Die wirtschaftliche Lage in Belarus Dr. Alexander Knuth German Economic Team Belarus
Vortrag beim Klubabend des DBWC Minsk, 05. Juli 2017 German Economic Team Belarus
Basisindikatoren Belarus
Russland
Ukraine
Moldau
Georgien
BIP, Mrd. USD
54,7
1.560,7
95,9
7,4
13,7
BIP/Kopf, USD
5.787
10.886
2.262
2.089
3.715
9,5
143,4
42,4
3,5
3,7
Bevölkerung, Mio. Quelle: IWF, Schätzung 2017
Handelsstruktur Export
Import
EU 24% | Russland 46% | Sonstige 30%
EU 20% | Russland 55% | Sonstige 25%
Sonstige 23%
Waren der Lebensmittelindustrie 17% Metalle 7%
Mineralische Stoffe 18%
Sonstige 25%
Mineralische Stoffe 22% Maschinen, Zu behör und Transport-mit tel 17% Chemische
Waren der Lebensmittelindustrie 15%
Erzeugnisse 14%
Metalle 9%
Quelle: UN Comtrade, 2016; Anmerkung: Warenhandel
Quelle: UN Comtrade, 2016; Anmerkung: Warenhandel
2
Maschinen, Z ubehör und Transportmittel 21% Chemische Erzeugnisse 12%
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Wirtschaftswachstum 2
% zum Vj.
BIP
Reales BIP-Wachstum
• Belarus hat sich im ersten Quartal 2017 stabilisiert: BIP wächst um 0,3% im Vergleich zum Vorjahresquartal • Gesamtprognose für 2017 aber weiterhin negativ bei -0,8%, für 2018 +0,6% • Industrieproduktion wächst deutlich • Exportnachfrage zieht an • Private Konsumnachfrage sinkt weiterhin wegen gesunkener Einkommen (-3,2% Jan.-Feb. 2017 im Vgl. zum Vorjahr) und steigender Arbeitslosigkeit
1 0
-1 -2 -3 -4 -5 2013
2014
2015
2016
2017*
2018*
Quelle: Belstat; *Prognose des IWF
12
% zum Vj.
Privater Konsum
10 8 6
Fazit • Leichte Erholung im ersten Quartal kann nicht auf das Gesamtjahr fortgeschrieben werden; Rückkehr zum Wachstum erst 2018
4 2 0 -2 -4 2013
2014
2015
1Q-3Q2016
Quelle: Belstat
3
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Sektorale Perspektive • Welche Sektoren wuchsen im ersten Quartal 2017? o Produzierendes Gewerbe +5,1%
Zusammensetzung des BIP 2016 Landwirtschaft 8% Sonstige 43%
Maschinenbau, Metallverarbeitung Textilindustrie Chemie
Produzierendes Gewerbe 23%
o Transportgewerbe + 3,9% o Landwirtschaft +1,7% • Ölindustrie (Teil des produzierenden Gewerbes): -32%. Grund: Limitierte Rohöllieferungen aus Russland -> ab 2Q2017 Wachstum der Ölindustrie erwartet (vgl. Folie zum Öl- und Gaskonflikt) • Einzelhandel negativ wegen gesunkener Einkommen
Bau 7% Transport und IKT 7%
Groß- und Einzelhandel 12%
Quelle: Belstat
Sektorale Dynamik in 1Q2017 6 5 4 3 2 1 0 -1 -2
% zu 1Q2016
Quelle: Weltbank
Fazit • Positive Entwicklung der meisten Sektoren im 1. Quartal 2017 4
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Inflation und Löhne Inflation • Prognose für 2017: 9,3%, für 2018: 8,7%
Inflationsrate % zum Vj.
20
• Langfristiger Rückgang positiv zu bewerten • Aktuell: 6,3%
15 10
Reallöhne • Rückgang der Reallöhne 2015 (-2,3%) hat sich 2016 beschleunigt (-4%) • Starker Gegensatz zu 2012/2013, wo die Reallöhne zweistellig gestiegen sind • Dämpft Einkommen und Konsum
5 0 2014
2015
2016
2017*
2018*
Quelle: IWF, *Prognose, Anmerkung: Jahresdurchschnittswerte der Verbraucherpreise
25
% zum Vj.
Reallöhne
20 15
Fazit • Inflation eingedämmt, zum ersten Mal seit vielen Jahren auf einstelligen Werten • Negative Reallohnentwicklung im Einklang mit der problematischen wirtschaftlichen Situation
10 5 0 -5
-10 2012
2013
2014
2015
2016*
Quelle: Belstat, *ohne Kleinstunternehmen
5
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Öffentliche Finanzen und Staatsverschuldung % des BIP
Haushaltssaldo
0 -2 -4
-6 -8 -10 2014
2015
2016
2017*
2018*
Quelle: IWF, *Schätzung/Prognose
Staatsverschuldung 65
% des BIP
60 55 50 45 40 35 2014
2015
2016
2017*
Haushaltssaldo • Die mehrjährige Rezessionsphase hinterlässt auch im Haushaltsdefizit (nach IWF-Definition) Spuren: 2016: 4,6%, 2017: 8,2% • Dies begrenzt fiskalische Spielräume, z.B. im Hinblick auf den Aufbau eines sozialen Sicherungssystems Staatsverschuldung • Steigende Defizite und die starke Abwertung des belarussischen Rubels lassen die Staatsverschuldung mittelfristig ansteigen • Vergleich 2014 zu 2018: Von 39% auf 63% des BIP Fazit • Die schwierige wirtschaftliche Situation spiegelt sich in der angespannten fiskalischen Situation wider
2018*
Quelle: IWF, *Schätzung/Prognose, BIP in BYN
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Leistungsbilanz und Wechselkurs Wechselkurs und Währungsreserven 9
BYN/USD
Mrd. USD
2,5
8
2,1
7
1,7
6 1,3
5
Reserven (linke Skala)
Apr-17
Jan-17
Okt-16
Jul-16
Apr-16
Jan-16
Okt-15
Jul-15
Apr-15
Jan-15
Okt-14
Jul-14
Apr-14
Jul-13
Jan-14
0,5 Okt-13
3 Apr-13
0,9
Jan-13
4
Wechselkurs (rechte Skala)
Quelle: Nationalbank Belarus, Anmerkung: Wechselkurs in der Notierung nach der Währungsumstellung vom 01.07.2016
% des BIP
Wechselkurs und Währungsreserven • Seit Anfang 2016: Stabilisierung des belarussischen Rubels im Rahmen eines flexiblen Wechselkurssystems • Parallel steigen die Währungsreserven wieder, von 4,3 auf aktuell 5,6 Mrd. USD – Offizielle Kredite durch den multilateralen ESDF – Platzierung von Fremdwährungsanleihen im Inland
Leistungsbilanz • Nach starker Verringerung des Leistungsbilanzdefizits 2015 steigt es seitdem wieder graduell:
Leistungsbilanz
0 -1 -2
– 2017: 4,7% des BIP nach 3,6% in 2015
-3 -4
Fazit • Kein direkter Grund zur Besorgnis beim Leistungsbilanzdefizit, aber Wachsamkeit geboten
-5
-6 -7 2014
2015
Quelle: IWF, *Schätzung/Prognose
2016
2017*
2018* 7
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Außenhandel 20
• Export wächst in 1Q2017 zum ersten Mal seit mehreren Jahren: +23,5% im Vgl. zum Vorjahresquartal • Importe wachsen in 1Q2017 ebenfalls: +22,2% im Vgl. zum Vorjahresquartal • Das hohe Wachstum beruht aber zum großen Teil auf einem Basiseffekt, sprich den geringen Werten in den Vorjahren • Absolut gesehen sind die Vorkrisenwerte bei Exporten und Importen noch nicht erreicht • Die notwendige regionale Diversifikation des Exports hat bisher noch nicht stattgefunden
Außenhandel
% zum Vj.
Exporte Importe
10 0 -10 -20 -30 2012
2013
2014
2015
2016*
Quelle: Belstat, *Schätzung; Anmerkung: nur Warenhandel
Export nach Regionen China Sonstige 2% 9%
EU 24%
Quelle: Belstat, 2016
Brazil India 2% 1%
GUS (exkl. Russland) 16%
Fazit • Seit mehreren Jahren zum ersten Mal relatives Exportwachstum, aber Wachstum beruht hauptsächlich auf Aufholeffekten
Russland 46%
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Bilateraler Handel zwischen Belarus und Deutschland Deutscher Handel mit Belarus Mrd. Euro 2,5 2,0 1,5 1,0
0,5 0,0 -0,5 -1,0 2013 2014 Deutsche Exporte
2015 Deutsche Importe
2016 Saldo
Quelle: Statistisches Bundesamt
Deutsche Exporte nach Belarus Sonstige 23%
Nahrungsmittel 5% Chemische Erzeugnisse 23%
KfZ und Teile 13%
Elektrotechnik 7% Elektronik 2% Quelle: Statistisches Bundesamt, 2016
• Die Exporte aus Deutschland steigen in 1Q2017 zum ersten Mal seit 2012, und zwar um 17,4% im Vgl. zum Vorjahresquartal • Es bleibt abzuwarten, ob dies eine echte Trendwende signalisiert • Die Importe nach Deutschland sinken um 5,5% in 1Q2017 im Vgl. zum Vorjahresquartal • Maschinen, chemische Erzeugnisse und Kfz (inkl. Teile) machen 63% der deutschen Exporte nach Belarus aus Ausblick • Die Entwicklung im ersten Quartal 2017 scheint bei den deutschen Exporten eine Trendwende zu zeigen, der Trend ist aber noch nicht robust. • Die deutschen Importe gehen erneut zurück
Maschinen 27%
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Lösung des Öl- und Gaskonflikts mit Russland? Ausgangslage • Seit 2016 schwelte ein Streit zwischen Belarus und Russland um unterschiedliche Preisvorstellungen für aus Russland importiertes Gas • In der Folge wurden die Liefermengen von Rohöl von Russland an Belarus reduziert; weitere bilaterale Streitpunkte gab es bei Lebensmittelexporten nach Russland Treffen der Präsidenten am 03.04.2017 in St. Petersburg • Nach mehreren vergeblichen Anläufen haben sich die Präsidenten von Belarus und Russland auf eine Lösung des Konflikts verständigt • Kernpunkte: • • • • •
Belarus begleicht seine Gasschulden i.H.v. 726 Mio. USD 2018-2019 soll der Gaspreis nach weiteren Verhandlungen leicht sinken Russland erhöht die Ölliefermengen auf die ursprüngliche Höhe (24 Mio. Tonnen/Jahr) Russland wird einen bilateralen Kredit von bis zu 1 Mrd. USD vergeben Der multilaterale Antikrisenfonds EFSD (Eurasian Fund for Stabilization and Development) zahlt die 3. und 4. Tranche seines Programms (jeweils 300 Mio. USD) in 2017 aus • Belarus unterschreibt den neuen Zollkodex der Eurasischen Wirtschaftsunion (tritt im Juli 2017 in Kraft)
Fazit • Kurzfristig Entspannung der Lage, es bleibt aber abzuwarten, ob die Vereinbarungen dauerhaft umgesetzt werden 10
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Staatlich gelenkte Kreditvergabe Struktur der Bankenkredite zum 1.1.2016 Gelenkte Kreditvergabe 39,5%
zu Marktkonditionen 60,5%
Struktur der Bankenkredite zum 1.10.2016 Gelenkte Kreditvergabe 38,1% zu Marktkonditionen 61,9%
Quelle: Nationalbank von Belarus
Problem • Gelenkte Kredite als Instrument wirtschaftlicher Steuerung durch den Staat • Hauptkreditnehmer: Industrie, Landwirtschaft und Wohnungsbau • Folge: Verzerrungen in Finanz- und Realsektor durch unterschiedliche Zinssätze Aktuelle Situation • In 2016 ca. 40% des gesamten Kreditvolumens gelenkte Kredite • Leicht abnehmende Tendenz • Neben Geschäftsbanken ist auch die staatliche Entwicklungsbank zunehmend involviert • 30% des Kreditvolumens der Entwicklungsbank sind gelenkte Kredite Fazit • Zur Stärkung der Marktorientierung des Bankensektors ist die weitere Einschränkung gelenkter Kreditvergabe nötig 11
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EAWU: Entwicklung Binnenhandel vs. Handel mit Drittstaaten Außen- und Binnenhandel der EAWU 1 000
Mrd. USD
Mrd. USD
900
80
70
800 60 700 50
600
500
40
2010 2011 2012 2013 Außenhandel (linke Skala)
2014 2015 2016 Binnenhandel (rechte Skala)
Quelle: Eurasische Wirtschaftskommission, Anmerkung: Daten von 1Q2010 bis 4Q2014 beziehen sich auf RUS, BLR und KAZ; Daten ab 1Q2015 beziehen sich auf RUS, BLR, KAZ, ARM und KGZ
Seit 2015 • Belarus ist Mitglied der Eurasischen Wirtschaftsunion („EAWU“), zu der auch Armenien, Kasachstan, Kirgisistan und Russland gehören Allerdings • Erhebliche nicht-tarifäre Barrieren („NTBs“) im EAWU-Binnenhandel Studie des EDB Center for Integration Studies • 15-30% des gesamten Exportwerts entfallen auf durch NTBs verursachte Kosten Folge: • Keine positive Entwicklung des Binnenhandels, auch im Vergleich zum Handel mit Drittstaaten Fazit: • EAWU-Potenzial bei weitem nicht realisiert
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Entwicklung des Privatsektors
100
Bruttowertschöpfung nach Eigentumsform
%
80 60 40 20 0 2010 2011 staatlich privat ohne staatl. Anteil Quelle: Belstat
2012
2013 2014 privat mit staatl. Anteil ausländisch
Privatsektor holt auf • Anteil der staatlichen Unternehmen an der Gesamtwirtschaft ist höher als in westlichen Industriestaaten, aber unter 50% • Großindustrie besteht immer noch fast ausschließlich aus staatlichen Unternehmen Problemfelder • Es existiert unfairer Wettbewerb zw. staatlichen und privaten Unternehmen • Staatliche Unternehmen wenig autonom, Management kann nur begrenzt betriebswirtschaftliche Prinzipien anwenden • Häufig Eingriffe der Administration und Behörden in wirtschaftliche Entscheidungen auch im Privatsektor Fazit • Transformation zur Marktwirtschaft ist weiter vorangeschritten als tw. in der öffentlichen Diskussion in Deutschland wahrgenommen 13
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ZUSAMMENFASSUNG Ausgabe 6 | Juni 2017
Überblick • Im ersten Quartal 2017 zum ersten Mal seit zwei Jahren positives BIP-Wachstum (0,3%), allerdings wird auf Jahressicht die Wirtschaftsleistung zum dritten Mal in Folge sinken. Erst 2018 wächst die Wirtschaft wieder (0,6%) • Die Inflation geht 2017 leicht auf 9% zurück • Der Druck auf die Fiskalpolitik steigt weiterhin an: Haushaltsdefizit und Schuldenstand steigen auch 2017 und 2018 • Das Leistungsbilanzdefizit erhöht sich leicht in 2017 (4,7% des BIP) und 2018 (5,0% des BIP) Themen • Öl- und Gaskonflikt mit Russland: Konflikt offenbar vorerst beigelegt, mittelfristig verbleiben offene Fragen • Staatlich gelenkte Kreditvergabe: Leichter Rückgang zu begrüßen, weitere Schritte sind jedoch notwendig • EAWU: Binnenhandelspotenzial bei weitem nicht ausgeschöpft, vor allem wegen immens teurer nicht-tarifärer Barrieren • Entwicklung des Privatsektors: Anteil des Privatsektors an der Gesamtwirtschaft über 50%, aber noch viele Entwicklungshemmnisse
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Kontakt Dr. Alexander Knuth
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