KiFaZ revisited

ICH ... – meine Leidenschaften und Hobbys ein Fotoprojekt von Andreas Balzke und dem HDJ Stellingen Der Fotograf und Honorarkollege im Haus der Jugend Stellingen, Andreas Balzke, hat mit den Mädchen und Jungen daran gearbeitet, wie sie sich selber sehen. Einige der eindrucksvollen Bilder sind in diesem FORUM zu sehen. Die Fotoausstellung des Hauses für Jugend Kultur und Stadtteil Stellingen widmet sich den jugendlichen BesucherInnen des Hauses. Sie zeigen hier ihre ganz persönlichen Leidenschaften und Interessen. Jedes Bild zeigt einen individuellen

Andreas Balzke Foto: A. Balzke

arbeitet seit 1996 als Erzieher im Haus für Jugend Kultur und Stadtteil Stellingen. Sein Schwerpunkt ist die kreative Bildungsarbeit im Bereich Musik, Fotografie und Computergrafik.

Charakter und gibt dem Betrachter die Möglichkeit einen Blick auf eine Persönlichkeit zu werfen, die man vielleicht so nicht immer wahrnimmt. Als Alternative zu Facebook u.a., kann diese Ausstellung auch als eine kreativere Form der Selbstdarstellung verstanden werden. Die 20 gerahmten Drucke 30x40 cm hängen im HdJ-Stellingen und können dort betrachtet werden.

Kinder- und Familienzentren gibt es in Hamburg seit fast 20 Jahren. Sie waren der Hamburger Einstieg in eine bis heute währende Reihe von Modellen und Programmen, immer mit dem Ziel, den Hilfen zur Erziehung flexiblere, weniger stigmatisierende, auch antragsungebundene und – nicht zuletzt – haushaltspolitisch steuerbarere Hilfe- und Unterstützungsangebote für Familien gegenüberzustellen. Timm Kunstreich hat damals – zusammen mit Langhanky, Frieß und Hußmann – die KiFaZ-Arbeit ausführlich beobachtet und die Ergebnisse in dem gemeinsamen Buch „Erfolgreich sozial-räumlich handeln“ vorgestellt. Im folgenden Beitrag zeichnet er den weiteren Verlauf nach und vergleicht das politische Anliegen, die HzE soweit möglich durch Sozialraumangebote zu ersetzen, mit dem schon vorher gescheiterten Versuch, Heimerziehung durch die ambulante Familienhilfe zu substituieren.

Formlose Beratung und intensive Hilfen unter einem Dach von Timm Kunstreich Im Mai 1995 publizierten zwei Mitarbeiter des Amtes für Jugend der Freien und Hansestadt Hamburg (Günther Finke und Klaus-Dieter Müller 1995) ein „Rahmenkonzept Hamburger Kinder- und Familienhilfezentren“. In diesem Rahmenkonzept wurde festgelegt, dass anstelle der immer teurer werdenden Hilfen zur Erziehung von den Kinder- und Familienhilfezentren folgende unterschiedliche Hilfen und Aktivitäten zu entwickeln seien:

„Hilfen zur Erziehung, die antragsgebunden, zeitintensiv und längerfristig angelegt sind, die sich bzgl. der Kostenfolgen konkreten Personen (...) zuordnen lassen. u Einmalige und/oder über kürzere Zeiträume angelegte Beratung, kurzfristige Betreuung von Kindern, praktische Unterstützung bei den verschiedensten Problemstellungen, also Hilfen und Aktivitäten im Rahmen so genannter formloser Verfahren und zu unterschiedlichsten Anlässen (...)

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u Einbindung von Angeboten und Aktivitäten aus anderen Hilfe- und Sozialsystemen (...) u Organisieren von Freizeit- und Ferien- und Erholungsmaßnahmen.“ (Finke/Müller 1995, in: Langhanky u.a. 2004:62ff.). u

Zusammenfassend kann man sagen, dass die zu errichtenden Zentren das Konzept „Hilfen aus einer Hand“ praktisch umsetzen sollten. Mit dem Rahmenkonzept wird deutlich der sozial-räumliche Bezug unterstrichen, auch wenn der sozial-administrative Zweck der Umverteilung bzw. Reduzierung der Kosten deutlich zu spüren bleibt. Die Ziele sind entsprechend: u „Das Mitgestalten von Lebenswelten und sozial-räumlichen Kontexten. u Die Verbesserung von Lebens- und Sozialisationsbedingungen. (...) u Die soziale Vernetzung, Stärkung von Handlungskompetenz und Selbsthilfepotentialen der Betroffenen. u Aktivierung ehrenamtlichen Engagements“ (Finke/Müller 1995). Auf dieser Basis bildeten sich in den sieben Hamburger Bezirken acht KiFaZ (in Wandsbek wurde mit dem zur Verfügung stehenden Budget zwei „halbe“ Einrichtungen aufgebaut). Mit diesem Projekt wurde versucht, zwei bis dahin zueinander im Gegensatz stehende Entwicklungstendenzen in der Praxis miteinander zu verbinden oder zu verkoppeln: das Substitutionsmodell und das Sozialraum-Modell.

Die Versuche, stationäre Heimplätze durch ambulante Maßnahmen zu substituieren, haben eine lange Geschichte. Seit Inkrafttreten des KJHG, mit dem neben stationären zum ersten Mal fest umrissene ambulante Maßnahmen gesetzlich festgeschrieben wurden, traten diese Versuche in eine neue Phase. Dabei lassen sich seit 1990 drei Phasen unterscheiden. In der ersten (1990–1995/96) ging es darum, stationäre Maßnahmen durch den Ausbau der ambulanten zu ersetzen, also zu substituieren. Dieser Versuch ist gründlich gescheitert: Beide Maßnahmen stiegen enorm an, fast immer ging einer stationären mindestens eine ambulante Maßnahme voraus. Das alte Modell der Heimkarrieren wurde durch das der Maßnahmenkarrieren modernisiert – das Budget für beide Maßnahmeformen verdoppelte sich. Die zweite Phase, die ca. 1995 begann und bis Ende des letzten Jahrzehnts dauerte, ist

Im Substitutionsmodell dominiert ein administratives Einzelfallverständnis. Es stehen eigentlich nur zwei Alternativen zur Verfügung: entweder „ambulant“ oder „stationär“.

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durch eine Reihe von Modellversuchen gekennzeichnet. Regionale Modellprojekte, die Kinder- und Familienhilfezentren und nicht zuletzt die Schnittstellenprojekte sollten neue Substitutionsmöglichkeiten aufzeigen. Das, was die ambulanten Maßnahmen an Substitution nicht schafften, sollten jetzt die offenen Angebote in der Kinder- und Jugendarbeit bzw. in der Familienbildung und -hilfe erreichen. Jetzt ging es in erster Linie nicht mehr um die Substitution der stationären Angebote, sondern um die der ambulanten. Auch dieses Vorhaben misslang. Wie bekannt steigt der Etat der Hilfen zur Erziehung bis heute kontinuierlich an. Mit der Erweiterung und Präzisierung der bisherigen Vorhaben durch die sozial-räumlichen Hilfen und Angebote (SHA) hofft man in der zur Zeit laufenden dritten Phase, zumindest den Anstieg der Kosten zu stoppen, möglichst sogar zu reduzieren. Es gibt allerdings keinen plausiblen Grund anzunehmen, warum nicht dasselbe passieren sollte wie mit der misslungenen Substitution von stationären Plätzen, dass nämlich über die Inanspruchnahme offener Angebote die ambulanten (und über diese wiederum die stationären) Maßnahmen steigen werden. Die Tatsache, dass nicht unbeträchtliche Mittel aus dem HzE-Budget in den letzten Jahren in die SHA-Projekte geflossen sind und noch weiter fließen werden, hat die Logik des Substitutionsmodells keinesfalls außer Kraft gesetzt.

Das Sozialraum-Modell ist nicht neu. Im Gegenteil, schon in den 1970er Jahren wurde es unter dem Aspekt der Neuorganisation Sozialer Dienste z.B. als „RAG“ – Regionale Arbeits-

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gruppen – ins Gespräch gebracht. Allerdings konnten sich derartige Projekte nicht durchsetzten. In der Praxis blieb es vor allem in Form von Stadtteilkonferenzen bestenfalls ein informelles Modell, das sehr personenabhängig und somit sehr unbeständig blieb. Diese Unbeständigkeit ist auch der Grund dafür, dass sich daraus keine etablierte Praxis entwickeln konnte, vergleichbar dem Substitutionsmodell. Lediglich eine gewisse Anerkennung erfuhr dieses Modell in Hamburg durch die Richtlinie zur stadtteilorientierten Arbeit von 1989. Was es diesem Modell so schwer macht, ist seine Abhängigkeit von (fach-)politischen Entscheidungen und von dem institutionellen Vorrang der Konditionalprogramme bei den wichtigsten kommunalen und freien Entscheidungsträgern („… wenn Situation X, dann Entscheidung Y“). Die wichtigsten Unterschiede zwischen beiden Modellen zeichnet – zur Verdeutlichung etwas überspitzt – die folgende Übersicht:

Im Substitutionsmodell dominiert ein administratives Einzelfallverständnis. Es stehen eigentlich nur zwei Alternativen zur Verfügung: entweder „ambulant“ oder „stationär“. In ihnen gibt es zwar eine Reihe von Varianten – entsprechend den Paragraphen des KJHG –, aber die sind häufiger weniger wichtig als die in der Praxis geltenden Haushaltsvorgaben, internen Weisungen, Zeichnungsvorbehalte, die Wahl eines Trägers nach Maßgabe freier Plätze oder die Vorschrift, bestimmte Träger vorrangig zu berücksichtigen – nicht zu vergessen Absprachen im Team, usw.. Die Einhaltung dieser Vorgaben verspricht „Verbindlichkeit“, die den Trägern eine relative Handlungssicherheit gibt. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen muss z.B. die Kollegin im ASD als fallführende Fachkraft handeln, d.h. entscheiden. Da im Prinzip nur diese beiden Alternativen zur Verfügung stehen und da sie sich nie sicher sein kann, ob mit der gefällten Entscheidung auch der gewünschte Erfolg eintritt, ist mit dieser Handlung zugleich die Hoffnung verbunden, dass die Maßnahme/die Entscheidung in die Lebensge-

Eine Änderung wird erst dann möglich sein, wenn konsequent zum Sozialraum-Modell des „Lernens durch Erfolg“ übergegangen wird. schichte und die Lebensverhältnisse der Klienten passt, oder zumindest passend gemacht werden kann. Selbst wenn es gelingen sollte, Teile oder Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit oder anderer Anbieter im Stadtteil in dieses Substitutionsprogramm einzubeziehen – was ja eine Reihe von Rückwirkungen auf diese Träger hat, die momentan heftig diskutiert werden –, selbst dann würde sich der Entscheidungsspielraum zwar erweitern, aber nicht in seiner Grundstruktur ändern. Im Gegenteil, das Substitutionsmodell würde sich stabilisieren. Eine Änderung wird erst dann möglich sein, wenn konsequent zum Sozialraum-Modell des „Lernens durch Erfolg“ übergegangen wird. Was bei diesem Modell besticht ist, dass die regionale Kooperation nicht auf Einzelfälle ausgerichtet ist, sondern auf Veränderungen im Feld, d.h. auf die „erfolgreiche“ Kooperation in den vielfältigen Beziehungsgeflechten unterschiedlicher Sozialräume. In den Schnittstellen der Kooperation von sozialen Milieus und Trägern im Stadtteil entstehen viele neue Settings, die jeweils einer spezifischen Nachfrage entsprechen und die aus der Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer vor allem eines gewährleisten: „Verlässlichkeit“ (vgl. Kunstreich 2012a). Will nun die Kollegin vom ASD hier einen „Einzelfall“ unterbringen, müssen sie und die Fachkräfte, die für dieses Setting zuständig sind, prüfen, wie das Kind, die Jugendliche, die Mutter, die Familie in dieses Setting hineinkommen kann (falls sie dort nicht schon vorher eingebunden waren).

Aus der Perspektive praktischer Handlungen und Entscheidungen gesehen ergeben sich so mindestens eine, in der Regel aber mehrere andere Alternativen in Form von kombinierten Hilfen, Entlastungen und Unterstützungen. Auch hier ist es offen, wie es praktisch weiter geht. Dadurch aber, dass mehrere Settings mit unterschiedlichen Perspektiven einbezogen sind, ergibt sich eine große Wahrscheinlichkeit, dass der Besonderheit der jeweiligen Situation entsprechend auch

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Varianten in den Settings gefunden werden, die den Entwicklungsmöglichkeiten der Adressaten entsprechen, bzw. ihren Vorstellungen. Derartige Verfahren können Alternativen in HzE-Maßnahmen sein, sie können aber auch Alternativen zu ihnen sein (vgl. Kunstreich 2012b). Was jeweils zutrifft, ist eine praktische Frage. Zu ihr gehört allerdings auch die Frage nach einer „regionalen Versorgungsverpflichtung“ durch derartige regionale Settings, d.h. die Gewährleistung, auch so genannte „schwierige Fälle“ in den sozialräumlichen Kontexten zu bewältigen. Wie die Praxis derartiger sozial-räumlicher Settings aussieht und wie sie erfolgreich praktiziert werden kann, haben wir in der Evaluation der acht KiFaZ herausgearbeitet (Langhanky u.a. 2004). Auch wenn diese inzwischen fast zehn Jahre alt ist, sind die praxis-orientierten Anregungen, die mit der Evaluation verbunden sind, weiterhin gültig. Man fragt sich eher, warum es nicht mehr KiFaZ gibt, warum nicht in jedem Stadtteil so etwas wie ein KiFaZ-Setting entwickelt worden ist. Anregungen dazu sollen die folgenden Ausschnitte aus der Evaluation geben. Auch wenn sich in allen KiFaZ vergleichbare Strukturen herausgebildet haben, ist das herausragende Kennzeichen jeder Einrichtung ihre jeweils einzigartige Einpassung in den lokalen Kontext.

4. zum anderen – und das meint der 4. Handlungskreis – werden hier Arbeitsansätze des Quartiersmanagements realisiert. Da in den ersten Verhandlungskreis – der Binnenstruktur – der relationale Zusammenhang zwischen interner Struktur und nach außen gerichteter Verantwortlichkeit besonders deutlich wird, soll dieser abschließend dargestellt werden.

1. Offene und vielfältige Zugänge schaffen: Die Kinderund Familienhilfezentren haben sich eine Vielfalt an Öffnungen und Zugängen geschaffen. „Kein KiFaZ ist auf nur eine Art des Zugangs spezialisiert. So kann eine Kontaktaufnahme über einen Mittagstisch oder …[durch einen Cafébereich der Einrichtung oder dergleichen] erfolgen. Nutzer erleben die KiFaZ im Zugang als unkonventionell: Sie kommen direkt, über Verweisungszusammenhänge, Öffentlichkeitsarbeit, aus Neugierde und ohne Anliegen, zum Kaffeetrinken oder Mittagessen etc.“ (Langhanky u.a. 2004:95f.) .

2. Schwellen bewusst gestalten: Alle Zentren legen eine hohe Aufmerksamkeit auf das Gestalten ihrer Schwellen. Die Ähnlichkeiten der acht KiFaZ unterstreichen das folgenEine mögliche Schwellenangst wird in den KifaZ durch bede Schaubild und die dazugehörigen Erläuterungen: stimmte Vorkehrungen gemildert, z.B. durch ein Café oder einen offenen Kommunikationsraum. Wichtig ist jedoch, dass z.B. Schaubild: Die vier Handlungskreise der Kinder- und Familienzentren das Café nicht nur einen Anziehungspunkt darstellt, um dem Nutzer den Zugang zu ermöglichen. Es ist „gleichzeitig ein Medium für eine Binnenstruktur sich anschließende Hilfeleistung. Subjektorientierung Beratungsprozesse beispielsweise Kooperationspraxis werden in den meisten KifaZ aus solchen Alltagssituationen heraus Quartiersbezug initiiert – nicht in klassischen Beratungs-Settings“. Vielfältige Zugangsmöglichkeiten verschaffen dem Nutzer nicht das Gefühl, sich in (Aus: Langhanky 2004 u.a.2004: 90) erster Linie als Hilfeempfänger zu fühlen. Dem Nutzer wird darüber hinaus mit „Symbolen des Willkom1. Der erste Handlungskreis – die Binnenstruktur – meint, dass men-Seins und der Gastfreundschaft begegnet (z.B. Tee die KiFaZ spezifische Arbeitsprinzipien entwickelten, die und Kaffee im Wartebereich)“ (a.a.O.:98). sich auf ihre Binnenstruktur als Organisation, als Anbieter von Dienstleistungen und Sozialer Arbeit beziehen. 2. Im zweiten Handlungskreis – der Subjektorientierung – haben die KiFaZ eigene Prinzipien eines subjektorientierten Ansatzes professionellen Handelns mit ihren Adressaten entwickelt, bei dem das bekundete Anliegen handlungsleitend ist. 3. Im dritten Handlungskreis – der Kooperationspraxis – spiegelt sich die quartiersspezifische Dimension ihres Arbeitsansatzes wider. Dieser wird zum einen in der Kooperation mit Trägern, Behörden und Institutionen im Quartier entfaltet,

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3. Für alles zuständig sein, aber nicht alles selbst machen: Alle Zentren sind im Zugang entspezialisiert. Sie zeigen sich als „Anlaufstelle für alle Lebensfragen und einem Bürgerzentrum im Quartier“ (a.a.O.). Sie signalisieren eine breite Angebotsvielfalt und primäre Allzuständigkeit. Dabei muss das Angebot einer Nachfrage aus dem Stadtteil oder einem festgestellten Bedarf folgen. Dann ist zu prüfen, „ob das KiFaZ oder besser ein anderer Träger oder Bürger selbst das Angebot realisieren [kann].“ Beispielsweise leistet ein KiFaZ Anschubfinanzierung für Initiativen. „Hiermit wird die Absicht verfolgt, den Bedarf zunächst aufzunehmen und erst dann

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Foto: A. Balzke

meisten der KiFaZ gehen mit dieser Grundlage so um, dass sie sich verantwortlich antwortend auf Bedarfe zeigen. Sie stellen Mittel zur Verfügung, z.B. übernehmen sie die finanzielle Verantwortung für Kooperationsprojekte. Sie nutzen dabei gleichzeitig die vorhandenen Ressourcen und versuchen, Professionelle anderer Einrichtungen einzubeziehen, um die Breite vorhandener Projekte und Angebote zu steigern (a.a.O.:103f.). Die relativ hohe finanzielle Sicherheit bildet eine wesentliche Grundlage für gelingende Kooperation. Umgekehrt sind die KiFaZ auch auf die lokale Infrastruktur angewiesen, um Kooperationen zu realisieren, also auf Schulen, Kirchengemeinden, HzE-Träger, Bürgerinitiativen, der Polizei, dem ASD, dem Sozialamt, Kulturvereinen, Flüchtlingsberatungsstellen, Spielplatzinitiativen, Stadtteilbüros, Selbsthilfegruppen, der Mütterberatungsstelle, Hebammen und Krankenhäusern, dem Gesundheitsamt, Kindertagesstätten, Jugendzentren, Straßensozialarbeitern, Ärzten, Wohngruppen für Behinderte, den Sportvereinen, usw. Zusammen gefasst und zugespitzt: Vom KiFaZ kann man lernen, wie institutionelle Verbindlichkeit im Geflecht sozialräumlicher Aktivitäten zur Bedingung einer Verlässlichkeit für die NutzerInnen wird.

Literatur:

ggf. weiter zu vermitteln. Damit verbunden ist eine „Allzuständigkeit. Foto: A. Balzke Die KiFaZ beschränken sich nicht auf ihre Angebote, sie verweisen die Bürger mit ‚anderen‘ Bedarfen nicht weiter; vielmehr werden neue Bedarfe als Aufforderung verstanden, das Angebot zu überdenken und gleichzeitig den angemeldeten Bedarf vorerst provisorisch zu befriedigen“ (a.a.O.:99). 4. Unterschiedliche, aber gleichwertige Mitgliedschaften ermöglichen: Durch ihre primäre Entspezialisierung und Allzuständigkeit streben die KiFaZ-Mitarbeiter einen Ausgleich in der Hierarchie zwischen Besucher und Professionellen an. Wir haben eine Durchlässigkeit der Mitgliedschaften im KiFaZ vorgefunden. So können Bürger, die das KiFaZ besuchen, „vom Nutzer zum Anbieter werden, vom Hilfe-Adressaten zum Organisationsmitglied.“ (a.a.O.:100) Es besteht daher eine besondere Aufmerksamkeit für die Kompetenzen und Interessen der Besucher. 5. Arbeitsweisen auf die Anforderungen aus dem Feld ausrichten: Die Zentren arbeiten nicht im klassischen Sinne auftragsgebunden. „Sie müssen sich in einem komplexen Feld von Interessen, Bedarfen, Problemlagen und Lebenswelten bewegen und bewähren. (...) Organisationsstrukturen werden [dabei) so geregelt, dass sie bei veränderten Nachfragen oder Umweltsituationen relativ leicht umgebaut werden können“ (a.a.O.:101). 6. Verlässliche und responsive Finanzgrundlage sichern: Durch die Zuwendungsfinanzierung der KiFaZ entsteht eine (relativ) sichere und verbindliche Finanzgrundlage. Die

Finke, G., Müller, K.-D. (1995): Rahmenkonzept Hamburger Kinder-und Familienhilfezentren, Hamburg (Dokument des Amtes für Jugend) Freire, P. (1973): Pädagogik der Unterdrückten, Reinbek Kunstreich, T. (2012a): Sozialer Raum als „Ort verlässlicher Begegnung“. Ein Essay über Verbindlichkeit und Verlässlichkeit, in: Widersprüche, Heft 125, S. 87-92 Kunstreich, T. (2012b): Nutzung der sozialen Infrastruktur. Eine exemplarische Untersuchung in zwei Hamburger Stadtteilen (Lenzsiedlung und Schnelsen-Süd), Hamburg (Fachamt Jugend-und Familienhilfe Eimsbüttel – Region 2) Langhanky, M., Frieß, C., Hußmann, M., Kunstreich, T. (2004): Erfolgreich sozial-räumlich handeln. Die Evaluation der Hamburger Kinder-und Familienhilfezentren, Bielefeld

Prof. Dr. Timm Kunstreich leitete von 1986 bis 1992 das Referat Aus-und Fortbildung im Hamburger Landesjugendamt. Danach war er bis zu seiner Pensionierung 2009 Hochschullehrer an der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie in Hamburg.

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