Erneut: Matrizen und lineare Abbildungen Mit Hilfe der Matrixmultiplikation l¨ asst sich die Korrespondenz zwischen linearen Abbildungen und Matrizen elegant ausdr¨ ucken: Satz. e1, e2, . . . , en sei die Standardbasis des Rn. (a) Sei f : Rn → Rm eine lineare Abbildung und A = [f (e1), . . . , f (en)] die Darstellungsmatrix von f , d.h. A = M (f ). A ist eine m×n-Matrix und es gilt f (x) = A · x
f¨ ur alle x ∈ Rn
(b) Sei umgekehrt A eine m × n-Matrix. Dann ist die Abbildung f : R n → Rm ,
x 7→ A · x
linear mit Darstellungsmatrix M (f ) = A. 1
Eigenschaften von f 7→ M (f ) (1) Zwischen der Addition von linearen Abbildungen f, g : Rn → Rm bzw. von m × n-Matrizen besteht die Beziehung M (f + g) = M (f ) + M (g). (2) Zwischen der Multiplikation einer linearen Abbildungen f : Rn → Rm bzw. einer m × n-Matrix mit einem Skalar r besteht die Beziehung M (r.f ) = r.M (f ). (3) Sind f : Rm → Rn und g : Rn → Rp lineare Abbildungen, so sind Verkn¨ upfung und Matrizenmultiplikation verbunden durch: M (g ◦ f ) = M (g) · M (f ). 2
Nachweis Zu (1): Es ist M (f + g)
= [(f + g)(e1 ), . . . , (f + g)(en)] = [f (e1 ) + g(e1 ), . . . , f (en) + g(en)] = [f (e1 ), . . . , f (en)] + [g(e1 ), . . . , g(en)] = M (f ) + M (g) .
Zu (2): Analoges Argument. Zu (3): Es seien M (f ) = B = [b1 , b2 , . . . , bm ] und M (g) = A M (g ◦ f )
= [(g ◦ f )(e1 ), . . . , (g ◦ f )(em )] = [g(f (e1 )), . . . , g(f (em ))] = [g(b1 ), . . . , g(bm )] = [A · b1 , . . . , A · bm ] = A · [b1 , . . . , bm ] = A · B = M (g) · M (f ) .
3
Rechenregeln (1) Die Menge Mmn(R) der m × n-Matrizen bildet bzgl. Addition und Multiplikation mit Skalaren einen Vektorraum der Dimension mn. Dies impliziert schon die Rechenregeln (A1)–(A4) und (M1)–(M4). (2) F¨ ur n ∈ N ist die n × n Einheitsmatrix als 1 0 ··· 0 0 1 0 En = . . . ... ... = [e1, e2, . . . , en] 0 0 ··· 1 definiert. Es gilt f¨ ur jede m × n-Matrix A Em · A = A = A · En (3) Die Matrixmultiplikation ist assoziativ. (4) Es gelten die Distributivgesetze. (5) Im allgemeinen ist die Matrixmultiplikation nicht kommutativ .
4
Begr¨ undung I Sei A = [s1 , s2 , . . . , sn] Zu (2) : A · En = A · [e1 , e2 , . . . , en] = [A · e1 , . . . , A · en] = [s1 , s2 , . . . , sn]. Folglich gilt A · En = A. Analog zeigt man durch R¨ uckgriff auf den Zeilenaufbau von A, dass Em · A = A. Zu (3) : Seien A, B und C der Reihe nach m × n-, n × p- und p × q-Matrizen. Dieselben haben die Form M (f ), M (g) und M (h) f¨ ur lineare Abbildungen n m p n f : R → R , g : R → R , h : Rq → Rp . Unter mehrfacher Verwendung der Regel M (f ◦ g) = M (f ) · M (g) folgt die Beziehung (A · B) · C = (M (f ) · M (g)) · M (h) = M (f ◦ g) · M (h) = M ((f ◦ g) ◦ h) und entsprechend A · (B · C) = · · · = M (f ◦ (g ◦ h)). Da (f ◦ g) ◦ h = f ◦ (g ◦ h) ist, folgt die gew¨ unschte Assoziativit¨ at (A · B) · C = A · (B · C). 5
Begr¨ undung II
1 0 1 1 Zu (5) : Es ist · = 1 1 0 1 1 1 1 0 andererseits ist · = 0 1 1 1
1 1 2 1
1 , 2 1 . 1
Zu (4) : Wir ben¨ otigen beide distributiven Gesetze A(B + C) = A · B + A · C und (A + B) · C = A · C + B · C, weil die Multiplikation f¨ ur Matrizen nicht kommutativ ist. Wir f¨ uhren dies — mit einem Argument wie zur Assoziativit¨ at — auf den einfachen Nachweis der Formeln f ◦ (g + h) = f ◦ g + f ◦ h und (f + g) ◦ h = f ◦ h + g ◦ h
zur¨ uck. (Im ersten Fall wird die Linearit¨ at von f ben¨ otigt.)
6
Kommentar: Matrizenrechnung
Beim Rechnen mit Matrizen sind zwei Dinge gew¨ ohnungsbed¨ urftig: • Die Verletzung der Kommutativit¨ at ; so ist beispielsweise (A + B)2 = A2 + A · B + B · A + B 2. Da — im allgemeinen — A·B und B·A verschieden sind, l¨ asst sich dieser Ausdruck nicht — wie sonst gewohnt — zu A2 +2A·B+B 2 zusammenfassen; • Die Anwesenheit von Nullteilern : F¨ ur Matrizen A, B 6= 0 kann es vorkommen, dass A · B = 0 ist. Schlimmer noch: Es ist 0 0 1 0
!2
=
0 0 0 0
!
. 7
Der Matrixring Mn(R) Hierbei handelt es sich um die Menge aller n × n-Matrizen versehen mit der Matrizen-Addition und -Multiplikation. Dieser Bereich gen¨ ugt den Anforderungen (A1)–(A4), (M2)–(M3) und beiden Distributivgesetzen. Es ¨ ubernehmen die n × n-Nullmatrix und die n × n-Einheitsmatrix die Rolle des neutralen Elements bez¨ uglich der Addition bzw. der Multiplikation.
8
Fortsetzung: Matrixring Mn(R)
Anders als in Zahlbereichen verf¨ ugen wir in Mn(R) nicht ¨ uber die Kommutativit¨ at der Multiplikation. Ferner hat nicht jede von Null verschiedene n × n-Matrix bez¨ uglich der Multiplikation ein Inverses. Wegen der Anwesenheit von Nullteilern (f¨ ur n ≥ 2) k¨ onnen wir auch ¨ bergang von Z nach Q — durch U ¨ bernicht — entsprechend dem U gang zu einem gr¨ oßeren Bereich die Existenz von multiplikativ inversen Elementen f¨ ur Elemente 6= 0 erzwingen.
9
Lineare Gleichungssysteme
Wir befassen uns anschließend mit der L¨ osung — im allgemeinen nichthomogener — linearer Gleichungssysteme in zweifacher Hinsicht. Wir studieren einmal • den begrifflichen Aspekt, d.h. befassen uns mit der Struktur der L¨ osungsmenge eines beliebigen linearen Gleichungssystems; Zum anderen untersuchen wir • den praktischen Aspekt, d.h. algorithmische Verfahren zur schnellen L¨ osung eines konkreten Systems. Wir werden sehen, dass schon mit geringem begrifflichen Aufwand die praktische L¨ osung solcher Gleichungssysteme gelingt. 10
Koeffizientenmatrix und erweiterte Matrix Ein lineares Gleichungssystem a11 x1 + a12 x2 + · · · + a1nxn = b1 a21 x1 + a22 x2 + · · · + a2nxn = b2 ... ... ... ... am1 x1 + am2 x2 + · · · + amnxn = bm aus m Gleichungen in Koeffizientenmatrix a11 A = ... am1
den n Unbekannten x1 , x2 , . . . , xn, ist bestimmt durch seine ··· ... ···
a1n ... und die rechte Seite b = amn
b1 ... . bm
Durch Zusammenfassen erhalten wir die erweiterte Matrix a11 · · · a1n b1 ... ... . ... [A|b] = ... amn · · · a1n bm 11
Matrizenschreibweise Das lineare Gleichungssystem mit erweiterter Koeffizientenmatrix [A | b] schreiben wir in kompakter Matrizenschreibweise als A · x = b. Wir interessieren uns f¨ ur die L¨ osungsmenge L = {x ∈ Rn| A · x = b}. Spezialfall: Falls A = En die n×n-Einheitsmatrix ist, hat das System die Form En · x = b. Wegen En · x = x ist in diesem Fall das System somit eindeutig l¨ osbar mit der einzigen L¨ osung x = b. 12
Die Struktur der L¨ osungsmenge von A · x = b Satz. A sei eine m × n-Matrix vom Rang r und b ∈ Rm . Dann gilt (a) Das lineare Gleichungssystem A · x = b ist genau dann l¨ osbar , wenn sich b als Linearkombination der Spalten a1 , a2 , . . . , an von A schreiben l¨ asst. (b) Die L¨ osungen des zugeh¨ origen homogenen Gleichungssystems A · x = 0 bilden n einen Unterraum H des R von der Dimension n − r. (c) Ist x0 eine L¨ osung von A · x = b, so gilt: x ist genau dann ebenfalls eine L¨ osung von A · x = b, wenn x = x0 + h mit h ∈ H gilt. Mit anderen Worten: Entweder ist L = ∅ oder L = x0 + H := {x0 + h| A · h = 0} f¨ ur eine spezielle L¨ osung x0 .
13
Beweis des Struktursatzes
Beweis. Zu (a): Das behauptete L¨ osbarkeitskriterium folgt sofort P aus A · x = n i=1 xi.ai. Zu (b): Es ist H gerade der Kern der linearen Abbildung f : Rn → Rm ,
x 7→ A · x;
insbesondere ist H ein Unterraum von Rn. Der Rang von f ist gleich dem Rang von A; nach Rangsatz hat H folglich die Dimension n − r. Zu (c): Nach Voraussetzung ist A · x0 = b. Folglich ist A · x = b genau dann, wenn A · (x − x0) = 0, ¨ aquivalent wenn x − x0 ∈ H gilt. 14
Was bedeutet L¨ osen eines linearen Gleichungssystems?
Zun¨ achst einmal die Feststellung, ob das System A · x = b l¨ osbar ist oder nicht. Falls das System l¨ osbar ist, ten: (a) einer speziellen L¨ osung (b) einer Basis h1, . . . , hn−r stems A · h = 0.
besteht eine L¨ osung aus folgenden Dax0 , des L¨ osungsraums des homogenen Sy-
Achtung: Falls das System l¨ osbar, aber nicht eindeutig l¨ osbar ist, k¨ onnen sehr verschiedene Auswahlen zu (a) und (b) v¨ ollig gleichwertige L¨ osungen sein! 15
Vorschau: Gauß-Algorithmus
Die praktische L¨ osung eines numerisch gegebenen linearen Gleichungssystems A · x = b erfolgt mittels des Gauß-Algorithmus ∗. Dieser Algorithmus fußt auf zwei S¨ aulen: (1) Der Beobachtung, dass gewisse elementare Ab¨ anderungen die L¨ osungsmenge eines linearen Gleichungssystems nicht ¨ andern. (2) Der M¨ oglichkeit, durch solche Ab¨ anderungen jedes Gleichungssystem auf sogenannte Zeilenstufenform zu bringen. ¨ nderungen sind L¨ Nach diesen A osbarkeit und gegebenenfalls die L¨ osungsmenge automatisch ablesbar. ∗ Benannt
nach Carl Friedrich Gauß (1777-1855), der uns schon bei der Gaußschen Zahlenebene begegnete.) 16
Elementare Zeilenoperationen
Die L¨ osungsmenge eines linearen Gleichungssystems ¨ andert sich nicht bei einer der folgenden Operationen (a) Vertauschen zweier Gleichungen. (b) Multiplikation beider Seiten einer Gleichung mit einem Faktor 6= 0. (c) Addition eines Vielfachen einer Gleichung zu einer anderen Gleichung. Ein gegebenes System werden wir daher mit solchen elementaren Zeilenumformungen solange vereinfachen, bis wir die L¨ osungsmenge des vereinfachten — und damit auch des urspr¨ unglichen — Systems ablesen k¨ onnen. 17
Beweis Beweis. (a), (b) sind klar, nur (c) bedarf der Begr¨ undung. Seien also i 6= k aus dem Bereich 1, . . . , m. Wir betrachten die i-te und die k-te Gleichung: (1) (2)
ai1 x1 + ai2 x2 + · · · + ainxn = bi ak1 x1 + ak2 x2 + · · · + aknxn = bk .
Jede L¨ osung der Gleichungen (1) und (2) ist auch eine L¨ osung von: (3)
(ai1 + aak1 )x1 + (ai2 + aak2 )x2 + · · · + (ain + aakn)xn = bi + abk
und damit der beiden Gleichungen: (4) (5)
(ai1 + aak1 )x1 + (ai2 + aak2 )x2 + · · · + (ain + aakn)xn = bi + abk ak1 x1 + ak2 x2 + · · · + aknxn = bk .
Halten wir fest: Jede L¨ osung von (1) und (2) ist auch eine von (4) und (5). Aus (4) und (5) erhalten wir aber (1) und (2) zur¨ uck, indem wir das (−a)-fache der Gleichung (5) zur Gleichung (4) addieren. Mit obigem Schluss ist jede L¨ osung von (4) und (5) dann auch eine von (1) und (2). 18
Elementare Zeilenumformungen
F¨ ur die zugeh¨ orige erweiterte Matrix [A|b] des Gleichungssystems A · x = b liest sich das so: Jede Operation vom Typ • Vertauschen zweier Zeilen, • Multiplikation einer Zeile mit einem Faktor 6= 0, • Addition eines Vielfachen einer Zeile zu einer anderen Zeile, macht aus [A, b] eine neue “erweiterte” Matrix [A0|b0], f¨ ur welche das zugeordnete Gleichungssystem A0 · x = b0 dieselbe L¨ osungsmenge hat wie das System A · x = b. 19
Vorl¨ aufiger L¨ osungsansatz
Da wir Gleichungen der Form E · x = b, E die n × n-Einheitsmatrix, trivialerweise l¨ osen durch x = b k¨ onnen, werden wir zu folgendem — allerdings vorl¨ aufigem — L¨ osungsansatz f¨ ur ein lineares Gleichungssystem A · x = b mit quadratischer Matrix A gef¨ uhrt: Idee: Forme [A|b] solange durch elementare Zeilenumformungen um bis die Form [E|c] erreicht ist, wobei E die n × n-Einheitsmatrix ist. In diesem Fall ist x=c die eindeutig bestimmte L¨ osung von A · x = b. 20
¨ Uberpr¨ ufung der Idee I H¨ aufig klappt’s: Das lineare Gleichungssystem 1x1 + 2x2 + 0x3 = 1 2x1 + 3x2 + 0x3 = 1 3x1 + 4x2 + 1x3 = 3 f¨ uhrt zur erweiterten 1 2 0 2 3 0 3 4 1 1 2 0 7→ 0 1 0 0 −2 1
Matrix 1 1 3 1 1 0
1 2 0 1 7→ 0 −1 0 −1 3 4 1 3 1 0 0 −1 1 7→ 0 1 0 0 −2 1 0
1 2 0 1 7→ 0 −1 0 −1 0 −2 1 0 1 0 0 −1 1 7→ 0 1 0 0 0 1 2
und den markierten elementaren Zeilenumformungen. Folglich ist das Gleichungssystem eindeutig l¨ osbar mit L¨ osung x1 −1 x2 = 1 . x3 2 21
¨ Uberpr¨ ufung der Idee II Mitunter klappt’s nicht: Das lineare Gleichungssystem 3x1 + 1x2 + 6x3 = 18 2x1 + 1x2 + 4x3 = 13 1x1 + 1x2 + 2x3 = 10 f¨ uhrt zur erweiterten Matrix 1 1 2 3 1 6 18 2 1 4 13 7→ 2 1 4 1 1 2 10 3 1 6 1 1 2 7→ 0 1 0 0 2 0
10 13 18 10 7 12
1 1 2 10 7→ 0 −1 0 −7 0 −2 0 −12 1 0 2 3 7→ 0 1 0 7 0 0 0 −2
und den markierten elementaren Zeilenumformungen. Die erhaltene Matrix [A0 , b0 ] l¨ asst sich nicht auf die Form [E|c] bringen. Grund: Das zu [A0 |b0 ] geh¨ orige Gleichungssystem ist nicht l¨ osbar, da schon allein seine letzte Gleichung 0x1 + 0x2 + 0x3 = −2 nicht l¨ osbar ist. 22
Bewertung der Beispiele
Unsere Idee ‘Umformung in Richtung Einheitsmatrix’ war zu optimistisch. Nur f¨ ur eindeutig l¨ osbare Systeme kann die Reduktion der erweiterten Matrix auf die Form [E|c] ¨ uberhaupt gelingen. Gleichwohl zeigt Beispiel II, dass die eingeschlagene Strategie auch dort tr¨ agt, wo die eindeutige L¨ osbarkeit nicht gegeben ist. Sogar die Nichtl¨ osbarkeit eines Systems konnten wir auf diesem Wege entscheiden. Neue Umformstrategie : Bringe die erweiterte Matrix auf eine Form, die der Einheitsmatrix m¨ oglichst nahe kommt. Dies Ziel werden wir mit der Zeilenstufenform erreichen. 23
Matrizen in Zeilenstufenform Wir sehen hier ein typisches 0 0 0 0 0 0 A= 0 0 0 0
Beispiel einer m × n-Matrix in Zeilenstufenform. |1 ∗ 0 ∗ 0 ∗ 0 ∗ ∗ 0 ∗ 0 ∗ |1 ∗ ∗ 0 0 |1 ∗ 0 ∗ 0 0 0 0 0 |1 ∗ 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 i1 i2 i3 i4
Eine Treppenlinie trennt einen unteren Bereich ab, der nur aus Nulleintr¨ agen besteht. In unserem Fall haben wir r = 4 Stufen an den Positionen 1 ≤ i1 < i2 < · · · < ir ≤ n.
24
Eigenschaften der Stufenform (S1) In den r Stufen der Treppe, d.h. an den markierten Stellen i1, i2, . . . , ir stehen der Reihe nach die Einheitsvektoren e1, e2, . . . , er . (S2) Die ¨ ubrigen Eintr¨ age des oberen Bereichs k¨ onnen beliebig gew¨ ahlt werden. Im Bereich unterhalb der Treppenlinie gibt es nur Eintr¨ age gleich Null. (S3) Die zu den Stufen i1, i2, . . . , ir geh¨ origen Spalten erzeugen alle anderen Spalten von A. (S4) Der Rang von A ist folglich gleich der Anzahl r der Stufen der Matrix von Treppenform. (S5) Kein Stufenvektor l¨ asst sich aus den vorangehenden Spalten erzeugen. 25
Elementare Zeilenumformungen und Zeilenstufenform Satz. Jede m × n-Matrix l¨ asst sich durch elementare Zeilenumformungen auf Zeilenstufenform bringen.
Wir ¨ uben das Verfahren zun¨ achst an Beispielen und diskutieren Anwendungen, bevor wir den generellen Beweis f¨ uhren. Vorschau: Es wird sich herausstellen, dass die entsprechende Umformung in Zeilenstufenform genau die Technik ist, die wir zur vollst¨ andigen L¨ osung eines linearen Gleichungssystems ben¨ otigen. 26
Umformung in Zeilenstufenform
1 1 1 2
1 2 1 3
1 1 1 2
0 1 0 0
1 1 1 0 0 0 0 −1 0 0 −1 0
1 0 7 → 0 0
1 1 0 1
1 1 1 2
1 0 7 → 0 0
1 1 0 1
1 1 1 0 0 0 0 −1 0 0 −1 0
0 1 0 0
1 1 0 0 0 1 0 −1
1 0 7 → 0 0
1 0 0 0
1 0 7 → 0 0
1 1 1 0
1 1 1 0 0 0 0 −1 0 0 −1 0
|1 0 1 0 1 0 |1 0 0 0 7→ 0 0 0 |1 0 0 0 0 0 0
Die letzte Matrix ist in Zeilenstufenform mit drei Stufen in den Spalten 1, 2 und 4. Sie hat daher den Rang drei . Wir werden gleich sehen, dass dann auch die anderen Matrizen den Rang drei haben.
27
Zeilenumformungen und Rang
Satz. Elementare Zeilenumformungen bewahren den Rang. Beweis. Die Matrix B entstehe aus der m × n-Matrix A durch elementare Zeilenumformungen. Die homogenen linearen Gleichungssysteme A·x = 0 und B·x = 0 gehen dann ebenfalls durch elementare Zeilenumformungen auseinander hervor und haben daher denselben L¨ osungsraum H. Der Rangsatz f¨ ur Matrizen sagt dann, dass die Matrizen A und B jeweils denselben Rang n − dim H haben.
28
L¨ osbarkeitskriterium Satz. Das lineare Gleichungssystem A · x = b ist genau dann l¨ osbar, wenn nach Umformung der erweiterten Matrix [A|b] in Treppenform [B|c] die letzte Spalte c kein Stufenvektor ist. Beweis. Da sich die L¨ osungsmengen durch elementare Zeilenumformungen nicht ver¨ andern, ist A · x = b genau dann l¨ osbar, wenn B · x = c l¨ osbar ist. Dies ist ¨ aquivalent dazu, dass sich c aus den Spaltenvektoren von B linear kombinieren l¨ asst. Nach (S3) und (S5) ist dies genau dann der Fall, wenn c kein Stufenvektor ist. Wir werden gleich sehen, wie wir im l¨ osbaren Fall eine spezielle L¨ osung finden. 29
Finden einer speziellen L¨ osung A sei eine m × n-Matrix und b eine n-Spalte. Die erweiterte Matrix [A|b] befinde sich in Zeilenstufenform, wobei sich die Stufen in den Positionen 1 ≤ i1 < i2 < · · · < ir ≤ n befinden, also b kein Stufenvektor ist. Weglassen aller Nullzeilen f¨ uhrt zu einer r×(n+1)-Matrix, mit r ≤ n. Wir f¨ ullen nun die resultierende Matrix solange mit Nullzeilen auf, bis in der i-ten Stufe stets der Einheitsvektor ei steht (f¨ ur alle i = 1, . . . , r) und wir insgesamt n Zeilen haben. Dies liefert eine erweiterte Matrix [B|c], wobei B das Format n × n hat. Achtung: Falls der i-te Eintrag ci = 6 0, so ist die i-te Spalte von B eine Stufe, also gleich ei. Es folgt, dass x = c eine spezielle L¨ osung des Systems ist . 30
Anwendungsbeispiel spezielle L¨ osung Die erweiterte Matrix |1 0 1 0 1 0 |1 0 0 0 [A|b] = 0 0 0 |1 0 0 0 0 0 0
3 −1 −1 0
befindet sich schon in Zeilenstufenform. Die letzte Spalte ist keine Stufe, daher ist das System l¨ osbar. Auff¨ ullen mit Nullzeilen liefert das ¨ aquivalente System: |1 0 1 0 1 3 0 |1 0 0 0 −1 0 0 [A |b ] = 0 0 0 |0 0 0 0 0 0 |1 0 −1 0 0 0 0 0 0 Wir beachten, dass Nullen in der Hauptdiagonalen von A0 in derselben Zeile einen Nulleintrag in b0 hervorrufen. Es folgt: b0 ist eine spezielle L¨ osung von A · x = b. 31
Kommentar: spezielle L¨ osung(en)
Zusammenfassung: Falls [A, b] Zeilenstufenform hat und die letzte Spalte keine Stufe ist, erhalten wir nach geeignetem Streichen und Neueinf¨ ugen von Nullzeilen eine erweiterte Matrix [A0|b0], deren rechte Seite b0 eine L¨ osung von A · x = b ist. Hinweis: Dieses einfache Rezept zum Finden einer speziellen L¨ osung darf nicht zum Schluß verleiten, b0 sei die einzige L¨ osung von A·x = b.
32
Homogene Systeme in Zeilenstufenform Wir nehmen jetzt an, dass A eine Matrix in Zeilenstufenform ist. Durch Streichen und Neueinf¨ ugen von Nullzeilen sei schon erreicht, dass A quadratisch, vom Format n × n ist und die Stufenvektoren ihre Eins in der Hauptdiagonalen haben. Wir wissen, dass die Anzahl der Stufen(vektoren) gleich dem Rang r von A ist. Ferner ist nach Konstruktion A eine obere Dreiecksmatrix.
Entsprechend hat das homogene lineare Gleichungssystem A · x = b einen L¨ osungsraum H ⊆ Rn der Dimension n − r. Wir k¨ onnen jetzt eine Basis von H wie folgt angeben: Die n − r Spalten von A, die nicht Stufenvektoren von A sind, haben s¨ amtlich als Hauptdiagonaleintrag eine Null. Ersetzen wir in diesen Spalten jeweils den Hauptdiagonaleintrag 0 durch -1 , so erhalten wir n − r Vektoren h1, h2, . . . , hn−r , die eine Basis von H bilden. 33
Nachweis: L¨ osungen von A · x = 0
Klar ist zun¨ achst, dass die Spaltenvektoren h1, h2, . . . , hn−r ein linear unabh¨ angiges System bilden. Ferner ist jedes hi tats¨ achlich eine L¨ osung von A · x = 0: Hierzu beachten wir, wie hi aus einem Nichtstufenvektor, sagen wir der Spalte aj , hervorgeht. Nach (S3) ist aj eine Linearkombination der Stufenvektoren; die auftretenden Koeffizienten sind gerade die Koeffizienten aij von aj . Somit gilt aj = ai1 .a1 + · · · + ai j−1 .aj−1 + ai j+1 .aj+1 + . . . + ai n.an. Indem wir aj , behaftet mit dem Faktor −1 , auf die rechte Seite der Gleichung bringen, folgt A · hi = 0.
Wir schließen, dass h1, h2, . . . , hn−r ein linear unabh¨ angiges System im n − r-dimensionalen L¨ osungsraum H ist. Es folgt mit einem Dimensionsargument, dass dieses System eine Basis von H ist. 34
Der Gauß-Algorithmus I
Wir haben damit alle Bausteine f¨ ur den Gauß-Algorithmus beisammen: Schritt 1: Die erweiterte Matrix [A|b] des zu untersuchenden linearen Gleichungssystems wird zun¨ achst durch elementare Zeilenumformungen auf Zeilenstufenform [A0|b0] gebracht. Falls die letzte Spalte b0 ein Stufenvektor ist, ist das System A · x = b nicht l¨ osbar, andernfalls ist es l¨ osbar. Schritt 2: Durch geeignetes Streichen und Auff¨ ullen von Nullzeilen wird [A0|b0] so zu [A00|b00] umgeformt, dass A00 eine quadratische Matrix ist und die Einsen der Stufenvektoren in der Hauptdiagonale von A0 stehen. Es ist dann b00 eine spezielle L¨ osung von A · x = b. 35
Der Gauß-Algorithmus II Schritt 3: Wir ersetzen die Hauptdiagonaleintr¨ age Null von A00 in den Spalten, die nicht Stufenvektoren sind, jeweils durch −1 und erhalten ein System von n − r (r=Anzahl der Stufenvektoren) Spaltenvektoren h1, h2, . . . , hn−r , welches eine Basis des L¨ osungsraums H des homogenen Gleichungssystems A · x = 0 bildet. Die ’allgemeine L¨ osung’ des Gleichungssystems A · x = b hat dann die Form x = b00 +
n−r X
αi.hi,
mit beliebigen Skalaren αi.
i=1
36
Frohe Festtage
und einen guten Rutsch! 37