Heranziehung von IDW Standards bei der Bewertung von Transferpaketen im Rahmen der Besteuerung von Funktionsverlagerungen

Herrn Bundesminister der Finanzen Dr. Wolfgang Schäuble 11016 Berlin Düsseldorf, 9. August 2011 608 Heranziehung von IDW Standards bei der Bewertung...
Author: Lena Esser
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Herrn Bundesminister der Finanzen Dr. Wolfgang Schäuble 11016 Berlin

Düsseldorf, 9. August 2011 608

Heranziehung von IDW Standards bei der Bewertung von Transferpaketen im Rahmen der Besteuerung von Funktionsverlagerungen Sehr geehrter Herr Bundesminister, das Bundesministerium der Finanzen hat am 13.10.2010 das BMF-Schreiben „Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen nahe stehenden Personen in Fällen von grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen (Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung)“ herausgegeben. Die Finanzverwaltung verweist in diesen Verwaltungsgrundsätzen für die Bewertung von Transferpaketen an mehreren Stellen auf die Standards IDW S 1 und IDW S 5. Nach unserer Auffassung ist die Heranziehung dieser Standards im Rahmen der Funktionsverlagerung sachlich nicht oder nur eingeschränkt zu rechtfertigen. Das BMF-Schreiben bedarf daher insoweit der Änderung. Im Einzelnen möchten wir hierzu Folgendes ausführen: 1.

Unterschiedliche Bewertungsanlässe und Bewertungsobjekte

Bewertungsanlässe i.S. des § 1 Abs. 3 AStG sind Funktionsverlagerungen aus Deutschland in das Ausland und umgekehrt, wenn für das Transferpaket keine zumindest eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte festgestellt werden können mit der Folge, dass im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs eine Bewertung des Transferpakets als Ganzes vorzunehmen ist. Als Transferpaket definiert § 1 Abs. 3 FVerlV die übertragenen oder zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile sowie die in diesem

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Zusammenhang erbrachten Dienstleistungen, die in ihrem funktionsbezogenen Zusammenhang zu bewerten sind. Die Bewertungsanlässe für Unternehmensbewertungen nach IDW S 1 sind dem gegenüber vielfältig. Sie können sich im Zusammenhang mit unternehmerischen Initiativen, aus Gründen der externen Rechnungslegung, aus gesellschaftsrechtlichen oder anderen gesetzlichen Vorschriften bzw. vertraglichen Vereinbarungen oder aus sonstigen Gründen ergeben (vgl. IDW S 1, Tz. 8 ff.). Für die Unternehmensbewertung nach IDW S 1 ist der Bewertungszweck maßgebend. In Abhängigkeit vom Bewertungszweck ist zwischen dem objektivierten Unternehmenswert, dem subjektiven Entscheidungswert und dem Einigungswert zu unterscheiden (IDW S 1, Tz. 17). Bewertungsobjekt ist die wirtschaftliche Unternehmenseinheit. Sie wird nach betriebswirtschaftlichen Kriterien abgegrenzt und ist durch die Unternehmensbereiche gekennzeichnet, die in ihrem Zusammenwirken finanzielle Überschüsse erwirtschaften (IDW S 1, Tz. 18 ff.). Steuerlich kommt dieser wirtschaftlichen Unternehmenseinheit der originäre Teilbetrieb im Sinne eines organisch geschlossenen, organisatorisch selbstständigen und für sich allein lebensfähigen Unternehmensteils nahe. Sofern es sich nicht um Unternehmens- oder Teilbetriebsübertragungen handelt, steht einer Anwendung von IDW S 1 auf die Bewertung von Transferpaketen (Tz. 89 Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung) entgegen, dass die Bewertungsobjekte nicht identisch sind, etwa im Hinblick auf die zum Transferpaket gehörenden Dienstleistungen. Darüber hinaus resultiert aus der Anwendung eines Bewertungsverfahrens nach IDW S 1 nicht der Wert des Transferpakets, sondern ein vom Bewertungszweck bestimmter Unternehmenswert, der nicht den Anforderungen entspricht, die der Gesetzgeber an die Bewertung des Transferpakets im Rahmen eines hypothetischen Fremdvergleichs stellt. Bewertungsanlässe i.S. des IDW S 5 sind u.a. der Erwerb oder die Veräußerung von immateriellen Werten oder von Unternehmensteilen, deren Werthaltigkeit wesentlich durch immaterielle Werte begründet wird, die Bewertung für Zwecke der Unternehmenssteuerung oder die Bewertung im Rahmen der externen Berichterstattung (IDW S 5, Tz. 4 ff.). Bewertungsobjekt im Sinne dieses Standards ist grundsätzlich der einzelne Vermögenswert (IDW S 5, Tz. 12). Eine Gesamtbewertung kommt ausschließlich für zusammenhängende immaterielle Vermögenswerte in Betracht, die eine Bewertungseinheit bilden, oder – bezogen auf den konkreten Einzelfall – wenn die Einzelbewertung wirtschaftlich nicht sinnvoll erscheint. Nach Tz. 89 Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung wird die Anwendung eines Bewertungsverfahrens nach IDW S 5 als naheliegend angesehen, wenn

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Gegenstand der Funktionsverlagerung vor allem immaterielle Wirtschaftsgüter sind. Ein Bewertungsverfahren nach IDW S 5 ist jedoch nur sachgerecht, wenn jedes einzelne immaterielle Wirtschaftsgut als Bewertungsobjekt fungiert. Die Bewertung einer Gesamtheit immaterieller Vermögenswerte nach IDW S 5 stellt eine einzelfallbezogene Ausnahme dar und umfasst als Bewertungsobjekt nur die immateriellen Vermögenswerte, die als Einheit zusammengefasst werden können. Diese Bewertungseinheit stimmt mit dem Bewertungsobjekt Transferpaket regelmäßig nicht überein. Das BMF-Schreiben bedarf insoweit der Änderung als klargestellt werden muss, dass die Standards IDW S 1 und IDW S 5 nicht uneingeschränkt auf die Bewertung von Transferpaketen anzuwenden sind. 2.

Eigenständiges steuerliches Bewertungsverfahren

Für die Bewertung von Transferpaketen im Rahmen von Funktionsverlagerungen gibt § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG ein eigenständiges Bewertungsverfahren vor, wenn sich der Wert des Transferpakets nicht aus zumindest eingeschränkt vergleichbaren Referenzwerten ableiten lässt. Ein Transferpaket ist danach unter Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs zu bewerten. Dazu ist zunächst der Einigungsbereich zu ermitteln. Nach der für die Einigungsbereichsermittlung geltenden Bewertungsvorschrift des § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG kommt ein zweiseitiges Bewertungskonzept zum Tragen: Für das verlagernde Unternehmen ist der Mindestpreis und für das übernehmende Unternehmen der Höchstpreis für das Transferpaket zu ermitteln. Ein dadurch entstehender Einigungsbereich (Mindestpreis = Preisuntergrenze des Verkäufers/Höchstpreis = Preisobergrenze des Käufers) wird von den jeweiligen Gewinnerwartungen (Gewinnpotenzialen) bestimmt. Die Preisuntergrenze des Einigungsbereichs ergibt sich nach § 7 Abs. 1 Satz 1 FVerlV aus dem Ausgleich für den Wegfall oder die Minderung des Gewinnpotenzials zuzüglich der gegebenenfalls anfallenden Schließungskosten. Die Preisobergrenze des Einigungsbereichs bestimmt sich nach § 7 Abs. 4 FVerlV als Gewinnpotenzial des übernehmenden Unternehmens aus der übernommenen Funktion. Nach § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG hat der Steuerpflichtige den Preis im Einigungsbereich der Einkünfteermittlung zugrunde zu legen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht. Wird kein anderer Wert glaubhaft gemacht, soll grundsätzlich der Mittelwert angesetzt werden. Das eigenständige steuerliche Bewertungsverfahren für Transferpakete ist folglich durch drei Bewertungsschritte gekennzeichnet:

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die Ermittlung der Preisuntergrenze des Verkäufers,



die Ermittlung der Preisobergrenze des Käufers/Übernehmers und



die Preisbestimmung, aus der die Aufteilung des Einigungsbereichs folgt.

Betriebswirtschaftliche Bewertungsverfahren bilden dieses spezifische steuerliche Bewertungsverfahren nicht ab. Sie entsprechen deshalb nicht den gesetzlichen Vorgaben des § 1 Abs. 3 AStG und der Funktionsverlagerungsverordnung. Soweit nach IDW S 1 und IDW S 5 Bewertungsverfahren für Einigungswerte angesprochen werden, sind die Modalitäten im Gegensatz zu § 1 Abs. 3 AStG zwischen den Parteien frei verhandelbar (IDW S 5, Tz. 53). Angesichts des in § 1 Abs. 3 AStG normierten eigenständigen Bewertungsverfahrens kann auch nicht unterstellt werden, der Gesetzgeber habe die Bewertung von Transferpaketen im Rahmen von Funktionsverlagerungen (uneingeschränkt und ausschließlich) betriebswirtschaftlichen Bewertungsgrundsätzen unterwerfen wollen. Diese Grundsätze können deshalb im Rahmen von Funktionsverlagerungen nur ergänzend herangezogen werden. 3.

Berücksichtigung von Steuern

3.1. Berücksichtigung der persönlichen Ertragsteuern Gemäß § 1 Abs. 4 FVerlV ist bei der Ermittlung des funktionsbezogenen Gewinnpotenzials auf die jeweils zu erwartenden Reingewinne nach Steuern (Barwert) abzustellen. Die Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung sehen in Tz. 34 Satz 1 typisierend vor, dass bei Kapitalgesellschaften die Nettozuflüsse aus dem Transferpaket und aus den Alternativinvestitionen auf Anteilseignerebene einer vergleichbaren persönlichen Besteuerung unterliegen, sodass auf eine unmittelbare Berücksichtigung der Besteuerung auf Anteilseignerebene verzichtet werden kann. Diese mittelbare Typisierung der steuerlichen Verhältnisse der Anteilseigner entspricht den betriebswirtschaftlichen Bewertungsgrundsätzen nach IDW S 1, Tz. 30 u. Tz. 45. Weitergehend wird dem Steuerpflichtigen in Tz. 34, Satz 3 Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung jedoch ein Wahlrecht eingeräumt, alternativ die persönlichen Ertragsteuern der Anteilseigner zu berücksichtigen. Die Einbeziehung der persönlichen Ertragsteuern und damit der wertrelevanten steuerlichen Verhältnisse der Anteilseigner ist bei der Ermittlung des objektivierten Unternehmenswerts zwar sachgerecht. Sie entspricht aber nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Verrechnungspreisermittlung für das Transferpaket im Rahmen eines hypothetischen Fremdvergleichs und entbehrt insoweit einer Rechtsgrundlage. Nach § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG ist der hypothetische Fremdvergleich

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unter Beachtung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG durchzuführen. Für die Anwendung des Fremdvergleichs ist davon auszugehen, dass voneinander unabhängige Dritte nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln. Wegen der Bezugnahme auf die Rechtsfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters sowohl auf Seiten des verlagernden als auch auf Seiten des übernehmenden Unternehmens (sog. doppelter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter) ist die Grenzpreisermittlung (Mindestpreis des verlagernden Unternehmens, Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens) auf die Gesellschaftsebene beschränkt. Außerdem ergibt sich aus § 1 Abs. 4 FVerlV, dass die persönlichen Ertragsteuern der Anteilseigner von Kapitalgesellschaften nicht einbezogen werden dürfen. Danach sind für die Bewertung die Perspektiven des verlagernden und des übernehmenden Unternehmens maßgebend. 3.2

Erfassung weiterer Steuereffekte

3.2.1

Auffassung der Finanzverwaltung

Nach Tz. 33 Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung gehören zu den zu berücksichtigenden Steuern auch die steuerlichen Auswirkungen aus den jeweils anzusetzenden Werten des Transferpakets für das verlagernde und das übernehmende Unternehmen. In Tz. 118 Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung fordert die Finanzverwaltung, bei der Ermittlung des Mindestpreises des verlagernden Unternehmens dessen Steuerbelastung auf den Ertrag aus der Veräußerung von Bestandteilen des Transferpakets der verlagerten Funktion zu berücksichtigen. Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter des verlagernden Unternehmens soll mithin die durch die Funktionsverlagerungsbesteuerung ausgelöste Steuerbelastung auf den Veräußerungsgewinn (sog. Exit Tax) in die Kalkulation der Preisuntergrenze einbeziehen. Bei der Ermittlung des Höchstpreises des übernehmenden Unternehmens sind nach Tz. 125 Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung gleichermaßen die steuerlichen Auswirkungen aufgrund der Aufwendungen für den Erwerb von Bestandteilen des Transferpakets der verlagerten Funktion, z.B. Abschreibungen auf erworbene Wirtschaftsgüter, zu berücksichtigen. Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter des übernehmenden Unternehmens hat seiner Kalkulation somit die steuerlichen Entlastungseffekte eines erst durch die Funktionsverlagerungsbesteuerung entstehenden Abschreibungspotenzials (sog. Tax Amortisation Benefit) zugrunde zu legen. Die nach Verwaltungsansicht zwingend vorgesehene Berücksichtigung von steuerlichen Auswirkungen, die sich erst infolge der Besteuerung der Funkti-

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onsverlagerung auf Seiten des übertragenden Unternehmens (Exit Tax) und auf Seiten des übernehmenden Unternehmens (Tax Amortisation Benefit) einstellen (können), begegnet erheblichen rechtlichen Bedenken. Diese Auffassung lässt sich weder aus den gesetzlichen Vorgaben des § 1 Abs. 3 AStG und der Funktionsverlagerungsverordnung zum (hypothetischen) Fremdvergleich noch aus den OECD-RL oder dem Grundsatz des Fremdvergleichsverhaltens herleiten. 3.2.2 Beschränkung auf die Ertragsteuerbelastung aus der laufenden Besteuerung Im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs wird der Einigungsbereich nach § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG von den jeweiligen Gewinnerwartungen (Gewinnpotenzialen) bestimmt. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 FVerlV ergibt sich die Preisuntergrenze des Einigungsbereichs aus dem Ausgleich für den Wegfall oder die Minderung des Gewinnpotenzials zuzüglich gegebenenfalls anfallender Schließungskosten. Die Preisobergrenze des Einigungsbereichs bestimmt sich nach § 7 Abs. 4 i.V. mit § 1 Abs. 4 FVerlV als Gewinnpotenzial des übernehmenden Unternehmens aus der übernommenen Funktion. Diese gesetzlichen Regelungen machen deutlich, dass ausschließlich die ertragsteuerliche Belastung zu berücksichtigen ist, die auf die zukünftig erwarteten Reingewinne aus der Ausübung der Funktion entfällt, d.h. die laufende Besteuerung der übertragenen Gewinnpotenziale. Für die Bewertung des Transferpakets als Ganzes fordert § 3 Abs. 1 FVerlV zudem, dass dieser Wert, dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechend, aus der Sicht der beteiligten Unternehmen in Übereinstimmung mit den Gewinnen stehen muss, die zum Zeitpunkt der Verlagerung aus der Ausübung der Funktion erwartet werden können und der Funktion zuzuordnen sind. Andere als die aus der Ausübung der Funktion zukünftig zu erwartenden Gewinne sind nicht in die Bewertung des Transferpakets einzubeziehen. Eine Berücksichtigung der Exit Tax kommt auch unter dem Gesichtspunkt von Schließungskosten i.S. von § 7 Abs. 1 Satz 1 FVerlV nicht in Betracht, da die Ertragsteuern auf den Übertragungsgewinn keine verlagerungsbedingten Schließungskosten sind. Gegen die Einbeziehung eines Tax Amortisation Benefit sprechen § 1 Abs. 4 FVerlV, der ausschließlich eine Erfassung von unmittelbar der übertragenen Funktion zuzuordnenden Reingewinnen zulässt, und § 3 Abs. 1 FVerlV, der nur auf die Gewinne abstellt, die zum Zeitpunkt der Verlagerung aus der Ausübung der Funktion erwartet werden können. Der abschreibungsbedingte Steuervorteil aus den Bestandteilen des Transferpakets ist weder aus der Ausübung der Funktion zu erwarten noch ist er der Funktion zuzuordnen.

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3.2.3 Keine Rechtfertigung der Exit Tax und des Tax Amortisation Benefit aus dem Fremdvergleichsgrundsatz der OECD Die Berücksichtigung dieser Besteuerungseffekte bei der Ermittlung des Verrechnungspreises für das Transferpaket lässt sich auch nicht auf den international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatz zurückführen, an den § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG anknüpft. Die international übereinstimmende Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes enthalten die OECD Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations (22 July 2010), Paris 2010 (OECD-RL 2010). Zwar können nach den OECD-RL 2010 immaterielle Wirtschaftsgüter auch anhand eines Grenzpreiskonzeptes bewertet werden. Die Berücksichtigung einer Exit Tax oder eines Tax Amortisation Benefit ist jedoch nicht vorgesehen. Entsprechendes gilt für die Bewertung der Übertragung einer Unternehmenstätigkeit bei Unternehmensrestrukturierungen. Hier kann sich die Bewertungsmethodik an derjenigen orientieren, die für Unternehmenskäufe verwendet wird (OECD-RL 2010, Tz. 9.94). 3.2.4 Maßgeblichkeit marktüblicher Transaktionsbedingungen (Fremdvergleichsverhalten); Widerspruch zum Konzept des hypothetischen Fremdvergleichs Aus der gesetzlichen Ausrichtung des hypothetischen Fremdvergleichs am Handeln zweier ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AStG) ergibt sich, dass der Verrechnungspreis den tatsächlichen Gegebenheiten nahe kommen muss. Dies bedeutet, dass ein Verrechnungspreis zu ermitteln ist, der zwischen voneinander unabhängigen Dritten vereinbart würde und daher an marktkonformen und realistischen Bedingungen anknüpfen muss. Das Fremdvergleichsverhalten wird durch die gesetzlichen Fiktionen einer vollständigen Information und Markttransparenz konkretisiert. Auch wenn diese Fiktionen mit dem Fremdvergleichsgrundsatz unvereinbar sind, wird ihre Anwendung gesetzlich vorgeschrieben. Für die Exit Tax und den Tax Amortisation Benefit enthält § 1 AStG hingegen keine Regelung. Mangels einer gesetzlichen Regelung bedarf die Einbeziehung der Exit Tax und des Tax Amortisation Benefit daher zumindest einer Rechtfertigung aus dem Fremdvergleichsgrundsatz. Die Berücksichtigung dieser Besteuerungseffekte bei der Bewertung von Transferpaketen lässt sich aber nicht aus marktüblichen Transaktionsbedingungen herleiten. Bei Unternehmenskäufen zeigt sich, dass eine Exit Tax sowie ein Tax Amortisation Benefit bei der Unternehmensbewertung für Zwecke der Bestimmung der Kaufpreisforderung bzw. des Kaufpreisangebotes allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen und regelmäßig nicht vergütet werden. Die zwingend

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erforderliche Einbeziehung dieser Effekte steht insoweit im Widerspruch zu fremdüblichem Verhalten und damit zum gesetzlich geregelten Konzept des hypothetischen Fremdvergleichs. Nach § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG hat der Steuerpflichtige aufgrund einer Funktionsanalyse und innerbetrieblicher Planrechnungen den Mindestpreis des Leistenden und den Höchstpreis des Leistungsempfängers zu bestimmen (Einigungsbereich). Der Gesetzgeber nimmt hier einen gesetzlichen Regelfall an, nämlich dass der Höchstpreis des Leistungsempfängers (Preisobergrenze) den Mindestpreis des Leistenden (Preisuntergrenze) überschreitet und sich deshalb „regelmäßig“ ein Einigungsbereich ergibt. Aus der Begründung zu § 3 Abs. 2 Satz 1 FVerlV lässt sich ableiten, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass der Einigungsbereich vornehmlich durch Standortvorteile bzw. -nachteile sowie zu erwartende Synergieeffekte bestimmt wird. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass es dem Willen des Gesetzgebers entsprochen hat, die genannten Besteuerungseffekte bei der Wertermittlung zu berücksichtigen. Hierdurch wird der Mindestpreis des verlagernden Unternehmens häufig den Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens überschreiten, sodass kein Einigungsbereich zustande kommt. Letztlich ist der gesetzliche Regelfall, d.h. die Entstehung eines Einigungsbereichs, vom Belastungsniveau und den Abschreibungsmöglichkeiten im Sitzstaat des übernehmenden Unternehmens abhängig. Dies gilt insbesondere dann, wenn von solchen Standortvorteilen ausgegangen wird, die realistischer Weise verwirklicht werden können. Dass der Gesetzgeber die Berücksichtigung so wesentlicher Bestimmungsfaktoren des Einigungsbereichs, wie die Exit Tax und den Tax Amortisation Benefit, übersehen hat, ist nicht anzunehmen. 3.2.5 Unvereinbarkeit mit der Informationstransparenz Die Berücksichtigung einer Exit Tax bei der Kalkulation der Preisuntergrenze und des Tax Amortisation Benefit bei der Kalkulation der Preisobergrenze steht ferner nicht im Einklang mit der in § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG verankerten Fiktion vollständiger Information und Markttransparenz. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter des übernehmenden Unternehmens würde unter diesen Modellannahmen und in Kenntnis aller für die Transaktion entscheidungsrelevanten Informationen auf die Nichtberücksichtigung der belastenden Steuerwirkungen drängen. Jedenfalls würde er seine zukünftigen abschreibungsbedingten Entlastungswirkungen nicht mit einbeziehen, da sich seine Zahlungsbereitschaft bei vollständiger Information nicht erhöhen dürfte. Bei Transparenz über die Transaktionsbedingungen wäre überdies nicht begründbar, aus welchem

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Grund abschreibungsbedingte Steuerentlastungseffekte zu hoch kalkuliert werden. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter des übernehmenden Unternehmens würde allenfalls Entlastungseffekte auf Grundlage des für das Transferpaket anzusetzenden Verrechnungspreises berücksichtigen, nicht jedoch auf Grundlage des Grenzpreises seiner Konzessionsbereitschaft. 3.2.6 Anwendung allgemeiner Bewertungsgrundsätze Die Berücksichtigung dieser Besteuerungseffekte lässt sich auch nicht dadurch rechtfertigen, dass dies einem betriebswirtschaftlich anerkannten Bewertungsansatz entspräche. Ungeachtet der Tatsache, dass der Gesetzgeber für die Bewertung von Transferpaketen ein eigenständiges steuerliches Bewertungsverfahren normiert hat, entspricht es auch nicht diesen Grundsätzen, Exit Tax und Tax Amortisation Benefit im Bewertungskalkül zu berücksichtigen. Während IDW S 1 diese Besteuerungseffekte gar nicht erwähnt, steht es nach IDW S 5 im Bewertungsermessen, diese Steuereffekte beim kapitalwertorientierten Verfahren in die Bewertung einzubeziehen. Die Textziffern 118 und 125 des BMF-Schreibens vom 13.10.2010 sollten daher ersatzlos gestrichen werden. Das Beispiel 1 zur Wertermittlung für Funktionsverlagerungen in der Anlage zu diesem Schreiben ist entsprechend anzupassen. Die Länderfinanzminister haben ein Schreiben gleichen Inhalts erhalten. Mit freundlichen Grüßen

Hamannt

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