Der MORECO-Siedlungsrechner. Salzburg-Umgebung

Anderer Umgang mit Mobilität und Wohnen 41 SIR-Mitteilungen und Berichte 35/2014 Der MORECO-Siedlungs­ rechner für den Bezirk Salzburg-Umgebung Pla...
Author: Kai Schuster
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Anderer Umgang mit Mobilität und Wohnen

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SIR-Mitteilungen und Berichte 35/2014

Der MORECO-Siedlungs­ rechner für den Bezirk Salzburg-Umgebung Planungswerkzeug zur Siedlungs- und Infrastrukturbewertung verschiedener Standorte MORECO – Settlement Calculator for the Region surrounding Salzburg

Dagmar Schnürch, MSc

Research Studio iSPACE Research Studios Austria Forschungsgesellschaft mbH Schillerstraße 25 A-5020 Salzburg E-Mail: dagmar.schnuerch@ researchstudio.at

Zusammenfassung Wohnstandortentscheidungen ohne langfristige Folgenabschätzung haben nicht nur Auswirkungen auf die Mobilitätskosten privater Haushalte, es entsteht dadurch auch immer mehr Wohnraum abseits bestehender infrastruktureller Versorgung. Besonders in Regionen des Alpenraums hat die entstehende Zersiedelung viele negative Folgen für die Bevölkerung, die öffentliche Hand und die Umwelt. Der „MORECO-Siedlungsrechner“ ist ein webbasiertes Planungstool, das als Werkzeug für Regional- und Ortsplaner hilft, Folgekosten von Wohnbauvorhaben, wie etwa den Mobilitätsaufwand künftiger Bewohner, besser abschätzen zu können. Damit soll eine nachhaltige Siedlungsentwicklung im Sinne einer Nutzung bestehender (Infra-)Strukturen und Reduktion des Autoverkehrs gefördert werden. Die Entwicklung dieses Planungstools – beginnend mit Leitbildern und Zielvorstellungen über die Berechnung der Mobilitätsaufwendungen bis hin zur Entstehung eines interaktiven Online-Rechners für die Pilotregion Salzburg-Umgebung – wird in diesem Beitrag vorgestellt. Raumplanern wird damit eine Möglichkeit geboten, Standorte der Siedlungsentwicklung hinsichtlich verschiedener Mobilitätsaspekte und infrastruktureller Standortqualitäten zu vergleichen und die Ergebnisse in einen fundierten Entscheidungsfindungsprozess einfließen zu lassen.

DI(FH) Eva Haslauer, MSc

Research Studio iSPACE Research Studios Austria Forschungsgesellschaft mbH Schillerstraße 25 A-5020 Salzburg E-Mail: eva.haslauer@ researchstudio.at

Dr. Thomas Prinz

Abstract Making residential location decisions without considering long-term effects not only influence mobility costs of private households, but often lead to an increase in residential areas located outside the existing infrastructural supply. Especially in Alpine regions the induced urban sprawl has many negative impacts on the population, the public sector and the environment. The “MORECO tool for settlement assessment” is a web-based planning tool dedicated to local and regional planners to support those in estimating follow-up costs of residential building projects, e.g. mobility costs of future inhabitants. The calculator supports sustainable settlement development which utilizes existing (infra-) structures and facilitates the reduction of individual motorized traffic. The development of the planning tool is presented in this article. It begins with the exploration of relevant planning objectives for future settlement development in

Research Studio iSPACE – Research Studios Austria Forschungsgesellschaft mbH Schillerstraße 25 A-5020 Salzburg E-Mail: thomas.prinz@ researchstudio.at

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the pilot region of the area surrounding Salzburg. It also includes the calculation of mobility efforts from different locations and describes the development and implementation of the interactive web-tool. With this calculator, spatial planners are now offered an opportunity to compare (planned or potential) residential locations by taking various mobility aspects and infrastructural qualities into consideration. The results are intended to outline the basis for a well-founded decision-making process.

BLICK AUF EIN ANWENDUNGSBEISPIEL IN SEEKIRCHEN Um den Inhalt und die Funktionsweise des MORECO Siedlungsrechners zu zeigen, wird dieser als Einstieg auf ein fiktives Wohnprojekt in Seekirchen angewandt. Bei diesem Projekt handelt es sich um einen Standort nahe dem Zentrum von Seekirchen, eingebettet in eine bestehende Siedlungsstruktur. Eine Reihe von Infrastruktureinrichtungen wie Kindergarten, Schulen und Einkaufsmöglichkeiten liegen unweit des Standorts. Auch eine Bushaltestelle mit 40-Minuten-Takt während der Morgenspitze (6–9 Uhr werktags) liegt nicht weit entfernt; zudem befindet sich der Bahnhof von Seekirchen in etwa einem Kilometer Entfernung. Die Umgebung des Standorts besteht vor allem aus Mehrfamilienhäusern, ist aber kein reines Wohngebiet. Die Gemeinde Seekirchen an sich hat eine Siedlungsdichte von 51 Einwohnern je Hektar Wohnbauland. Etwa 69 % der Erwerbstätigen sind Gemeinde-Auspendler mit einer durchschnittlichen täglichen Auspendeldistanz von 16 km. Diese und einige weitere Indikatoren sind Teil des MORECO Siedlungsrechners, der als Webtool unter www.moreco.at/siedlungsrechner für jedermann frei verfügbar ist. Nachdem der Anwender mittels Adresseingabe oder Klick in eine Karte einen Standort in der Pilotregion Salzburg-Umgebung gewählt hat, stehen ihm drei Module mit den Themen „Lokale Infrastruktur“, „Anbindung und Verkehr“ und „Gemeinde und Siedlung“ bereit. Diese enthalten die thematisch gruppierten Indikatoren, die unmittelbar nach Standortwahl automatisch mit vorberechneten Werten quantifiziert sind. Mittels Drop-down-Listen, Auswahlbuttons und Schiebereglern steht dem Nutzer die Möglichkeit offen, weitere Angaben zu machen und Werte abzuändern, bevor er zum Ergebnis übergeht.

Das Anwendungsbeispiel im MORECO-Siedlungsrechner – von der Standortwahl im Kartenfenster über Indikatoren, gruppiert in drei Themenfeldern, hin zur Ergebnisübersicht – ist in Abbildung 1 grafisch dargestellt. Als Ergebnis erscheint – entweder direkt nach der Standortwahl oder aber nach Durchsicht und Ergänzung von Eingaben – eine Übersicht des zu erwartenden Mobilitätsaufwandes eines statistisch durchschnittlichen Haushalts wohnhaft am gewählten Standort. Die Ergebnisübersicht (rechts oben) sei anhand des Anwendungsbeispiels kurz erklärt: Im oberen Bereich wird anhand eines Diagrammes die Entfernung zu lokaler Infrastruktur abgebildet. Ausgehend vom betrachteten Standort werden die einzelnen Einrichtungen auf einer horizontalen Achse mit zunehmender Entfernung aufgetragen. Man sieht auf einen Blick, dass viele Einrichtungen in einer fußläufigen Distanz von weniger als 1 km erreichbar sind. Unterhalb befindet sich ein Kreisdiagramm, das den Modal Split für die gesamte Pilotregion Salzburg-Umgebung wiedergibt. Auf Basis der Indikatoren, die das Grundgerüst des Rechners bilden, wird der Unterschied zwischen der Verkehrsmittelwahl am betrachteten Standort und dem durchschnittlichen Modal Split geschätzt. Für das gewählte Beispiel kann beispielsweise mit einer Abnahme des motorisierten Individualverkehrs zugunsten des zu Fuß-Anteils gerechnet werden, was vor allem an der Nähe zu den diversen Infrastruktureinrichtungen liegt. Es wird zudem angenommen, dass der Öffentliche Verkehr verstärkt genutzt wird, da die ÖVQualität im Umkreis des Standorts (dargestellt im Fenster rechts) mit „hoch“ bewertet wird. Abschließend folgt eine tabellarische Übersicht, die über geschätzte Jahreskilometer (gesamt, mit dem Auto) und CO2-Emissionen informiert.

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Abb. 1: Anwendungsbeispiel im MORECO Siedlungsrechner (www.moreco.at/siedlungsrechner)

Diese Werte sind wiederum geschätzt für einen statistisch durchschnittlichen Haushalt am gewählten Standort. Die Ergebnisse werden nur auf Basis der Distanzen zu lokaler Infrastruktur und der Nähe zu Zentren, wie sie im Rechner enthalten sind, berechnet. Durch individuelles Mobilitätsverhalten, etwa im Bereich der Freizeitwege, sind in der Realität deutlich höhere Werte zu erwarten.

HINTERGRUND UND ZIELE Laut einer Studie des VCÖ (2013) leben rund 65 % der Menschen in Ballungsräumen, wo sich auch etwa 71 % aller Arbeitsplätze befinden. Allerdings herrscht weiterhin der Trend der Suburbanisierung vor, wobei besonders Jungfamilien ins Umland abziehen. Das passiert nicht zuletzt aufgrund der hohen Wohnungs- und Grundstückspreise in Städten, wie etwa in der Stadt Salzburg. Hier zo-

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gen die Preise in den letzten Jahren gehörig an: Während der m²-Preis für Wohnungen in der Stadt Salzburg 2011 noch bei gemittelten 548 € lag, ist er 2012 bereits bei einem gemittelten Wert von 662 € angekommen (GEWINN VERLAG 2012). Aufgrund ebendieser vergangenen und momentan anhaltenden Entwicklung und damit Verschie­ bung der Bevölkerung von der Stadt aufs Land, ist mit einer Zunahme des Flächenverbrauchs, mit Zersiedelung und in Folge einer weiteren Ausdünnung von infrastrukturellen Einrichtungen in ländlichen Regionen zu rechnen. Zersiedelung und geringe Siedlungsdichten wiederum ziehen einen Kostenanstieg beim Bau, Erhalt und Betrieb von z. B. technischer Infrastruktur, Nahversorgungseinrichtungen, sozialer Infrastruktur und dem öffentlichem Verkehr nach sich.

einer Standortwahl weiter entfernt vom nächsten Zentrum an (VCÖ 2010). Auch Fahrzeiten zu Freizeiteinrichtungen etc. nehmen zu, Kinder werden vermehrt mit dem Auto zum Kindergarten oder zur Schule gebracht und der regelmäßige Einkauf ist ohne Auto nur mehr umständlich zu bewältigen (vgl. HASLAUER et al. 2013, BRUCK et al. 2013, HOLZ-RAU et al. 2010). Dass der Anteil des Autos mit fallender Siedlungsdichte steigt und kompakte Siedlungsstrukturen eher zu einer Reduktion der Pkw-Nutzung führen, verdeutlichen die Abbil­ dungen 2 und 3.

Abb. 2: Anteil von Pkw- und ÖV-Nutzung bei unterschiedlicher Siedlungsdichte (VCÖ 2010)

Je geringer die Siedlungs­ dichte in einer Region, des­ to aufwendiger und kosten­ intensiver ist ihre Erschlie­ ßung mit dem öffentlichen Verkehr und desto höher sind die Abhängigkeit vom Auto sowie der Motorisierungsgrad (vgl. VCÖ 2013). Eine nachhaltige und ressourcenschonende Siedlungsentwicklung orientiert sich idealerweise an besteAbb. 3: Kompakte Siedlungsstrukturen führen zu einer Reduktion der Pkw- henden infrastrukturellen Einrichtungen und VerNutzung (VCÖ 2010) kehrsachsen – vorzugsweise Da in Österreich im Schnitt rund 50 % der Beschäfnatürlich dem ÖPNV (siehe etwa KUPFERSCHMID tigten außerhalb ihrer Wohngemeinde arbeiten et al. 2014). (VCÖ 2013) werden wohl auch in besonderem Maß die Langzeitaufwände in Bezug auf Wege Anknüpfend an die beschriebene Problematik von und zum Arbeitsplatz zunehmen. Aufgrund werden im Projekt MORECO Werkzeuge und eines eingeschränkten Angebots an öffentlichem Planungsunterlagen für unterschiedliche Ziel­ (Personen-)Verkehr und längeren Strecken wird gruppen entwickelt und in mehreren Pilotregidas Auto häufiger gebraucht, in vielen Familien onen im Alpenraum umgesetzt. Konkret handelt ist die Beschaffung eines Zweit- oder sogar Drites sich dabei um Präsentations- und Informationstautos notwendig. Jedoch nicht nur in Bezug auf material für politische Entscheidungsträger und Pendlerwege steigen Kosten und Aufwand bei die allgemeine Öffentlichkeit, einen MORECO-

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Haushaltsrechner für Privatpersonen sowie um einen MORECO-Siedlungsrechner für Regional- und Ortsplaner, der in diesem Beitrag im Detail vorgestellt wird. Für mehr Informationen zu Inhalt und Zielen des Projekts MORECO sei an dieser Stelle auf den einführenden Fachbeitrag von BISCHOF verwiesen. Um Standorte bezüglich ihrer Erreichbarkeit, Verkehrsanbindung (vor allem mit dem ÖV) und Versorgungsqualität (verkehrlich sowie in Bezug auf Grundbedürfnisse) besser einschätzen zu können, wurde der MORECO-Siedlungsrechner als Tool für die Regional- und Ortsplanung entwickelt. Tools, laut STÖGLEHNER et al. (2013), sind besonders dazu geeignet, Messvorschriften für Kriterien, Indikatoren und Standards zu operationalisieren sowie Folgen von Planungsentscheidungen aufzuzeigen. Als Entscheidungshilfen für die Raumplanung auf kommunaler und regionaler Ebene können solche Werkzeuge helfen, die Systemkomplexität zu modellieren und relevante Steuerungselemente abzubilden, was in weiterer Folge einen Beitrag zur Umsetzung des Österreichischen Raumentwicklungskonzeptes 2011 (ÖREK 2011) leisten kann. Der MORECO-Siedlungsrechner zielt konkret darauf ab, objektive und transparente Informati­ onen zu Standorten der Siedlungsentwicklung zur Verfügung zu stellen. Ein Raumplaner soll dadurch die Möglichkeit erhalten, Adressen oder Grundstücke hinsichtlich wichtiger mobilitätsbeeinflussender Aspekte, wie Versorgung im Wohnumfeld oder Nähe und Qualität des Öffentlichen Verkehrs, zu analysieren und zu bewerten. Dem Nutzer wird ein Überblick über die Entfernungen zu wichtigen Zielen, die zu erwartende Verkehrsmittelwahl künftiger Bewohner sowie den Mobilitätsaufwand (Jahreskilometer und CO2-Emissionen) eines statistisch durchschnittlichen Haushalt am betrachteten Standort gegeben. Somit ergibt sich die Möglichkeit, unter geringem Aufwand Standorte zu vergleichen und dies als Unterstützung für fundierte Entscheidungsfindungsprozesse in der Siedlungsentwicklung und Flächenwidmung zu nutzen.

VORGEHENSWEISE BEI DER ENTWICKLUNG DES MORECO-SIEDLUNGSRECHNERS Mit dem Ziel der Entwicklung eines Mobilitätsund Siedlungskostenrechners für Regional- und Ortsplaner erfolgte in einem ersten Schritt eine Sammlung und Zusammenführung von rele-

vanten Leitbildern und Zielvorstellungen hinsichtlich Siedlungsentwicklung und Mobilität. Davon ausgehend wurden in der Folge mögliche Indikatoren als Grundgerüst für den Rechner abgeleitet und auf ihre Zusammenhänge und Wirkungen hin untersucht. Weitere Ideen für Inhalt und Funktionalität des Rechners wurden in einer umfassenden Recherche bereits bestehender Tools für die Raumplanung gesammelt. Auf dieser Basis wurde ein Konzept für die Berechnung des Mobilitätsaufwandes eines Haushaltes ausgearbeitet. Die Indikatoren sowie die darauf aufbauenden Berechnungen wurden mit räumlichen Daten und Werkzeugen der Geoinformatik räumlich umgesetzt, sodass als Ergebnis ein Rasterdatensatz zur Verfügung steht, der für das Projektgebiet flächendeckend Informationen zu den relevanten Indikatoren und Ergebniswerten enthält. Diese wurden abschließend in einem webbasierten Tool, dem MORECO-Siedlungsrechner, visualisiert und dem Nutzer zur Verfügung gestellt.

LEITBILDER UND MASSNAHMEN Bei der Planung neuer Siedlungsprojekte ist es im ländlichen Raum besonders wichtig, langfristige Auswirkungen und Folgekosten zu berücksichtigen. So werden etwa in verbindlichen Sachprogrammen, z. B. „Standortentwicklung für Woh­ nen und Arbeiten im Salzburger Zentralraum“ (2009), oder dem Vorgänger-Programm „Sachprogramm Siedlungsentwicklung und Betriebsstandorte im Salzburger Zentralraum“ (1995), Maßnahmen zur Gegensteuerung von Zersiedelung, Flächenverbrauch und steigendem Individualverkehr, sowohl im Hinblick auf Betriebe als auch auf Privatpersonen, vorgeschlagen. Im aktuellen Sachprogramm (AMT DER SALZBURGER LANDESREGIERUNG 2009) sind in diesem Zusammenhang folgende Leitbilder verankert: • Leitbild der „dezentralen Konzentration“ • Leitbild „Konzentration und Verdichtung der Siedlungsentwicklung im Einzugsbereich des leistungsfähigen öffentlichen Verkehrs” • Leitbild „Wohnen und Arbeiten in einer Region der kurzen Wege” • Leitbild „Sicherung bedarfsgerechter Standorte für Erwerbsmöglichkeiten“ • Leitbild „Förderung von Formen der Kooperation“ Neben dem Sachprogramm wurden auch bereits im Landesentwicklungsprogramm von 2003 unter anderem (AMT DER SALZBURGER LANDESRE-

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GIERUNG 2003) folgende ähnliche Entwicklungsprinzipien definiert: • Förderung und Bewahrung von kompakten Siedlungsstrukturen • Konzentration der Siedlungsentwicklung nahe einem effizienten ÖV • Erhaltung bzw. Schaffung kompakter Siedlungen mit klar definierten Grenzen zum Außenraum und haushälterische Nutzung von Grund und Boden • Erhöhung der Funktionsvielfalt von Ortszentren und Siedlungsschwerpunkten • Sicherstellung einer möglichst gleichwertigen Versorgung der Bevölkerung bei möglichst geringer Abhängigkeit von motorisiertem Individualverkehr Das Österreichische Raumentwicklungskonzept (ÖREK 2011) als aktuelles, strategisches Planungsinstrument und Handlungsprogramm für die gesamtstaatliche Raumordnung und Raumentwicklung strebt ebenfalls eine Reihe räumlicher Ziele an, um in Österreich keine nicht-nachhaltige und ineffiziente räumliche Entwicklung mehr zuzulassen: Kompakte Siedlungsstrukturen, polyzentrische Strukturen, funktionale Verflechtungen, leistungsfähige Achsen der Infrastruktur sowie die Stützung von Klein- und Mittelzentren als

Träger der Daseinsvorsorge seien als Schlagworte angeführter Zielvorstellungen genannt (ÖSTERREICHISCHE RAUMORDNUNGSKONFERENZ 2011). Zudem gibt es Europäische Entwicklungsvorgaben bzw. Planungsziele auf transnationaler Ebene, die den Negativauswirkungen der Zersiedelung entgegenwirken sollen. In diesem Zusammenhang sei das European Spatial Planning Observation Network, kurz ESPON, genannt, das von der europäischen Kommission 2007 adaptiert wurde. ESPON versteht sich als Europäisches Observer-Netzwerk für Entwicklung und territorialen Zusammenhalt. Ziel von ESPON ist es, die Entwicklungspolitik im Hinblick auf territorialen Zusammenhalt und eine harmonische Entwicklung des Europäischen Gemeinschaftsgebietes zu unterstützen. Es stellt dafür z. B. Vergleiche, Beweise, Analysen sowie Szenarien zur Verfügung und es weist räumliches Kapital und Entwicklungspotenzial von Regionen und größeren Gebieten aus, um zur Wettbewerbsfähigkeit, Zusammenarbeit und einer nachhaltigen, ausgeglichenen Entwicklung Europas beizutragen. Im Arbeitsprogramm für Alpine Space, jenem transnationalen EU-Programm für den Alpenraum, in dessen Rahmen das Projekt MORECO durchgeführt wird, sind ebenfalls Ziele definiert,

Abb. 4: Prozess der leitbildorientieren Ableitung von räumlichen Indikatoren (SCHNÜRCH 2011 nach PRINZ 2007 und FLACKE 2004)

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die mit den angeführten nationalen Leitbildern einhergehen, wie etwa die Förderung und Verbesserung von Zugang und Nutzung bestehender Infrastruktur zur Steigerung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzens und der Verringerung negativer Umweltauswirkungen (EUROPEAN TERRITORIAL COOPERATION 2007–2013 (2007). Diese und weitere Quellen bildeten die Grund­ lage zur Ableitung essenzieller Indikatoren, die im Rahmen des MORECO-Siedlungsrechners die Bewertung von (potenziellen) Standorten der Siedlungsentwicklung übernehmen sollten.

LEITBILDORIENTIERTE ABLEITUNG VON ­INDIKATOREN Planungsleitbilder haben häufig einen sehr qualitativen Charakter. Für die Umsetzung einer zukunftsweisenden Raumplanung ist daher die Ableitung von Indikatoren wichtig. Sie helfen Leitbilder zu konkretisieren, in weiterer Folge zu quantifizieren und somit besser fassbar zu machen. Indikatoren, verknüpft mit der räumlichen Dimension, bringen einen klaren Mehrwert in der raumbezogenen Planung, unterstützen den Kommunikationsprozess und ermöglichen den Vergleich von Zuständen und Entwicklungen auf verschiedenen räumlichen und zeitlichen Ebenen (vgl. DIETRICHS 2000, PRINZ 2007). Abbildung 4 visualisiert den Prozess der leitbildorientieren Ableitung von Indikatoren anhand des Leitbildes „Nachhaltige Siedlungsentwicklung“ und dem beispielhaften Planungsziel „Abstimmung der Siedlungsentwicklung auf den ÖPNV“. Den Indikatoren nähert man sich dabei von zwei Seiten an: Einerseits wird auf Basis von Planungsleitbildern, Zielen und Maßnahmenempfehlungen ein Set an möglichen Indikatoren erarbeitet. Andererseits wird Datenmaterial gesichtet und prozessiert, um in einem weiteren Schritt unter Verwendung von Werkzeugen der Geoinformatik die abgeleiteten Indikatoren bestmöglich räumlich umzusetzen (SCHNÜRCH 2011). Bei der Ableitung jener Indikatoren, die später in den Siedlungsrechner eingehen, wird daher versucht, sich der im vorhergehenden Kapitel beschriebenen Sammlung an Zielvorstellungen anzunähern und eine Auswahl an Indikatoren zu treffen, die diese bestmöglich abbildet. Folgender Katalog an Indikatoren, unterteilt in standort- und gemeindebezogene Größen, bildet das Grundge-

rüst des späteren Siedlungsrechners und soll die gesammelten Ziele einer nachhaltigen Siedlungs­ entwicklung abbilden bzw. messbar machen: Standortbezogene Indikatoren: • Nähe zu sozialer Infrastruktur • Nähe und Qualität der Nahversorgung • Nähe zu Freizeiteinrichtungen und Erholungsbereichen • Verfügbarkeit von privaten Grünflächen • Nähe und Qualität des öffentlichen Verkehrs • Nähe zu lokalen und regionalen Zentren • Nähe zu Arbeitszentren • Anbindung an Geh- und Radwege • Dominierende Siedlungsform • Landnutzung • (Nach-) Verdichtung • Höhenunterschiede Gemeindebezogene Indikatoren: • Siedlungsdichte • Zentralität • Durchschnittliche Auspendeldistanz • Auspendler-Anteil • Qualität der Rad- und Fußinfrastruktur

ZUSAMMENHÄNGE UND AUSWIRKUNGEN DER GEWÄHLTEN INDIKATOREN In einer umfassenden Analyse und Recherche wurden zwei Hauptfaktoren identifiziert, die durch die gewählten Indikatoren und deren unterschiedliche Ausprägungen maßgeblich beeinflusst werden. Zum einen handelt es sich dabei um die Verkehrs­ mittelwahl, also den Modal Split, auf den die meis­ ten der Indikatoren wirken. Als Beispiel-Indikator hierfür sei der Indikator „Siedlungsdichte“ genannt: Je höher die Siedlungsdichte einer Gemeinde (definiert als Anzahl an Einwohnern je Hektar Wohnbauland), umso mehr Wege werden in dieser Gemeinde zu Fuß, mit dem Rad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt (SCHAD et al. 2007), während sich Gemeinden mit geringen Siedlungsdichten eher durch einen hohen Autoanteil auszeichnen (vgl. Abb. 1, VCÖ 2013, VCÖ 2010). Außerdem fördern höhere Siedlungsdichten den Ticket-Abo-Besitz für öffentliche Verkehrsmittel (BUNDESAMT FÜR RAUMENTWICKLUNG 2006). Zum anderen hat ein großer Teil der gewählten Indikatoren, die die Nähe zu diversen Infrastruktureinrichtungen und Zentren abbilden, Einfluss auf die Distanzen, die wir täglich zurücklegen. Diese fallen natürlich bei geringerer Distanz des Wohn-

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standorts zu Versorgungseinrichtungen wie etwa Nahversorgern, Ärzten oder Apotheken, niedriger aus. Zudem werden kurze Wege mit höherer Wahrscheinlichkeit durch nicht motorisierten Individualverkehr zurückgelegt (BUNDESAMT FÜR RAUMENTWICKLUNG 2006), während naturgemäß für längere Distanzen eher auf das Auto zurückgegriffen wird, wie Abbildung 5 zeigt.

Die Erkenntnisse, die aus diesen Recherchen gewonnen werden konnten, stellten die weitere Basis für die Modellierung des Mobilitätsaufwandes anhand des festgelegten Sets an Indikatoren dar.

BESTEHENDE RECHNER UND TOOLS

Um Ideen zu weiteren relevanten Inhalten und Funktionalitäten eines Kostenrechners für die Raumplanung zu generieren, wurden die folgenden, be­ reits bestehenden Kosten­ rechner auf verschiedene Kriterien hin untersucht: • EFES: Energieeffiziente Entwicklung von Siedlungen – planerische Steuerungsinstrumente und praxisorientierte Bewertungstools • ELAS: Energ et ische Abb. 5: Autofahrten in Relation zur Wegelänge (VCÖ 2009) Lang­­z eitanalysen von Siedlungsstrukturen Die Vorgehensweise der leitbildorientierten Ab• Energieausweis für Siedlungen leitung der Indikatoren und der Untersuchung • Graue Energien Rechner der Zusammenhänge und Auswirkungen wird in • ICMA: Improving Connectivity and Mobility Abbildung 6 anhand von zwei weiteren Beispielen Access verdeutlicht:

Abb. 6: Vorgehensweise bei Ableitung der Indikatoren und Auswirkungen

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• Rechner der Stadt Schwerin: Wohnstandortinfo Schwerin • BBSR-Rechner: Abschätzung von Verkehrsfolgekosten • Was kostet mein Baugebiet? • Wohn- und Mobilitätskostenrechner der Stadt München • Wohn- und Mobilitätskostenrechner der Stadt Hamburg • Mobilitätsrechner von Zeiner Die Tools wurden ausgewählt nach Verfügbarkeit zum Recherchezeitpunkt (September 2011), dem Bezug zu Raumplanung, Standorten und Mobilität, sowie der Nahversorgung. Hinsichtlich Funkti­ onsweise und Inhalt sind die untersuchten Rech­ ner relativ heterogen. Teils sind sie Excel-basiert (z. B. Energieausweis, ICMA oder Verkehrsfolgekostenschätzer), andere wiederum sind als WebTools verfügbar (z. B. WoMo, Zeiner, ELAS). Bei den Rechnern von München und Hamburg (beide WoMo’s) sowie im Rechner der Stadt Schwerin werden GIS-Anbindungen eingesetzt. Damit können Standorte direkt in der Karte oder durch Eingabe der Gemeindekennziffer ausgewählt werden. Inputs zum Design liefert etwa der Rechner von Schwerin, der auf das Element Schieberegler zurückgreift, und zwar zur Einstellung von Präferenzen der Versorgungseinrichtungen. Diagramme zur Ergebnisvisualisierung werden im Energieausweis, dem Verkehrsfolgekostenschätzer sowie bei „Was kostet mein Baugebiet“ ausgegeben. Die Versorgung mit lokaler Infrastruktur wurde in ELAS, EFES, dem Energieausweis sowie dem Rechner der Stadt Schwerin berücksichtigt. In EFES ist die Nahversorgung im Infoblatt zu Mobilität inkludiert. Der Nutzer muss hier die Distanzen zu infrastrukturellen Einrichtungen wie Bank, Arzt etc. schätzen und auch die erreichbare Nachversorgungsfläche innerhalb von 300 m angeben. Auch ELAS berücksichtigt Versorgungsinformationen am Standort: der Nutzer muss hier angeben, wie weit es zur nächsten Kultur-, Service-, Ausbildungs- oder Versorgungseinrichtung ist. Entsprechend wird dem Standort ein Zentralitätsgrad zugewiesen. Auch der Energieausweis für Siedlungen berücksichtigt die Nahversorgung: Hier wird in Kategorien (z. B. bis 300 m, 300–500 m) angegeben, wie weit etwa ein Spielplatz o.ä. entfernt liegt. Der Rechner von Schwerin fragt den Nutzer über die Wichtigkeit der fußläufigen Erreichbarkeit diverser Einrichtungen.

Ein Vergleich möglicher Alternativen kann bei „Was kostet mein Baugebiet?“, dem WoMo-Rechner München sowie dem Rechner von Schwerin vorgenommen werden. Verschiedene Modi lassen sich bei ELAS (Privat & Gemeinde), bei „Was kostet mein Baugebiet?“ und beim Schwerin-Rechner (Information über Standort versus Mobilitätsrechner) auswählen. Szenarien können bei ELAS eingegeben werden. ELAS bietet zwei mögliche Szenarien, ein Grünes Szenario und ein Trend-Szenario. Das Trend-Szenario extrapoliert die Entwicklung bis 2040, dem Grün-Szenario liegt ein nachhaltigerer Umgang mit der Umwelt zugrunde, als beim Trend-Szenario angenommen.

BERECHNUNG DES MOBILITÄTSAUFWANDES Ein Planer hat mit dem MORECO Siedlungsrechner die Möglichkeit, zu erwartende Mobilitätsaufwen­ dungen abzuschätzen, was ihn beim Vergleich von Standorten und bei Entscheidungen bezüg­ lich neuer Siedlungsprojekte unterstützen soll. In Bezug auf den Mobilitätsaufwand, der im Siedlungsrechner ermittelt und als Ergebnis dargestellt wird, handelt es sich um die Jahreskilometer für einen statistisch durchschnittlichen Haushalt (geschätzt auf Basis der Distanzen zu lokaler Infrastruktur und der Nähe zu Zentren), sowie den Anteil, der erwartungsgemäß mit dem motorisierten Individualverkehr (MIV) zurückgelegt wird und die daraus resultierenden CO2-Emissionen. Als wichtiges Zwischenergebnis wird ein auf den gewählten Standort bezogener Modal Split ermittelt. Die wesentlichen Inputs der Berechnungen sind die Ausprägungen der enthaltenen Indikatoren, ein regionaler Modal Split und die Anzahl von Wegen zu unterschiedlichen Zielen. Abbildung 7 gibt einen Überblick der Berech­ nungsschritte: (1) Auf Basis eines regionalen Modal Splits und den Indikatoren-Werten wird ein Modal Split für den betrachteten Standort abgeleitet. (2) Gleichzeitig werden die Jahreskilometer eines durchschnittlichen Haushalts am betrachteten Standort berechnet, indem die Anzahl der Wege zu bestimmten Zielen mit den Entfernungen zu diesen Zielen multipliziert und auf ein Jahr hochgerechnet werden. (3) Auf Basis des geschätzten Modal Splits und der berechneten Jahreskilometer eines statistisch durchschnittlichen Haushalts am betrachteten Standort wird jener Kilometeranteil ermittelt,

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Abb. 7: Berechnungsschritte der Mobilitätsaufwendungen

der erwartungsgemäß mit dem Auto zurückgelegt wird. (4) Darauf aufbauend werden die CO2-Emissionen, verursacht durch den motorisierten Individualverkehr, durch Multiplikation mit einem durchschnittlichen Wert für den CO2-Ausstoß je km berechnet.

GEODATENAUFBEREITUNG UND ERGEBNISMODELLIERUNG Die abgeleiteten Indikatoren, wie in einem vorhergehenden Kapitel beschrieben, werden für die Pi­ lotregion Salzburg-Umgebung als räumliche Da­ ten aufbereitet und in das Modell zur Berechnung der Mobilitätsaufwendungen eingearbeitet. Als räumliche Bezugsebene wird auf Basis des 100m-ETRS-LAEA-Rasters der Statistik Austria ein 50m-Raster für das Projektgebiet erstellt. Nach Auswahl von durch SAGIS und SVV bereitgestellten, aber auch von der Statistik Austria bezogenen Fach- bzw. Standortdaten erfolgt ei­ ne GIS-gestützte Aufbereitung und Prozessie­ rung dieser Daten. Konkret handelt es sich dabei vor allem um Punktdaten, welche die einzelnen Infrastrukturstandorte, wie beispielsweise Kindergärten, praktische Ärzte, Erholungsgebiete, ÖV-Haltestellen oder Einkaufsmöglichkeiten, innerhalb des Projektgebiets repräsentieren. Neben diesen Punktdaten zählen auch regionalstatistische Rasterdaten (Beschäftigte) sowie statistische Daten auf Gemeindeebene zum Datenbestand für die weiteren Analysen. Auf Basis des aufbereiteten Datenbestandes können die Indikatoren für das Projektgebiet Salzburg-Umgebung abgeleitet und räumlich dargestellt werden. Die Ergebnisse werden je Rasterzelle berechnet, indem auf Basis des erstellten 50m-Punktrasters, der Standortdaten und eines fußläufigen Wegenetzes Netzwerkanalysen und räumliche Verschneidungen durchge-

führt werden. Aufbauend auf diesen Ergebnissen je Indikator erfolgt – wiederum auf Rasterbasis – die Modellierung und Berechnung des Mobilitätsaufwandes. Somit steht ein Datensatz bereit, der eine flächendeckende Abfrage der einzelnen Indikatoren wie auch der Mobilitätswendungen auf 50m-Rasterbasis zulässt. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu berücksichtigen, dass sich die Ergebnisse auf Rasterzellen beziehen. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass nicht nur bestehende Adresspunkte, sondern das gesamte Projektgebiet analysiert werden kann. Es zieht allerdings auch eine gewisse Generalisierung nach sich. Um ein regelmäßiges Datenupdate zu ermöglichen und ggf. Indikatoren zu adaptieren, werden alle Analyse und Berechnungen in wiederholbaren, transparenten und übertragbaren Modellen erstellt und durchgeführt.

UMSETZUNG UND VISUALISIERUNG DER ERGEBNISSE IM WEBVIEWER Die Ergebnisse in Form von Rasterdaten werden für die Pilotregion Salzburg-Umgebung in einem webbasierten Tool, dem MORECO-Siedlungsrechner, visualisiert und so dem Nutzer zur Verfügung gestellt. Die Applikation ist online unter dem Link http://www.moreco.at/siedlungsrechner ab­ rufbar und gliedert sich, wie bereits in Abbilung 1 ersichtlich, in die vier Module „Lokale Infra­ struktur“, „Anbindung & Verkehr“, „Gemeinde & Siedlung“ und „Ergebnisübersicht“. Das Webtool liefert für das Projektgebiet durch Eingabe einer gewünschten Adresse eine Übersicht der Entfernungen zu ausgewählten Infrastruktureinrichtungen, der zu erwartenden Verkehrsmittelwahl künftiger Bewohner und des zu erwartenden Mobilitätsaufwandes eines dort wohnenden, statistisch durchschnittlichen Haushalts.

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Nach Auswahl eines Standorts – je nach Belieben mittels Adresseingabe oder Setzen eines Markers in einer Kartenanwendung – bekommt der Nutzer konkrete Ergebnisse je Indikator, unterteilt in Themenbereiche. Diese Ergebnisse, welche aus den modellierten Ergebnisrastern abgefragt werden, können vom Nutzer bei Bedarf beliebig verändert werden. Einzelne Indikatoren sind nicht mit Da­ ten hinterlegt, sondern müssen vom Planer er­ gänzt werden. Im Anschluss gelangt der Nutzer zur Übersicht der Gesamtergebnisse, die ihm helfen soll, einen Standort hinsichtlich seiner Eignung als Wohnstandort einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung einzuschätzen.

DER MORECO SIEDLUNGSRECHNER IM ­PLANUNGSPROZESS Die Operationalisierung des allgemeinen Leitbildes einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung erfordert auf verschiedenen räumlichen Ebenen (Bspw. Land/Region/Gemeinde) weiterführende verbindliche Zielvorstellungen zur schrittweisen Konkretisierung und Umsetzung. Für die unterschiedlichen Sachprogramme und Entwicklungskonzepte bedarf es entsprechender Planungstools und räumlicher Indikatoren, die die Umsetzung einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung unterstützen. Das integrative Zusammenwirken der unterschiedlichen räumlichen Ebenen ist dabei besonders zu berücksichtigen. In MORECO und auch anderen Projekten entstehen konkrete Tools, die die planerische und politische Entscheidungsfin­ dung unterstützen. Hierzu zählen bspw. die MORECO Political Tools (Bewusstseinsbildendes Folienmaterial zu Mobilität und Wohnen) wie auch der gegenständliche MORECO-Siedlungsrechner. Dieser unterstützt die konkrete Analyse von bestehenden und potenziellen Siedlungsflächen in Salzburg-Umgebung und liefert hierzu zahlreiche Indikatoren, die die Anbindung an den Öffentlichen Verkehr und die Erreichbarkeit von weiteren infrastrukturellen Einrichtungen beschreiben und den Mobilitätsaufwand schätzen. Der MORECO-Siedlungsrechner und weitere bestehende Tools können zu unterschiedlichen Zeitpunkten eines planerischen Prozesses zum Einsatz kommen. An dieser Stelle sei das Zusammenwirken solcher Tools auf unterschiedlichen räumlicheren Ebenen betont: Ein zentrales Ziel von MORECO ist es nämlich auch, die Bewusstseinsbildung von Bürgern und Wohnungssuchenden durch haushaltsbezogene Tools zu unterstützen. Hierzu wird im gegenständlichen „SIR Mitteilungen und

Berichte“ auch der komplementäre MORECOHaushaltsrechner vorgestellt (vgl. RIEDLER & CADUS in diesem Heft)

FAZIT UND AUSBLICK Mit dem MORECO-Siedlungsrechner wird ein Instrument geschaffen, mit dem sämtliche Standorte im Bezirk Salzburg-Umgebung hinsichtlich mobilitätsrelevanter Aspekte und standortrelevanter Faktoren analysiert und bewertet werden können. Dies ermöglicht Anwendern aus der Raumplanung und Regionalentwicklung im Sinne einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung, Informationen zu unterschiedlichen Standorten einzuholen und zu vergleichen. Somit können sowohl gewidmete Siedlungsflächen wie auch ungewidmete Flächen hinsichtlich Ihrer infrastrukturellen Qualität und Anbindung an den öffentlichen Verkehr genauer betrachtet und die Bewertung von Flächen­ widmungsplänen wie auch die Evaluierung von Flächenwidmungsplan-Teilabänderungen unter­ stützt werden. Zu beachten bleibt, dass das Tool bzw. die Berechnungen im Hintergrund unter Einbeziehung statistischer Daten, Mobilitätserhebungen und aufgrund eigener Annahmen konzipiert wurden. Die Ergebnisse sollen entscheidungsunterstützend genutzt werden – und zwar im Sinne von vergleichbaren Übersichten innerhalb einer Gemeinde oder Region, und weniger als exakte Werte und Maßzahlen. Neben der Salzburger Pilotregion wird der MO­ RECO-Siedlungsrechner auch in weiteren Pilotre­ gionen des Alpenraums in Slowenien, Italien und Frankreich implementiert. Das bedeutet, dass das durch RSA-iSPACE entwickelte Konzept herangezogen, an lokale Gegebenheiten angepasst und mit Daten aus der Region befüllt wird. Danach erfolgt die Übersetzung in die jeweilige nationale Sprache und die Bereitstellung in Form eines webbasierten Tools. Der gemeinsam erarbeitete Ansatz soll einen Beitrag dazu leisten, die Siedlungsentwicklung im gesamten Alpenraum nachhaltiger zu gestalten. Um den Nutzen des Salzburger Siedlungsrechners als integratives Planungsinstrument schrittweise zu verbreitern, ist gemeinsam mit der Raumplanung des Landes Salzburgs eine Weiterentwicklung des Informationsdienstes in mehrere Richtungen geplant: Um die Ergebnisse für bestimmte Standorte noch besser einstufen zu können, wird an einer Lösung gearbeitet, um Ergebnisse im Vergleich zu den übrigen Standorten einer Ge­

Anderer Umgang mit Mobilität und Wohnen

SIR-Mitteilungen und Berichte 35/2014

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SCHNÜRCH, HASLAUER, PRINZ

meinde darzustellen. So soll eine Art Benchmark innerhalb der Gemeinde ermöglicht werden. Auch an einer regionalen Ausdehnung des Rechners auf das gesamte Bundesland Salzburg wird ge­ arbeitet. Aus Datensicht ist eine Aktualisierung wichtiger Infrastruktur- sowie Statistikdaten je nach Verfügbarkeit geplant. Außerdem wird eine aktuelle Mobilitätsstudie für den Raum Salzburg neue Daten bzw. Aktualisierungen für die Parameter und Schwellwerte im Modell bringen. Eine dynamische Verknüpfung mit der Verkehrsauskunft Österreich wird außerdem einen Mehrwert für den Themenbereich Öffentlicher Verkehr im Rechner bedeuten, indem die aktuellsten Informationen zur Qualität von Haltestellen (Serviceintervalle) im Wohnumfeld abgefragt und automatisiert in den Rechner eingebunden werden können. WAS IST MORECO? Hinter MORECO (MObility and REsidential COsts) verbirgt sich ein EU-Alpenraum-Projekt, das aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert wird und bis Juni 2014 läuft. Zehn Partner aus Österreich, Frankreich, Deutschland, Italien und Slowenien arbeiten gemeinsam daran, das Bewusstsein für Mobilitäts- und Wohnkosten zu stärken. Künftige Standortentscheidungen von Bürgern, Bauwirtschaft, Behörden und Unternehmen sollen in Richtung einer nachhaltigen, polyzentrischen Siedlungsentwicklung gelenkt werden, die bereits vorhandene Infrastruktur nutzt, umweltfreundliche Mobilität fördert, Zersiedelung eindämmt und den Immobilienwert sichert. Weitere Informationen zum Projekt finden Sie auf den Webseiten www.moreco-project.eu und www.moreco.at.

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