Freiwilliges Soziales Jahr in der Dominikanischen Republik - Zwischenbericht April 2014

Freiwilliges Soziales Jahr in der Dominikanischen Republik - Zwischenbericht April 2014 Liebe Spender(innen), Familie, Freunde und Bekannte, seit dem...
Author: Adolf Friedrich
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Freiwilliges Soziales Jahr in der Dominikanischen Republik - Zwischenbericht April 2014

Liebe Spender(innen), Familie, Freunde und Bekannte, seit dem letzten Bericht ist bei mir viel und gleichzeitig doch nicht so viel passiert. Wir, also die anderen Freiwilligen und ich hatten unser Zwischenseminar, CEAM hat mir eine neue Tutorin zugeteilt, ich habe einige Ausflüge gemacht und einen schönen Urlaub mit zwei Freundinnen verbracht, die mich aus Deutschland besuchen kamen. Es gab viele neue Projektideen aus denen teilweise etwas geworden ist. Nach fast sieben Monaten in der Dominikanischen Republik habe ich inzwischen auch eine gefestigtere Meinung über das Land. In den ersten Monaten habe ich viel als andere Kultur wahrgenommen und mir keine Wertung über die Unterschiede erlaubt, mittlerweile sehe ich sehr viel auch kritisch. Den Zeitraum des Zwischenseminars habe ich mit Mitfreiwilligen in zwei schöne Wochenenden eingebettet. Das erste Wochenende haben wir in dem für seinen Karneval bekannten La Vega verbracht. Unverkleidet, wie die große Mehrheit der Umzug-Zuschauer, haben wir uns mit dem Hintern an den Hauswänden in Richtung Start des Umzuges entlang gekämpft. Man muss den hiesigen Karnevalsumzug mit Vorsicht genießen – wessen Hinterteil in Richtung der als Teufel verkleideten Männer und Frauen zeigt, der bekommt höchstwahrscheinlich einen heftigen Hieb mit einem Sandsack verpasst, der blaue Flecken hinterlässt. Glücklicherweise habe ich nichts abbekommen und hatte so eine Menge Spaß dabei, die Kostüme zu bewundern und bei lauter dominikanischer Musik, vor den Teufeln flüchtend, durch die Straßen zu rennen.

Am Montag nach dem Wochenende in La Vega begann nördlich von Santo Domingo das Zwischenseminar. Für die ersten zwei Seminartage waren auch unsere Tutoren eingeladen. Bis zu Beginn des Seminars war für mich unklar, wer als mein Tutor dort auftauchen würde. Mein eigentlicher Tutor hatte entweder keine Lust oder keine Zeit, mein Chef konnte auch nicht, weshalb er jemand anderen vom CEAM schicken wollte. Ich habe mich gefragt wen er

mir hätte schicken können, denn eigentlich hielt ich kein weiteres CEAM-Mitglied für imstande, die Organisation und meine Arbeit zu vertreten. Letztendlich wurde eine Frau zum Seminar geschickt, die ich zuvor noch nie gesehen hatte. Mein Chef hielt sie für besonders kompetent, weil sie in den USA studiert und in Santo Domingo für das Umweltministerium gearbeitet hat. Meine neue Tutorin Niurka habe ich also auf dem Zwischenseminar kennengelernt. Meine Motivation für neue Projekte ist auf dem Seminar, in Hoffnung darauf, dass meine Tutorin mich in Projekten unterstützen würde, noch einmal gestiegen. Tatsächlich schien mir Niurka kompetenter als sämtliche CEAM-Mitglieder, da sie Erfahrung damit hat, Projekte zu entwickeln und durchzuführen (sie ist Gründerin einer Stiftung für Menschen mit Behinderung). Auf dem Seminar ging es um Erfahrungsaustausch, Erwartungen von uns an die verbleibende Zeit und von den Partnerorganisationen an die (nächsten) Freiwilligen. Nach dem Zwischenseminar habe ich in Jarabacoa mit ein paar anderen Freiwilligen das Wochenende nach dem Zwischenseminar verbracht. Übernachtet haben wir in einem Gästezimmer eines deutsch-dominikanischen Ehepaars. Jarabacoa schien uns gleich von Beginn an anders zu sein als viele Orte, die wir bisher kennengelernt hatten – viele große, ein bisschen luxuriöse Häuser, große Autos und besonders auffällig, dass dort viel mehr hellhäutige Menschen leben. Wir könnten nachts gefahrlos zu Fuß zu unserem Zimmer zurückkehren, meinte unser Gastgeber, was ebenfalls fast außergewöhnlich ist. Am Tag nach der Ankunft sind wir zu zwei schönen Wasserfällen gewandert. Zu dem Ort, wo wir losgewandert sind, sind wir mit dem motoconcho (Motorrad-Taxi) gefahren. Leider haben wir fast nur blöde Fahrer erwischt, die nach Ankunft am Zielort mehr als das abgemachte Geld verlangt haben. Ein paar von uns standen kurz davor, nachzugeben; letztendlich haben wir uns dann aber doch durchsetzen können. Wieder zu Hause in Paraíso, sollte die neugewonnene Motivation in Taten umgesetzt werden. In einer kleinen Versammlung der „wichtigen“ CEAM-Mitglieder schilderte meine

neue Tutorion ausführlich, worum es auf dem Zwischenseminar ging. Damit hatte ich nicht gerechnet, weil ich davon ausging, dass Niurka mit einigen der Seminarthemen nicht viel anfangen konnte, da sie nicht viel von meiner bisherigen Arbeit wusste. Außerdem hielt ich einige Ideen, die auf dem Seminar ausgetauscht wurden, für das CEAM unrelevant, da es dem CEAM im Gegensatz zu den meisten anderen Partnerorganisationen an Struktur, Programm und Initiative fehlt, um große Projektideen umzusetzen. Meine Turorin hatte sogar eine lange Liste mit Projektideen ausgearbeitet. Der Deutschkurs zum Beispiel, an dem sie persönlich stark interessiert war, ist zustande gekommen. Ich gebe jetzt also einer interessierten und talentierten Gruppe zweimal wöchentlich Unterricht. Mit dem Direktor des örtlichen Liceos (die Oberstufe) wurde inzwischen auch abgesprochen, dass wir uns als CEAM-Mitglieder an der Umsetzung der 30 obligatorischen Umweltstunden der Abiturienten beteiligen. Den ersten Umweltvortrag in diesem Rahmen werden wir Anfang Mai halten. Dafür habe ich mich mit fünf weiteren CEAM-Mitgliedern, die mich dabei unterstützen sollen, zusammengesetzt um über die Müllproblematik zu reden. Nach diesem Treffen war ich darüber erleichtert, dass sich die Leute wenigstens in diesem Rahmen Denkanstöße gegeben haben. Ich hoffe darauf, dass es so weitergeht und die Denkanstöße das Umweltverhalten meiner Helfer positiv verändern. Von der Verwirklichung vieler anderer Ideen ist das CEAM meiner Meinung nach allerdings, aus dem genannten Mangel an Engagement, noch weit entfernt. Bislang hat mich leider noch keine Aktivität des CEAM so richtig überzeugt. Am Wochenende vor Ostern hatten wir eine Strandreinigungsaktion und obwohl klar war, dass einige Menschen kommen würden, fehlte es an Organisation und Handschuhen. Außerdem hielten es einige Beteiligte für besonders wichtig, Laub aufzusammeln, sodass der Teil mit dem meisten Müll zwischen Strand und Straße aus Zeitgründen so gut wie unberührt blieb. Meine Einwände konnten da auch nichts bewirken. Zwischen dem Seminar, der Müllaktion und meinem Alltag als Englisch-Lehrerin habe ich für 14 Tage Besuch von zwei Freundinnen aus Deutschland bekommen. Die erste Woche haben wir auf der Halbinsel Samaná in Las Terrenas und Las Galeras verbracht. Las Terrenas haben wir als einen Traum empfunden: ein lebendiges Städtchen mit einer angenehmen Mischung aus Dominikanern und Ausländern (hauptsächlich Franzosen), die der Stadt mit ihren Restaurants, Hotels, Bars und Geschäften ein elegantes Flair verleihen. Die Tage dort haben wir an den schönen Stränden verbracht, außer als wir zu dem eindrucksvollen Wasserfall El Limón gelaufen sind.

Las Galeras war für uns, im Gegensatz zu Las Terrenas, eine Enttäuschung. Eine verschlafene Kleinstadt mit überhöhten Preisen und noch dazu lag unsere Unterkunft unglaublich weit von allem entfernt. Um nicht enttäuscht wegzufahren, haben wir beschlossen uns wenigstens noch die als wunderschön geltenden Strände anzusehen. Das haben wir dann mit einem gemieteten Boot gemacht. An einem der Strände haben wir sogar auftauchende Wale bestaunen können. Hätte auch ich im richtigen Moment geguckt, hätte ich wie meine Freundin einen Wal in seiner vollen Pracht aus dem Wasser springen sehen! Nach sieben Monaten Leben im Süden der Dominikanischen Republik fällt es mir schwer, gelassen über die aufdringlichen Männer, den langweiligen Alltag der Leute, die Versuche, Ausländern möglichst viel Geld abzuknöpfen, und andere Probleme wie Drogenkonsum/Geschäfte und schlechte Bildung hinwegzusehen. In meinem ersten Bericht steht, dass ich mich an viele Unterschiede zu Deutschland gewöhnt habe oder sie mir kaum noch auffallen – das stimmt natürlich noch teilweise. Allerdings hat mich inzwischen in vielerlei Hinsicht die Geduld verlassen oder ich habe jetzt erst das Ausmaß einiger Probleme begriffen. Was denken sich die Männer, wenn sie einem etwas hinterher rufen oder hinterher pfeifen? Ich denke inzwischen, dass sie gar nicht denken, sondern einfach nur das nachahmen, was sie von klein auf mitbekommen haben. Dass wirklich jeder dich schön findet und mit dir nach „New York“ will und dich heiraten und am besten sofort Kinder mit dir zeugen möchte, das kann man ja gar nicht glauben. Zu Beginn habe ich mich jedem gegenüber freundlich verhalten, der mit mir reden wollte. Wenn mich jetzt ein Mann im Bus anspricht, bin ich ihm gegenüber von Anfang an lieber abweisend. Was ich mich immer wieder frage und vermutlich niemals verstehen kann ist, wie es viele Menschen hier aushalten, in ihrer Freizeit so gut wie nie das Haus zu verlassen, noch nicht mal am Wochenende. Wenn sie doch mal abends auf der Straße zu treffen sind, dann meistens weil sie auf dem Weg zur Kirche sind, von dort zurück kommen, sich schnell in der Pizzeria Pizza holen oder man sieht sitzende Gruppen im Park und es wird getrunken. Meistens läuft dazu zwar laute Musik, getanzt wird aber nicht. Das Tanzlokal von Paraíso füllt sich selten, und auch dort langweilt man sich schnell, wenn man ohne Männer unterwegs ist und nicht zum Tanzen aufgefordert wird. Kleinigkeiten, die den Alltag unterbrechen, werden hier oft zum Highlight. Im meinem ersten Bericht habe ich auch vom Drogengeschäft in Paraíso berichtet. Laut meiner Gastschwester und Schülern von mir wird nicht nur viel an Drogen verkauft sondern auch viel konsumiert. Das Ausmaß hatte ich, bis mir meine Gastschwester einige Konsumenten genannt hat, nicht ganz begriffen. Sie sprach von Kindern im Alter meines Gastneffen (zehn Jahre), die von älteren dazu angeleitet werden, zu koksen. Ich selber habe es erlebt wie eine Frau auf der Toilette einer Bar in Paraíso ein Tütchen mit weißem Pulver gezückt hat. Ich weiß nicht, inwiefern es zu weit aus dem Fenster gelehnt ist, zu behaupten, es sei Kokain gewesen, das sie sich vor Ort durch die Nase ziehen wollte. Wenn das alles so stimmt, steckt Paraíso natürlich echt in krassen Schwierigkeiten. Schlechte Bildung, finanzielle Schwäche und ausgeprägter Drogenkonsum lassen nicht darauf hoffen, dass es

Paraíso und seiner Umwelt in naher Zukunft besser gehen wird. Das finde ich ziemlich deprimierend. Leider sehe ich die positiven Dinge der Dominkanischen Republik, wie ich sie bisher kennenlernen konnte, momentan in den Schatten der negativen gestellt. Das spiegelt sich möglicherweise in diesem Bericht wider. Dennoch möchte ich nicht, dass wir meine schönen Erfahrungen hier vergessen. Neben der unglaublichen Natur, die ich genießen darf, ist da meine Gastfamilie, in der ich mich immer wohler fühle und die mir immer weiter ans Herz wächst. Ich hoffe, bis zum Verfassen des nächsten Berichts habe ich wieder den Blick für die positiven Dinge. ; ) Bis dahin, herzliche Grüße aus der Dominikanischen Republik! Jule (Juliane Löw)