Fast jeder Deutsche ist unmittelbar

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24. Oktober 2014

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Pflege

Höhere Pflegebeiträge sollen Angehörige und Heime entlasten Bis 2030 könnten die Kosten für die Pflege explodieren. Die Reform sorgt für mehr Personal und entlastet Angehörige

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in die Pflege oder regelmäßige Beast jeder Deutsche ist unmittelbar vom Thema Pflege betroftreuung von Nahestehenden infen. Mehr als jeder Zweite (56 %) hat volviert sind. Ab Mitte 40 besucht Pflegebedürftige oder Pflegende in und unterstützt mindestens jeder seinem privaten Umfeld. Zwei von Vierte regelmäßig Pflegebedürftizehn Befragten (22 %) kümmern ge – in den meisten Fällen vermutsich sogar selbst regelmäßig um lich die eigenen Eltern. Ab Mitte nahestehende Pflegebedürftige, 60 steigt der Wert derer, die im die in einem Heim leben, und jeder eigenen Haus Angehörige pflegen, Sechste (16 %) pflegt jemanden bei auf 27 Prozent – dann wohl übersich zuhause oder hat dies in den wiegend den eigenen Partner. vergangenen fünf Jahren getan. Das Das belastet pflegende Angehörige, Mehrfachnennungen mögEs kann davon ausgegangen lich. Grafik/Quelle: Pflegestudie der Techniker Krankenkasse 2014 ergab eine Umfrage der Techniker werden, dass die Kosten parallel Krankenkasse. um 0,3 Prozent. Das soll 3,6 Milliarden dazu steigen. Deswegen sollen die BeiträDie Bundesregierung hat eine Pfle- Euro in die Pflegekasse bringen. Die Mit- ge in einem zweiten Schritt per Gesetz gereform beschlossen, die in zwei Teilen tel werden für die ambulante Pflege, für noch einmal um 0,2 Prozentpunkte anumgesetzt werden soll und zahlreiche die Heimpflege und für einen neuen Vor- gehoben werden, was 2,4 Milliarden Euro kleine und große Änderungen bei der sorgefonds verwendet. einbringt. Statt der drei Pflegestufen soll Finanzierung und Durchführung der Bis 2030 soll sich die Zahl der Pflege- es dann fünf geben, um besser auf die Pflege in Deutschland enthält. Das kos- fälle von 2,6 auf 3,5 Millionen Menschen individuellen Bedürfnisse der Pflegefälle tet zunächst einmal Geld. Zum 1. Januar erhöhen. Das belastet auch die Angehöri- eingehen zu können, wie das Bundesmisteigen die Beiträge zur Pflegereform für gen. Generell sind es mit zunehmendem nisterium für Gesundheit mitteilt. Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils Alter insgesamt deutlich mehr, die direkt Doch mit den Beitragserhöhun-

Analyse

Deutsche Firmen bekommen Zugang zum Gesundheitsmarkt in China Für mehr Wachstum haben Deutschland und China einen Aktionsplan zur gesundheitspolitischen Zusammenarbeit vereinbart. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) traf seine chinesische Amtskollegin Ministerin Li Bin der Nationalen Kommission für Gesundheit und Familienplanung bei den Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin. Die deutsche Seite hat deutlich gemacht, dass ein nicht-diskriminierender Marktzugang für deutsche Unternehmen und insbesondere für chinesische Unternehmen mit deutschen Mutterkonzernen ein zentrales Anliegen ist. Zugang zu Medikamenten und Medizinprodukten sind primär auch im Interesse einer guten Versorgung der Patienten. Daher befürworte die deutsche Seite kla-

re und transparente Zulassungsverfahren, die einen schnellen Zugang zu innovativen und anerkannten Produkten und Verfahren ermöglichten, teilet das Bundesministerium für Gesundheit mit. Zur Eindämmung von Epidemien ist eine Zusammenarbeit bei übertragbaren Krankheiten und dem spezifischen Thema der multiresistenten Erreger (MRE) essentiell. Vereinbart wurde ein verbesserter Austausch von Informationen über neue Erreger, den Einsatz von Impfstoffen und Antibiotika. Eine umfassende Strategie zur Bekämpfung von MRE und anderen Erregern bedarf komplexer Hygienestandards, die von deutschen und chinesischen Universitätskliniken erarbeitet werden sollen. Die Verbesserung der Versorgungsleistung insbesondere in der Primär-

versorgung soll in China durch eine Reform des Krankenhauswesens nach deutschem Vorbild erfolgen. Hierbei unterstützt die deutsche Seite den Reformprozess durch Erfahrungen und Expertise im System für das pauschalisierte Abrechnungsverfahren anhand von Fallgruppen (DRG-System). Die deutsche Gesundheitswirtschaft wächst kontinuierlich: Sowohl Umsatz als auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten der Branche sind in den letzten Jahren stetig gestiegen. Eine Entwicklung, die sich auch in den nächsten Jahren fortsetzen wird. Bis 2016 werde der Branche eine jährliche durchschnittliche Wachstumsrate des Umsatzes von 5,6 Prozent prognostiziert, meldete das Statistische Bundesamt. Thomas Gollmann

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gen sollen sich auch die Leistungen des Sektors erhöhen. Die Auszahlungen an Betroffene steigen um vier Prozent. Die Zahl der Betreuungskräfte in Pflegeheimen wird von 25.000 auf 45.000 steigen. Die Beschäftigten in Pflegeheimen sollen nach Tariflohn bezahlt und Niedriglöhne damit endlich beseitigt werden. Die Bezahlung nach Tarif darf dabei nicht mehr als unwirtschaftlich abgelehnt werden. Die Krankenhäuser erhalten weiterhin eine Finanzhilfe im Umfang von 500 Millionen Euro. Haushaltshilfen und ehrenamtliche Pfleger erhalten ein zusätzliches Betreu-

ungsgeld von 104 Euro im Monat, für die Pflege von Demenzkranken gibt es sogar bis zu 208 Euro. Der Zuschuss für medizinisch notwendige Umbauten wird auf 4.000 Euro erhöht. Wer Angehörige selbst pflegt, ist enormen psychischen und finanziellen Belastungen ausgesetzt. Zur Entlastung besteht für sie die Möglichkeit, Tages-, Kurzzeit- und Nachtpflege stärker in Anspruch zu nehmen. Außerdem kann eine Auszeit vom Job für bis zu zehn Tage genommen werden. Das Einkommen der Angehörigen spielt hierbei eine besondere Rolle: Je geringer das Einkommen, desto eher wird

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zuhause gepflegt. Bei den Geringverdienenden sind es 21 Prozent, die einen Nahestehenden in den eigenen vier Wänden pflegen, von den Gutverdienenden tun dies lediglich 9 Prozent. Zudem ist die Pflege zuhause in ländlichen Regionen mit 18 Prozent stärker verbreitet als in Großstädten mit 11 Prozent. Der Vorsorgefonds soll dafür sorgen, dass die Beiträge in den kommenden Jahren und Jahrzehnten nicht explodieren. Bis 2035 kommen die geburtenstarken Jahre ins Pflegealter. Ein Drittel der Einnahmen aus der Beitragserhöhung fließt allein in den neuen Fonds.

Krankenkassen

Deutsche wollen mehr Wettbewerb im Gesundheitssystem Die Deutschen halten das Gesundheitssystem für reformbedürftig. Die Mehrheit ist für mehr Wettbewerb bei den Kassen

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ie Mehrheit der Menschen in Deutschland (52 %) ist für mehr Wettbewerb auf allen Ebenen des Gesundheitssystems. Das zeigt der aktuelle TK-Meinungspuls, den die Techniker Krankenkasse (TK) und das Meinungsforschungsinstitut Forsa gemeinsam vorstellten. Privat Versicherte sehen sogar

noch einen größeren Reformbedarf als gesetzlich Versicherte. Obwohl drei von vier Menschen in Deutschland mit dem Gesundheitssystem zufrieden sind, sehen 90 Prozent einen Reformbedarf. Zwei Drittel der Deutschen glauben daran, dass das Gesundheitssystem auch in Zukunft seinen Aufgaben gewachsen bleibt.

Nur ein Drittel der Bundesbürger glaubt daran, dass auch künftig alle Patienten mit der neuesten Technik behandelt werden können. Schon jetzt entscheidet oft das Budget des Arztes, ob eine Behandlung oder ein bildgebendes Verfahren – wie hier beim MRT – durchgeführt wird. Foto: Flickr/digital cat

Das sind doppelt so viele wie noch 2006. Pessimistisch sind Deutsche im Alter von 25 bis 50 Jahren. Die Skepsis nimmt mit wachsendem Bildungsgrad und mit einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu. Viele fürchten um Finanzierbarkeit, Leistungsumfang und Versorgungsqualität. 85 Prozent der Deutschen rechnen damit, dass die Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) in Zukunft steigen werden. Zudem geht mehr als die Hälfte (54 %) davon aus, dass der Leistungsumfang in Zukunft eingeschränkt werden muss, und knapp jeder Zweite fürchtet eine sinkende medizinische Versorgungsqualität (47 %). Hier sind die Menschen auf dem Land deutlich pessimistischer als Menschen in der Großstadt. Nur jeder dritte Deutsche geht davon aus, dass auch in Zukunft noch alle Patienten nach neuesten medizinischen Erkenntnissen und mit neuesten Techniken behandelt werden können. Dabei ist gerade dies den Menschen besonders wichtig, wie der Meinungspuls der Techniker Krankenkasse zeigt: Zwei Drittel würden sogar höhere Beiträge in Kauf nehmen, um weiter am medizinischen Fortschritt teilhaben zu können. Ambulante Versorgung: Städter zufriedener als Landbevölkerung Fast jeder Zweite in Deutschland ist zufrieden mit dem Netz an Haus- und

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Fachärzten, das ihm in seiner Umgebung zur Verfügung steht. Klar erkennbar ist dabei ein Stadt-Land-Gefälle: In größeren Städten und Ballungsräumen ist die Zufriedenheit mit 60 Prozent sehr viel größer als auf dem Land (40 %). Mit ihrem letzten Arztbesuch waren sieben von zehn Befragten zufrieden. Fast alle Patienten wünschen sich mit ihrem Arzt ein Gespräch auf Augenhöhe. Doch nur jeder dritte Patient (36 %) fühlte sich bei seiner letzten ernsteren medizinischen Behandlung – egal ob beim Arzt oder im Krankenhaus – voll und ganz aufgeklärt. Dabei wollen die Menschen mitentscheiden. „Nur vier von zehn Befragten geben an, dass ihr Arzt als Fachmann ihnen die Entscheidung abnehmen soll – Männer mit 45 Prozent deutlich häufi-

ger als Frauen mit 33 Prozent“, so ForsaGeschäftsführer Manfred Güllner. Die Bereitschaft, sich mit der Absicherung für den Pflegefall zu befassen, steigt mit dem Alter. Von den jungen Erwachsenen hat dies bisher nur jeder fünfte getan, ab Mitte 60 sind es immerhin 65 Prozent. Selbst in der älteren Generation hat jeder Dritte noch nicht darüber nachgedacht. Die monatlichen Kosten für einen Pflegeplatz in der höchsten Pflegestufe 3 betragen im Bundesdurchschnitt aktuell 3.300 Euro. Der Pauschalbetrag aus der gesetzlichen Pflegeversicherung für diese Pflegestufe beträgt 1.550 Euro. Damit ist weniger als die Hälfte der durchschnittlichen Gesamtkosten gedeckt. Jeder dritte befragte Bundesbürger unterschätzt

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allerdings die Pflegekosten, gleichzeitig rechnet jeder vierte Bürger mit einem größeren Zuschuss der Pflegekasse. 62 Prozent räumen ein, noch nicht genug für die Vorsorge getan zu haben. Sieben von zehn führen Kostengründe an, für 45 Prozent war die Pflegeabsicherung bislang kein Thema. Vier von zehn vertrauen darauf, dass Angehörige oder Freunde im Pflegefall helfen werden, und drei von zehn gehen davon aus, dass der Staat im Notfall finanziell einspringen wird. Und schließlich leitet viele das Prinzip Hoffnung: 22 Prozent derer, die sich ihrer mangelnden Absicherung bewusst sind, halten es für unwahrscheinlich, ein Pflegefall zu werden. Zu dieser Verdrängungsleistung tendieren Männer mit 25 Prozent etwas häufiger als Frauen (20 %).

Ebola

Mediziner: Es wird keine Ebola-Epidemie in Europa geben Mit jedem neuen Fall in Europa und den USA wächst die Angst vor einer Ebola-Epidemie. Mediziner warnen vor Panikmache

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ie Zahl der an Ebola-Erkrankten ist nach erwartung insgesamt unvorstellbar niedrig nierenden Gesundheitssystemen kein ProAngaben der Weltgesundheitsorgani- sei, „schauen Epidemien anders aus als in blem“, so Sprenger. „Ebola ist weit weniger infektiös als allgemein bekannt“, die Fälle sation (WHO) auf über 8.300 Menschen ge- Europa“, sagt Euler. Ähnlich sieht es auch Martin Sprenger könnten gut isoliert und hoffentlich auch stiegen. Sieben Länder sind bisher betroffen, bald gut behandelt werden. „Und darunter die USA und Spanien. Über damit ist eine Ausbreitung quasi 4.000 Menschen sind bereits daran ausgeschlossen“, so Sprenger zu gestorben. Vor allem nach den ersden Deutschen Wirtschafts Nachten gemeldeten Erkrankungen in den USA und in Spanien fürchten richten. Man werde es in Europa die Menschen hierzulande, dass immer nur mit Einzelfällen zu tun sich Ebola auch in Europa zu einer haben, „nie mit einer Epidemie“. Epidemie entwickeln könnte. Sprenger zufolge sind Epidemien Die stetige Ausweitung der in Europa grundsätzlich keine GeEinsatzkräfte in den betroffenen fahr. Und falls es dennoch zu eiafrikanischen Staaten tut ein Übner Epidemie kommen sollte, wäre Ebola sogar eine der unwahrscheinriges für die Verunsicherung der Menschen in Europa. „Der hochzilichsten. Die Panikmache in den Medien vilisierte Mensch verliert mehr und und die täglich lauter werdenden mehr das Vertrauen in seine eigene Rufe nach Unterstützung von SeiGesundheit und auch die Einsicht, dass es Schicksalsschläge gibt, deten der Politik lassen Ebola jedoch zu einer waschechten Bedrohung nen man hilflos ausgeliefert ist“, auch für Europa erscheinen. Die sagt der Präsident des ÖsterreichiBedrohung ist bereits so groß, dass schen Hausärzteverbands, Christian Euler, den Deutschen Wirt- Das Virus wird den europäischen Kontinent nicht einnehmen, es nicht mehr genügt, Ärzte und Medizin in die betroffenen Länder schafts Nachrichten. „Er will sich glauben Mediziner. Foto: Flickr/NIAID zu entsenden. Militärische Präsens Sicherheit kaufen, aber das geht nicht“, so Euler. Und dennoch: „Ich glaube vom Institut für Sozialmedizin und Epide- wird mittlerweile im Kampf gegen Ebola nicht an eine Ebola-Epidemie in Europa.“ Wo miologie der Universität Graz. „Ebola ist für favorisiert. Jim Kim, der Präsident der WeltHunger zum Alltag gehöre und die Lebens- Europa und andere Regionen mit funktio- bank, sprach vergangene Woche davon, dass

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die internationale Gemeinschaft in ihrer Reaktion auf das Ebola-Virus „kläglich gescheitert“ sei. Neben den USA erwägt nun auch die EU, militärisch in Afrika in Aktion zu treten. In einem internen Papier der Botschafter der EU-Länder ist die Rede von einer Evakuierung von EU-Bürgern und der „Durchführung militärischer Operationen, um zur Aufrechterhaltung der Sicherheit (…) beizutragen“, zitiert die Online-Zeitung EUObserver das interne Papier. Und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) machte Ende September deutlich: „Wir wollen, gemeinsam mit unseren französischen Freunden, in der Region eine internationale logistische Basis einrichten, um die Verteilung von Hilfsgütern vor Ort zu unterstützen. Dazu sollen Transport-

flugzeuge der Bundeswehr eine humanitäre Luftbrücke schaffen und mit bis zu 100 Soldatinnen und Soldaten die Logistikkette aufbauen und betreiben.“ Die Panikmache eignet sich aber auch, um den Bürger daran zu gewöhnen, dass sich der Staat immer mehr einmischen kann. Fiebermessungen bei Reisenden aus westafrikanischen Ebola-Gebieten werden von den US-Bürgern aus Angst hingenommen. Mehr als die Hälfte der US-Bürger würde sogar einen Stopp von Flügen aus Ebola-Gebieten in die USA gutheißen, wie eine Umfrage der NBC zeigt. In Großbritannien gab es jüngst sogar eine achtstündige Notfallübung – simuliert wurde ein Ebola-Ausbruch. In Deutschland hat man sich bisher nicht für eine Fiebermessung bei Reisenden entschieden. Die Erfahrungen mit SARS hätten gezeigt, „dass der Nutzen dieser

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Maßnahme sehr zweifelhaft ist, da theoretisch schon die Einnahme eines einfachen fiebersenkenden Arzneimittels genügt, um einen erkrankten Passagier für die Temperaturkontrolle unauffällig zu machen“, so der Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbandes ADV. „Auch aufgrund der Inkubationszeit von 21 Tagen ist die Chance, einen mit Ebola infizierten Passagier mittels Thermoscreening zu entdecken, extrem gering“, sagte Ralph Beisel vom ADV. „In diesem Zeitraum zeigen die Betroffenen nach Auskunft von Medizinern keine Symptome.“ Man sei aber auch so gut vorbereitet. Den Internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO zufolge müssen für Deutschland fünf Flughäfen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit so genannte Kernkapazitäten vorhalten: Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt, München und zukünftig Berlin (BER).

Forschung

Fit mit 70: Sport im Alter stimuliert geistige Fähigkeit Sport steigert bis ins hohe Alter die geistige Leistungsfähigkeit durch eine bessere Durchblutung des Gehirns

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port im Alter kann die Hirndurchblutung und bestimmte Gedächtnisleistungen verbessern. Das haben Magdeburger Neurowissenschaftler in einer Studie mit Frauen und Männern im Alter zwischen 60 und 77 Jahren herausgefunden. Dabei zeigte sich ein Trend: Bei jüngeren Probanden hatte regelmäßiges Laufbandtraining die Tendenz, die Hirndurchblutung und das visuelle Gedächtnis zu verbessern. Indessen konnten Versuchsteilnehmer, die älter waren als 70 Jahre, von den Laufübungen nicht profitieren. Die Studie belegt somit auch, dass der Alterungsprozess die Wirkung des Trainings zu begrenzen scheint. Forscher des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), der Universität Magdeburg und des Leibniz-Instituts für Neurobiologie Magdeburg präsentieren diese Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Molecular Psychiatry. An den Untersuchungen waren zudem Wissenschaftler des Karolinska Instituts in Stockholm sowie des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung beteiligt. Die Studie erschien bereits im Magazin Nature. Die 40 Probanden waren ihrem Alter entsprechend gesundheitlich unauffällig

Senioren, die regelmäßig joggen gehen, können dadurch auch ihre Gedächtnisleistung in Schwung halten. Foto: Flickr/KOMUnews

und zu Beginn der Studie sportlich untrainiert. Sie wurden in zwei Gruppen aufgeteilt: Etwa die Hälfte der Versuchsteilnehmer trainierte für drei Monate regelmäßig auf dem Laufband. Die übrigen Testpersonen absolvierten nur Übungen zur Dehnung und Entspannung der Muskulatur. Bei sieben von neun Mitgliedern der Laufgruppe, die

nicht älter waren als 70 Jahre, steigerte das Training nicht nur die körperliche Fitness, es hatte auch die Tendenz, die Durchblutung des Hippocampus zu verbessern – ein für das Gedächtnis wichtiges Hirnareal. Zugleich verbesserte sich das visuelle Erinnerungsvermögen der Versuchsteilnehmer: Bei Studienabschluss fiel es ihnen leichter,

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sich abstrakte Abbildungen einzuprägen als zu Beginn des Trainingsprogramms. Bei älteren Läufern und den Mitgliedern der Kontrollgruppe blieben diese Effekte weitgehend aus. Bestandteil der Studie waren umfangreiche Tests der körperlichen Verfassung und des Erinnerungsvermögens. Außerdem wurden die Probanden mit Hilfe der Magnetresonanz-Tomographie (MRT) untersucht. Dieses Verfahren ermöglicht detaillierte Einblicke ins Innere des Gehirns. Die Auswirkungen von Sport auf den Körper sind umfangreich erforscht, weniger jedoch die Effekte auf die geistige Fitness. Eine Steigerung der Hirndurchblutung durch körperliches Training war bislang nur bei jüngeren Personen empirisch nachgewiesen worden. Die neue Studie belegt, dass sich das alternde Gehirn diese Anpassungsfähigkeit bewahren kann, wenngleich sie mit zunehmendem Alter nachzulassen scheint. Außerdem deuten die Ergebnisse

daraufhin, dass Veränderungen des Erinnerungsvermögens, die durch körperliches Training hervorgerufen werden, eng mit Änderungen der Hirndurchblutung zusammenhängen. „Letztlich geht es uns darum, Maßnahmen zu entwickeln, die einer Demenzerkrankung wie Alzheimer gezielt entgegenwirken. Deshalb möchten wir verstehen, was körperliches Training im Gehirn bewirkt und welche neurobiologischen Mechanismen dabei in Gang gesetzt werden. Erst dann lassen sich Therapien entwickeln, die wirklich wirksam sind“, so Emrah Düzel, Standortsprecher des DZNE in Magdeburg und Direktor des Instituts für Kognitive Neurologie und Demenzforschung der Universität Magdeburg. Ziel der Forscher ist es, dass im Gehirn neue Nervenzellen heranwachsen. Auf diese Weise wollen sie dem für Demenzerkrankungen typischen Absterben von Hirnzellen entgegenwirken. „Das menschliche Gehirn

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ist wandelbar und entwickelt sich ein Leben lang. Selbst im Gehirn eines Erwachsenen können sich neue Nervenzellen bilden“, so Düzel. „Diese Fähigkeit zur sogenannten Neurogenese möchten wir stimulieren. Noch wissen wir allerdings nicht, ob unsere Trainingsmethode die Neubildung von Nervenzellen fördert. Jedoch wissen wir aus der Grundlagenforschung, dass die Neubildung von Nervenzellen oft mit einer Verbesserung der Hirndurchblutung einhergeht.“ In Magdeburg finden noch andere Versuchsreihen statt, in denen sich Testpersonen auf eine Schnitzeljagd der besonderen Art begeben: Innerhalb einer computergenerierten Landschaft, die auf einer großen Leinwand erscheint, müssen die Probanden versteckte Objekte wiederfinden. Ihre Bewegungen in der virtuellen Welt steuern sie mit Hilfe eines Laufbands. „Diese komplexe Situation beansprucht Motorik und Orientierungssinn“, erläutert Düzel. „Neben den Muskeln ist also auch der Kopf gefordert.“

Rauchen

Nikotinpflaster und Medikamente können Rauchern helfen Die Kombination von Nikotinpflaster und Medikamenten gibt starken Rauchern Hoffnung, die Sucht endlich besiegen zu können

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ie Wissenschaftler befassten sich mit einem Problem, das auch fast ein Drittel der deutschen Bevölkerung betrifft: Immer wieder wird der NikotinEntzug versucht, immer wieder wird er dann aber abgebrochen. Die Gründe für das Scheitern liegen auf der Hand: Die Schwierigkeit beruht auf der Doppelnatur der Raucherentwöhnung, nämlich dem körperlichen Entzug vom Nikotin in Verbindung mit dem emotionalen Rückzug aus der Gewohnheit. Aus Sicht von Medizinern galt es bislang als unsinnig, beide Ansätze in einer Therapie zu vereinen. Der Grund: Sowohl Nikotinpflaster als auch einschlägige Medikamente wie Vareniclin (Champix) und Bupropion (Zyban), die einen Abbau der Lustempfindung beim Rauchen hervorrufen, haben den gleichen Wirkmechanismus. Beide nutzen im Körper den Nikotinrezeptor alpha4beta2. Eine sinnvolle Ergänzung schien daher ausgeschlossen. Dass eine Kombination dennoch höhere Erfolgsquoten verspricht, wurde jetzt in zwei unabhängigen Studien

belegt. So fanden zwei Wissenschaftler der Duke University im US-Bundesstaat North Carolina heraus, dass die Nutzer eines Nikotinpflasters viel eher mit dem Rauchen aufhörten, wenn sie auch Vareniclin und Bupropion in den Prozess einbezogen. Wurden beide Medikamente eingenommen, ließen 40 Prozent der Testpersonen von ihrer Gewohnheit ab. Gestützt werden die Resultate von einer randomisierten Studie eines Forscherteams aus Südafrika. Die Fachleute von der Stellenbosch University in Kapstadt führten Tests mit 446 Rauchern durch. Die Erfolgsrate stieg bei ihnen deutlich von 33 auf 49 Prozent an, sobald neben dem Nikotinpflaster auch Vareniclin zum Einsatz kam. Weitere Studien müssten nun aber noch den Langzeiterfolg dieser Entzugstherapie und potentielle gesundheitliche Folgen überprüfen, so die Forscher. Aber unabhängig von Arzneimitteln ist die soziale Komponente bei der Abgewöhnung des Rauchens nicht zu vernachlässigen. Wer mit seinem Partner

Medikamente, Nikotinpflaster und andere Strategien helfen Rauchern beim Aufhören. Foto: Flickr/tomizak

zusammenwohnt, gibt das Rauchen eher auf, berichtet die Apotheken Umschau unter Berufung auf Soziologen der Universität Heidelberg. Demnach scheint der gemeinsame Haushalt mitentscheidend dafür zu sein, dem blauen Dunst abzuschwören. Denn beim Rauchverhalten greifen zum einen Mechanismen der sozialen Kontrolle. Zum anderen bekommen Raucher mehr Unterstützung vom Partner, wenn sie mit ihm zusammenleben. Insgesamt ist die Bundesrepublik zu lax im Kampf gegen das Rauchen. Zu die-

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sem Ergebnis kamen die europäischen Krebsgesellschaften. In einer Rangliste steht Deutschland vor Schlusslicht Öster-

reich auf Platz 33. Beide Länder hätten zu niedrige Zigarettenpreise sowie weiche Werbeverbote. Zudem fehle es an um-

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fassenden Aufklärungskampagnen. Vorbildlich seien dagegen die Spitzenreiter Großbritannien, Irland und Island.

Gesundheit

Thrombose-Gefahr wird häufig übersehen Die Zahl der Todesfälle durch einen Thrombus ist größer als bei zahlreichen anderen Krankheiten, die Unwissenheit auch

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die venöse Thrombose selbst sind ihre möglichen Komplikationen. Wird ein Thrombus mit dem Blutstrom in weitere Körperbereiche fortgeschwemmt, besteht die Gefahr, dass er die Blutgefäße in der Lunge blockiert. Dieses Ereignis, von den Auswirkungen mit einem Herzinfarkt vergleichbar, wird auch Lungenembolie genannt und verläuft häufig tödlich. Eine venöse Thromboembolie ist nicht nur ein persönliches Schicksal – auch für die weltweiten Gesundheitssysteme hat die Erkrankung erhebliche Auswirkungen. So liegen beispielsweise die Behandlungskosten der durch tiefe Beinvenenthrombosen verursachten Lungenembolien europaweit bei rund drei Milliarden Euro im Jahr. Völlig unvorbereitet traf das Schicksal Thrombose die bekannte Sängerin, Schauspielerin und Autorin Nina Omilian. Müdigkeit, Einer aktuellen Umfrage zufolge haben 50 Prozent der BefragRückenschmerzen, ein Geten den Begriff Lungenembolie noch nie gehört. Foto: Flickr/Thomas Kohler fühl von Steifheit: diffus und schleichend begannen die (VTE) bezeichnet. Europaweit sind es über Beschwerden der Sängerin im Oktober 500.000 Menschen, die daran sterben 2013. Über Wochen wurden die Schmer– mehr als durch Verkehrsunfälle, AIDS, zen immer stärker, bis sie sich schließlich Brust- und Prostatakrebs zusammen. in der Notaufnahme des nächstgelegenen Bei einer Thrombose bildet sich in Krankenhauses vorstellte. Die Diagnose einem gesunden oder vorgeschädigten wurde in der Computertomographie geBlutgefäß – meist einer Vene – ein Blut- stellt: eine Thrombose der Vena cava, der gerinnsel (Thrombus), welches das Gefäß unteren Hohlvene, die durch ein großes verengt oder verstopft. Thrombosen tre- Blutgerinnsel komplett verschlossen war. ten manchmal als gut sicht- und tastbare, „Die Diagnose ,Gerinnsel in der Hohlvene’ aber auch schmerzhafte Venenentzün- nahm ich zunächst ohne großen Schock dungen auf. Sitzen sie tiefer im Körper, hin. Ich war völlig sicher, dass ein Irrtum spricht man von einer tiefen Bein- oder vorlag. Ich bin jung, ich reite gerne und Beckenthrombose. Noch gefürchteter als treibe viel Sport – ich war so gar kein as Wissen um die Thrombose (verstopftes Blutgefäß) und die Lungenembolie, eine der gefährlichsten Folgekomplikationen der Thrombose, ist in der Bevölkerung extrem niedrig: Einer aktuellen Umfrage zufolge haben 50 Prozent der Befragten den Begriff Lungenembolie noch nie gehört. Doch allein in Deutschland sterben jährlich rund 100.000 Menschen an einem Gefäßverschluss aufgrund von thrombotischen Erkrankungen, medizinisch als venöse Thromboembolie

Thrombosekandidat“, so die 38-Jährige. „Die venöse Thromboembolie zählt zu den häufigsten und potenziell tödlichen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und kann jeden treffen, in jedem Alter, zu jeder Zeit“, warnte daher Rupert Bauersachs von der Deutschen Gesellschaft für Angiologie (DGA) anlässlich des ersten WeltThrombose-Tages am 13. Oktober. Doch trotz des bedrohlichen Risikos seien das Bewusstsein und das Wissen um die Erkrankung in der Gesellschaft gering. „Der Welt-Thrombose-Tag soll Öffentlichkeit, Ärzte und Entscheidungsträger im Gesundheitssystem über die Erkrankung, ihre Entstehung, die Risikofaktoren, die Symptome und Vorbeugungsmaßnahmen informieren“, sagte Venenspezialistin Jutta Schimmelpfennig. „Die Menschen sollen die Risikofaktoren und die Symptome kennen, um im Notfall sofort ärztliche Hilfe zu suchen“, ergänzte Robert Klamroth, der Sprecher der Kommission Hämophilie der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH). Der erste Welt-Thrombose-Tag sollte auch darüber informieren, dass Thrombosen und eine Lungenembolie durch moderne Diagnose- und Vorbeugungsmaßnahmen frühzeitig erkannt, behandelt und verhindert werden können. „Die Krankheitshäufigkeit und die Sterblichkeit durch VTE könnten erheblich reduziert werden. Gezielte Aufklärung und Thromboseprophylaxe sind daher die wichtigsten Maßnahmen, um die Patientensicherheit zu verbessern. Als Fachgesellschaften sehen wir uns in der Verantwortung, durch den Dialog zum Thema langfristig zu einer Reduktion künftiger Erkrankungen beizutragen“, erklärte Rupert Bauersachs abschließend.

Impressum Herausgeber: Dr. Michael Maier. Redaktion: Thomas Gollmann, Anika Schwalbe, Jennifer Bendele. Layout: Nora Lorz. Copyright: Blogform Social Media GmbH, Kurfürstendamm 206, D-10719 Berlin. HR B 105467 B. Telefon: +49 (0) 30 / 81016030, Fax +49 (0) 30 / 81016033. Email: [email protected]. Erscheinungsweise wöchentliches Summary: 52 Mal pro Jahr. Bezug: [email protected]. Mediadaten: [email protected]. www.deutsche-gesundheits-nachrichten.de

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