die Balance zwischen Markt und Staat verschob sich zuungunsten des Staates, und das heißt: der Demokratie. Finanzkapitalismus – als Inbegriff der Geschäfte, die nicht mit der Produktion und dem Tausch von Gütern, sondern vor allem mit Geld gemacht und von Wechslern, Maklern, Banken, Börsen, Investoren und Kapitalmärkten betrieben werden –, ist nicht neu, sondern bereits im frühneuzeitlichen Europa voll ausgebildet. Aber als Folge von Globalisierung, finanz- und währungspolitischer Deregulierung sowie partieller Deindustrialisierung in einigen westlichen Ländern kam es seit den 1970er Jahren zu einer exorbitanten Ausweitung des Finanzsektors, vor allem in England und in den USA. Dort stieg sein Anteil am Gesamtprodukt von den 1950er Jahren bis 2008 von 2 Prozent auf 9 beziehungsweise 8 Prozent! Die Vermögenswerte der Banken und die Profite der Banker stiegen explosionsartig an. Investment Banks, Investitions- und Hedgefonds sowie neuartige Kapitalbeteiligungsunternehmen entstanden in großer Zahl. Der grenzüberschreitende Kapitalverkehr schwoll immens an, von 4 Prozent des weltweiten Gesamtprodukts in den 1980er Jahren auf 20 Prozent im Jahr 2007 (James 2015). Ein großer Teil davon diente nicht Investitionen für produktive Zwecke, sondern der Spekulation. Es entstanden große Profite, denen keine Wertschöpfung entsprach. Selbst Industrieunternehmen wie Porsche verdienten zeitweise mehr über reine Finanzspekulationen als durch ihr Kerngeschäft, die Güterproduktion. Es stieg die Erwartung auf höchste Gewinne wie auch die Bereitschaft zum großen Risiko. Zunehmend dereguliert und sich selbst überlassen, mit neuen beschleunigenden Technologien und immer komplexeren Instrumenten (Derivaten, neuartigen Schuldenverbriefungen) ausgestattet, getrieben von harter Konkurrenz untereinander, erwies sich dieser Teil der kapitalistischen Wirtschaft als unfähig zur Entwicklung stabiler, allgemein verträglicher Geschäftsführungsregeln. Gleichzeitig nahm seine gesamtwirtschaftliche Bedeutung zu. Man hat diese Prozesse auch als „Finanzialisierung des Kapitalismus“ zusammengefasst (u. a. Heires und Nölke 2013, S. 248). Was Ralf Dahrendorf als Übergang vom Spar- zum Pumpkapitalismus bezeichnet hat (Dahrendorf 2009), also die enorme Zunahme der Verschuldung bei den Banken

320

Jürgen Kocka und Wolfgang Merkel

(deren Eigenkapital oft nur noch wenige Prozent des Kreditvolumens ausmacht), bei privaten Haushalten und bei Staaten resultierte aus den unterschiedlichsten Gründen, doch die Dynamik des hypertroph expandierenden und spekulativen Finanzkapitalismus hatte großen Anteil daran. An der Spitze der großen Produktions-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen haben sich die Machtverhältnisse verschoben. Der shareholder value wurde zum fast allein regierenden Erfolgsmaßstab, die Unstetigkeit und Kurzatmigkeit der wirtschaftlichen Prozesse nahmen zu. Damit bröckelten zentrale Elemente der Koordinierung jenseits des Marktes (durch institutionalisierte Verflechtung, Verbände und staatliche Organe), die den organisierten Kapitalismus stabilisiert hatten. Der oft spekulative Investoren-Kapitalismus löste in großen Bereichen den Manager-Kapitalismus ab. Für diese Transformation gilt, was der Investor George Soros schon 1998 erkannte: „Das Finanzkapital ist auf den Fahrersitz gesetzt worden“ (Soros 1998, XII, XX; Windolf 2005; Streeck 2009, S. 77-89, 230-272; Kocka 2013, S. 96-99). Seine Bedeutung für das gesamte wirtschaftliche System ist also weit bedeutender, als es sein Anteil am BIP belegt. Sowohl im Eigentümer- wie im Manager-Kapitalismus bleiben das Profitstreben und die Investitionsfunktion eingebettet in andere Funktionen der Unternehmensleitung, in langfristige Erhaltungsstrategien, in Strategien des Umgangs mit Personal, in die Gestaltung sozialer Verhältnisse. Im neuen Finanz- und Investorenkapitalismus bleibt davon wenig übrig. Die Fondsdirektoren und Investmentbanker entscheiden gewissermaßen von außen über eine Vielzahl von Unternehmen, an die sie sonst kaum etwas bindet und von denen sie wenig wissen, ausgenommen standardisierte Kennzahlen und gewinnrelevante Marktsignale. Der shareholder value wurde zum primären, wenn nicht gar ausschließlichen Kriterium, für Investitionsentscheidungen. Der neuen Verabsolutierung des Profits als des tendenziell einzigen Kriteriums zur Beurteilung von Unternehmenserfolgen entsprach die hypertrophe Überspitzung der finanziellen Bezüge (Gehalt, Boni, Shares) als Erfolgsbestätigung für Manager. Die innere Dynamik des Kapitalismus nimmt damit zu, seine Instabilität allerdings auch. Die Kluft zwischen individuellem Profitstreben und Allgemeinwohl wird riesengroß. So instabil und krisengefährdet dieser sich verändernde Kapitalismus auch ist, so sehr nimmt seine gesamtgesellschaftliche Prägekraft zu. Er ist die Haupttriebkraft hinter der in unseren Gesellschaften seit den 1970er Jahren wieder zunehmenden Ungleichheit der Einkommen und Vermögen, die von den astronomisch hohen Einkommen der Spitzenverdiener unter den wirtschaftlichen Akteuren spektakulär vorgeführt wird (Piketty 2014). Der immer marktradikalere, immer beweglichere, immer kurzatmigere Kapitalismus ist auch die wichtigste Triebkraft hinter der Deregulierung der Arbeitsmärkte, auf denen kurzzeitige, befristete und partielle

Kapitalismus und Demokratie

321

Beschäftigungsverhältnisse an Verbreitung gewonnen haben. Kapitalistische Prinzipien drängen sich in viele Lebensbereiche hinein. Die Kritik an der kapitalistischen Usurpation fast aller übrigen Lebensbereiche wird stärker (Sandel 2012). Wie hat sich die Transformation des koordinierten Industrie- zum deregulierten Finanzkapitalismus und die von diesem verursachte Finanzkrise auf die Demokratie ausgewirkt?

6

Herausforderung der Demokratie durch den Finanzkapitalismus

In dem Buch wurde aus mehrfacher Perspektive gezeigt, dass die Idee eines goldenen Zeitalters der Demokratie wie sie ex- und implizit von den Theoretikern der Postdemokratie vertreten wird (Crouch 2004), empirisch nicht haltbar ist. Ähnliches gilt auch für den Kapitalismus. Zwar ist die Phase der langanhaltenden Prosperität des Kapitalismus von 1950 bis zum Beginn der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts ebenso ungewöhnlich wie beachtlich. Wenn von einer goldenen Ära in dieser Periode gesprochen werden kann, dann nicht vom Kapitalismus an sich, sondern von jener der „sozialen Marktwirtschaft“, also einer ganz besonderen „eingebetteten“ Form des „koordinierten oder organisierten Kapitalismus“ (Polanyi 1944; Offe 1984; Hall und Soskice 2001). Kapitalismus und Demokratie waren wohl nie so komplementär wie in dieser historischen Phase. Die Entbindung von manchen dieser sozialen wie regulativen Einbettungen und sozialen Zumutungen durch die neoliberalen Deregulierungsjahrzehnte seit Ende der 1970er Jahre hat den Kapitalismus verändert, im angloamerikanischen Raum mehr als im „Rheinischen Kapitalismus“. Wir vertreten hier die These, dass der neoliberal ‚entfesselte‘ Finanzkapitalismus erheblich mehr Probleme für das Funktionieren der rechtsstaatlichen Demokratien aufwirft, als es der sozialstaatlich und keynesianisch koordinierte Kapitalismus der ersten Nachkriegsjahrzehnte tat. Mit der Zunahme der „Denationalisierung“ (Zürn 1998) der Volkswirtschaften und der politischen Entscheidungsstrukturen sowie der anwachsenden sozioökonomischen Ungleichheit wurden gleich zwei fundamentale Prinzipien der Demokratie herausgefordert: zum einen, das demokratische Kernprinzip, dass die autoritativen politischen Entscheidungen nur von jenen zu treffen sind, die durch konstitutionell-demokratische Verfahren dazu legitimiert wurden; zum anderen das Prinzip der politischen Gleichheit, deren demokratische

322

Jürgen Kocka und Wolfgang Merkel

Aktivierung infolge der asymmetrischen sozioökonomischen Ressourcenverteilung unter den Bürgern sich zunehmend zulasten der unteren Schichten auswirkte.11 Die übergreifende Hypothese lautet: Alle Demokratien der OECD-Welt sind von diesen beiden Entwicklungen negativ betroffen, wenngleich in unterschiedlichem Maße.12 Je weiter aber die Denationalisierung fortgeschritten ist, je weiter der Kapitalismus seine soziale Einbettung verloren und sich zum (neo-)liberalen Finanzkapitalismus entwickelt hat, umso stärker lassen sich ceteris paribus negative Auswirkungen auf die Qualität der Demokratie erkennen. Da dies nur für bestimmte, wenngleich wesentliche Bereiche der Demokratie gilt,13 soll diese Hauptthese im Folgenden auf fünf konkrete Teilhypothesen heruntergebrochen und diskutiert werden.  These 1: Die wachsende sozioökonomische Ungleichheit führt zu asymmetrischer

politischer Partizipation.

Die logische Verbindung zwischen der Verfügung über sozioökonomische Güter, ihre Transformation in kognitive Ressourcen und dann in reale Partizipationsmöglichkeiten und Beteiligungswünsche in Gesellschaft und Politik ist einsichtig und wurde oft beschrieben14 (Hacker und Pierson 2010; Schäfer 2010; Merkel und Petring 2012; Bonica et al. 2013). Schon in der kognitiv wie temporal anspruchlosesten Form politischer Beteiligung, den allgemeinen Wahlen, ist dies sichtbar (vgl. auch Weßels in diesem Band). In West- und noch viel stärker in Osteuropa 11  Die Zunahme der Ungleichheit hat durchaus unterschiedliche Gründe. Diese sind neben den exorbitanten Vermögenszuwächse für das oberste 1 Prozent oder gar 0,1 Prozent der Gesellschaft durch Finanzgeschäfte und IT-Innovationen, vor allem die Deregulierung der Arbeitsmärkte, die langsame Lohnentwicklung, die Globalisierung, die Steuersenkungen für Bezieher hoher Einkommen, aber auch die Entwertung einfacher manueller Arbeit im Vergleich zum Humankapital im Zuge der digitalen Revolution. 12  Dieses unterschiedliche Maß wird in Esping-Andersens (1990) Dreiertypologie des Wohlfahrtsstaates (universalistisch, konservativ, liberal) präziser erfasst als in der vereinfachenden Dichotomie von liberalen und koordinierten Kapitalismus, wie sie von Hall und Soskice (2001) entwickelt wurde. 13  Nach dem Konzept der „embedded democracy“ (Merkel 2004) sind das vor allem die Bereiche der politischen Partizipation (Teilregime Wahlen und politische Beteiligung), horizontale Gewaltenkontrolle und die effektive demokratische Regierungsgewalt (s. Einleitung). 14  Umso überraschender ist, dass die neoklassische Ökonomie oder die neoliberalen politischen Formationen diesen Zusammenhang bestreiten und in der Gleichverteilung der Rechte die politische Gleichheit verwirklicht sehen (vgl. von Hayek 2003; Freie Demokratische Partei (FDP) bzw. die liberalen politischen Parteien in den Niederlanden oder Skandinavien).

Kapitalismus und Demokratie

323

geht die Wahlbeteiligung zurück. In Westeuropa gingen im Jahr 1975 noch durchschnittlich 85 Prozent, in 2012 nur noch 75 Prozent der Wahlberechtigten zu den nationalen Wahlen. In Osteuropa ist der Wählerrückgang dramatischer: Von 72 Prozent im Jahr 1991 sank die Wahlbeteiligung 2012 auf 57 Prozent. Für die USA und die Schweiz wären selbst diese Zahlen alles andere als alarmierend. Die durchschnittliche Beteiligung an den US-amerikanischen Kongresswahlen betrug in den letzten drei Jahrzehnten (1980-2012) durchschnittlich magere 45,4 Prozent.15 Allgemeine Wahlen, zu denen nur die Hälfte der Bürger oder weniger als die Hälfte der Bürger gehen, sind problematisch, auch wenn es keine Demokratieformel für die perfekte Wahlbeteiligung gibt.16 Die Absenz von 50 Prozent des Souveräns beim wichtigsten Legitimationsakt der repräsentativen Demokratie gibt einen Hinweis darauf, wie (un-)wichtig die politische Beteiligung an der res publica für die Mehrheit der Bürger in den USA und in Osteuropa geworden ist. Aus empirischen Untersuchungen wissen wir, dass der bei Weitem überwiegende Teil derer, die sich bei Wahlen enthalten, sich auch sonst nicht beteiligt. Bernard Manin (1997, S. 222ff.) hat das die „Zuschauerdemokratie“ genannt. Das eigentliche demokratietheoretische Problem ist jedoch nicht die Höhe der Wahlbeteiligung an sich, sondern die mit ihr einhergehende soziale Selektivität. Denn als empirisch gesicherte Faustregel kann gelten: Mit sinkender Wahlbeteiligung steigt die soziale Exklusion. Es sind die unteren Schichten, die aus der politischen Beteiligung aussteigen; die mittleren und oberen Schichten bleiben.17 In den USA haben bei den Präsidentschaftswahlen rund 80 Prozent jener Personen, die über ein Haushaltseinkommen von 100.000 US-Dollar und mehr pro Jahr verfügen, angegeben zu wählen; von den Bürgern, die nur über ein niedriges Haushaltseinkommen bis zu 15.000 US-Dollar verfügen, erklärte nur noch ein Drittel seine Wahlabsicht18 (Bonica et al. 2013, S. 111). 15  Siehe http://www.idea.int/vt/countryview.cfm?CountryCode=US. Zugegriffen: 20. Januar 2014. 16  Dies gilt mehr für die USA als für die Schweiz, da dort auf der kommunalen, regionalen und nationalen Ebene eine ganze Palette von Volksabstimmungen institutionalisiert sind. Freilich sind dort die Beteiligungsraten noch niedriger als in Parlamentswahlen (Merkel 2015). 17  Fragt man Bürger der Unterschicht in Deutschland, ob das Wählen oder ihre politische Teilnahme einen Einfluss auf politische Entscheidungen haben, antworten mehr als zwei Drittel resigniert mit nein. Konfrontiert man Bürger aus den Mittelschichten mit derselben Frage, antworten mehr als zwei Drittel selbstbewusst: Ja, das mache einen Unterschied (Merkel und Petring 2012). 18  Der exklusive Charakter der US-amerikanischen Demokratie wird noch deutlicher, wenn man jene 10-15 Prozent der unteren Schichten hinzurechnet, die keine Staatsbürgerschaft

324

Jürgen Kocka und Wolfgang Merkel

Es gibt vermehrt Erkenntnisse, dass die amerikanische Krankheit der Unterschichtsexklusion auch die europäischen Wähler zunehmend ergreift (Weßels in diesem Band). Der Wahl-demos bekommt Schlagseite: Die Dominanz der Mittelschichten verstärkt sich, die unteren Schichten brechen weg. Betrachtet man die Wahlbeteiligung, sind die meisten Demokratien der OECD-Welt Zweidritteldemokratien geworden. Das politische Gleichheitsprinzip wird also auf der Partizipations-, Repräsentations- und Policy-Ebene ausgehöhlt: „Voting tilts the policy scales in favor of top incomes“ (ibid.).19 Der Prozess des Wählerrückgangs und der sozialen Selektion der Wählerschaft hat in Westeuropa in den letzten drei Jahrzehnten begonnen. Er ist schleichend, aber stetig; in Osteuropa ist er rasant und drastisch, in den USA chronisch. Die Gründe sind vielfältig, aber teilweise liegen sie in der Zunahme der sozioökonomischen Ungleichheit (Hacker und Pierson 2010: 194; Schäfer 2010; Merkel und Petring 2012; Bonica et al. 2013, S. 111; Weßels in diesem Band) und der Prekarisierung der unteren Schichten auf dem Arbeitsmarkt. Dazu kommen der Bedeutungsverlust von Volksparteien, Gewerkschaften und anderen großen kollektiven Organisationen, die für die politische Sozialisation und Repräsentation gerade des unteren Schichtungsdrittels der Gesellschaft im 20. Jahrhundert eine wichtige Rolle spielten. Die Partizipation-Repräsentationslücke hat sich in nahezu allen OECD-Ländern im vergangenen Jahrzehnt weiter geöffnet. Wenn sich Angehörige der unteren Schichten aber seltener als andere Bevölkerungsgruppen an Wahlen beteiligen, dann hat dies erhebliche Konsequenzen für die Repräsentation ihrer Interessen.  These 2: Wahlen sind in den offenen eingebetteten Demokratien zunehmend

unzureichend in der Lage, die wachsende sozioökonomische Ungleichheit zu stoppen.

Nun könnte man im Sinne des economic voting argumentieren, dass all jene Wähler – oder zumindest ihr größter Teil –, deren Einkommen unter dem Medianeinkommen liegt, für politische Parteien votieren, die für Umverteilung optieren. Damit hätte die Demokratie mit den Wahlen ein geniales Instrument, das grobe sozioökonomische Ungleichheiten verhindert. Warum hat dieser Mechanismus aber in den vergangenen Jahrzehnten versagt? Erstens bleiben die unteren Schichten in sich steigerndem Ausmaße zu weit größeren Anteilen den Wahlen fern als die besitzen. Am oberen Ende der Einkommensskala haben weit weniger Menschen (ca. 5 %) keine Staatsbürgerrechte (Bonica et al. 2013, S. 110). 19  Dieser von Bonica et al. (2013) für die USA diagnostizierte Trend hat längst auch Europa erreicht.

Kapitalismus und Demokratie

325

mittleren und höheren Schichten. Stimmenmaximierende Parteien scheinen sie auch zunehmend als ein zu gewinnendes Wählerpotenzial aufgegeben zu haben. Wenn sozialdemokratische oder andere große linke Volksparteien dennoch programmatisch-advokatorisch die Interessenvertretung dieser Schichten betreiben, ist das mehr der Aufrechterhaltung des Images einer Partei der ‚sozialen Gerechtigkeit‘ geschuldet als der gezielten Mobilisierung der politisch apathisch und indifferent gewordenen Unterschichten.20 Zweitens sind Wahlprogramme und reale Politik auseinanderzuhalten. Konservative und rechte Parteien haben aus ideologischen oder elektoralen Gründen wenige Motive, eine aktive Umverteilungspolitik von oben nach unten zu verfolgen. Weder entspricht es ihrer Programmatik noch ihrer (bessergestellten) Wahlklientel. Wenn linke Parteien an der Regierung gezielt eine Politik für die unteren Schichten – mehr Bildung, Mindestlohn, Aufrechterhaltung des Sozialstaates, stärkere Besteuerung der Reichen zur Vermehrung der Staatseinnahmen – durchsetzen wollen, werden sie mit den diskursiven oder realen Drohungen der Kapitalseite und der reicheren Schichten konfrontiert. Die Hauptdrohung lautet: Verschiebung von Kapital und Investitionen ins Ausland. Die Finanzialisierung des Kapitalismus und die leichtere Verlagerung von Finanzkapital über nationale Grenzen hinweg hat den demokratischen Staat verwundbarer gemacht. Damit eröffnet sich gerade für linke Parteien rasch ein Zielkonflikt. Machen die Investoren mit ihrer Investitionsverschiebung ernst, kostet dies Arbeitsplätze, bedeutet dies weniger Wachstum, weniger Staatseinnahmen, weniger Sozialinvestitionen und dann letztendlich weniger Wählerstimmen. Fritz Scharpf hat dieses Dilemma präzise formuliert: „In capitalist democracies, governments depend on the confidence of their voters. But to maintain this confidence they also depend on the performance of their real economies and, increasingly, on the confidence of financial markets“ (Scharpf 2011, S. 1). Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist die Politik des „Dritten Wegs“ der meisten sozialdemokratischen Parteien und Regierungen (Merkel et al. 2006) als eine – manche meinen zu willfährige – Anpassung an die globalisierte wirtschaftliche Umwelt zu verstehen. In der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik haben viele sozialdemokratischen Parteien sich aufgrund der oben genannten Zwänge dem dominanten neoliberalen Globalisierungsdiskurs der vergangenen zwei Jahrzehnte gebeugt. Die Frage der Umverteilung verlor damit ihren wichtigsten Fürsprecher in der parteipolitischen Arena.

20  Die Finanzkrise und die vor allem in der Krise sichtbar gewordenen Umverteilungseffekte nach oben scheinen aber nun die sozialdemokratischen Parteien wieder erreicht zu haben. Die Thematisierung des Mindestlohns wie auch der Deregulierungsfolgen auf den Arbeits- und Finanzmärkten scheinen nach zwei Jahrzehnten allmählich wieder in den Vordergrund der programmatischen Forderungen zu rücken.

326

Jürgen Kocka und Wolfgang Merkel

Drittens ist economic voting nicht die einzige Erklärung für Wahlverhalten. Sozioökonomische Konfliktlinien werden durch kulturelle Konfliktlinien durchschnitten. Letztere können religiöser und ethnischer Natur sein, aber auch persönliche Einstellungsmuster auf der Libertarismus-Autoritarismus-Skala betreffen (Kitschelt 2001). Insbesondere untere Schichten (v. a. Männer) sind überdies für autoritäre und ethnozentrische Politikangebote anfällig. Beispiele dafür lassen sich bei den rechtspopulistischen Parteien Skandinaviens, Österreichs und der Schweiz finden. Häufig stimmen Wähler der Unterschichten für autoritäre und ethnophobe Parteien, die gleichzeitig eine neoliberale Wirtschafts- und Finanzpolitik vertreten (Mudde und Kaltwasser 2013). Wo und soweit sie existierten, waren demokratische Wahlen in den ersten drei Vierteln des 20. Jahrhunderts die „paper stones“ – so bezeichnet Adam Przeworski (1986) in seinem gleichnamigen Buch die Wahlzettel, also das allgemeine Wahlrecht –, die die Arbeiterbewegung benutzte, um über die Wahl von linken (meist reformistischen sozialdemokratischen) Parteien den Kapitalismus sozial einzuhegen und den Auf- wie Ausbau des Wohlfahrtsstaates demokratisch zu „erzwingen“21. Tatsächlich kam es in dieser langen Phase des sozialen Ausbaus auch zu einer Umverteilung von oben nach unten, insbesondere nach 1945. Der Trend wurde in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts gestoppt und umgekehrt.22 Die paper stones verloren ihre Wirkung und scheinen heute Papiertiger im Hinblick auf die Umverteilung geworden zu sein.  These 3: Der Staat ist in Zeiten der Finanzialisierung des Kapitalismus verwund-

barer geworden.

Die Finanzialisierung des Kapitalismus hat die Verwundbarkeit des Staates gegenüber Banken, Hedgefonds und Großinvestoren größer und sichtbarer gemacht. Mit der Finanzialsierung ist nicht nur die Abhängigkeit der Produktions- und Handelssektoren von der Finanz„industrie“ gestiegen, sondern auch die des Staates vom Kapitalismus. Der Staat hat sich durch die Deregulierung der Finanzmärkte ein Stück weit selbst entmächtigt. Regierungen und Parteien, die bei Strafe ihrer 21  Die Einbettung, Regulierung und Organisation des Kapitalismus, begann freilich schon im späten 19. Jahrhundert, und es waren die verschiedensten Kräfte daran beteiligt, auch Konservative (Bismarck), katholische Reformkräfte oder fortschrittsorientierte Unternehmer. 22  Die Trendumkehr der Umverteilung ist in den meisten nichtangelsächsischen Ländern nicht durch eine (nicht erfolgte!) Demontage des Sozialstaates erfolgt, sondern durch die Steuer- und Lohnpolitik unterstützt worden, deren Impulse von der Globalisierung und der Deregulierung der Arbeits- und Finanzmärkte ausgingen.

Kapitalismus und Demokratie

327

Abwahl auf ökonomische Prosperität angewiesen sind, wurden zunehmend von den Entscheidungen der Großinvestoren und ihrer Kreditgeber abhängig. Dies wurde in der Finanz- und Währungskrise seit 2008 besonders sichtbar. Einerseits zeigte sich die Unfähigkeit des kapitalistischen Systems zur Stabilisierung aus eigener Kraft. Die Auftritte der um staatliche Hilfe bettelnden Großbanken sprachen den neoliberalen Lobpreisungen der vergangenen Jahrzehnte Hohn und erwiesen die Grundlosigkeit des lange gepredigten Glaubens an die Selbstregulierungskräfte der Märkte. Der finanzialisierte Kapitalismus der Gegenwart ist, das wurde schlagartig klar, unfähig zur Selbsterhaltung aus eigener Kraft. Vielmehr hängt sein Überleben von staatlichen Interventionen ab. Es ist in der Tat „befremdlich“, dass trotzdem so viel vom Neoliberalismus in Ideologie und Praxis bis heute überlebt (Crouch 2011). Andererseits zeigte die Krise mit nicht zu überbietender Offenheit auf, wie sehr auch der demokratische Staat vom mächtigen Finanzkapitalismus in Geißelhaft genommen worden ist. Denn auch und gerade die Regierungen demokratischer Staaten sprangen den vom Bankrott bedrohten Banken und Fonds mit Unsummen öffentlicher Gelder bei. Der Steuerzahler bezahlte die Zeche oder stand doch mit riesenhaften Bürgschaften gerade. Die trudelnden Banken galten als „too big to fail“, ihr Bankrott, so fürchtete man, würde angesichts vielfacher Verflechtungen tiefe soziale und politische Erschütterungen nach sich ziehen, die die Politik, auch in Erinnerung an die katastrophalen Folgen der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre, um fast jeden Preis zu verhindern versuchte, zumindest in Europa 23. So dokumentierte der Umgang mit der Krise nicht nur die Abhängigkeit des Finanzkapitalismus von staatlichen Interventionen, sondern auch die Abhängigkeit der Demokratie vom Kapitalismus in seiner heutigen Gestalt (Simmerl 2012). Die Finanz- und Währungskrise seit 2008 hat offengelegt, dass ein tragender Grundpfeiler des kapitalistischen Systems nachhaltig zerbrochen ist, nämlich das Prinzip der notwendigen Zusammengehörigkeit von Entscheidung und Haftung. Was das Verhältnis von Kapitalismus und Demokratie betrifft, hat die Krise seit 2008 eine dramatische Veränderung gebracht. Die staatlichen Einflussmöglichkeiten hatten sich als zu schwach erwiesen, die Krise zu verhindern. Doch die Schuld für die Krise lag eindeutig bei den finanzkapitalistischen Akteuren, die zur Steigerung ihrer Gewinne verantwortungslose Investitionen und Spekulationen auf sich genommen hatten. Die Verantwortung für die Folgen der Krise gingen gleichwohl von den kapitalistischen Akteuren auf den demokratischen Staat über. Indem dieser sie schulterte, bürdete er sich Lasten auf, von denen noch unklar ist, 23  In den USA gingen zahlreiche Banken in den Bankrott, in spektakulärer Weise Lehman Brothers. Paradoxer- und symptomatischerweise zugleich, ließ sich die US-Regierung in der Krise weniger in die Haftung des Finanzkapitals nehmen als in Europa.

328

Jürgen Kocka und Wolfgang Merkel

wie sie mittelfristig verarbeitet werden können: Mit der spektakulären Zunahme der öffentlichen Verschuldung wurde die kapitalistische Finanzkrise partiell in eine öffentliche Schuldenkrise umgewandelt, an deren Folgen nicht nur die einzelnen Staaten leiden, sondern auch das Projekt der europäischen Integration. Zugleich sehen sich die staatlichen Instanzen fortgesetzt zu Handlungen gezwungen, die die demokratische Substanz des Gemeinwesens auszuhöhlen drohen. Denn die zur gegenwärtig praktizierten Krisenpolitik gehörende dauerhafte Verwendung von öffentlichen Mitteln zur Absicherung privatwirtschaftlicher Risiken und Gewinne verletzt nicht nur tragende Grundsätze der öffentlichen Moral, sondern trägt damit auch zur Erosion der Legitimation demokratischer Politik bei. Außerdem drängt der Umgang mit den Folgen der wirtschaftlichen Krise oft notgedrungen zu raschen, parlamentarisch nicht hinreichend diskutierten und damit demokratisch unzureichend legitimierten Entscheidungen, also zur Aushöhlung von Verfahren, die für das System der parlamentarischen Demokratie essenziell sind. Die Distanz zwischen Kapitalismus und Demokratie ist größer geworden. Die Lösung kann aber nicht in der Schaffung einer „marktkonformen Demokratie“ (Angela Merkel), sondern muss umgekehrt in der Sicherung eines demokratie-kompatiblen Kapitalismus bestehen – so schwierig das unter Bedingungen der weit fortgeschrittenen Transnationalisierung in der EU und darüber hinaus auch ist.  These 4: Der Finanzkapitalismus und die Globalisierung beschleunigen die Ent-

parlamentarisierung politischer Entscheidungsprozesse zugunsten der Exekutive.

Besonderheiten des Finanzkapitalismus in Zeiten der Globalisierung sind Digitalisierung, Geschwindigkeit, Volumen, Komplexität und die potenziell räumlich unbegrenzte Reichweite finanzieller Transaktionen. Parlamente aber sind in ihrer Zuständigkeit territorial begrenzt und benötigen Zeit für die Vorbereitung, Deliberation und Verabschiedung von Gesetzen. Finanzielle Transaktionen ungeheuren Ausmaßes bedürfen im digitalisierten computergestützten Finanzverkehr nur Bruchteile von Sekunden. Der amerikanische Politikwissenschaftler William Scheuermann (2004) spricht generell von einem „empire of speed“, und der deutsche Soziologe Hartmut Rosa nennt das die „Desynchronisierung“ (Rosa 2012; Rosa und Scheuermann 2009) von Politik und Wirtschaft, von demokratisch-staatlichen Entscheidungen und privaten ökonomischen Transaktionen. Die Beschleunigung in Wirtschaft und Gesellschaft bevorzugt jene politischen Institutionen, die nicht deliberativ wie die Legislative oder Judikative agieren, sondern tendenziell dezisionistisch wie die Exekutive. Auch wenn es naiv wäre anzunehmen, dass irgendeine politische Entscheidung sich mit den Transaktionsgeschwindigkeiten der Finanzmärkte messen könnte, gibt es sowohl beim demos wie den globalen Eliten die implizite

Kapitalismus und Demokratie

329

oder explizite Forderung nach Beschleunigung politischer Entscheidungen. Dies gilt a fortiori in Krisenzeiten, die schon immer die Stunde der Exekutive waren (Schmitt 1996[1931]). Spätestens seit 2008 kann das im politischen Diskurs und in den Handlungen der europäischen Regierungen beobachtet werden.24 Hier wird ein besonderes Demokratie-Krisenparadox sichtbar: Einschneidende Krisenentscheidungen haben oft erhebliche wohlfahrts- und verteilungspolitische Konsequenzen. Deshalb wären gerade solche Entscheidungen auf eine belastbare demokratische Input-Legitimation angewiesen (Enderlein 2013, S. 720, 733). Typischerweise werden unter dem objektiven oder auch nur fahrlässig angenommenen Zeitdruck technokratisch-exekutive Entscheidungsmuster mit dünner Input-Legitimation getroffen. Wir sehen hier klare Grenzen der Verrechenbarkeit von dünner Input-Legitimation mit einer auch pareto-optimalen Wohlfahrtssteigerung im Output 25. Die Umgehung wichtiger zentraler demokratischer Verfahrensstandards können in demokratischen Regimen nicht durch bessere Output-Ergebnisse begründet werden. Es ist aber nicht nur die Geschwindigkeit, sondern vor allem auch die Entterritorialisierung von wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Entscheidungen in inter- und supranationalen Zusammenhängen in den Blick zu nehmen. Zwar ist die politische Supranationalisierung auch ein eigenständiger Prozess. Getrieben wurde er aber nicht zuletzt von der wirtschaftlichen Globalisierung. Die politische Globalisierung verlief zugunsten der nationalen Exekutiven und zulasten der territorial eingeschränkten Parlamente. Parlamente verlieren dabei Einfluss in zwei ihrer wichtigsten Bereiche: der parlamentarischen Gesetzgebung und der Kontrolle der Exekutive. In Extremfällen werden Parlamente dann zu bloßen Ratifikationsinstitutionen vorher getroffener Entscheidungen der Exekutive, die diese mit der Drohung der Alternativlosigkeit durch die Parlamente peitscht, wie dies in der Eurokrise seitens der Geber- wie der Nehmerländer geschehen ist. Auch die Komplexität der wirtschafts- und finanzpolitischen Entscheidungen spielt in die Hände der Exekutive. Sie verfügen über größere Stäbe, Expertengremi-

24  Das wurde 2012 in einer der traurigen Stunden parlamentarischer Selbstaufgabe besonders sichtbar, als der Deutsche Bundestag in Rekordzeit die Entscheidung für den Rettungsschirm ESM durchpeitschte. Die von der Kanzlerin ausgegebene Direktive „Es gibt keine Alternative“ wurde ergeben gefolgt. Das Bundesverfassungsgericht erst zeigte dem eingeschüchterten Parlament, dass es sowohl mehr ‚Zeit‘ gebe, als auch der Beitritt zum Rettungsschirm weiteren konstitutionellen Vorgaben zu folgen habe. 25  Dies heißt, auch wenn in einer optimalen (sicherlich unrealistischen) ökonomischen Wohlfahrtsteigerung keiner schlechter gestellt werden würde, dann dürfte dies nicht schlicht mit einer Umgehung demokratisch-konstitutioneller Verfahren ‚verrechnet‘ werden.

330

Jürgen Kocka und Wolfgang Merkel

en und können schneller externe Expertise26 mobilisieren. Der durchschnittliche Parlamentarier ist in der Regel mit den finanzpolitischen Materien und den Konsequenzen bestimmter Entscheidungen überfordert, wie dies die Abgeordneten des Bundestags bei der rasanten Verabschiedung der ESM-Rettungspakete öffentlich bekannt haben. Das ist nicht neu. Aber dass dem Parlament schon jede zeitliche Möglichkeit genommen wird, sich zu informieren und zu debattieren, erscheint als eine neue Qualität exekutiver Dominanz. Die Geschwindigkeit, Komplexität und Denationalisierung wichtiger währungs-, finanz- und geldpolitischer Entscheidungen haben zu einer tendenziellen Entparlamentarisierung von politischen Entscheidungen geführt. Häufig ging es dabei weniger um die „Realwirtschaft“ als um die verselbständigten Transaktionen eines virtuellen Finanzkapitalismus mit Kasino-Charakter (Strange 1986). Die Exekutive profitierte allerdings nur teilweise davon. Denn ein Teil der Entscheidungsmacht ist von den Exekutiven rasch weiter zu internationalen Expertengremien, Zentralbanken, Hedgefonds und globalen Finanzakteuren geflossen. Die Verschiebung der Kompetenzen erfolgte also vom Parlament auf die Exekutive und von dieser auf nichtstaatliche Akteure.  These 5: Die Erosion großer kollektiver Organisationen schwächt die unteren

Schichten bei der Durchsetzung ihrer Interessen.

Warum aber, ist zu fragen, haben die Verlierer von Deregulierung und Globalisierung sich nicht mit ihren Assoziationsrechten gegen diese Entwicklung gestemmt? Die Entwicklung des neoliberalen Finanzkapitalismus schwächt die Gewerkschaften (Crouch 2004, 2011; Hacker und Pierson 2010, S. 196), also jene große Kollektivorganisation, die maßgeblich zu einer Machtbalance zwischen Kapital und Arbeit in den 1960er und frühen 1970er Jahren beitrug. Die Gründe dafür sind häufig dargelegt worden: Angestellte im stark angewachsenen privaten Dienstleistungsbereich lassen sich aufgrund ihrer heterogenen Interessenlagen, Lebens- und Bewusstseinsformen weit weniger erfolgreich gewerkschaftlich organisieren als Arbeiter in großen industriellen Produktionseinheiten. Die permanente Drohung vieler Unternehmen, Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern, und die auch dadurch politisch beschleunigte Deregulierung der Arbeitsmärkte schwächte die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften. Von liberalen und konservativen Parteien mit programmatischer Überzeugung betrieben, erfasste dieser Trend in den 1990er 26  In manchen westlichen Demokratien kommen diese Experten aus dem Finanzsektor selbst oder von Anwaltskanzleien mit enger Verbindung zum Finanzsektor. Die Beratung geht dann bis zur Ausarbeitung von Gesetzesvorhaben.

Kapitalismus und Demokratie

331

Jahren auch die großen sozialdemokratischen Arbeiterparteien. Auf der Suche nach den neuen Mittelschichten aus dem Dienstleistungsbereich und dem Medianwähler gaben sie viele programmatische Positionen aus den 1950er und 1960er Jahren auf. Der Fokus verschob sich von ökonomischer Umverteilung auf kulturelle, postmaterielle und askriptive Identitätsfragen: der Gleichberechtigung der Geschlechter, dem Ausbau ethnischer und sexueller Minderheitenrechte. Fokusgruppen waren nicht mehr primär die unter-, sondern die ökonomisch überprivilegierten bürgerlichen Schichten des liberalen Kosmopolitanismus (Lacewell und Merkel 2013). Gewerkschaften wurden als rückwärtsgewandt betrachtet, herausgefallen aus den Zeiten der Globalisierung und des Postmaterialismus. Während kulturelle Diskriminierungen (zu Recht) als skandalös betrachtet wurden, galten die wachsenden sozioökonomischen Ungleichheiten als hinnehmbar. Der globalisierte Finanzkapitalismus erschien den konservativen und liberalen Parteien als wünschenswert und den sozialdemokratischen Parteien als national nicht mehr zu bändigen, es sei denn auf Kosten nationaler Wohlfahrtsverluste, die wiederum an den Wahlurnen bestraft würden. Dies beginnt sich erst in den letzten Jahren seit der Finanzkrise zu ändern – vielleicht.

7 Fazit Aus der theoretischen Erörterung und empirischen Grundierung unserer Analyse ergibt sich der Befund einer erheblichen Distanz zwischen Kapitalismus und Demokratie. Es wird nicht nur deutlich, dass Kapitalismus zumindest kurz- und mittelfristig in autoritären Regimen prosperieren kann. Vielmehr erweisen sich auch die Logiken von Kapitalismus und Demokratie als so verschieden, dass zwischen beiden Spannungen auftreten müssen. Die Spannung zwischen ihnen entfaltet sich vor allem aus ihrer unterschiedlichen Haltung gegenüber Gleichheit und Ungleichheit. Das Maß an Ungleichheit, das für Kapitalismus konstitutiv und produktiv ist, ist mit dem demokratischen Prinzip der gleichen politischen Rechte und Partizipationschancen nur schwer vereinbar. Nun haben wir argumentiert, dass es nicht den Kapitalismus, sondern „varieties of capitalism“ gibt. Dies gilt für die Geschichte wie für die Gegenwart. Die unterschiedlichen Varianten des Kapitalismus sind unterschiedlich kompatibel mit der rechtstaatlichen Demokratie. Mit der vollen Durchsetzung der Demokratie hat sich nach 1945 in Westeuropa, Australien, Kanada und Neuseeland nicht zufällig ein sozialstaatlich eingehegter, makroökonomisch (häufig keynesianisch) stabilisierter und (national-)staatlich regulierter Kapitalismus herausgebildet. Die prinzipiellen

332

Jürgen Kocka und Wolfgang Merkel

Spannungen zwischen der zurückgehenden sozioökonomischen Ungleichheit und dem politischen Gleichheitsprinzip konnten zwar nicht aufgelöst werden, wurden aber durch Wohlstandssteigerung, Sozialstaat, starke Gewerkschaften und klassenbewusste sozialdemokratische oder kommunistische (Italien, Frankreich) Arbeiter- und Volksparteien erheblich entschärft. Nie war die Koexistenz zwischen (sozialem) Kapitalismus und (sozialer) Demokratie solider als in dieser Phase. Tabelle 1 Demokratiedrift vom KWK zum NFK Teilregime der Demokratie Wahlen Politische Partizipation / Assoziation / Repräsentation Bürgerrechte

Horizontale Gewaltenkontrolle Effektive Regierungsgewalt demokratisch legitimierter Institutionen

Organisierter Kapitalismus / keynesianisches Wohlfahrtsstaatsregime (KWK) (1945-Ende 1970er Jahre) Höhere Wahlbeteiligung, geringere soziale Exklusion Starke Gewerkschaften und Linksparteien vermindern Ungleichheit

Neoliberaler Finanzkapitalismus (NFK) (Ende der 1970er Jahre bis heute) Geringere Wahlbeteiligung, höhere soziale Exklusion Liberal-konservative Dominanz, Schwächung der Gewerkschaften fördern Ungleichheit

Benachteiligung von Frauen und Minderheiten

Schrittweise politische und rechtliche Gleichberechtigung von Frauen und Minderheiten; stärkere Bürgerrechts-NGOs Schwächere Parlamente, weniger Stärkere Parlamente, weniger Kontrolle der Exekutiven durch supranationale exekutive Parlamente Entscheidungen Verlust an Regulierungs- und Relativ starke nationale Kontrollmacht gegenüber MärkExekutiven gegenüber Märkten; ten; Verschiebung von politischen Politische Entscheidungen vor allem in demokratisch legitimier- Entscheidungen in dünn legitimierten und kaum kontrollierten ten nationalstaatlichen Institusupranationalen Gremien tionen

Ende der 1970er Jahre begann diese Interdependenz zu bröckeln. Herausgefordert von der neoliberalen Deregulierungs- und Entstaatlichungspolitik von Reagan und Thatcher, vorangetrieben durch den Internationalen Währungsfonds (IMF) und das in vielem ebenfalls neoliberale EU-Binnenmarktprojekt (Scharpf 2012; Streeck 2013b) und forciert durch Steuerreformen zugunsten der Reichen, Unternehmen und Kapitaleinkommen – letztlich aber unter dem Druck der Globalisierung –, hat sich die OECD-Welt insgesamt dem angelsächsischen Kapitalismus ein Stück weit

Kapitalismus und Demokratie

333

angenähert. Zwar haben sich in großen Teilen Europas starke sozialstaatliche Sicherungen erhalten. Regulierungselemente des organisierten Kapitalismus funktionieren vielerorts, vor allem im industriellen Sektor, weiter, so auch in Deutschland. Sie haben sich in der Bewältigung der Krise in Deutschland von 2008 besser bewährt als der angelsächsische Kapitalismus. Dadurch wurden sie gestärkt. Trotzdem hat auch in den Gesellschaften des europäischen Kontinents eine Finanzialisierung des kapitalistischen Akkumulationsregimes stattgefunden, mit demokratieabträglichen Folgen für das Verhältnis von Kapitalismus und Demokratie (Heires und Nölke 2013, S. 252; 2014). Die schematische Übersicht (s. Tab. 1) soll den Demokratiedrift, der sich auf dem Weg vom regulierten keynesianischen Wohlfahrtskapitalismus (KWK) zum deregulierten Finanzkapitalismus (DFK) ergeben hat, noch einmal verdeutlichen. Sieht man sich diese sicherlich verkürzt dargestellte Entwicklung der Demokratien in den beiden Phasen des Kapitalismus seit 1945 an, ist eine Verschlechterung der demokratischen Qualität in zentralen Bereichen zu beobachten. Sie sind nicht monokausal durch den Finanzkapitalismus verursacht. Aber ein genauerer Blick legt doch folgende zwei kausalen Sequenzen nahe: 1. Der deregulierte Finanzkapitalismus hat eine größere sozioökonomische Ungleichheit zugelassen, und diese hat sich negativ in den demokratischen Teilregimen A und B (Wahlen und politische Partizipation) niedergeschlagen. Sozioökonomische Exklusion und Ungleichheit transformierten sich in einem hohen Maße in politische Exklusion und Ungleichheit. Exklusion und Ungleichheit gingen vor allem auf Kosten des unteren Drittels der sozialen Schichten. 2. Die Transnationalisierung der Märkte und die partielle Supranationalisierung wichtiger finanz- wie wirtschaftspolitischer Entscheidungen haben zu einem signifikanten Entscheidungs- und Kontrollverlust der Parlamente gegenüber der Exekutive geführt (Teilregime D: Horizontale Gewaltenkontrolle). Gleichzeitig hat die Transnationalisierung der Märkte auch zu einer Abnahme der Eingriffsmöglichkeiten der nationalen Regierungen gegenüber den globalisierten Märkten geführt (Teilbereich E: Effektive Regierungsgewalt). Dies wurde nicht zuletzt in der Finanzkrise sichtbar, als die grotesken Verluste jener Finanzbranchen‚systemisch erzwungen‘ – sozialisiert wurden, nachdem diese unter politischer Hilfestellung (Deregulierung) sich mehr als zwei Jahrzehnte hemmungslos und risikobereit bereichert hatten. Der heutige Finanzkapitalismus ist in dem Maße für die Demokratie schädlich, wie er seine soziale und politische ‚Einbettung‘ gesprengt hat. Dies heißt nicht, dass der Kapitalismus inkompatibel mit der Demokratie wäre. Dies haben wir in

334

Jürgen Kocka und Wolfgang Merkel

diesem Kapitel mehr als deutlich gemacht. Die autonomieschonende Koexistenz von Kapitalismus und Demokratie gelingt am ehesten, wenn ein Verhältnis von gegenseitiger Machtbalance, Begrenzung und Verflechtung hergestellt werden kann. Die Existenz von gesicherten nichtstaatlichen Eigentumsrechten und funktionierenden Märkten stellt eine wichtige Begrenzung politischer Macht auch unter demokratischen Bedingungen dar: Sie ist ein gewichtiges Regulativ im Sinne der Gewaltenteilung, ohne die politische Macht auch in der Demokratie zu einer Gefahr für gesellschaftliche wie individuelle Freiheiten werden kann. Kapitalistisches Wirtschaften bringt überdies am ehesten Wachstum und Wohlstandsmehrung hervor, die die Legitimität demokratischer Gemeinwesen gerade auch in der Wahrnehmung der Bürger stärkt. Vor allem in seiner Verbindung mit Industrialisierung setzt Kapitalismus überdies Forderungen, Proteste und Emanzipationsbewegungen in Gang, die unter geeigneten Bedingungen zu Demokratisierungsschüben führen können, auch wenn die Akteure des Kapitalismus dies nicht beabsichtigen. Die Geschichte des Kapitalismus und der Demokratie hat das über weite Strecken immer wieder gezeigt. Doch die Strukturveränderungen, die sich mit dem beschleunigten Aufstieg eines zunehmend globalisierten und deregulierten Finanzkapitalismus seit den siebziger Jahren ergaben, haben die soziale und politische Einbettung des Kapitalismus teils gesprengt, teils reduziert und durchweg erschwert. Die Spannungen zwischen Kapitalismus und Demokratie nahmen zu. Auch hat sich die Stoßrichtung der Protestbewegungen von der ökonomischen in die kulturelle Sphäre verschoben. Das hatte seine eigene große Berechtigung. Aber im Windschatten dieser Veränderung konnten sich ökonomische Ungleichheiten, von sozialen und politischen Protesten nahezu unbelästigt, wieder stärker ausbreiten. All das hat die Demokratie vor Herausforderungen gestellt, die diese noch längst nicht bewältigt hat.

Literatur Berend, Ivan T. und Rolf Schubert. 2007. Markt und Wirtschaft: Ökonomische Ordnungen und wirtschaftliche Entwicklung in Europa seit dem 18. Jahrhundert. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Blomert, Reinhard. 2012. Adam Smiths Reise nach Frankreich oder die Entstehung der Nationalökonomie. Berlin: Die Andere Bibliothek (Buch 335). Bonica, Adam, Nolan McCarty, Keith T. Poole und Howard Rosenthal. 2013. Why Hasn’t Democracy Slowed Rising Inequality? Journal of Economic Perspectives 27 (3): 103-124. Burnham, James. 1941. The Managerial Revolution: What is happening in the World. New York: The John Day Company. Chandler, Alfred D. Jr. 1990. Scale and Scope. The Dynamics of Industrial Capitalism. New Haven: Harvard University Press. Crouch, Colin. 2004. Post-democracy. Cambridge: Polity Press.

Kapitalismus und Demokratie

335

Crouch, Colin. 2011. Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Dahrendorf, Ralf. 2009. Nach der Krise: Zurück zur protestantischen Ethik? Sechs Anmerkungen. Merkur, Nr. 720, Mai 2009. Enderlein, Henrik. 2013. Das erste Opfer der Krise ist die Demokratie: Wirtschaftspolitik und ihre Legitimation in der Finanzmarktkrise 2008-2013. Politische Vierteljahresschrift PVS 54 (4): 714-739. Esping-Andersen, Gøsta. 1990. The Three Worlds of Welfare Capitalism. Cambridge: Polity Press. Fraenkel, Ernst. 1974[1964]. Deutschland und die westlichen Demokratien. Stuttgart: Kohlhammer, 6. Aufl. Freedom House. 2010. Freedom in the World. http://www.freedomhouse.org/report/freedom-world/ freedom-world-2010#.Uu_OLrS2yF8. Zugegriffen: 22. Januar 2014. Hacker, Jacob S. und Paul Pierson. 2010. Winner-Take-All Politics: How Washington Made the Rich Richer – and Turned Its Back on the Middle Class. New York: Simon & Schuster. Hall, Peter A. und David Soskice. Hrsg. 2001. Varieties of Capitalism. The Institutional Foundation of Comparative Advantage. Oxford: Oxford University Press. Harvey, David. 2007. A Brief History of Neoliberalism. Oxford: Oxford University Press. Hayek, Friedrich August von. 2003. Recht, Gesetz und Freiheit. Tübingen: Mohr. Heires, Marcel und Andreas Nölke. 2013. Finanzialisierung. In Theorien der Internationalen Politischen Ökonomie, hrsg. Joscha Wullweber, Antonia Graf und Maria Behrens, 253266. Wiesbaden: Springer VS. Heires, Marcel und Andreas Nölke. Hrsg. 2014. Politische Ökonomie der Finanzialisierung. Wiesbaden: Springer VS. James, Harold. 2015. Finance Capitalism. In The Comeback of an Outdated Concept, hrsg. Jürgen Kocka und Marcel van der Linden. Cambridge: Cambridge University Press (i. E.). Kitschelt, Herbert. 2001. Politische Konfliktlinien in westlichen Demokratien. Ethnisch-kulturelle und wirtschaftliche Verteilungskonflikte. In Schattenseiten der Globalisierung. Rechtsradikalismus, Rechtspopulismus und separatistischer Regionalismus in westlichen Demokratien, hrsg. Wilhelm Heitmeyer und Dietmar Loch, 418-442. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Kocka, Jürgen. 2012. Grenzen von Markt und Staat. Neue Gesellschaft / Frankfurter Hefte 9, S. 38-40. Kocka, Jürgen. 2013. Geschichte des Kapitalismus. München: C.H. Beck Verlag. Lacewell, Onawa Promise und Wolfgang Merkel. 2013. Value Shifts in European Societies: Clashes between Cosmopolitanism and Communitarianism. In Progressive Politics after the Crash. Governing from the Left, hrsg. Olaf Cramme, Patrick Diamond und Michael McTernan, 77-95. London: I.B. Tauris. Lash, Scott und John Urry. 1987. The End of Organized Capitalism. Madison: The University of Wisconsin Press. Lembcke, Oliver W., Claudia Ritzi und Gary S. Schaal. Hrsg. 2012. Zeitgenössische Demokratietheorie, Bd. 1: Normative Demokratietheorien. Wiesbaden: Springer VS. Luhmann, Niklas. 1984. Soziale Systeme: Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt am Main: suhrkamp taschenbuch wissenschaft. Manin, Bernard. 1997. The Principles of Representative Government. Cambridge: Cambridge University Press.

336

Jürgen Kocka und Wolfgang Merkel

Merkel, Wolfgang. 2004. Embedded and Defective Democracies. Special Issue of Democratization: Consolidated or Defective Democracy? Problems of Regime Change, hrsg. Aurel Croissant und Wolfgang Merkel, 11 (5): 33-58. Merkel, Wolfgang. 2010. Systemtransformation. Eine Einführung in die Theorie und Empirie der Transformationsforschung. Wiesbaden: VS-Verlag für Sozialwissenschaften, 2., überarb. u. erw. Aufl. Merkel, Wolfgang. 2013. Die Krise der Demokratie als Forschungsprogramm. In Staats­ tätigkeiten, Parteien und Demokratie. Festschrift für Manfred G. Schmidt, hrsg. Klaus Armingeon, 471-495. Wiesbaden: Springer VS. Merkel, Wolfgang und Alexander Petring. 2012. Politische Partizipation und demokratische Inklusion. In Demokratie in Deutschland. Zustand – Herausforderungen – Perspektiven, hrsg. Tobias Mörschel und Christian Krell, 93-119. Wiesbaden: Springer VS. Merkel, Wolfgang, Christoph Egle, Christian Henkes, Tobias Ostheim, Alexander Petring. 2006. Die Reformfähigkeit der Sozialdemokratie. Herausforderungen und Bilanz der Regierungspolitik in Westeuropa. Wiesbaden: VS-Verlag für Sozialwissenschaften. Merkel, Wolfgang. Hrsg. 2015. Mythos Volksabstimmungen. Wiesbaden: Springer VS, im Erscheinen. Mudde, Cas und Cristóbal Rovira Kaltwasser. 2013. Exclusionary vs. Inclusionary Populism: Comparing Contemporary Europe and Latin America. Government and Opposition 48 (2): 147-174. Offe, Claus. 1984. Contradictions of the Welfare State. Cambridge: The MIT Press. Offe, Claus. 2003. Herausforderungen der Demokratie. Frankfurt am Main: Campus. Piketty, Thomas. 2014. Capital in the Twenty-First Century. Cambridge: Harvard University Press. Polanyi, Karl. 1944. The Great Transformation. New York: Rinehart. Przeworski, Adam. 1986. Paper Stones: A History of Electoral Socialism. Chicago: The University of Chicago Press. Rosa, Hartmut. 2012. Weltbeziehungen im Zeitalter der Beschleunigung. Berlin: Suhrkamp. Rosa, Hartmut und William Scheuermann. 2009. High-Speed Society: Social Acceleration, Power and Modernity. University Park: The Pennsylvania State University Press. Sandel, Michael J. 2012. Was man für Geld nicht kaufen kann. Die moralischen Grenzen des Marktes. Berlin: Ullstein. Schäfer, Armin. 2010. Die Folgen sozialer Ungleichheit für die Demokratie in Westeuropa. Zeitschrift für Vergleichende Politikwissenschaft 4 (1): 131-156. Scharpf, Fritz W. 2011. Monetary Union, Fiscal Crisis and the Preemption of Democracy. MPIfG Discussion Paper 11/11. Köln: Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung. Scharpf, Fritz W. 2012. Kann man den Euro retten ohne Europa zu zerstören, Ms. 12.4.2012. Scheuermann, William. 2004. Liberal Democracy and the Social Acceleration of Time. Baltimore: The Johns Hopkins University Press. Schmitt, Carl. 1996[1931]. Der Hüter der Verfassung. Berlin: Duncker & Humblot, 4. Aufl. Schmitter, Philippe C. 1974. Still the Century of Corporatism? The Review of Politics 36 (1): 85-131. Schmitter, Philippe C. 1982. Reflections on Where the Theory of Neo-Corporatism Has Gone and Where the Praxis of Neo-Corporatism may be Going. In Patterns of Corporatist Policy-Making, hrsg. Gerhard Lehmbruch und Philippe C. Schmitter, 259-279. Beverly Hills: Sage Publications.

Kapitalismus und Demokratie

337

Simmerl, Georg. 2012. „Europäische Schuldenkrise“ als Demokratiekrise. Zur diskursiven Interaktion zwischen Politik und Finanzmarkt. Berliner Debatte Initial 23: 108-124. Soros, George. 1998. The Crisis of Global Capitalism: Open Society Endangered. New York: Public Affairs. Strange, Susan. 1986. Casino Capitalism. Oxford: Basil Blackwell. Streeck, Wolfgang. 2009. Re-Forming Capitalism. Institutional Change in the German Political Economy. Oxford: Oxford University Press. Streeck, Wolfgang. 2013a. Gekaufte Zeit. Die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus. Berlin: Suhrkamp. Streeck, Wolfgang. 2013b. Vom DM Nationalismus zum Europatriotismus. Eine Replik auf Jürgen Habermas. Blätter für deutsche und internationale Politik 9: 75-92. Walzer, Michael. 1983. Spheres of Justice: a Defense of Pluralism and Equality. New York: Basic Books. Windolf, Paul. Hrsg. 2005. Finanzmarkt-Kapitalismus. Analysen zum Wandel von Produktionsregimen. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie Sonderheft 45/2005. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Winkler, Heinrich A. Hrsg. 1974. Organisierter Kapitalismus. Voraussetzungen und Anfänge. Göttingen: Vandenhoek & Rupprecht. Zürn, Michael. 1998. Regieren jenseits des Nationalstaates: Globalisierung und Denationalisierung als Chance. Frankfurt am Main: Suhrkamp.