Gentechnik auf dem Acker? Der Stand der Dinge

Gentechnik auf dem Acker? Der Stand der Dinge • • • • • • • • Was ist auf dem Markt? Rechtslage in der EU und in Deutschland Kennzeichnung & Rückverf...
Author: Jutta Kuntz
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Gentechnik auf dem Acker? Der Stand der Dinge • • • • • • • •

Was ist auf dem Markt? Rechtslage in der EU und in Deutschland Kennzeichnung & Rückverfolgbarkeit Saatgut-Richtlinie Koexistenz & Kosten Gentechnikgesetz, Haftung, "gute fachliche Praxis" Gentechnikfreie Zonen Save our Seeds Benedikt Haerlin, Februar 2004

Saatgut ohne Gentechnik

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Weltweiter Anbau von GVO

5 Länder = 98 % des GVO Anbaus USA: 63 %, Argentinien: 13,9 %, Canada: 4,4 %, Brasilien 4 %, China 4% Ausserdem (>1%) Indien, Uruguay, Südafrika, Australien, Rumänien, Spanien

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Anbau gentechnisch veränderter Arten, weltweit

Anbaufläche

Soja Mais Raps Baumwolle Papaya Summe

Anteil am Anbau global %

41,4 mio ha 15,5 mio ha 3,6 mio ha 7,2 mio ha > 1000 ha 67,7 mio ha

55 % 11 % 16 % 21 % >1 %

(Zahlen der internationalen Gentechnik-Vereinigung ISAAA, 2003) Tomaten, Kartoffeln und Tabak wurden wieder vom Markt genommen

In der Pipeline: Reis, Weizen, Rüben, Senf, Sonnenblumen, Kartoffeln etc.

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Eigenschaften auf dem Markt

Herbizidetoleranz

77%

(Roundup = glyphosate, Basta = gluphosinate, Imidazolinone)

Insektengiftigkeit

15%

(Bacillus Thuringiensis)

Kombination HT / Bt

8%

In der Pipeline (5 Jahre): V.a. noch mehr HT- und Bt-Sorten, Maiswurzelbohrer-Resistenz Veränderte Öl- und Stärkezusammensetzung (Raps, Kartoffeln, Soja) Reife- und Verrottungsverhalten (Tomaten) ... Neue Farben (Blumen) Saatgut ohne Gentechnik

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Neuzulassungen von GVO weltweit

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Die Situation in Europa • Einige GVO Sorten zugelassen (alle vor 98) meist nur als Lebens- und Futtermittel, nur drei für Anbau

• Praktisch kein kommerzieller Anbau bis auf ~30.000 ha Mais in Spanien und ~50 ha in Deutschland

• Zulassungsmoratorium seit 1998 Soll jetzt aufgehoben werden – WTO Klage der USA

• Verschärfte Zulassungsrichtlinie 2001/18 Soll jetzt in deutschem Gentechnik-Gesetz umgesetzt werden

• Kennzeichnung in Lebens- und Futtermitteln 0,9% pro Zutat (z.B. 0,9% von 1% Lecithin in Schokolade) Auch wenn DNA nicht mehr nachweisbar ist (Öl, Stärke etc.) Auch in Futtermitteln, aber nicht für Fleisch, Milch, Eier

• Praktisch keine GVO-Lebensmittel auf dem Markt 2/3 aller großen Lebensmittel-Firmen garantieren, auch weiterhin keine GVO einzusetzen

• Grosse Mengen an Futtermitteln (Soja, Maiskleber >15 Mio t) Müssen ab 18.4.2004 gekennzeichnet werden, nicht aber die Endprodukte Freiwillige Produktlinien "ohne Gentechnik gefüttert"

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Die Rechtslage in der EU

und in Deutschland

Freisetzungsrichtlinie 2001/18

Zulassung, Risikoprüfung, Monitoring, allgemeine Kennzeichnung, Verbot für Freisetzung und Inverkehrbringung von GVOs St. Ausschuss GVO

Lebens- und FuttermittelVerordung

Zulassung, Kennzeichung und Rückverfolgung von GVO in Lebens- und Futtermitteln Grenzwerte (0,9 %)

Gentechnikgesetz

u.a. Umsetzung von 2001/18, Zulassung Gute fachliche Praxis / Koexistenz gentechnikfreie Zonen, Zuständigkeiten Haftung § 906 BGB (Nachbarschaftsrecht) gilt unmittelbar (Durchführungsgesetz)

Gentechnik-Saatgut-Richtlinie Kennzeichnung von GVO in Saatgut

Saatgutverkehrs-Richtlinien

Zulassung, Anbau Kennzeichnung von Saat- und St. Ausschuss Pflanzgut nach Arten Saatgut

RL gemeinsamer Sortenkatalog

Zulassung (national) und Eintragung in nationalen und gemeinsamen Sortenkatalog Gemeinsamer Sortenkatalog

Bio-Verordnung

Anbau, Zertifizierung, Kennzeichnung, Grenzwerte (für GVO nicht festgelegt)

Leitlinien zur Koexistenz

Saatgutverkehrsgesetz

Prüfung, Anerkennung, Kennzeichnung, automatische" Eintragung und Anerkennung der Sorten im gemeinsamen Sortenkatalog Nationaler Sortenkatalog gilt unmittelbar

St. Ausschuss Bio

Rechtlich nicht bindende Empfehlungen an die Mitgliedstaaten

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Stimmen und Mehrheiten im Rat und Ständigen Ausschüssen Country

votes

*Frankreich

10

Regulierungsverfahren:

Deutschland

10

Italien

10

UK

10

Spanien

8

• Wenn nicht angenommen, wird er dem Rat vorgelegt

Belgien

5

• Rat entscheidet mit qualifizierter Mehrheit

*Griechenland

5

Niederlande

5

*Portugal

5

*Österreich

4

Schweden

4

*Dänemark

3

Irland

3

Finnland

3

*Luxembourg

2

TOTAL

87

qalifizierte Mehrheit

62

• Vorschlag der Kommission mit qualifizierter

Mehrheit im Ausschuss angenommen

• Wenn innerhalb von 90 Tagen keine RatsEntscheidung kann Kommission entscheiden

Verwaltungsverfahren: • Vorschlag der Kommission angenommen, wenn keine qualifizierte Mehrheit gegen ihn stimmt

* für Moratorium

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Kommt morgen die Gentechnik auf den Acker? Rechtlich: • Ja, es werden 2004 neue GVOs als Lebens- und Futtermittel zugelassen; später möglicherweise auch für den Anbau • Theoretisch auch ohne Regelung von Haftung und Koexistenz (GenTGesetz, GfP), wenn GVO im gemeinsamen Sortenkatalog Praktisch: • Nein, nicht 2004; höchstens vereinzelter Probeanbau (Sachsen-Anhalt?) • Danach nur bei Nachfrage § § §

von Landwirten (z.B. Resistenzen) von Industrie (z.B. Stärke) von Verbrauchern (Agrarprodukte)

§ und bei beherrschbarem finanziellen Risiko Ausnahme: § Saatgutverunreinigung

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Kennzeichnung in Lebens- und Futtermitteln ab 18. April Produkt

NEU

ALT

Beispiel

GW

GVO (Pflanze)

JA

JA

Maiskolben Kartoffel, Tomate,

0,9 %

Lebensmittel, in denen GVO nachweisbar sind

JA

JA

Mais-Chips, Lecithin

0,9 %

Lebensmittel aus GVO, die im End-produkt JA nicht nachweisbar sind > 90% aller bisher

NEIN Stärke, Öl,

0,9 %

Futtermittel

JA

NEIN Soja, Maiskleber

0,9 %

Tierische Produkte, mit GVO gefüttert

NEIN

NEIN Fleisch, Milch, Eier -

Mit Hilfe von GVO hergestellte Zusatzstoffe

NEIN

NEIN Enzyme, Vitamine

Zusatzstoffe aus GVO

JA

JA

importierten GVO

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Fructose

Chymosin

0,9 %

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Rückverfolgbarkeit – neue Pflichten ab 18.4.2004

• GVO-Hersteller: "unique identifier" und spezifisches Nachweisverfahren für jeden GVO • Landwirte, Lebensmittel-Industrie, Handel: Dokumentation jeder Annahme und Abgabe von GVO (über 5 Jahre) • Importeure: GVO-Herkunft auch der Zutaten, die nicht mehr nachweisbar sind

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Produktionskette und kritische Punkte =Test erforderlich

GVO

GVO-Verunreinigung?

Saatgut

Import

Verarbeitung A

Import Lagerung A

Futtermittel

Vertrieb Transport A Pflanzen Verarbeitung Verarbeitung B-n B-n GVO

Import

Bearbeitung Lagerung Lagerung B-n B-n

GVO

Ernte Transport Transport B-n B-n Lagerung Verpackung

Futtermittel

Transport Sammellager

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GVO

Import

Großhandel

Import

Einzelhandel

Import www.saveourseeds.org

adapted from: GAFTA commodity fact-sheet

Die Gentechnik-Saatgut-Richtlinie der EU-Kommission Verunreinigung von konventionellem oder biologischem Saatgut mit GVO muß nicht gekennzeichnet werden, wenn sie nicht höher ist als

0,3% in Raps 0,5% in Mais, Kartoffeln, Tomaten, Rüben, Chicoree 0,7% in Soja

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jede 200ste Maispflanze auf dem Acker gentechnisch verändert? Maßstabsgetreu: Maisfeld mit 0,5% Verunreinigung

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Vorsorge wird unmöglich

Bei flächendeckender Saatgut-Kontamination • Keine Registrierung des GVO-Anbaus • Umwelt-Monitoring auf der gesamten Anbaufläche? • GVO-freie Flächen und Zonen nicht mehr realisierbar • Rückruf eines GVO wird praktisch unmöglich

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Positionen der Mitgliedsstaaten zur Saatgut-Reinheit 19 für Nachweisgrenze (0,1)

19 für Kommissions-Vorschlag

49 unentschieden

Country

Votes

Remarks

*France

10

requested review of Scientific Committee assessment at Seed Committee

Germany

10

split between Greens and some SPD ministers

Italy

10

"Zero tolerance" policy

UK

10

presently reviewing its position

Spain

8

firmly in favour of GM growing and high thresholds

Belgium

5

expressed concern in Council, split between flamish and wallonian Ag minister

*Greece

5

rather critical position on Commission proposal

Netherlands

5

major point of EU imports from US, notoriously on Commissions side

*Portugal

5

expressed concerns in Council, rather critical of Commission proposal

*Austria

4

All party agreement, has seed law with 0,1 % in force

Sweden

4

So far supported Commission position, reviewing position

*Denmark

3

Minister asked Parliament to confirm his 0,1 % position

Ireland

3

Presidency from 1.1.2004, outspoken pro-GMO position

Finland

3

So far firmly on Commissions side

*Luxemburg

2

All party agreement for 0,1 % position

TOTAL

87

qalifizierte Mehrheit

62

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* = Moratorium States

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Verunreinigungs-Kalkulationen Quelle: Wissenschaftlicher Ausschuß der EU für Saatgut

0,9 0,8 0,7 0,6

0,09

0,13

Rest

0,05 0,05

0,05

0,28

0,2

0,2

0,1

0,5 0,4 0,3 0,2 0,1

Lagerung Transport Ernte

Prof. Jeremy Sweet:

0,2

0,2 - 0,4%

Durchwuchs

0,5

0,5

0,3

Auskreuzung Saatgut

0,0 Raps

Mais

Rüben

Kommissar David Byrne an Europaparlament, 19.9.2003: "...the SCP clearly shows that starting with seeds at the limit of such thresholds will result in a product with a GM presence of around 0,8%, which still leaves a margin vis à vis the 0,9 % threshold for the final product."

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Koexistenz – ist das machbar? •

Wissenschaftler legen sich grundsätzlich nicht fest, sehen erheblichen "Forschungsbedarf" ~

Bei Mais und Kartoffeln < 0,9 % machbar

~

Bei Rüben schwierig wegen Schossern

~

Bei Raps praktisch nicht machbar

~

Keine Langzeitprognosen

~

Rolle der Bienen umstritten



EU-Kommission will dies Mitgliedsstaaten überlassen und hat "Leitlinien" ohne Rechtsverbindlichkeit veröffentlicht;



§ 26(a) der Freisetzungsrichtlinie: Mitgliedsstaaten können Maßnahmen ergreifen



Bundesregierung will Koexistenz durch Verordnung zur "Guten fachlichen Praxis" und Haftungsvorschriften im Gentechnikgesetz regeln



Industrie / BLL: Ist nur machbar bei "praxisorientierten Grenzwerten"



Bauernverband: Muss praktisch erprobt werden



Die Kosten der Koexistenz fallen in erster Linie auf diejenigen, die Gentechnik vermeiden wollen

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Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse • • • • •

Raps-Saatgut überwintert mindestens 12 Jahre Nach einmaligem Anbau von GVO-Raps muß mindestens 10 Jahre lang mit Verunreinigung über 0,9% gerechnet werden GV-Raps-Pollen wurde noch in 26 km Entfernung von der Quelle gefunden Gerade Bio-Flächen wären ein Reservoir für GVO-Durchwuchs (weil nicht mit Herbiziden bekämpft) In Kanada ist der Anbau von Bio-Raps praktisch unmöglich, der gesamt Durchwuchs enthält herbizidresistente Sorten

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Mehrkosten durch "Koexistenz" Vermeidungskosten: 53 € - 345 € pro Hektar bei 0,3 – 0,5% Saatgut-Verunreinigung (Raps, Mais, Kartoffeln)

Wissenschaftler fordern allgemeine Versicherung, da Grenzwerte regelmäßig überschritten werden. Versicherer bieten diese aber nicht an. Quelle: Joint Research Centre der EU Saatgut ohne Gentechnik

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Gentechnikgesetz – die wichtigsten Streitpunkte: • Gute landwirtschaftliche Praxis Wer muß die Maßnahmen ergreifen? § Hersteller / Saatguthandel § GVO Anbauer / GVO freie Betriebe / Biolandbau § Imker Welche Maßnahmen sind erforderlich und zumutbar? § Abstandregeln § Information und Absprachen (Fruchtfolgen, Aussaatzeitpunkt etc.) § Reinigung, Trennung, Transport

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Gentechnikgesetz-Entwurf - die wichtigsten Streitpunkte • Haftung §Was ist ein Schaden? Wie wird er bestimmt? § Haftet der Hersteller oder/und GVO-Landwirt(e)? § Verschuldensunabhängige und gesamtschuldnerische Haftung? § Wer kann und wer muss sich wogegen versichern? § Haftungsfonds?

• Wer trägt die Kosten der Kontrolle und Vermeidung? • Wer trägt die sonstigen zusätzlichen Kosten? • Wie hoch werden die Kosten tatsächlich sein? • Information und Anbauregister: § Wer muß wen informieren, was darf verheimlicht werden? § Wer hat Recht auf Einsicht?

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"Gentechnikfreie Zonen" •

• •

EU Kommission lehnt diese zwar "grundsätzlich" ab, sieht aber Möglichkeiten im Rahmen der Koexistenz-Regelungen (Kärntener Vorsorgegesetz) Der Schutz von "ökologisch sensiblen Gebieten" (FFH) ist rechtlich möglich Zehn regionale Regierungen fordern bereits gentechnikfreie Zonen §



Toskana, Aquitaine, Limousin, Baskenland, Schleswig-Holstein, Salzburg, Oberösterreich, Kärnten, Thrazien, Wales

Auf freiwilliger Basis sind gentechnikfreie Zonen jederzeit und überall machbar § § §

Uckermarck, Warbel-Recknitz, Miesbach & 11 weitere in Bayern Auch für Futtermittel? www.faire-nachbarschaft.de

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Schlußfolgerungen 1.

Reinheitsgebot für Saatgut jetzt durchsetzen

2.

EU weite Haftung für Hersteller und Anwender

3.

EU-Verordnung für GVO-Anbau

4.

Kosten müssen von Herstellern und Anwendern getragen werden

5.

Alle Kosten und Risiken müssen auf den Tisch!

6.

Keine Zulassungen für Anbau von GVO ohne Regelung der Koexistenz-Bedingungen

7.

Keine Sonder-Grenzwerte für Bioprodukte und -anbau

8.

Gentechnikfreie Zonen in Gemeinden, Kreise, Ländern und Regionen

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Demo

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Verbraucher, Bauern, Umweltschützer, Köche, Unternehmen, Gewerkschaften, Grundbesitzer, Kirchen:

Kein Zwangsanbau von Gentechnik! • 200.000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner • 350 Organisationen mit 25 Mio Mitgliedern aus der gesamten EU

1 Mio Postkarten an den Kanzler Saatgut ohne Gentechnik

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