Fachkonferenz Sucht 2005

Fachkonferenz Sucht 2005 Früherkennung und Frühintervention Vom 14.-16.11.2005 in Berlin Vortrag zum Thema: „Mobile Beratung und aufsuchende Arbeit b...
Author: Helmuth Breiner
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Fachkonferenz Sucht 2005 Früherkennung und Frühintervention Vom 14.-16.11.2005 in Berlin

Vortrag zum Thema: „Mobile Beratung und aufsuchende Arbeit bei Jugendlichen als frühe Intervention schädlichen Konsums“

Referentin Frau Pia Sohns-Riedl Leiterin des Zentrums für Jugendberatung und Suchthilfe für den Hochtaunuskreis Audenstrasse 1 61348 Bad Homburg Tel.: 06172-60080 Fax: 06172-600819 E-Mail: [email protected]

2 Das Zentrum für Jugendberatung und Suchthilfe für den Hochtaunuskreis(ZJS-HTK) ist eine Einrichtung des Vereins Jugendberatung und Jugendhilfe e. V. (JJ), des größten Suchthilfeträgers im Rhein-Main-Gebiet. JJ bietet hilfebedürftigen und gefährdeten jungen Menschen, insbesondere Suchtgefährdeten und Abhängigen sowie deren Angehörigen, fachkundige Beratung, Betreuung und Lebenshilfe an. Zum Suchthilfeverbund gehören mehr als 30 verschiedene Einrichtungen mit ambulanten und stationären Hilfen sowie Leistungen im Rahmen der Jugendhilfe nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG). Sowohl die interne Vernetzung innerhalb des Suchthilfeverbundes JJ als auch die Entwicklung tragfähiger Vernetzungsstrukturen mit anderen Einrichtungen der Suchthilfe und des öffentlichen Gesundheitswesen sind notwendige Voraussetzungen für die Gewährleistung fachlich optimal abgestimmter Betreuungs- und Behandlungsprozesse zum Nutzen der Menschen, die wir betreuen. Ziel unserer Anstrengungen ist, die gesundheitliche und soziale Lebensqualität der Klientel zu stabilisieren sowie schrittweise zu verbessern und sie zu ermutigen, einen eigenen Weg zu einem selbstbestimmten Leben nach Möglichkeit ohne Abhängigkeit von Suchtmitteln zu beschreiten. Suchtgefährdete und Abhängige werden individuell und an ihren spezifischen Lebensbiographien und persönlichen Ressourcen orientiert unterstützt. Alle Hilfe- und Behandlungsangebote richten sich sowohl an Konsumentinnen und Konsumenten illegaler Drogen und ihre Angehörigen als auch an Konsumentinnen und Konsumenten von legalen Suchtmitteln. Arbeitsbereiche Einzugsbereich des Beratungszentrums ist der gesamte Hochtaunuskreis mit derzeit 227.034 Einwohnerinnen und Einwohnern. Der Hauptsitz des Beratungszentrums ist in Bad Homburg und liegt im Zentrum der Stadt in der Fußgängerzone. Die Außenstelle ist für das Usinger Land zuständig und hat ihren Sitz in Usingen in der Nähe des Bahnhofs. Das ZJS-HTK weist im Vergleich zu anderen Suchthilfe- oder Beratungsstellen ein hoch zu bewertendes Alleinstellungsmerkmal auf: Es bündelt die gesamte Bandbreite der Leistungen – von Prävention, Beratung bis Behandlung und Resozialisierung – unter einem Dach. Das ZJS-HTK umfasst: • eine Fachstelle für Suchtprävention, • zwei Beratungsstellen in Bad Homburg und Usingen • Betreutes Wohnen mit 19 Plätzen für Suchtkranke und • vier Mobile Beratungen, die aufsuchend in den vier Städten Bad Homburg, Oberursel, Friedrichsdorf und Kronberg tätig sind. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentrums für Jugendberatung und Suchthilfe für den Hochtaunuskreis haben Zusatzausbildungen in Gesprächstherapie, Integrativer Soziotherapie, systemischer Familientherapie, Suchttherapie und/oder die heilpraktische Zulassung. Das ZJS-HTK kooperiert im regionalen Netzwerk aus Suchthilfe, Jugendhilfe, Einrichtungen des Gesundheitswesens, Selbsthilfegruppen, Beratungsdiensten, Gesundheitsamt und fachärztlichen Gemeinschaftspraxen. Im Arbeitsbereich Suchtprävention geht es nicht um die Heilung von Suchtkranken, sondern um Vorbeugung: körperliche, geistige und seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sollen erhalten und gefördert werden. Aufgabe nach diesem Verständnis von Suchtprävention ist es, die individuellen Lebenskompetenzen von Kindern und Jugendlichen zu stärken und zu fördern. Aufgabe der Fachstelle für Suchtprävention des ZJS-HTK ist demnach die Förderung und Koordination suchtpräventiver Maßnahmen in der Region und die Weiterentwicklung und Evaluation bereits bestehender Projekte. Ziel der Kooperation ist die Schaffung eines Präventionsnetzwerkes, das langfristig Prävention im Hochtaunuskreis fördert. Suchtpräventive Arbeit ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die in Kommune und Landkreis nur durch eine interdisziplinäre und institutionsübergreifende Zusammenarbeit möglich ist.

Träger: Suchthilfeverbund Jugendberatung und Jugendhilfe e.V., Frankfurt/M.

3 In Ergänzung zu den Beratungsangeboten in den Beratungsstellen in Bad Homburg und in Usingen hat das ZJS-HTK in Kooperation mit den Städten Bad Homburg, Kronberg, Oberursel und Friedrichsdorf vier Mobile Beratungen eingerichtet. In der Pubertät müssen zahlreiche Entwicklungsaufgaben bewältigt werden. Junge Menschen fühlen sich häufig durch Schule, Partnersuche, Ablösung vom Elternhaus, Entwicklung einer Zukunftsperspektive sehr gefordert, auch überfordert und Problemdruck erscheint in manchen Situationen unüberwindbar. Auch in Bezug auf die Suchtproblematik sind Jugendliche in besonderem Maße Risiken und Verlockungen der Konsumgesellschaft ausgesetzt. Bekannt ist, dass bei allen Suchtmitteln – auch den legalen – das durchschnittliche Einstiegsalter in der Jugendphase liegt. Das Ausprobieren ist in diesem Alter also keine Seltenheit und der Übergang vom unbedenklichen zum problematischen Konsum verläuft in der Regel fließend. Jugendliche suchen bei Problemen nicht immer gleich eine Beratungsstelle auf. Gerade in diesem Alter sind erfahrungsgemäß größere Schwellenängste gegenüber Institutionen vorhanden, so dass andere Wege zur Kontaktaufnahme und –festigung wichtig sind. Gerade diese Zielgruppe der jungen Konsumenten braucht Vertrauenspersonen, jemanden der zuhört, Fragen beantworten und kompetente Hilfe anbieten kann. Vor diesem Hintergrund wurde in Kooperation mit diesen vier Städten das Modell der Mobilen Beratung entwickelt. Es richtet sich speziell an die Zielgruppe Jugendliche und junge Erwachsene. Die mobilen Beraterinnen suchen regelmäßig Jugendhäuser, Schulen und andere Institutionen auf, um Kontakte zu ihrer Zielgruppe zu knüpfen, Projekte durchzuführen und Beratungsgespräche vor Ort anzubieten. Die Beraterinnen gehen auf ihre Zielgruppe zu, knüpfen Kontakte, bieten Informationsveranstaltungen an oder führen Freizeitprojekte durch. Die Angebote gehen dabei jeweils auf Besonderheiten der Orte ein, so dass in den Städten teilweise unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden. Ursprünglich entstanden ist die Mobile Beratung im ZJS-HTK über Anfragen der örtlichen Jugendpflegen. In einem Jugendhaus in einer Stadt gab es Probleme mit auffälligen Jugendlichen. Diese waren als Drogenkonsumenten bei den Teamern und Jugendpflegern des Jugendhauses bekannt. Die Jugendpfleger reagierten mit Hausverbot auf den festgestellten Drogenkonsum, sahen dies aber nicht als Lösung an. Die Jugendlichen hielten sich nach Hausverbot zwar nicht mehr im Haus, aber vor dem Haus und in dessen Umgebung auf, so dass es mehr zu einer Problemverlagerung, als zu einer Problemlösung kam. Sie wünschten sich daher, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ZJS-HTK vor Ort mit ihnen gemeinsam nach Lösungen suchten. In der Folgezeit entstanden „mehrere Lösungsversuche“: Eine Schulungsmaßnahme für Teamer und Jugendpfleger, Informationsveranstaltungen für Jugendliche, Beratungsangebote im Jugendhaus, themenspezifische Projekttage und anderes. Über diese verschiedenen Kooperationsmodelle entwickelte sich sowohl bei der Jugendhilfe, wie auch bei den Mitarbeiter/-innen des ZJS-HTK eine Sicherheit in Aufgabenwahrnehmung, Zuständigkeit und Kooperation. Allen Beteiligten war klar, dass es zur Rollentrennung kommen muss: Die Jugendhilfe ist vor Ort für das Hausrecht zuständig und muss entsprechend auch mit Verboten und Grenzziehungen reagieren. Für freiwillige Hilfemaßnahmen sind Mitarbeiter/-innen der Suchthilfe zuständig, die der Schweigepflicht unterliegen und als Vertrauenspersonen bei den Jugendlichen bekannt sind. Auch heute noch ist dies das Kooperationsmodell der Mobilen Beratung: Wir bieten nur dort aufsuchende Mobile Jugend- und Suchtberatung an, wo es eine funktionierende Jugendhilfe gibt. Jugendhilfe hat nach wie vor das Hausrecht und die konzeptionelle Verantwortung für die Angebote vor Ort. Wir tragen das Angebot der Suchthilfe an unsere Zielgruppe Jugendliche mit Experimentier- oder Probierkonsum frühest möglich heran, in dem wir als aufsuchende Mobile Beratungen in Jugendhäuser und Cafes und in Schulen vor Ort gehen.

Träger: Suchthilfeverbund Jugendberatung und Jugendhilfe e.V., Frankfurt/M.

4 Mobile Beratung ist proaktiv, geht auf die Zielgruppen zu. Um die Zielgruppe „Jugendliche“ zu erreichen, erfordert es eine offene und kontinuierliche Form der Kontaktaufnahme. Ziel ist langfristig einen hohen Bekanntheitsgrad bei der Zielgruppe zu erreichen. Durch den regelmäßigen Kontakt zu den Jugendlichen soll während der Aufsuchenden Arbeit ein gutes Vertrauensverhältnis aufgebaut werden, auf das in Problemsituationen zurückgegriffen werden kann. Neben der Kontaktpflege und Beratung vor Ort ist Suchtprävention Aufgabe. Über Projekte und Freizeitangebote werden soziale und individuelle Kompetenzen vermittelt. Die Mitarbeiter/-innen der Mobilen Beratung sind also regelmäßig aufsuchend als Kontaktpersonen in den Jugendhäusern und Jugendcafes der Städte, für die sie zuständig sind. Sie bieten dort auch Projekte an, führen themenspezifische Projekttage, Diskussionsveranstaltungen, Umfragen durch. Es kann auch sein, dass sie zusammen mit den Jugendpflegen Veranstaltungen planen wie z. B. Klettertouren, Kanu fahren oder andere Aktionen, meist aus dem erlebnispädagogischen Bereich, um zu Jugendlichen neue Kontakte herzustellen oder bekannt zu werden. In einer Stadt hat z. B. die Mobile Beraterin zusammen mit der Jugendpflege mit einer Gruppe Jugendlicher, die als Drogengebraucher bekannt waren, eine suchtmittelfreie „Freizeit im Wald“ durchgeführt. Es fanden auch schon Projekttage oder –wochen statt wie z. B das Projekt „Ekstase, Trance und Mystik“, eine Projektwoche mit Trommelworkshop, in der es um drogenfreie Grenzerfahrungen ging oder Raucherentwöhnungsveranstaltungen u.a.. Die Möglichkeiten sind vielfältig und müssen sehr sorgfältig mit den Jugendpflegen und Teamern vor Ort besprochen, am Bedarf und Interesse der Jugendlichen orientiert sein und gemeinsame Ziele haben, damit sie auch passen. Ein weiteres großes Aufgabenfeld der Mobilen Beratungen ist die sekundärpräventive Tätigkeit an Schulen. Schulen sind die Orte, an denen sich Jugendliche aufhalten (wenn sie nicht gerade durchgängige Schulverweigerer sind). Hier gibt es im Hochtaunuskreis z. B. das Projekt „Just be clever“, das als Pilotprojekt von der Mobilen Beratung für Kronberg, als Weiterentwicklung des bewährten Projektes „auf die coole Tour“, das auch unter unserem fachlichen Träger JJ entwickelt wurde, entstand und bei uns inzwischen auch von anderen Schulen im Hochtaunuskreis angefragt wird. In Ergänzung zur Gesundheitsvorsorge der primärpräventiven Projekte, wie in Hessen üblich, hat dieses Projekt auch noch Gewaltprävention als Aufgabenschwerpunkt. Ganz wichtig ist auch bei dem Projekt Just be clever der erlebnispädagogische Teil. Ein Projekt, das innerhalb der Mobilen Beratungen des ZJS-HTK über Jahre erfolgreich läuft und inzwischen im Hochtaunuskreis Tradition hat, ist das sogenannte Cafe ZugVogel. Das Cafe ZugVogel ist ein Bauwagen, der der Einrichtung gehört, ursprünglich gesponsert wurde und in den 6 Wochen Sommerferien durch die Städte zieht, in denen Mobile Beratungen tätig sind. Der Bauwagen steht als offenes Angebot auf einem Platz, Park, Gelände vor Ort und bietet den Jugendlichen in einem öffentlichen Rahmen ein Freizeitangebot plus alkoholfreie Getränke an. Die Jugendlichen können dort im kreativen Bereich tätig werden, sie können sich auch „nur“ treffen, Musik hören, klönen, unterhalten und diskutieren. Sie können das Cafe als Treffpunkt nutzen oder auch die Angebote dort mitmachen bzw. mitplanen. Die Mitarbeiter /-innen werden innerhalb des Cafes von Praktikanten unterstützt, die für die Freizeitangebote zuständig sind. Der Cafedienst wird von Jugendlichen der Städte selbst übernommen. Dies erhöht die Identifikation der Jugendlichen mit „ihrem Cafe“. In jedem Cafe werden Ideen aufgegriffen wie z. B. Boxworkshop oder Kistenklettern, die von den Jugendlichen auch angefragt werden. Es gibt immer Spiele, es gibt immer sportliche Betätigungsfelder, es gibt immer alkoholfreie Getränke zum Selbstkostenpreis. Alles andere wird von den Jugendlichen mitgestaltet und weiterentwickelt. Ihre Bedürfnisse sollen den Plan erweitern und ergänzen, Ziel ist auch, dass sie selbst aktiv werden und neue Erfahrungen und Ideen sammeln, was sie mit ihrer Freizeit sinnvoll anfangen können.

Träger: Suchthilfeverbund Jugendberatung und Jugendhilfe e.V., Frankfurt/M.

5 Im Folgenden möchte ich Ihnen die DVD vorstellen, die von den Mobilen Beraterinnen der 4 Städte des ZJS-HTK als Ergebnisbericht des Cafe ZugVogel 2005 an die jeweiligen Kostenträger geschickt wurde. Hier können Sie sich auch über Bilder und kleine Einspielfilme einen lebendigen Eindruck über das Projekt verschaffen.

Pia Sohns-Riedl Bad Homburg, den 02.01.2006

Träger: Suchthilfeverbund Jugendberatung und Jugendhilfe e.V., Frankfurt/M.