Analyse der Wirtschaftlichkeit von Kraftwerksinvestitionen im Rahmen des EU-Emissionshandels

Analyse der Wirtschaftlichkeit von Kraftwerksinvestitionen im Rahmen des EU-Emissionshandels Kurzanalyse für die Umweltstiftung WWF Deutschland Berl...
Author: Gabriel Giese
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Analyse der Wirtschaftlichkeit von Kraftwerksinvestitionen im Rahmen des EU-Emissionshandels

Kurzanalyse für die Umweltstiftung WWF Deutschland

Berlin, 18. Dezember 2006

Dr. Felix Chr. Matthes

Öko-Institut e.V. Büro Berlin Novalisstraße 10 D-10115 Berlin Tel.: (030) 280 486-80 Fax: (030) 280 486-88 Geschäftsstelle Freiburg Merzhauser Straße 173 D-79100 Freiburg Tel.: (0761) 4 52 95-0 Fax (0761) 4 52 95-88 Büro Darmstadt Rheinstraße 95 D-64295 Darmstadt Tel.: (06151) 81 91-0 Fax (06151) 81 91-33 www.oeko.de

Kraftwerksinvestitionen und Emissionshandel

Öko-Institut

Inhaltsverzeichnis INHALTSVERZEICHNIS ........................................................................................................................ 3 ABBILDUNGSVERZEICHNIS................................................................................................................ 3 1

EINLEITUNG, HINTERGRUND UND METHODISCHER ANSATZ ................................. 5

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TECHNISCHE UND WIRTSCHAFTLICHE BASISDATEN ................................................ 5

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BASISDATEN FÜR DIE EMISSIONSHANDELSPARAMETER ......................................... 7

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ERGEBNISSE .............................................................................................................................. 8

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1

Barwert von Erträgen und Kosten für verschiedene Kraftwerksinvestitionen ................................................................................. 8

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Kraftwerksinvestitionen und Emissionshandel

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Einleitung, Hintergrund und methodischer Ansatz

In den Diskussionen zur Ausgestaltung der Zuteilungsregeln für Neuanlagen im ersten und zweiten Nationalen Allokationsplan (NAP) im Rahmen des EUEmissionshandelssystems ist immer wieder der Sachverhalt vorgebracht worden, ohne eine lang andauernde kostenlose Vollausstattung der Neuanlagen mit Zertifikaten würden Kraftwerksinvestitionen unmöglich gemacht. Vor diesem Hintergrund wurde eine Überblicks-Analyse durchgeführt, in der die Kosten und die Erträge von Kraftwerksinvestitionen systematisch gegenüber gestellt werden. Da die Kosten für den Erwerb von Emissionsberechtigungen eine eigene Kostenposition darstellen, kann mit dieser Analyse die Rolle verschiedener Zuteilungsregeln für Neuinvestitionen näher eingegrenzt werden. In diesem methodischen Ansatz ist eine Investition immer dann wirtschaftlich attraktiv, wenn der Kapitalwerte der Anlage, also die Differenz zwischen dem Barwert (d.h. der über die Zeit mit dem kalkulatorischen Zinssatz abdiskontierten Zahlungsströme) der Erträge und dem Barwert der Kosten einen positiven Wert ergibt. Der Ertrag ergibt sich dabei aus den Erlösen aus dem Stromabsatz, die Kosten ergeben sich aus den Investitionskosten, den Betriebskosten, den Brennstoffkosten sowie den Kosten für den Erwerb von Zertifikaten. Alle Kosten- und Ertragspositionen sind dabei – in unterschiedlichem Ausmaß – mit Unsicherheiten behaftet, die in realen Investitionsanalysen mit einer großen Vielfalt von Sensitivitätsrechnungen berücksichtigt werden. Im Rahmen der hier vorliegenden Analysen musste sich die Zahl der Sensitivitätsanalysen auf zentrale Parameter konzentrieren. Bei der Parametrisierung der Berechnungen wurde dieser Tatsache jedoch auch insofern Rechnung getragen, dass die Parametrisierung mit einem eher konservativen Ansatz erfolgte.

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Technische und wirtschaftliche Basisdaten

Für die Modellrechnungen wurden die im Folgenden beschriebenen Basisdaten in Ansatz gebracht. Im Wesentlichen wurde auf die in der Hochpreisvariante für die im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie) erstellte energiewirtschaftliche Referenzprognose (EWI/Prognos 2006) Bezug genommen. Alle Kosten- und Ertragsberechnungen basieren auf konstanten Preisen auf der Basis des Jahres 2000. Für die Analyse berücksichtigt wurden drei exemplarische Typen von Kondensationskraftwerken mit den Brennstoffen Braunkohle, Steinkohle und Erdgas. Alle Kraftwerke haben eine Netto-Leistung von 800 Megawatt (MW) und sind für den Grundlastbetrieb (7.000 Stunden jährlich) vorgesehen. In der Realität sind die Anlagenkonfigurationen und die angestrebten Betriebsweisen natürlich vielfältiger, für die hier angestellte exemplarische Analyse sind die gewählten Parameter jedoch gut

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geeignet. Für die Nutzungsgrade der drei Neubaukraftwerke wurden die folgenden Werte in Ansatz gebracht: •

44% für das Braunkohlenkraftwerk,



47% für das Steinkohlenkraftwerk,



58% für das Erdgas-GuD-Kraftwerk.

Hinsichtlich der Kosten für die verschiedenen Kraftwerkstypen sind die folgenden Positionen zu berücksichtigen: •

Die Investitionskosten für die verschiedenen Kraftwerke wurden mit 1.196 € je installiertes Kilowatt Kraftwerksleistung (€/kW) für ein Braunkohlenkraftwerk, 1.050 €/kW für ein Steinkohlenkraftwerk und 550 €/kW für ein Erdgas-GuDKraftwerk veranschlagt.



Die Betriebskosten (ohne Brennstoffkosten) betragen beim Braunkohlenkraftwerk 2,3 € je Megawattstunde erzeugten Stroms (€/MWh) für die variablen Betriebskosten und 30 € je Kilowatt installierter Leistung (€/kW) für die fixen Betriebskosten. Für ein Steinkohlenkraftwerk wurden 2,0 €/MWh für die variablen und 28 €/kW für die fixen Betriebskosten veranschlagt. Die entsprechenden Werte für ein Erdgas-Kraftwerk betragen 0,5 €/MWh und 25 €/kW.



Die Brennstoffkosten wurden mit 0,83 €/GJ für Braunkohle, 2,0 €/GJ für Steinkohle und 5,5 €/GJ für Erdgas veranschlagt. Bei Steinkohle und Erdgas entspricht dies – in konservativer, also die Kosten tendenziell hoch ansetzender Schätzung – eher dem oberen Rand der in den nächsten drei Dekaden erwarteten Brennstoffpreise.

Eine zentrale Rolle für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen spielen der kalkulatorische Zinssatz sowie der Planungszeitraum, für den die Zahlungsströme berücksichtigt werden. In der stromwirtschaftlichen Analyse wird heute ein kalkulatorischer Zinssatz von 12% (real) als repräsentativ angesehen, der Planungszeitraum für die hier betrachteten Kraftwerkstypen kann repräsentativ mit 20 Jahren angenommen werden. 1 Auf der Ertragsseite wurde ein Strompreis von 55 € je Megawattstunde (€/MWh) angenommen, dies entspricht etwa dem langfristigen Wert von Future Kontrakten an der deuten Strombörse EEX. Explizit darauf hingewiesen werden soll auf die Tatsache, dass dieser Großhandelspreis für Strom eine signifikante Preiskomponente aus der Einpreisung der Kosten für CO2, also auch für die Opportunitätskosten der kostenlos zugeteilten CO2-Zertifikate enthält. Diese Einpreisung ist betriebswirtschaftlich rational, und führt zu erheblichen Mitnahmeeffekten (Windfall-Profits), wird aber hier nur auf

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Diesbezüglich muss explizit auf die dominierende Rolle der Abdiskontierung hingewiesen werden. Bei einem kalkulatorischen Zinssatz von 12% entspricht ein Zahlungsstrom von 1 € nur noch einem Barwert von 0,6 € im 5. Jahr, einem Bartwert von 0,32 € im 10. Jahr, einem Barwert von 0,17 € im 15. Jahr und einem Barwert von 0,09 € im 20. Jahr.

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der Kostenseite berücksichtigt (obwohl den Unternehmen vor der Neuinvestitionen aus der Einpreisung von Opportunitätskosten erhebliche Mittel zugeflossen sind.

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Basisdaten für die Emissionshandelsparameter

Hinsichtlich der wirtschaftlichen Effekte des EU-Emissionshandelssystems sind in Bezug auf Neuinvestitionen einerseits der Preis der Zertifikate und andererseits die Zuteilung für die Neuanlagen von zentraler Bedeutung. Für die Preise der CO2-Zertifikate wurde durchgängig ein Wert von 20 € je Zertifikat (European Union Allowance – EUA) in Ansatz gebracht. Hinsichtlich der Zuteilung für die Neuanlagen wurden vier verschiedene Stufen näher analysiert: •

eine kostenlose Zuteilung von 100% der erforderlichen Zertifikate,



eine kostenlose Zuteilung von 75% der erforderlichen Zertifikate,



eine kostenlose Zuteilung von 50% der erforderlichen Zertifikate,



eine kostenlose Zuteilung von 25% der erforderlichen Zertifikate sowie



keine kostenlose Zuteilung für Neuanlagen.

Entscheidend für den Wert der kostenlosen Zuteilung ist das zeitliche Profil der Zuteilung. Exemplarisch sollen daher die folgenden Vergleichsdaten der Verdeutlichung dienen: •

Eine kostenlose Zuteilung jeweils eines Zertifikats über den gesamten Planungszeitraum entspricht bei einem Zertifikatspreis von 20 €/EUA einem Barwert von 154 €.



Eine kostenlose Zuteilung jeweils eines Zertifikats über einen Zeitraum von 14 Jahren und danach keinerlei kostenlose Zuteilung entspricht bei einem Zertifikatspreis von 20 €/EUA einem Barwert von 139 € (d.h. 90% der komplett kostenlosen Zuteilung).



Eine kostenlose Zuteilung jeweils eines Zertifikats über einen Zeitraum von 5 Jahren und danach keinerlei kostenlose Zuteilung entspricht bei einem Zertifikatspreis von 20 €/EUA einem Barwert von 79 € (d.h. 51% der komplett kostenlosen Zuteilung).



Eine kostenlose Zuteilung jeweils eines Zertifikats über einen Zeitraum von 3 Jahren und danach keinerlei kostenlose Zuteilung entspricht bei einem Zertifikatspreis von 20 €/EUA einem Barwert von 53 € (d.h. 35% der komplett kostenlosen Zuteilung).



Eine kostenlose Zuteilung jeweils eines Zertifikats über einen Zeitraum von 2 Jahren und danach keinerlei kostenlose Zuteilung entspricht bei einem Zertifikatspreis von 20 €/EUA einem Barwert von 38 € (d.h. 24% der komplett kostenlosen Zuteilung).

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Eine teilweise kostenlose Zuteilung für den Zeitraum nach der Vollausstattung – wie dies zumindest in naher Zukunft eher zu erwarten ist – würde die genannten Eckwerte entsprechend erhöhen.

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Ergebnisse

Die Ergebnisse der verschiedenen Modellrechnungen sind in Abbildung 1 zusammengestellt. Zunächst wird deutlich, dass ein entscheidender Investitionsanreiz aus der Einpreisung der CO2-Kosten auf den Großhandelsmärkten resultiert. Wird davon ausgegangen, dass die zu erwartenden Strompreise einen Anteil von etwa 20 €/MWh enthalten (dies sind heute die kurzfristigen Grenzkosten eines älteren Steinkohlenkraftwerks), so ist etwa ein Ertragsanteil von 36% für ein neues Kraftwerks auf die Einpreisung der CO2-Kosten zurück zu führen. Sofern eine solche Einpreisung nicht erfolgt wäre, wären bei den zu erwartenden Kapital-, Betriebs- und Brennstoffkosten – ohne Berücksichtigung von CO2 auf der Kostenseite – allenfalls die Investition in ein neues Braunkohlenkraftwerk darstellbar. Darüber hinaus zeigt die Abbildung, dass alle drei betrachteten Investitionsoptionen selbst ohne jegliche kostenlose Zuteilung der CO2-Zertifikate wirtschaftlich darstellbar wären – und dabei ein Ertrag von 12% auf das eingesetzte Kapital erwirtschaftet würde. Abbildung 1

Barwert von Erträgen Kraftwerksinvestitionen

und

Kosten

für

verschiedene

2.500

0-25% CO2 kostenlos bei 20 €/EUA 25-50% CO2 kostenlos bei 20 €/EUA 2.000

Barwert bei 12% [Mio. €]

50-75% CO2 kostenlos bei 20 €/EUA 75-100% CO2 kostenlos bei 20 €/EUA

1.500

Brennstoffkosten 1.000

Betriebskosten Investition

500

CO2-Kosten im Strompreis bei 20 €/EUA Strompreis ohne CO2 0 Strompreis

Quelle:

Braunkohlen-KW

Steinkohlen-KW

Erdgas-GuD-KW

Berechnungen des Öko-Instituts

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Die volle Einbeziehung der CO2-Kosten gleicht dabei die unterschiedliche Brennstoffkostenbelastung zumindest teilweise aus, das Braunkohlenkraft hat die geringsten Brennstoff, aber die höchsten CO2-Kosten, das Erdgaskraftwerk mit Abstand die höchsten Brennstoff-, aber die geringsten CO2-Kosten. Die barwertseitig weitgehend vollständige kostenlose Zuteilung der CO2-Zertifikate (die kostenlose Zuteilung über 14 Jahre entspricht barwertseitig einer Kostenentlastung um mindestens 90% - siehe oben) würde damit vor allem für die emissionsintensiven Kraftwerksoptionen zu erheblichen Zusatzprofiten führen. Neben der Verzinsung des eingesetzten Kapitals mit 12% würde für das Braunkohlenkraftwerk ein zusätzlicher Profit von 835 Mio. € entstehen. Für die Investition in ein Steinkohlenkraftwerk beträgt der Zusatzprofit 610 Mio. € und für ein Erdgas-GuD-Kraftwerk 285 Mio. €. Selbst für den Fall, dass die Neubaukraftwerke für den Teil einer Verpflichtungsperiode eine kostenlose Zuteilung erhalten würden und möglicherweise in den folgenden Verpflichtungsperioden einen Teil der Zertifikate kostenlos zugeteilt bekämen, verbleiben erhebliche Zusatzgewinne. Für den Fall einer kostenlosen Zuteilung für 2 Jahre und keiner weiteren kostenlosen Zuteilung für die nachfolgenden Jahre verbleibt nur ein Barwert von knapp 25% der gesamten CO2-Kosten über den Planungszeitraum. Dies entspricht – über die Verzinsung des eingesetzten Kapitals mit 12% hinaus – immer noch einem Zusatzgewinn von •

233 Mio. € für das Braunkohlenkraftwerk,



145 Mio. € für das Steinkohlenkraftwerk sowie



58 Mio. € für das Erdgas-GuD-Kraftwerk.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass unter den angenommenen Rahmenbedingungen Kraftwerksinvestitionen bei Verzinsungsansprüchen von 12% darstellbar sind. Die Entscheidung für ein bestimmtes Kraftwerk wird damit bestimmt durch die Erwartungen bezüglich der wesentlichen Trends. Werden der CO2-Preis (und damit die Stringenz der Klimapolitik) eher niedrig und das Preisrisiko bei Erdgas eher hoch eingeschätzt, so wird die Entscheidung eher zu Gunsten der Kohlekraftwerke ausfallen, werden der CO2-Preis in der Perspektive eher hoch und die Preisrisiken bei Erdgas als beherrschbar eingestuft, so wird das Erdgas-Kraftwerk präferiert. In keinem Fall führt die volle Berücksichtigung der CO2-Kosten zu einer prohibitiven Kosten- und Ertragssituation für einen bestimmten Kraftwerkstyp. Die Einführung eines marktwirtschaftlich gebildeten Preises für CO2 fügt den Kosten- und Ertragspositionen eine signifikante neue Komponente hinzu. Die Zuteilungsregelungen für Neuanlagen sollten dieses Preissignal nicht außer Kraft setzen. Auf der anderen Seite erklären die erheblichen Zusatzprofite – in deutlich dreistelliger Millionenhöhe zu erwartend und über die in den hier vorgelegten Modelrechnungen ohnehin unterstellte Verzinsung des eingesetzten Kapitals mit 12% hinaus – aus langfristigen kostenlosen Zuteilungen der CO2-Zertifikate auch einen guten Teil der Vehemenz in den Stellungnahmen der jeweiligen Akteure.

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