Das verlorene Symbol und die Heiligen Frauen

Walter-Jörg Langbein Das verlorene Symbol und die Heiligen Frauen Das wahre Geheimnis des Salomon-Schlüssels Coverfoto: Eva, der verbotene Baum un...
Author: Alma Krause
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Walter-Jörg Langbein

Das verlorene Symbol und die Heiligen Frauen

Das wahre Geheimnis des Salomon-Schlüssels

Coverfoto: Eva, der verbotene Baum und die Schlange – St. Kilian Kirche, Lügde. Die Malerei stammt aus der Zeit um 1200 n. Chr. (Foto: Walter-Jörg Langbein)

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„Das verlorene Symbol und die Heiligen Frauen” Erste Auflage Februar 2013 Ancient Mail Verlag Werner Betz Europaring 57, D-64521 Groß-Gerau Tel.: 0 61 52/5 43 75, Fax: 0 61 52/94 91 82 www.ancientmail.de Email: [email protected] Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Sandra Schmidt Druck: Digital Print Group O. Schimek GmbH

ISBN 978-3-944198-91-0

Inhalt Kapitel 1: Der Salomon-Schlüssel – Göttinnen, Hexen und Dämonen ....... 7 Kapitel 2: Salomon – Magier oder Heiler? .................................................... 22 Kapitel 3: Himmel und Hölle, Dämonen und die »Heilige Hochzeit« ..... 38 Kapitel 4: Salomon und die Dämonin aus der Wüste ................................. 55 Kapitel 5: Salomon, Sex und die »Heilige Hochzeit« .................................. 72 Kapitel 6: Jesus und ein versteckter Schlüssel Salomons ............................ 88 Kapitel 7: Die Bundeslade, Salomon und die Heilige Hochzeit ............... 108 Nachwort: Rückkehr zur Bundeslade ......................................................... 132 Literaturverzeichnis ....................................................................................... 134

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Kapitel 1: Der Salomon-Schlüssel – Göttinnen, Hexen und Dämonen Am Anfang wirkt der Gott der Bibel mit Magie. Die Zaubersprüche Salomons basieren auf dem gleichen Prinzip. Dämonen werden zu hilfreichen Sklaven gemacht. Jeder Dämon hat sein Aufgabengebiet: von der Liebe bis zum Tod. Die teuflischen Dämonen waren einst heilige Göttinnen und Götter. Jahwe liebte eine Göttin. Die dämonische Schlange war einst die mächtigste Göttin, lange bevor Jahwe zum Gott der Götter erklärt wurde. Auf das friedliche Matriarchat folgte das kriegerische Patriarchat. Der legendäre »Salomon-Schlüssel« ist ein sogenanntes Grimoire. Er soll, so wie eine Grammatik als Regelwerk eine Sprache erklärt, in die Welt der Magie einführen. Jede Grammatik ist so etwas wie ein Schlüssel zu einer Sprache. Sie öffnet dem Kundigen den Weg in die Sprache, die er dann nach eigenem Gutdünken verwenden kann, etwa um seine Gedanken auszudrücken. Der »Salomon-Schlüssel« versteht sich als eine Art Grammatik der Magie. Das berühmt-berüchtigte Zauberbuch aus dem 17. Jahrhundert beansprucht für sich, ein Leitfaden der Magie zu sein. Es ist deswegen auch heute noch nicht nur bei Theologen als schwarzmagischer Irrweg verpönt. Was aber meist weder Freunde der Magie noch Theologen wissen: Der »Salomon-Schlüssel« öffnet den Zugang zu geheimnisvollen Türen, hinter denen sich Wissen aus uralten Zeiten verbirgt. Das Werk bietet eine Aufzählung der Namen und Fähigkeiten von 72 Dämonen. Was vordergründig wie eine lexikalische Auflistung anmuten mag, ist in der Vorstellung der Anhänger magischer Künste viel mehr: Nach Jahrtausende alter Überzeugung genügt schon die Kenntnis der Namen einer Sache oder eines Lebewesens, um Macht darüber zu haben. Jeder Dämon hat ein begrenztes Aufgabengebiet. Wer sich magischer Kräfte bedienen will, um konkrete irdische Aufgaben erledigen zu lassen, muss erst einmal genau wissen, welche Dämon für welches Spezialgebiet zuständig ist.

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Über die Hälfte der teuflischen Dämonen sind Lehrer. Ihre Unterrichtsfächer sind die magischen Wissenschaften, die Künste, Philosophie, Mathematik, Logik, Sprachen, Astronomie, Astrologie und die okkulten Kräfte der Pflanzen und Edelsteine. Gelingt es einem Magier, einen bestimmten Dämon aufzurufen, dann kann er sich dessen Kräfte zunutze machen. Dieses Verständnis von der Wirklichkeit mag heute befremdlich auf uns wirken. Vielleicht löst bei uns der Gedanke an Magie Beklemmung aus, weil in Szenen der Subkultur schwarze Magie und Gewalt immer mehr Menschen faszinieren. Die christlichen Kirchen sprechen der Magie jede Realität ab oder bezeichnen sie als Teufelswerk. Tatsache ist aber, dass Magie dem ältesten biblischen Denken entspricht. Sie wird nicht mit teuflischem Aberglauben, sondern mit Gott selbst in Verbindung gebracht. Die Angst vor Magie geht in manchen christlichen Kreisen so weit, dass die weltweit erfolgreichen Harry-Potter-Romane und ihre Verfilmungen schärfstens kritisiert werden, weil sie angeblich Magie salonfähig machen. So prangerte die Soziologin und Publizistin Gabriele Kuby Harry Potter als »ein globales Langzeitprojekt« an, das der Zerstörung des Unterscheidungsvermögens zwischen Gut und Böse dient und die Hemmschwelle zur Magie zerstört, »im Leser und in der Gesellschaft«. Auch wenn es weithin selbst in fundamentalistischen Kreisen unbekannt sein dürfte, so beginnt die Bibel rein magisch. Gott benennt Tag und Nacht, Himmel und Erde, Sonne, Mond und Sterne. Damit macht er sich zum magischen Herrscher, der Gewalt erlangt über das, was er benennt. Soll auf diese Weise Gott als magischer Herrscher über die Welt dargestellt werden... im Gegensatz zum Menschen? Soll so deutlich gemacht werden, dass Magie Gott allein vorbehalten sein darf? Ist »Magie« also ein göttliches Privileg? Erinnern wir uns: Dem göttlichen Jesus werden im »Neuen Testament« magische Fähigkeiten zugebilligt: von der Verwandlung von Wasser in Wein über wundersame Vermehrungen von Brot und Fisch bis zu Krankenheilungen und Auferweckungen von Toten. Schon die junge christliche Kirche hatte im ersten Jahrhundert nach Christus erhebliche Probleme, wenn es darum ging zwischen böser heidnischer und guter christlicher Magie zu unterscheiden. Schon die ersten christlichen Missionare hatten ein Problem: Wie sollten sie in nachvollziehbarer Weise vermitteln, dass eine Totenauferweckung durch Jesus ein 6

gottgefälliges Werk, durch einen heidnischen Wundertäter aber böses Teufelswerk war? An der Realität von Magie wird also nicht gezweifelt, es wird aber zwischen göttlicher und teuflischer, zwischen guter und böser Magie unterschieden. In der biblischen »Apostelgeschichte« (Kapitel 8, Vers 9) wird über einen »Kollegen« Jesu berichtet, der aus Sicht der christlichen Missionare kein guter Wundertäter, sondern ein böser Magier war: »Nun befand sich in der Stadt ein gewisser Mann namens Simon, der vor diesem magische Künste getrieben und die Nation von Samaria in Staunen versetzt hatte, indem er sagte, er selbst sei ein Großer. Und sie alle, vom Geringsten bis zum Größten, gaben acht auf ihn und sagten: ›Dieser Mann ist die Kraft Gottes, die man die Große nennen kann.‹« Offensichtlich konnten die Menschen damals nicht so recht zwischen christlicher und unchristlicher Magie unterscheiden. Für die Menschen gab es nur eine Magie, so wie es keine »gute« und keine »böse« Mathematik gibt. Immer stärker setzte sich eine Verteuflung von Magie durch. Am 6. Mai 1526 predigte Luther zum Bibelwort (2. Buch Mose Kapitel 22, Vers 17): »Die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen.« Der Reformator führte aus: »Es ist ein überaus gerechtes Gesetz, dass die Zauberinnen getötet werden, denn sie richten viel Schaden an, was bisweilen ignoriert wird, sie können nämlich Milch, Butter und alles aus einem Haus stehlen… Sie können ein Kind verzaubern… Auch können sie geheimnisvolle Krankheiten im menschlichen Knie erzeugen, dass der Körper verzehrt wird… Schaden fügen sie nämlich an Körpern und Seelen zu, sie verabreichen Tränke und Beschwörungen, um Hass hervorzurufen, Liebe, Unwetter, alle Verwüstungen im Haus, auf dem Acker, über eine Entfernung von einer Meile und mehr machen sie mit ihren Zauberpfeilen Hinkende, dass niemand heilen kann…Die Zauberinnen sollen getötet werden, weil sie Diebe sind, Ehebrecher, Räuber, Mörder… Sie schaden mannigfaltig. Also sollen sie getötet werden, nicht allein weil sie schaden, sondern auch, weil sie Umgang mit dem Satan haben.« Die Folgen der Verteuflung von Magie sind bekannt: Der blutige Hexenwahn forderte über Jahrhunderte hinweg unzählige Opfer. Von Millionen Toten sprechen feministische Theologen, von zigtausenden Toten konservative christliche Historiker. Darf also nur Gott Magie betreiben? Und ist es dem Menschen verboten, derlei Kräfte einzusetzen? Schließlich ist nach dem mosaischen Ge7

setz Hexerei, also Magie, strengstens untersagt und jeder Mensch mit dem Tode zu bestrafen, der dem Verbot zuwider handelt! Gründliches Studieren der biblischen Texte zeigt, dass das keineswegs der Fall ist! Was kaum jemand weiß und kein Theologe wahr haben will: Nach biblischem Denken verleiht Gott selbst dem Menschen das Werkzeug der Magie. Nachdem Gott den ersten Menschen erschaffen hat, lässt er ihn die Tiere benennen. Damit verleiht Gott dem Menschen nach uralten Vorstellungen magische Gewalt. Damit legitimiert Gott nach ältestem Denken die Magie. Interessanter Weise ist es nach den ersten beiden Kapiteln der Bibel ausdrücklich der Mensch, dem von Gott magische Kräfte verliehen wurden. Demnach haben Mann und Frau magische Fähigkeiten und nicht etwa nur die Frau (1. Buch Mose Kapitel 2, Vers 19): »Und Gott der Herr machte aus Erde alle die Tiere auf dem Felde und alle die Vögel unter dem Himmel und brachte sie zu dem Menschen, dass er sähe, wie er sie nannte; denn wie der Mensch jedes Tier nennen würde, so sollte es heißen.« Gott überträgt Mann und Frau magische Macht. Später wurde Magie verteufelt und von den christlichen Kirchen in erster Linie mit Frauen in Verbindung gebracht. Hauptsächlich wurden Frauen der Magie und des Umgangs mit Satan bezichtigt, weniger Männer. Nach ältestem biblischem Verständnis hat jemand Macht über das, was er zu benennen vermag. Dieser uralte Glaube schwingt noch im Märchen vom Rumpelstilzchen mit. Rumpelstilzchen verliert seine Macht, sobald jemand seinen Namen weiß. Und wer seinen Namen kennt, erlangt Macht über Rumpelstilzchen. Nach biblischem Verständnis von Magie hat jemand Macht über einen Menschen, wenn er seinen Namen zu nennen weiß. Diese Vorstellung ist der zentrale Gedanke der »salomonischen Magie«. Mit Hilfe von Magie konnte angeblich die böse Hexe andere Menschen krank werden lassen oder töten, Unwetter auslösen oder Brände verursachen. Die Zauberkräfte bewirkten also direkte Veränderungen, so wie vom Magier gewünscht. Will die hübsche Nachbarstochter nichts von einem wissen... mit Liebeszauber macht sie sich der Magier gewogen. Die Magie nach dem »Salomon-Schlüssel« geht einen Umweg. Der Magier erreicht nicht mit Zauberkraft selbst die gewünschten Effekte. Er schaltet vielmehr Mittler ein, Dämonen, die dann die Wünsche des Magiers erfüllen müssen. Zunächst muss herausgefunden werden, welcher 8

Dämon für ein konkretes Problem zuständig ist. Das Problem wird dann nicht direkt auf magischem Weg gelöst, sondern durch magische Unterwerfung des richtigen Dämons. Der Dämon muss dann tun, was man will. Die »salomonische Magie« kennt insgesamt 72 Dämonen. 72 Dämonen sollen mit Zauberkraft unterworfen und dazu gezwungen werden, »ihrem« Menschen zu dienen. Einige mächtige Vertreter der Dämonen konnten dabei auf wahre Heere von ihnen untergeordneten Dämonen zurückgreifen. Agares, zum Beispiel, ist Herrscher über 31 Legionen untergeordneter Geister. Geht man von 5000 Soldaten pro Legion aus, dieser Wert variierte im Laufe der Geschichte erheblich, so wären das 155.000 subalterne Dämonen. Marbas und Allocer standen sogar 188.000 dienstbare Geister zur Verfügung. Aamon und Malphas kommandierten 200.000 niedere »Teuflische«. Was glaubt der Magier nun mit welchem Dämon erreichen zu können? Eine repräsentative Auswahl soll das verdeutlichen! Will jemand erfahren, was gestern geschah und zu welchen Konsequenzen es führen wird, unterwirft er den Dämon Purson. Dem Geist Purson sind Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vertraut. Eine mögliche Alternative wäre Dämon Barbatos. Auch er kennt Vergangenheit und Zukunft. Und er versteht die Sprache der Tiere. Gusion ist auch so ein Allwissender unter den Dämonen. Nichts Verborgenes ist ihm fremd. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind für ihn offene Bücher...wie auch dem engelgleiche Dämon Ipos. Decarabia weiß, wie man die Vögel zu Freunden macht und die geheimen Kräfte von Pflanzen und Steinen nutzt. Wer Bune magisch bezwingt, wird mit Reichtum beschenkt. Shax apportiert jeden gewünschten Gegenstand, Entfernungen spielen dabei keine Rolle. Valefar ist oft dafür verantwortlich, wenn Gegenstände verschwinden: Er unterstützt die Diebe. Wirklich treu ergeben ist er den Langfingern aber nicht. Er bringt sie nämlich irgendwann einmal an den Galgen. Mit Dieben hat Dämon Seere nichts zu tun. Er beherrscht die Teleportation: Mit magischen Kräften kann er Gegenstände beliebig befördern, herbeiholen oder an entfernteste Ort senden. Morax, einer der mächtigsten Dämonen der Hölle, ist ein Ass, was die Wissenschaften angeht. Ihm unterstehen die Schutzgeister. Mit dem Totenreich hat auch Gamigin zu tun: Mit seiner Hilfe kann der Magier Kon9

takt mit den Seelen der Toten aufnehmen. Sein Kollege Andromalius ist auch ein ranghoher Dämon. Er bestraft Gauner und bringt Diebesgut wieder zurück. Naberius bringt jenen Menschen, die nach Erkenntnis suchen, die Wissenschaften nahe. Wenn es um Künste und Wissenschaften geht, ist Dämon Paimon gefragt. Er steht den Irdischen näher als den Himmlischen. Der Wissende entdeckt im »Salomon-Schlüssel«, dass Baal, auch Bael genannt, das Geheimnis der Unsichtbarkeit kennt. Will er, von Feinden unbemerkt, spionieren, so macht er sich nicht selbst unsichtbar, sondern er beschwört Bael. Der, so sagt es der » Salomon-Schlüssel«, lehrt die Unsichtbarkeit... wie auch sein dämonischer Kollege Asmodai. Vassago spürt Verlorenes und Vergessenes wieder auf. Agares ist in die Geheimnisse der Sprachen eingeweiht. Er kann hohe Titel besorgen. Für alle Bereiche des Lebens gibt es einen Spezialisten unter den Dämonen. Manche Geister verfolgen fast identische oder ähnliche Ziele. Will man einen Feind mit Krankheit strafen, einen Freund gesunden lassen? Zwei Dämonen stehen dem Kundigen zur Verfügung: Marbas löst Krankheiten aus, kann sie aber auch heilen. Buer kann jede Krankheit besiegen. Vepar tötet mit Krankheit. Seine Opfer sterben innerhalb von drei Tagen an faulenden Wunden. Sabnock begnügt sich damit, Menschen durch solche Wunden für lange Zeit ans Krankenlager zu fesseln. Amon ist der Dämon des Streits, er löst Feindschaften aus, kann aber auch Auseinandersetzungen schlichten. Paimon verleiht dem Magiekundigen die Herrschaft über jeden Menschen. Große Bedeutung hat die Liebe im Reich der Magie. Es stehen dem Magier mehrere Dämonen zur Verfügung, die Spezialisten auf diesem Gebiet sind. Furfur hilft, so man ihn zwingt, wenn Liebeszauber verstärkt werden soll. Auch Sitri wird gebraucht, wenn sich herkömmlicher Liebeszauber als zu schwach erweist. Beleth erweckt das Gefühl der Liebe in Männer- wie Frauenherzen. Eligos hat das Spezialgebiet »Liebe bedeutender Menschen«. Wer von einem prominenten Menschen geliebt werden möchte, muss sich Eligos dienstbar machen. Der Geist für Eheanbahner und Kuppler ist nach dem » Salomon-Schlüssel« Zepar. Er macht, dass sich Mann und Frau ineinander verlieben. Neben der Liebe soll auch der Hass dämonisch gelenkt werden. Halphas ist der Teufel des Krieges. Botis versöhnt die Feinde. Dantalion hat ein weibliches und ein männliches Gesicht. Ihm sind alle Wissenschaf10

ten bekannt. Er verrät dem Magier, was andere Menschen im Schilde führen. Durch ihn können noch so geheime feindliche Pläne in Erfahrung gebracht und verändert werden. Glasya-Labolas kann Freund und Feind die Liebe lehren, aber auch Mord, Totschlag und Krieg initiieren. Andreas mag wie ein holder Engel aussehen. Und doch ist er ein Meister des Krieges, der die »Kunst« des Tötens beherrscht und gern seinen wissbegierigen Schülern beibringt. Offenbar gibt es besonders viele Dämonen, die für Tod und Verderben sorgen. Jeder weiß, wie stark die Geschichte der Menschheit von Kriegen bestimmt ist. So wundert es nicht, dass sich weitaus mehr Magier besonders intensiv mit kriegerischen Dämonen beschäftigten als mit Frieden und Liebe. Wer Marchosias auf seiner Seite hat, für den kämpft ein stählerner Krieger. Wer mehr auf List als auf Stärke setzt, der muss sich Malphas verpflichten: der kann ihm die Gedanken seiner Gegner verraten. Focalor ist ein heimtückischer Geist: das Erschlagen und Ertränken von Menschen ist sein unheimliches Metier. Ihm unterstehen die Sturmwinde. So kann er im Krieg wesentlich zum Sieg beitragen, indem er Schiffe wie mit einer riesigen Faust umkippt und versenkt. Wer auf massive Gewalt setzt, ruft Alloces. Ihm unterstehen wahre Heere dienstbarer Geistersoldaten, die im Gefecht kaum besiegt werden können. Die Dämonenlisten »salomonischer Magie« lassen uns zu Beginn des dritten Jahrtausends nach Christus voreilig herablassend lächeln. In einer Welt des globalen Internets, der Raumfahrt und der Molekularbiologie ist kein Platz mehr für monströse Dämonen mit unterschiedlichen Metiers. Wir haben uns längst an ganz andere dämonische Kräfte gewöhnt, wie an die Atombomben, die problemlos jegliches Leben auf der Erde auslöschen könnten. Dabei übersehen wir die eigentlichen »salomonischen Schlüssel«, die fern aller Magie Türen zu längst vergangenen Zeiten öffnen. Man muss sie nur erkennen! Vordergründig betrachtet passt der »Salomon-Schlüssel« mit seinen teuflischen Bestien mit unbegreiflichem Wissen und scheinbar unendlicher Macht sehr gut zu unserer Welt, in der Krieg und Gewalt zur Tagesordnung gehören. »Salomon-Schlüssel« scheint eine reine Monsterdomäne und reine Männerwelt zu sein. Im Reich der Dämonen mit Hunderttausenden untergeordneten Geistern ist nur Gremory eine Frau. Dämon Gremory verschafft jedem, der das teuflische Wesen mit Magie zum Un11

tertan machen kann, die Liebe jeder Frau. Dämon Dantalion hat ein furchteinflößendes Äußeres: die Gesichter von Männern und Frauen. Vepar hat auch so etwas wie eine feminine Seite. So unterrepräsentiert die Frau in der Welt genannt »Salomon-Schlüssel« auch ist, so bietet das mittelalterliche Zauberbuch auch Schlüssel zum Reich des Jahrtausende alten Matriarchats. Man muss sie nur in der fremden Welt der Dämonen zu finden wissen! Professor Hans Schindler-Bellamy, Autor eines grundlegenden Buches über die »Apokalypse des Johannes« (»The Book of Revelation is History«) zum Verfasser: »Uralte Bilder aus den Zeiten des Matriarchats leben verborgen im ›Salomon-Schlüssel‹ weiter. Ob die Autoren des Zauberbuches wussten was sie schrieben? Oder übernahmen sie nur alte überlieferte Bilder, die es zu entschlüsseln gilt?« An erster Stelle wird in den Auflistungen der Dämonen gewöhnlich Baal genannt. Baal ist für jeden Erforscher alter Götterwelten ein guter Bekannter. Nirgendwo sonst auf der Welt wird die wechselhafte Geschichte des einst mächtigen Gottes Baal so deutlich wie in der geheimnisvollen Tempelanlage von Baalbek im Libanon. Horst und Anke Dunkel, die als Privatforscher seit vielen Jahren die Welt bereisen, konstatieren in einem ihrer Reiseberichte: »Baalbek ist ein Beispiel dafür, wie der sakrale Geist eines Ortes unterschiedliche Religionen jahrtausendelang überdauern kann. Durch Grabungen wurde herausgefunden, dass vor den römischen Tempeln schon andere, ältere Tempel an diesem Platz gestanden haben. Die Römer rissen sie nieder um auf den Grundmauern neue Tempel für die eigenen Götter zu errichten, die sie wiederum aus der Götterwelt früherer Kulturen übernommen hatten. Ursprünglich wurden wohl der kanaanitische Gott Baal und die uralte semitische Gottheit Atargatis, die Göttin der Zeugung und Geburt, in der die Römer die Venus wiederzuerkennen glaubten, geehrt.« Die Römer brachten also den Gott Baal und die Göttin der Fruchtbarkeit, der Zeugung und der Geburt miteinander in Verbindung. Je intensiver man sich mit Baal auseinandersetzt, desto klarer wird, dass der mächtige Gott im Zusammenhang mit den Zeiten des antiken Matriarchats gesehen werden muss. So heißt es in der uralten Mythologie Karthagos, dass Baal und Mot miteinander stritten. Es ging um die Frage, wer denn Gott El beerben würde. Die mächtigen männlichen Götter konnten sich 12

nicht einigen, also musste die »Göttin der Sonne«, auch »Leuchte der Götter« genannt, ein Machtwort sprechen. Baal sollte der Nachfolger Els werden. Die Göttin war also auch dann noch so etwas wie eine »höchste Instanz«, als offiziell schon längst das Matriarchat durch das Patriarchat ersetzt worden war. In der Bibel wurde die mächtige Göttin der Sonne und »Leuchte der Götter« zu einer simplen Lampe degradiert. Der Schöpfungsbericht des »Alten Testaments« spricht ihr jegliche Göttlichkeit ab und würdigt sie zum großen Scheinwerfer am Firmament herab. Und der Gott Baal wurde als unwürdiger Gegner und Rivale des offiziell alleine herrschenden Bibelgottes Jahwe verächtlich gemacht. Und doch wurde Baal weiter verehrt, sehr zum Ärger der Jahweanhänger. Ein besonders beeindruckendes Beispiel für den Glauben an Baal zu biblischen Zeiten liefert das »Alte Testament« selbst. Da berichtet ein unbekannter Chronist im 2. Buch der Könige (Kapitel 1, Verse 2 und 3) über einen gefährlichen Unfall, den König Ahasja (Beginn der Regierungszeit nach der Bibel um 919 v.Chr.) erlitt. Der Regent erholte sich nicht von dessen Folgen, lag »krank danieder«. Verzweifelt schickte Ahasja einen Boten zum Tempel Baals. Israels offizieller Hauptgott Jahwe reagierte beleidigt und empört. Er ließ nachfragen: »Ist denn nun kein Gott in Israel, dass ihr hingeht, zu befragen Baal, den Gott von Ekron?« Jahwe erwies sich als unerbittlich: Die Strafe für die Konsultation des falschen Gottes war drakonisch: Ahasja starb. Wer das »Alte Testament« für langweilig hält, kann die perfiden Intrigen nicht kennen, die um den einst mächtigen Baal gesponnen wurden. Baal war nicht nur der Hauptrivale des offiziell einzigen Gottes Jahwe. Er war außerdem nicht allein und hatte eine Partnerin, die göttliche Aschera. Und schließlich wurden Jahwe und Baal zu Zeiten des »Alten Testaments« offensichtlich immer wieder miteinander verwechselt. Was noch schlimmer für strenggläubige Jahweanhänger war: Offensichtlich wurden Jahwe und Baal gern gleichgesetzt. Jedenfalls galt Aschera nicht nur als die enge Partnerin Baals, sondern auch Jahwes. Eine geradezu pikante Tatsache: Der legendäre salomonische Tempel bestand keine vier Jahrhunderte, sondern nur 370 Jahre. Immerhin 236 Jahre davon, also fast zwei Drittel der Zeit, beherbergte er eine Aschera-Statue. Jahwe jedenfalls verbat sich ausdrücklich die Gleichsetzung mit Baal. Offenbar wurde Jahwe so oft als Baal angeredet, so dass er das schließlich 13