Geistiges Eigentum I Urheber- und Verlagsrecht

Professor Dr. Norbert P. Flechsig – Urheber- und Medienrecht Geistiges Eigentum I Urheber- und Verlagsrecht Teil XIV Europäisches und Internationale...
Author: Lukas Schmitt
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Professor Dr. Norbert P. Flechsig – Urheber- und Medienrecht

Geistiges Eigentum I Urheber- und Verlagsrecht Teil XIV

Europäisches und Internationales Urheberrecht §§ 120 ff. UrhG

© Prof. Dr. Norbert P. Flechsig - 2017

XIV. Internationales und Europäisches Urheberrecht

Überblick 1.

Nationales Fremdenrecht für Urheber und Leistungsschutzberechtigte, §§ 120 ff. UrhG – Ausscheiden von Staaten aus der EU (BREXIT-Folgen) 2. Hybride Rechtsgrundlagen des nationalen und internationalen Rechts und ihre Auswirkungen auf den Schutz des geistigen Eigentums 3. Anwendungsbereich der Revidierte Berner Übereinkunft (1886) 4. Die Bedeutung des WUA (1952, 1996) und des WCT 5. TRIPS 6. Europäische Richtlinien zum Schutz des Urheberrechts und ihre Bedeutung für das deutsche und Europäische Urheberrecht 7. Europäische Richtlinien zum Urheber- und Leistungsschutzrecht 8. Übergangsregelungen bei der Umsetzung von Richtlinien 9. Internationalisierung des Strafrechts durch Angleichung zivilrechtlicher Bezugsnormen 10. Großbritannien im Lichte des europäischen und internationalen Urheberrechts nach dem Brexit Prof. Dr.Flechsig

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XIV. Internationales und Europäisches Urheberrecht

Fünfter Teil – Abschnitt 1 Anwendungsbereich – gesetzliche Strukturen Unterabschnitt 1 Urheberrecht § 120 Deutsche Staatsangehörige und Staatsangehörige anderer EU-Staaten und EWR-Staaten § 121 Ausländische Staatsangehörige § 122 Staatenlose § 123 Ausländische Flüchtlinge Unterabschnitt 2 Verwandte Schutzrechte § 124 Wissenschaftliche Ausgaben und Lichtbilder § 125 Schutz des ausübenden Künstlers § 126 Schutz des Herstellers von Tonträgern § 127 Schutz des Sendeunternehmens § 127a Schutz des Datenbankherstellers § 128 Schutz des Filmherstellers

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Fünfter Teil – Abschnitt 1 Anwendungsbereich – gesetzliche Strukturen Grundsätzliche Unterscheidungen Europäisches Urheberrecht -

Richtlinien und Verordnungen Nationales Fremdenrecht

Internationales Urheberrecht •

• • • •

RBÜ 1886/1979 Berne Convention for the Protection of Literary and Artistic Works completed at PARIS on May 4, 1896, revised at BERLIN on November 13, 1908, completed at BERNE on March 20, 1914, revised at ROME on June 2, 1928, at BRUSSELS on June 26, 1948, at STOCKHOLM on July 14, 1967, and at PARIS on July 24, 1971, and amended on September 28, 1979 Genfer Tonträger Abkommen (GAT) Brüsseler Satellitenabkommen TRIPS GATT - WTO

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Fünfter Teil – Abschnitt 1 Anwendungsbereich – gesetzliche Strukturen Grundsätzliche Unterscheidungen WIPO (World Intellectual Property Organisation, Genf): -

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WUA - Welturheberrechts-Abkommen, abgeschlossen in Genf am 6. September 1952, revidiert am 24. Juli 1971 in Paris. WTPCSS - Convention Relating to the Distribution of Programme-Carrying Signals Transmitted by Satellite, Done at Brussels on May 21, 1974. WCT - WIPO COPYRIGHT TREATY, Geneva (1996), Official Journal of the European Communities 11.4.2000, L 89/8. WPPT - WIPO PERFORMANCES AND PHONOGRAMS TREATY Geneva (1996), Official Journal of the European Communities 11.4.2000, L 89/15 WIPO - Beijing Treaty On Audiovisual Performances, Beijing, June 20 to 26, 2012. WIPO – Marrakesh Treaty To Facilitate Access To Published Works For Persons Who Are Blind, Visually Impaired, Or Otherwise Print Disabled Marrakesh, June 17 to 28, 2013 Geplant: -

BroadcastingTreaty - Protection of broadcasting organizations Limitations and exceptions for libraries and archives

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Fünfter Teil – Abschnitt 1 Anwendungsbereich – gesetzliche Strukturen § 120 Deutsche Staatsangehörige und Staatsangehörige anderer EU Staaten und EWR-Staaten – Urheber im europäischen Binnenmarkt Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), das die Mitgliedsstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) und die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) geschlossen haben, dehnt den Binnenmarkt der Europäischen Gemeinschaft auf Island, Liechtenstein Und Norwegen aus.

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Fünfter Teil – Abschnitt 1 Anwendungsbereich – gesetzliche Strukturen § 120 Deutsche Staatsangehörige und Staatsangehörige anderer EU Staaten und EWR-Staaten – Urheber im europäischen Binnenmarkt Die Schweiz hat als einziger EFTA-Staat das multilaterale EWR-Abkommen nicht ratifiziert. Da es sich beim EWR nicht um eine internationale Organisation, sondern einen Wirtschaftsraum handelt, war das Referendum bloß fakultativ, wurde vom Bundesrat jedoch im Sinne einer demokratischen Legitimierung Dem Volk unterbreitet. Die Schweiz genießt jedoch in den EWR- Gremien Beobachtungsstatus. Dies ermöglicht es den Eidgenossen, die Entwicklung des EWR- und des EG-Rechts aus der Nähe zu verfolgen. Des Weiteren wurde der Schweiz in Artikel 128 des EWR-Abkommens eine jederzeitige Beitrittsmöglichkeit eröffnet.

Schweizer Regierung verfolgt auf bilateralem Weg ihr Ziel, das Land wirtschaftlich an den Vier Freiheiten des EWR teilhaben zu lassen. Anders als beim EWR-Abkommen gibt es bei den bilateralen Verhandlungen nur zwei Verhandlungspartner (EU-Kommission und Schweizer Regierung), was speziellere Regelungen für die Schweiz ermöglichte. Zwei Jahre nach dem EWR-Nein wurden Verhandlungen über bilaterale sektorielle Abkommen aufgenommen, 1999 wurden schließlich sieben Bilaterale Verträge zwischen der Schweiz und der EU unterzeichnet, die zum 1. Juni 2002 in Kraft traten.

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Fünfter Teil – Abschnitt 1 Anwendungsbereich – gesetzliche Strukturen § 121 Ausländische Staatsangehörige Alle, nicht unter § 120 fallende Staatsangehörige: Die Welt Zur Frage des Anwendungsbereichs auf Großbritannien siehe vorstehend

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Fünfter Teil – Abschnitt 1 Anwendungsbereich – gesetzliche Strukturen § 121 Ausländische Staatsangehörige Alle, nicht unter § 120 fallende Staatsangehörige: Die Welt Zur Frage des Anwendungsbereichs auf Großbritannien siehe vorstehend

Abs. 1:

Erscheinen im Geltungsbereich des Gesetze binnen 30 Tagen nach Erscheinen im Ausland.

Nationales Fremdenrecht: Wir schützen unmittelbar nach deutschem Recht, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind: Förderung innerdeutscher Wirtschaft.

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Fünfter Teil – Abschnitt 1 Anwendungsbereich – gesetzliche Strukturen § 121 Ausländische Staatsangehörige Alle, nicht unter § 120 fallende Staatsangehörige: Die Welt Zur Frage des Anwendungsbereichs auf Großbritannien siehe vorstehend

Abs. 4:

Schutz nach Maßgabe der Staatsverträge (RBÜ, WUA, TRIPS).

Charakter der Staatsverträge als Bundesrecht: Minimum standard right der RBÜ, WUA u.a. Bündel an Schutzrechten Deutscher Staatsbürger wie Ausländer. Beispiel: Schutzdauer USA: 50 Jahre Angenommen, kein Rechtsschutz nach § 121 Abs. 1, wie lange ist Werk eines USBürgers in Deutschland geschützt? Art. 7 VIII RBÜ: Schutzdauer des Ursprungslandes im Inland

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Fünfter Teil – Abschnitt 1 Anwendungsbereich – gesetzliche Strukturen § 121 Ausländische Staatsangehörige Alle, nicht unter § 120 fallende Staatsangehörige: Die Welt Zur Frage des Anwendungsbereichs auf Großbritannien siehe vorstehend

Abs. 5:

Folgerecht (§ 26 UrhG) nur bei Gegenseitigkeit

Abs. 6:

Persönlichkeitsrechtlicher Schutz gilt unbeschränkt

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Fünfter Teil – Abschnitt 1 Anwendungsbereich – gesetzliche Strukturen § 122 Staatenlose Werden wie Deutsche behandelt, wenn hier ihr Aufenthalt ist.

§ 123 Ausländische Flüchtlinge Entsprechend § 122 UrhG. Schutz nach § 121 ist nicht ausgeschlossen, insbesondere nach dessen Abs. 1

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Fünfter Teil – Abschnitt 1 Anwendungsbereich – gesetzliche Strukturen § 124 Wissenschaftliche Ausgaben und Lichtbilder Entsprechend §§ 120 bis 123 § 125 Schutz des ausübenden Künstlers Abs. 1 Deutsche ausübende Künstler und solche aus EU-Staaten und EWR Staaten. Abs. 2 Darbietung in Deutschland Abs. 3 Erscheinen in Deutschland Abs. 4 Sendung Abs. 5 Internationale Verträge: Rom Abkommen Abs. 7 Schutzdauerbefristung

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Fünfter Teil – Abschnitt 1 Anwendungsbereich – gesetzliche Strukturen § 126 Schutz des Herstellers von Tonträgern § 127 Schutz des Sendeunternehmens § 127a Schutz des Datenbankherstellers § 128 Schutz des Filmherstellers

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Beispielsfall 1: Internationaler Schutz von ausübenden Künstlern BGHZ 125, 382 – Rolling Stones – Zum gemeinschaftsrechtlichen Verständnis des § 125 UrhG ausübender Künstler Sachverhalt und Fragestellung: Rechtsschutz von ausübenden Künstlern Für vor 1966 erbrachte Leistungen:

Zeitschiene: Darbietung 1964 bis 1965 In UK

1.1.1966 In-Kraft-Treten des UrhG

11.12.1973 In-Kraft-Treten des ZustimmungsG Zum GTA

Rückwirkung, Art.2 II ZStGGTA Prof. Dr.Flechsig

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BGHZ 125, 382 – Rolling Stones 1.

Kein Schutz nach § 125 Abs. 5 UrhG in Verb. mit der RBÜ- Rom:

Ein solcher Schutz scheitert hier daran, dass die RBÜ nur für Urheber- und nicht auch für Leistungsschutzrecht gilt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass dem ausübenden Künstler nach dem zum Zeitpunkt der Darbietung geltenden deutschen Recht an der Aufzeichnung seiner Darbietung ein fiktives Bearbeitungsurheberrecht zustand (§ 2 Abs. 2 LUG). Wie der BGH (GRUR 1992, 845 , 846 f. - Cliff Richard; vgl. auch schon BGH GRUR 1987, 814 , 816 – Die Zauberflöte) näher ausgeführt hatte, wird dieses Bearbeiterurheberrecht, das zwar wie ein Urheberrecht ausgestaltet war, bei dem es sich aber nach seinem materiellen Gehalt um ein Leistungsschutzrecht - das es seit dem 1. 1. 1966 auch geworden ist (vgl. §§ 129, 135 UrhG) - handelte, von der allein für das Urheberrecht geltenden Revidierten Berner Übereinkunft nicht erfasst.

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BGHZ 125, 382 – Rolling Stones 2.

Keine Anwendung des Genfer Tonträgerabkommen vom 28. 10. 1971 (BGBl. 1973 II, 1670) aus Art. 2 Abs. 1 des dazu ergangenen Zustimmungsgesetzes vom 10. 12. 1973 (BGBl. II, 1669):

Hierzu BGHZ 123, 356 – The Beatles (nachstehend)

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BGHZ 125, 382 – Rolling Stones 3.

Aber: Inlandsschutz ergab sich im Streitfall aber aus Art. 7 Abs. 1 EWGV (jetzt Art. 18 EU-Vertrag Arbeitsweise – Vertrag von Lissabon ab 1.1.2009 ). Der EuGH hatte zur Auslegung dieser Regelung inzwischen durch Urteil vom 20. 10. 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-92/92 und C-326/92 auf Vorlage nach Art. 177 EWGV folgende Vorabentscheidung getroffen (GRUR 1994, 280 ff. = GRUR Int. 1994, 53 ff. Collins/Imtrat):

"1. Das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte fallen in den Anwendungsbereich des EWG- Vertrags im Sinne von Art. 7 Abs. 1; das in diesem Artikel niedergelegte allgemeine Diskriminierungsverbot ist daher auf diese Rechte anwendbar. 2. Art. 7 Abs. 1 EWG-Vertrag ist dahin auszulegen, dass es gegen diese Vorschrift verstößt, wenn Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats die Urheber und ausübenden Künstler der anderen Mitgliedstaaten sowie diejenigen, die Rechte von ihnen ableiten, von dem nach diesen Vorschriften den Inländern zuerkannten Recht ausschließen, den Vertrieb eines ohne ihre Einwilligung hergestellten Tonträgers im Inland zu verbieten, wenn die Darbietung im Ausland stattgefunden hat. 3. Art. 7 Abs. 1 EWG-Vertrag ist dahin auszulegen, dass sich ein Urheber oder ausübender Künstler eines anderen Mitgliedstaates oder derjenige, der Rechte von ihm ableitet, vor dem nationalen Gericht unmittelbar auf das in dieser Vorschrift niedergelegte Diskriminierungsverbot berufen kann, um Gewährung des Schutzes zu verlangen, der den inländischen Urhebern und ausübenden Künstlern vorbehalten ist." Prof. Dr.Flechsig

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BGHZ 125, 382 – Rolling Stones 3. Hieraus folgt: a)

Nach dieser Auslegung des EuGH ergibt sich aus Art. 7 Abs. 1 EWGV ein unmittelbarer Anspruch aus Gleichbehandlung mit Urhebern und ausübenden Künstlern in einem anderen EG-Mitgliedsland. Für den Streitfall bedeutet dies, dass die englischen Musikgruppe "The Rolling Stones" in der Bundesrepublik Deutschland den Schutz beanspruchen kann, der einem inländischen ausübenden Künstler gewährt wird. Die Bekl. kann danach grundsätzlich Ansprüche nach §§ 96, 97 UrhG geltend machen: denn ein deutscher ausübender Künstler hätte für die in den Jahren 1964 und 1965 erbrachten Leistungen zunächst das Bearbeitungsurheberrecht nach dem seinerzeit geltenden § 2 Abs. 2 LUG erlangt, das sich mit dem Inkrafttreten des UrhG am 1. 1. 1966 in ein Leistungsschutzrecht im Sinne der §§ 73 ff. UrhG verwandelt hätte (vgl. §§ 129, 135 UrhG). Da der Anspruch auf Gleichbehandlung mit deutschen Staatsangehörigen unmittelbar aufgrund des Art. 7 Abs. 1 EWGV besteht, steht ein abweichendes nationales Recht hier § 125 UrhG - nicht entgegenstehen

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BGHZ 125, 382 – Rolling Stones 3. Hieraus folgt: b)

Denn das (einfache) nationale Recht ist im Lichte des Gemeinschaftsrechts in der Auslegung durch den EuGH zu ergänzen und überlagert.

c)

Die Einbeziehung der Leistungsschutzrechte in den Anwendungsbereich des EWGVertrages beruht insbesondere auf ihren Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Austausch von Gütern und Dienstleistungen. Die Regelung des Art. 18 EU-Arbeitsweise-Vertrag verlangt eine "vollständige Gleichbehandlung", indem sie "jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit" verbietet. Dies spricht dafür, dass der EuGH von einem absoluten Diskriminierungsverbot ausgegangen ist. Die Begründung, dass weder die Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsordnungen über den Schutz der verwandten Schutzrechte noch der Umstand, dass noch nicht alle Mitgliedstaaten dem Rom- Abkommen beigetreten seien, einen Verstoß gegen das in Art. 18 EUV niedergelegte Diskriminierungsverbot rechtfertigen können (Urteilsgründe Rdn. 31), scheint dagegen ein relatives Verständnis näherzulegen.

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BGHZ 125, 382 – Rolling Stones 3. Hieraus folgt: d)

Der EuGH hat auch berücksichtigt, dass das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte wie die anderen gewerblichen und kommerziellen Eigentumsrechte unmittelbare Auswirkungen auf den Handel und die Wettbewerbsverhältnisse innerhalb der Gemeinschaft haben können, wie zum Beispiel die besonderen Vorschriften der Art. 30, 36, 59 und 66 EWGB zeigen. Unter diesen Umständen hält sich eine Auslegung, die die verwandten Schutzrechte dem Anwendungsbereich des EWG-Vertrages zurechnet, im Rahmen der dem EuGH zugewiesenen Entscheidungsbefugnis.

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BGHZ 125, 382 – Rolling Stones 3. Hieraus folgt: e)

Auch greifen gegen den EuGH keine verfassungsrechtlichen Bedenken durch, dass sich ein ausübender Künstler eines anderen Mitgliedstaates vor dem nationalen Gericht unmittelbar auf das Diskriminierungsverbot berufen könne. § 125 UrhG steht nicht gleichrangig neben Art. 7 Abs. 1 EWGV und kann deshalb als die jüngere Norm keinen Vorrang beanspruchen. Nach allgemeinem Verständnis ist im Divergenzfall vom Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts vor dem (einfachen) nationalen Recht auszugehen.

f)

Zum Verhältnis EU/EWGen und Nationalstaat zuletzt BVerfG v. 30.6.2009.

g)

Siehe Ferner Vertrag von Lissabon, konsolidierte Fassung 2010/C 83, 1, in Kraft am 1.1.2009.

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Beispielsfall 2: Internationaler Schutz von Tonträgern und Herstellern BGHZ 123, 356 – The Beatles – Zum Anwendbarkeit des Genfer Tonträger-Abkommens - GTA 1971/10. 12. 1973 (BGBl. II, 1669). Sachverhalt und Fragestellung: Rechtsschutz von Tonträgerherstellern für vor 1966 erbrachte Tonträgern und Tonträgerherstellerleistungen: Zeitschiene: 1960 bis 1965 Herstellung von Tonträgern

1.1.1966 In-Kraft-Treten des UrhG

11.12.1973 In-Kraft-Treten des ZustimmungsG Zum GTA Rückwirkung, Art.2 II ZStGGTA

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BGHZ 123, 356 – The Beatles Genfer Tonträgerabkommen vom 28. 10. 1971 (BGBl. 1973 II, 1670) und Art. 2 Abs. 1 des dazu ergangenen Zustimmungsgesetzes vom 10. 12. 1973 (BGBl. II, 1669).

Art. 2 GTA: Jeder Vertragsstaat schützt die Hersteller von Tonträgern, die Angehörige Anderer Vertragsstaaten sind, gegen die Herstellung von Vervielfältigungsstücken ohne Zustimmung des Herstellers des Tonträgers und gegen die Einfuhr solcher Vervielfältigungsstücke, sofern die Herstellung oder die Einfuhr zum Zweck der Verbreitung an die Öffentlichkeit erfolgt, und auch gegen die Verbreitung solcher Vervielfältigungsstücke an die Öffentlichkeit.

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BGHZ 123, 356 – The Beatles Art. 7 III GTA (3): Kein Vertragsstaat ist verpflichtet, die Bestimmungen dieses Übereinkommens auf Tonträger anzuwenden, die vor dem Zeitpunkt festgelegt worden sind, in dem dieses Übereinkommen für den betreffenden Staat in Kraft tritt.

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BGHZ 123, 356 – The Beatles Art. 2 Abs. 1 des Zustimmungsgesetzes zum Genfer Tonträger-Abkommen vom 10. 12. 1973 (BGBl. II, 1669): Art 2 (1) Angehörige eines Vertragsstaats des Übereinkommens und Unternehmen mit Sitz in einem Vertragsstaat des Übereinkommens genießen vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Übereinkommens für die Bundesrepublik Deutschland an für ihre Tonträger die in § 85 des Urheberrechtsgesetzes vom 9. September 1965 (BGBl. I S. 1273), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des UrhG vom 10. November 1972 (BGBl. I S. 2081), vorgesehenen Rechte mit der Maßgabe, dass Schutz nur gegen die in Artikel 2 des Übereinkommens genannten Handlungen gewährt wird. Bei Verletzung dieser Rechte ist auch § 108 Nr. 5 des Urheberrechtsgesetzes anzuwenden. (2) § 136 des Urheberrechtsgesetzes ist entsprechend anzuwenden. Art 4 Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft. [11.12.1973].

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BGHZ 123, 356 – The Beatles BGH, aaO.: „ … Das BerG hat zu Recht angenommen, daß sich diese Regelung mangels einer ausdrücklichen Einschränkung auf alle Tonträger bezieht, d. h. auch auf solche, die vor dem Inkrafttreten des Übereinkommens hergestellt worden sind. Dies hat das BerG zutreffend daraus gefolgert, daß in Art. 2 Abs. 2 des Zustimmungsgesetzes § 136 UrhG für entsprechend anwendbar erklärt wird. Diese - den rückwirkenden Schutz des Urhebers einschränkende Verweisung ergibt nur dann einen Sinn, wenn der Gesetzgeber überhaupt eine Rückwirkung beabsichtigte und damit den Altbestand grundsätzlich schützen wollte. Daß dies der Fall ist, folgt auch aus der amtlichen Begründung zu Art. 2 des Zustimmungsgesetzes (BT-Drucks. 7/121, S. 6). …“

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BGHZ 123, 356 – The Beatles Die danach grundsätzlich bestehende Rückwirkung des Abkommens reicht jedoch nicht weiter als der Inlandsschutz und damit nicht über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Urheberrechtsgesetzes am 1. 1. 1966 hinaus. Dies folgt aus § 129 Abs. 1 UrhG: § 129 Werke Die Vorschriften dieses Gesetzes sind auch auf die vor seinem Inkrafttreten geschaffenen Werke anzuwenden, es sei denn, dass sie zu diesem Zeitpunkt urheberrechtlich nicht geschützt sind oder dass in diesem Gesetz sonst etwas anderes bestimmt ist. Dies gilt für verwandte Schutzrechte entsprechend. (2)….

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BGHZ 123, 356 – The Beatles Danach sind die Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes bei verwandten Schutzrechten nur dann über den Zeitpunkt seines Inkrafttretens hinaus rückwirkend anwendbar, wenn die Leistungen auch vorher urheberrechtlich geschützt waren. Für den Tonträgerhersteller bestand aber vor dem 1. 1. 1966 kein Schutz nach urheberrechtlichen Bestimmungen, sondern nur nach § 1 UWG, §§ 823, 826 BGB (vgl. RGZ 73, 294 ff. - Schallplatten; Schricker/Vogel, a.a.O., § 85 Rdn. 2). Dieser wettbewerbsrechtliche und persönlichkeitsrechtliche Schutz ist jedoch nicht als Schutz im Sinne des § 129 Abs. 1 UrhG anzusehen mit der Folge, daß die Rechte des Tonträgerherstellers nach § 85 UrhG nur für die ab dem 1. 1. 1966 erbrachten Leistungen entstehen konnten. Auf das fiktive Bearbeiterurheberrecht aus § 2 Abs. 2 LUG konnten sich die Tonträgerhersteller nicht unmittelbar stützen. Es führte nur zu einem Tonträgerschutz für die ausübenden Künstler.

Streitfall: keine Anhaltspunkte, dass die Beatles ihre Rechte als ausübende Künstler auf die Kl. übertragen haben. Prof. Dr.Flechsig

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Europäischer Leistungsschutz in den Grenzen des Binnenmarktes - Zur Schutzdauer des Tonträgerherstellers im Lichte des europäischen Leistungsschutzes EG-Mitgliedstaat D

Normen: §§ 85, 126, 137f UrhG; Art. 7 II und 10 II Schutzdauer-RL (kodifizierte Fassung 2006); Genfer-Tonträgerabkommen 1971

Europäischer Binnenmarkt EG Drittstaaten EG-Mitgliedstaat A

Nationales und Internationales Fremdenrecht = Beziehung Drittstaat zu Mitgliedstaat A Prof. Dr.Flechsig

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XIV. Internationales und Europäisches Urheberrecht Art. 10 Schutzdauer-RL Richtlinie 2006/116/EG Art. 10 II - Zeitliche Anwendbarkeit 1. Wenn eine Schutzfrist, die länger als die entsprechende Schutzfrist nach dieser Richtlinie ist, am 1. Juli 1995 in einem Mitgliedstaat bereits lief, so wird sie durch diese Richtlinie in dem betreffenden Mitgliedstaat nicht verkürzt. 2. Die in dieser Richtlinie vorgesehene Schutzfrist findet auf alle Werke oder Gegenstände Anwendung, die zu dem in Absatz 1 genannten Zeitpunkt zumindest in einem der Mitgliedstaaten aufgrund der Anwendung nationaler Bestimmungen im Bereich des Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte geschützt waren, oder die zu diesem Zeitpunkt die Schutzkriterien der Richtlinie [92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums] erfüllten. 3. Nutzungshandlungen, die vor dem in Absatz 1 genannten Zeitpunkt erfolgt sind, bleiben von dieser Richtlinie unberührt. Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Bestimmungen, um insbesondere die erworbenen Rechte Dritter zu schützen. 4. Die Mitgliedstaaten brauchen Artikel 2 Absatz 1 auf vor dem 1. Juli 1994 geschaffene Filmwerke und audiovisuelle Werke nicht anzuwenden.

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EuGH, Urteil vom 20. 1. 2009 - C-240/07 (Sony Music Entertainment [Germany] GmbH/Falcon Neue Medien VertriebGmbH), Sony/Falcon) – EG Art. 234; Richtlinie 2006/116/EG Art. 10 II [GRUR 2009, 393; Vorlagebeschluss des BGH vom 29. 3. 2007 ist abgedr. In GRUR 2007, 502 – Tonträger aus Drittstaaten.] Sachverhalt: Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, vertreibt Falcon zwei Tonträger mit Aufnahmen von Darbietungen des Künstlers Bob Dylan. Die erste CD trägt den Titel „Bob Dylan - Blowin in the Wind“, die zweite den Titel „Bob Dylan - Gates of Eden“. Auf diesen Tonträgern finden sich Musiktitel, die auf den Alben „Bob Dylan - Bringing It All Back Home“, „The Times They Are A-Changiń“ und „Highway 61 Revisited“ erschienen sind. Diese Alben wurden vor dem 1. 1. 1966 in den USA veröffentlicht. Sony, die Kl. des Ausgangsverfahrens, ist die deutsche Tochtergesellschaft des multinationalen japanischen Konzerns gleichen Namens. Sony beantragte beim zuständigen LG, Falcon zu untersagen, die Tonträger „Bob Dylan - Blowin in the Wind“ und „Bob Dylan - Gates of Eden“ zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen und zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen. Ferner beantragte sie, Falcon zu verurteilen, Auskunft zu erteilen, und deren Schadensersatzpflicht festzustellen. Falcon brachte vor, dass an den vor dem 1. 1. 1966 aufgenommenen Bob-Dylan-Alben im Inland keine Rechte eines Tonträgerherstellers bestünden. Prof. Dr.Flechsig

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EuGH, Urteil vom 20. 1. 2009 - C-240/07 (Sony Music Entertainment [Germany] GmbH/Falcon Neue Medien VertriebGmbH), Sony/Falcon) – EG Art. 234; Richtlinie 2006/116/EG Art. 10 II 1.

Die in der Richtlinie 2006/116/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. 12. 2006 über die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte vorgesehene Schutzfrist findet gem. Art. 10 II dieser Richtlinie auch dann Anwendung, wenn der betreffende Gegenstand in dem Mitgliedstaat, in dem Schutz beansprucht wird, zu keiner Zeit geschützt war.

2.

Art. 10 II der Richtlinie 2006/116/EG ist dahin auszulegen, dass die in dieser Richtlinie vorgesehenen Schutzfristen Anwendung finden, wenn das betreffende Werk als solches oder der betreffende Gegenstand als solcher am 1. 7. 1995 in zumindest einem Mitgliedstaat gemäß den nationalen Bestimmungen dieses Mitgliedstaats über das Urheberrecht oder verwandte Schutzrechte geschützt war und der Inhaber solcher Schutzrechte an diesem Werk oder Gegenstand, der Drittstaatsangehöriger ist, zu diesem Zeitpunkt den in diesen nationalen Bestimmungen vorgesehenen Schutz genoss.

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BGH GRURInt 2010, 532 Tonträger aus Drittstaaten - bestätigt.: 1. Im Anschluss an das Urteil des EuGH vom 20.1.2009 – Sony/Falcon, GRUR Int.2009GRURINT Jahr 2009 Seite 404, ist § URHG § 137f Abs. URHG § 137F Absatz 2 UrhG über seinen Wortlaut hinaus in Übereinstimmung mit Art. 10 Abs. 2 der konsolidierten europäischen Schutzdauerrichtlinie 2006/116/EG dahingehend auszulegen und anzuwenden, dass der Schutz von Tonträgern aus Drittstaaten, wie den USA, auch dann Platz greift, wenn er am Stichtag 1.7.1995 in Deutschland zu keinem Zeitpunkt, wohl aber nach dem Gesetz eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union noch bestanden hat. 2. Die Annahme des deutschen Gesetzgebers, der Wortlaut des § 137f Abs. 2 UrhG sei richtlinienkonform, war aus der Sicht des EuGH-Urteils fehlerhaft. Damit liegt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes vor, die im Wege einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung zu schließen ist. Rdnr. 18: cc) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist § 137f Abs. 2 UrhG jedoch im Hinblick auf Art. 10 Abs. 2 der Schutzdauerrichtlinie auch auf Tonträger anzuwenden, für die im Inland zu keinem Zeitpunkt ein Schutz bestanden hat.

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Fünfter Teil – Abschnitt 9 Großbritannien im Lichte des europäischen und internationalen Urheberrechts nach dem Brexit -

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Mit Ausscheiden aus der EU nimmt das UK grundsätzlich den Status eines Drittstaates (§ 121 Abs. 1 UrhG) ein. Im Übrigen genießen UK-Staatsangehörige den urheberrechtlichen Schutz nach Maßgabe der biund multilateralen Staatsverträge, § 121 Abs. 4 UrhG. Offen bleibt die Frage, was mit dem Grunde nach gewährtem Rechtsschutz in Deutschland wie in anderen Mitgliedstaaten der EU geschieht, der aufgrund ehemaliger Mitgliedschaft des UK zur EU gewährt wurde. Hier könnten theoretisch Zweifelsfragen sowohl in materieller Hinsicht bezüglich der Begründung des Rechtsschutzes wie bei der Frage des Inhalts des aufgrund urheberrechtlich relevanter EU-RL und EU-VO gewährenden Recht bestehen (z.B. betreffend Schutzdauer, Schrankenbestimmungen u.a.). Offen ist auch die Frage, wie mit zugunsten von Staatsbürgern des UK ergangenen Urteilen mit Blick auf deren zukünftige Geltung umzugehen ist (Auslegungsfragen, Fragen der Anwendung zugunsten von UK-Staatsbürgern ergangenen EuGH-Urteilen; z.B. EuGH - Karen Murphy – Territorialität und Dienstleistungsfreiheit - MMR 2011, 817 [14.10.2011 - C-403, 429/08]). Zur Frage eines Beitritts UK-/ Großbritannien zum EWR Die Rolle Schottland nach einem eventuell isolierten Beitritt zur EU

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XIV. Internationales und Europäisches Urheberrecht

Großbritannien im Lichte des europäischen und internationalen Urheberrechts nach dem Brexit Wie vorstehend ausgeführt, ist die Frage der Folgen des Austritts eines Mitgliedsstaates der EU aus der Gemeinschaft ist in vielfacher Hinsicht von erheblicher Bedeutung. Sie betrifft zum einen die Behandlung von Staatsbürgern des Vereinigten Königsreichs von Großbritannien in Deutschland und zum anderen die Behandlung der Staatsbürger und ihrer Rechte in Deutschland – wie in anderen EU-Mitgliedstaaten. Dem dient der nachfolgende, vereinfachte Überblick: I.

Urheberrechtsschutz britischer Staatsbürger in Deutschland nach Austritt

Schutz britischer Staatsbürger aus deutscher Sicht: UK ist kein EU-Mitgliedstaat mehr, seine Bürger sind Drittstaatler, weshalb nach Austritt internationales Urheberrecht gilt, §§ 121 Abs. 4 und Abs. 1 UrhG. Dies gilt jedenfalls für die Zukunft ab dem Zeitpunkt des Austritts für die Frage der Anwendung deutschen Urheberrechts.

Insoweit Rechtsschutz vor Austrittstag erworben wurde dürfte ein Bestandsschutz zu gewähren sein. Hierfür spricht § 129 Abs. 1 UrhG, wonach erworbener wie zu erwerbender Schutz unberührt bleibt, wenn die diesbezüglichen Voraussetzungen, die für jedermann gelten, erfüllt sind oder waren. Vorstehende Einschätzung gilt immer vorbehaltlich anderweitiger unional-nationaler Regelungen, die aufgrund bilateraler oder multirateraler Vereinbarungen andere Anpassungen bestimmen. Prof. Dr.Flechsig SS 2017 Urheberrecht XIV 36

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Großbritannien im Lichte des europäischen und internationalen Urheberrechts nach dem Brexit I.

Urheberrechtsschutz britischer Staatsbürger in Deutschland nach Austritt

Hieraus können sich unterschiedliche Behandlungen britischer Staatsbürger ergeben, wie folgender Umstand belegt: UK-Urheber sind auch nach dem Austrittstag bei Anwendung des § 129 Abs. 1 UrhG bis 70 Jahre nach dem Tode geschützt. UK-Urheber, deren Werke erst nach dem Austritttag aufgrund § 121 Abs. 4 (nicht Abs. 1) UrhG deutschen Urheberschutz erfahren, könnten theoretisch einen kürzeren Schutz erfahren, wenn in sodann anzuwendenden Konventionsrecht nach Art. 5 mit Art. 7 Abs. 8 RBÜ kürzere Schutzfristen zukünftig in UK gelten würden. Dieses Modell des – aus deutscher Sicht für Deutschland - Auseinanderfallens von Schutz durch altes EU-Recht für UK-Urheber nach § 120 Abs. 2 Nr. 2 (UK-Urheber steht deutschen Urhebern gleich) mit § 129 UrhG einerseits und neuem Konventionsrecht für UK-Urheber als Ausländer nach § 121 Abs. 4 UrhG mit Art. 2, 3 und 5 RBÜ (als Minimum-Standard Rights) ist nur dann vermieden, wenn Großbritannien national nicht hinter das gegenwärtige Schutzniveau zurückfällt und damit über die RBÜ Mindestschutzvorschriften hinausgeht.

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Großbritannien im Lichte des europäischen und internationalen Urheberrechts nach dem Brexit II.

Schutz Urheber europäischer Mitgliedstaaten (insbesondere Deutschland) in UK nach Austritt

Die Frage des Schutzes der Urheber aus europäischen Mitgliedstaaten in Großbritannein, dem das UK nicht mehr angehört, hat sich aus nationalstaatlicher englischer Sicht:zu beantworten. Dies können zum einen bilaterale Absprachen mit der EU, zum anderen aber auch und regelmäßig nationales britisches Fremdenrecht, ergänzt um Bestimmungen in Umsetzung der Austrittsabsprachen, insbesondere aber auch internationale Verträge wie RBÜ, WUA und TRIPS sein. In Ermangelung unittelbaren britisch-nationalem Fremdenrecht für deutsche Urheber ist das geltende, zwischen Deutschland und dem UK geltende multilaterale Konventionsrecht anzuwenden. Seit dem 13.7.2017 liegt ein Entwurf einer “BILL TO Repeal the European Communities Act 1972 and make other provision in connection with the withdrawal of the United Kingdom from the EU” vor. Der britische Gesetzentwurf (European Union (Withdrawal) Act 2017 vom 13.7.2017) hat folgenden Inhalt im Überblick: Prof. Dr.Flechsig

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Großbritannien im Lichte des europäischen und internationalen Urheberrechts nach dem Brexit II.

Schutz Urheber europäischer Mitgliedstaaten (insbesondere Deutschland) in UK nach Austritt

Contents Repeal of the ECA 1 Repeal of the European Communities Act 1972 Retention of existing EU law 2 Saving for EU-derived domestic legislation 3 Incorporation of direct EU legislation 4 Saving for rights etc. under section 2(1) of the ECA 5 Exceptions to savings and incorporation 6 Interpretation of retained EU law Main powers in connection with withdrawal 7 Dealing with deficiencies arising from withdrawal 8 Complying with international obligations 9 Implementing the withdrawal agreement Prof. Dr.Flechsig

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Schutz Urheber europäischer Mitgliedstaaten (insbesondere Deutschland) in UK nach Austritt

Devolution 10 Corresponding powers involving devolved authorities 11 Retaining EU restrictions in devolution legislation etc. Financial and other matters 12 Financial provision 13 Publication and rules of evidence General and final provision 14 Interpretation 15 Index of defined expressions 16 Regulations 17 Consequential and transitional provision 18 Extent 19 Commencement and short title

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Großbritannien im Lichte des europäischen und internationalen Urheberrechts nach dem Brexit II.

Schutz Urheber europäischer Mitgliedstaaten (insbesondere Deutschland) in UK nach Austritt

Die Frage des Schutzes der Urheber aus europäischen Mitgliedstaaten, dem das UK nicht mehr angehört, hat sich aus nationalstaatlicher englischer Sicht:zu beantworten. Dies können zum einen bilaterale Absprachen mit der EU, zum anderen aber auch und regelmäßig nationales britisches Fremdenrecht, ergänzt um Bestimmungen in Umsetzung der Austrittsabsprachen sein. Seit dem 13.7.2017 liegt ein Entwurf einer “BILL TO Repeal the European Communities Act 1972 and make other provision in connection with the withdrawal of the United Kingdom from the EU” vor. Hiernach sollten gelten: 1. Repeal of the European Communities Act 1972 The European Communities Act 1972 is repealed on exit day. Damit endet grundsätzlich am Tages des Austritts die Mitgliedschaft des UK zur EU. Prof. Dr.Flechsig

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Ferner zur Frage der Anwendung nationalen Rechts Retention of existing EU law 2. Saving for EU-derived domestic legislation (1) EU-derived domestic legislation, as it has effect in domestic law immediately before exit day, continues to have effect in domestic law on and after exit day. Damit gilt, dass nationales UK-Fremdensrecht, welches aufgrund von EU-Recht vor dem Tage des Austritts erlassen und wirksam wurde, fortbestehen soll.

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3 Incorporation of direct EU legislation (1) Direct EU legislation, so far as operative immediately before exit day, forms part of domestic law on and after exit day. (2) In this section “EU-derived domestic legislation” means any enactment so far as— (a) made under section 2(2) of, or paragraph 1A of Schedule 2 to, the European Communities Act 1972, (b) passed or made, or operating, for a purpose mentioned in section 2 (2) (a) or (b) of that Act, (c) relating to anything— (i) which falls within paragraph (a) or (b), or (ii) to which section 3(1) or 4(1) applies, or (d) relating otherwise to the EU or the EEA, but does not include any enactment contained in the European Communities Act 1972. Gleiches gilt für unmittelbar anwendbares EU-Recht (Verordnungen), das fortbestehen soll.

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4 Saving for rights etc. under section 2(1) of the ECA (1) Any rights, powers, liabilities, obligations, restrictions, remedies and procedures which, immediately before exit day — (a) are recognised and available in domestic law by virtue of section 2(1) of the European Communities Act 1972, and (b) are enforced, allowed and followed accordingly, continue on and after exit day to be recognised and available in domestic law (and to be enforced, allowed and followed accordingly). (2) Subsection (1) does not apply to any rights, powers, liabilities, obligations, restrictions, remedies or procedures so far as they— (a) form part of domestic law by virtue of section 3, or (b) arise under an EU directive (including as applied by the EEA agreement) and are not of a kind recognised by the European Court or any court or tribunal in the United Kingdom in a case decided before exit day (whether or not as an essential part of the decision in the case).

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5 Exceptions to savings and incorporation (1) The principle of the supremacy of EU law does not apply to any enactment or rule of law passed or made on or after exit day. (2) Accordingly, the principle of the supremacy of EU law continues to apply on or after exit day so far as relevant to the interpretation, disapplication or quashing of any enactment or rule of law passed or made before exit day. (3) Subsection (1) does not prevent the principle of the supremacy of EU law from applying to a modification made on or after exit day of any enactment or rule of law passed or made before exit day if the application of the principle is consistent with the Intention of the modification. (4) The Charter of Fundamental Rights is not part of domestic law on or after exit day. (5) Subsection (4) does not affect the retention in domestic law on or after exit day in accordance with this Act of any fundamental rights or principles which exist irrespective of the Charter (and references to the Charter in any case law are, so far as necessary for this purpose, to be read as if they were references to any corresponding retained fundamental rights or principles). (6) Schedule 1 (which makes further provision about exceptions to savings and I ncorporation) has effect. Prof. Dr.Flechsig

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SCHEDULE 1 FURTHER PROVISION ABOUT EXCEPTIONS TO SAVINGS AND INCORPORATION Challenges to validity of retained EU-Law

General principles of EU law 2 No general principle of EU law is part of domestic law on or after exit day if it was not recognised as a general principle of EU law by the European Court in a case decided before exit day (whether or not as an essential part of the decision in the case). 3 (1) There is no right of action in domestic law on or after exit day based on a failure to comply with any of the general principles of EU law. (2) No court or tribunal or other public authority may, on or after exit day— (a) disapply or quash any enactment or other rule of law, or (b) quash any conduct or otherwise decide that it is unlawful, because it is incompatible with any of the general principles of EU law. Prof. Dr.Flechsig

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Was sagt das nationale Fremdenrecht des CDPA zum Schutz von Ausländern und EU-Ausländern? Kein allgemeines unmittelbares nationales Fremdenrecht. Die Geltung internationaler Konventionen, insbesondere der RBÜ: RBÜ Art. 5 RBÜ [Umfang des Schutzes - Genuß und Ausübung der Rechte] (1) Die Urheber genießen für die Werke, für die sie durch diese Übereinkunft geschützt sind, in allen Verbandsländern mit Ausnahme des Ursprungslandes des Werkes die Rechte, die die einschlägigen Gesetze den inländischen Urhebern gegenwärtig gewähren oder in Zukunft gewähren werden, sowie die in dieser Übereinkunft besonders gewährten Rechte. (2) Der Genuß und die Ausübung dieser Rechte sind nicht an die Erfüllung irgendwelcher Förmlichkeiten gebunden; dieser Genuß und diese Ausübung sind unabhängig vom Bestehen des Schutzes im Ursprungsland des Werkes. Infolgedessen richten sich der Umfang des Schutzes sowie die dem Urheber zur Wahrung seiner Rechte zustehenden Rechtsbehelfe ausschließlich nach den Rechtsvorschriften des Landes, in dem der Schutz beansprucht wird, soweit diese Übereinkunft nichts anderes bestimmt.

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(3) Der Schutz im Ursprungsland richtet sich nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften. Gehört der Urheber eines aufgrund dieser Übereinkunft geschützten Werkes nicht dem Ursprungsland des Werkes an, so hat er in diesem Land die gleichen Rechte wie die inländischen Urheber. (4) Als Ursprungsland gilt: a) für die zum ersten Mal in einem Verbandsland veröffentlichten Werke dieses Land; handelt es sich jedoch um Werke, die gleichzeitig in mehreren Verbandsländern mit verschiedener Schutzdauer veröffentlicht wurden, das Land, dessen innerstaatliche Rechtsvorschriften die kürzeste Schutzdauer gewähren; b) für die gleichzeitig in einem verbandsfremden Land und in einem Verbandsland veröffentlichten Werke dieses letzte Land; c) für die nichtveröffentlichten oder die zum ersten Mal in einem verbandsfremden Land veröffentlichten Werke, die nicht gleichzeitig in einem Verbandsland veröffentlicht wurden, das Verbandsland, dem der Urheber angehört; jedoch ist Ursprungsland, i) wenn es sich um Filmwerke handelt, deren Hersteller seinen Sitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Verbandsland hat, dieses Land und, ii) wenn es sich um Werke der Baukunst, die in einem Verbandsland errichtet sind, oder um Werke der graphischen und plastischen Künste handelt, die Bestandteile eines in einem Verbandsland gelegenen Grundstücks sind, dieses Land.

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Nationales Fremdenrecht des CDPA 1988 zum Schutz von Ausländern und EU-Ausländern, z.B. Duration of Copyright CDPA, Sec. 12: (6) Where the country of origin of the work is not an EEA state and the author of the work is not a national of an EEA state, the duration of copyright is that to which the work is entitled in the country of origin, provided that does not exceed the period which would apply under subsections (2) to (5). Gilt diese Vorschrift des national-britischen Urheberrecht weiter, gilt im Umkehrschluss, dass EUBürger hionsichtlich der Schutzdauer wie UK-Urheber behandelt werden.

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Rechtsprechung des EuGH zum Verständnis des Anwendungsbereichs mit Blick auf deutsches Recht und britisches Recht?

In der Zukunft und Vergangenheit?

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