Das Leben Nichiren Daishonins

Nichiren Daishonin wurde am . Tag des zweiten Monats im Jahr  in dem Küstendorf Kominato geboren. Es liegt im Osten der Provinz Awa in der heutigen Chiba-Präfektur. Sein Vater hieß Mikunino-Tayu und seine Mutter Umegiku. Sie waren Fischersleute. Wie Nichiren Daishonin in seinem Brief aus Sado schrieb, wurde er „in eine arme und niedrig gestellte Chandala-Familie geboren“. Die „Chandala“ sind die niedrigste Schicht im indischen Kastensystem und bestehen aus Fischern, Kerkermeistern und Fleischern. Nichiren erkennt an, dass er aus den bescheidensten Umständen kommt. Als Kind hieß er Zennichimaro. Er lebte bis zu seinem zwölften Lebensjahr in diesem Fischerdorf. Dann verließ er sein Elternhaus, um im nahe gelegenen Seicho-ji-Tempel Buddhismus zu studieren. Studium des Buddhismus Seicho-ji gehörte zur Tendai-Schule. Nichiren studierte die TendaiLehren und auch die Lehren der Wahre-Wort-Schule. Sein Lehrer war Dozen-bo, der Oberpriester auf Seicho-ji. Während seines Studiums bedrängten ihn viele Fragen. Vor allem machten ihm die verwirrende Vielfalt der buddhistischen Schulen und die vielen widersprüchlichen Lehrmeinungen innerhalb des buddhistischen Kanons zu schaffen. Er war überzeugt davon, dass es unter den vielen Sutras eines geben musste, das die höchste Wahrheit verkörperte und allen anderen ihren relativen Wert zuwies. Er fragte sich, wo er diese Wahrheit finden konnte. Noch ein weiteres Thema beschäftigte ihn seit seinen frühen Jahren: das grundsätzliche Problem von Leben und Tod. Er kam zu der Erkenntnis, dass die Lösung dieses Pro

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blems mit der Erleuchtung des Buddha verknüpft war: Wenn er herausfand, was diese Erleuchtung wirklich bedeutete, was dort in der Tiefe des Lebens von Buddha Shakyamuni wirklich geschehen war, dann hätte er gleichzeitig dieses Problem gelöst. Im Andachtsraum des Tempels stand eine Statue des Bodhisattva Kokuzo (Sanskrit: Akasagarbha). Nichiren studierte und meditierte seit dem Alter von zwölf Jahren. Später schrieb er über diese Zeit: „Nachdem ich seit meiner Kindheit Wissen gesucht hatte, betete ich mit zwölf Jahren vor Bodhisattva Kokuzo, der weiseste Mann Japans zu werden.“ Er fügte hinzu, Bodhisattva Kokuzo habe ihm ein „Juwel der Weisheit“ geschenkt, das heißt, er, Nichiren, erkannte die tatsächliche Wirklichkeit des Lebens und des Universums. Um aber den Menschen in der Endzeit des Gesetzes diese Erleuchtung offenbaren zu können, musste er seine Gedanken in ein System bringen und sie mit dem gesamten Spektrum der buddhistischen Lehren in Bezug setzen. Als er sechzehn Jahre alt war, entschloss er sich zur Priesterweihe und nahm den religiösen Namen Zesho-bo Rencho an. Kurz darauf nahm er Abschied von seinem Lehrer Dozen-bo und ging nach Kamakura, um sein Studium fortzusetzen. Hier vertiefte er sich in die Lehren der Reine-Land- und der Zen-Schule. Aber Kamakura war eine junge Stadt mit einer begrenzten buddhistischen Tradition. Nach vierjährigem Studium dort kehrte Nichiren  für kurze Zeit zum Seicho-ji zurück und brach dann noch im gleichen Jahr nach Westjapan auf. Diesmal ging er zum Berg Hiei, dem Zentrum der Tendai-Schule, und später zum Berg Koya, dem Hauptsitz der Wahre-Wort-Schule, sowie zu anderen wichtigen Tempeln in der Gegend von Kyoto und Nara. Nach etwa zehnjährigem Studium auf dem Berg Hiei und anderswo kam er zu dem Schluss, die wahren Lehren des Buddhismus seien im Lotos-Sutra zu finden. Das Lotos-Sutra sei das 

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Kernstück der Erleuchtung Shakyamunis, alle anderen Sutras führen lediglich als hilfreiche, aufbauende Lehren zum Lotos-Sutra hin. Verkündung von Nam-Myoho-Renge-Kyo Zu Beginn des Jahres  kehrte er zum Seicho-ji zurück. Hier rezitierte er am frühen Morgen, am . Tag des vierten Monats, zum ersten Mal Nam-Myoho-Renge-Kyo, den Titel des Lotos-Sutra, in dem, wie Nichiren herausgefunden hatte, die tiefste Lehre des Buddhismus enthalten war, und der Same, der alle Buddhas zur Erleuchtung geführt hatte. Mit diesem Akt lieferte er allen zukünftigen Generationen den Schlüssel zum Schatz der Erleuchtung, der versteckt im Herzen aller liegt. Er änderte auch seinen Namen und nannte sich fortan Nichiren (Sonnenlotos). Am Mittag des gleichen Tages verkündete er seine Lehre in Gegenwart seines Lehrers und anderer Priester und Dorfbewohner, die sich in einem der Tempelgärten versammelt hatten. Er rieb seine Gebetsperlen zwischen den Handflächen und rezitierte dreimal NamMyoho-Renge-Kyo. Dann erklärte er, keine der Lehren vor dem Lotos-Sutra offenbare die Erleuchtung des Buddha, und alle Schulen, die sich auf diese Lehren stützten, seien irregeleitet. Er erklärte, das Lotos-Sutra sei unübertrefflich, und Nam-MyohoRenge-Kyo, der Kern des Lotos-Sutra, sei die einzige Lehre, welche die Menschen in der Endzeit des Gesetzes zur Erleuchtung führen könne. Nur wenige in der Zuhörerschaft konnten die Bedeutung seiner ersten Erklärung überhaupt verstehen, aber sie reagierten mit Empörung, da es sich anscheinend um einen Angriff auf ihre eigenen religiösen Vorstellungen handelte. Der Lehnsherr der Gegend, Tojo Kagenobu, ein frommer Anhänger der Reine-Land- oder Nembutsu-Schule, ordnete Nichirens Verhaftung an. Obwohl Nichiren 

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entkommen konnte, beschloss er, die Gegend zu verlassen und in Kamakura seine Lehre zu verbreiten. Bevor er jedoch aufbrach, besuchte er seine Eltern und bekehrte sie zu diesem neuen Glauben. Im achten Monat von 1253 bezog er ein Häuschen in Matsubagayatsu im südöstlichen Teil von Kamakura. In diesem Häuschen und in den Häusern seiner Anhänger begann er, den Leuten von den Lehren des Lotos-Sutra zu erzählen. Gelegentlich besuchte er Tempel in der Stadt und debattierte mit den leitenden Priestern. Er verurteilte den Glauben der Reine-Land-Schule, die lehrt, die Erlösung lasse sich erreichen, indem man lediglich den Namen des Buddha Amida anrufe. Auch die Zen-Schule klagte er wegen ihrer Ablehnung des Sutras an. Seine Angriffe verärgerten nicht nur die religiösen Führer, sondern auch Regierungsstellen, da diese in vielen Fällen engagierte Schirmherren der Reine-Land- und der Zen-Schule waren. Bald sah er sich starkem Widerstand gegenüber, obwohl er seine Bemühungen fortsetzte, anderen diesen neuen Glauben nahe zu bringen. Während dieser ersten Jahre der Verbreitung, nahmen so wichtige Schüler wie Shijo Kingo, Toki Jonin, Kudo Yoshitaka und Ikegami Munenaka Nichirens Glauben an. Ab  litt Japan unter einer Reihe von Naturkatastrophen. Stürme, Überschwemmungen, Trockenheiten, Erdbeben und Epidemien brachten dem Volk große Not. Im Jahre  zerstörte ein besonders starkes Erdbeben viele Tempel, Regierungsgebäude und Wohnhäuser in Kamakura – und  und  suchten Hungersnot und Pest die Bevölkerung heim. Nichirens Petition an die Machthaber Nichiren Daishonin hielt die Zeit für gekommen, die grundlegende Ursache für diese Katastrophen zu erforschen und zu erklären. Im Jahre  begab er sich nach Jisso-ji, einem Tempel in Iwamo

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to (heutige Präfektur Shizuoka), um deren Abschrift des buddhistischen Kanons zu studieren und unwiderlegbares Beweismaterial für den wahren Grund der Heimsuchungen zusammenzustellen. Während seines dortigen Aufenthaltes traf er einen -jährigen Priesterschüler, der so beeindruckt von Nichiren war, dass er ihm als Schüler folgte. Damals gab ihm Nichiren den Namen Hoki-bo. Später sollte er der legitime Nachfolger des Daishonin werden, der zweite Hohepriester der Nichiren Shoshu, Nikko Shonin. Damals war der mächtigste Mann im Lande Hojo Tokiyori, ein ehemaliger Regent des Kamakura-Shogunats, der sich in einen ZenTempel zurückgezogen hatte. Im Jahr , am . Tag des siebten Monats, legte Nichiren Tokiyori eine Abhandlung vor mit dem Titel „Rissho Ankoku Ron“ (Die richtige Lehre für Frieden im Land). Darin schrieb er den Grund für die jüngsten Katastrophen der Tatsache zu, dass die Menschen die richtige Lehre des Buddhismus verleumdeten und sich auf falsche Lehren verließen. Die Verehrung des Buddhas Amida, versicherte er, sei die Quelle solcher Verleumdung. Das Volk werde vom Leid solange nicht befreit sein, bis die Menschen ihren irrigen Glauben aufgeben und die Lehren des Lotos-Sutra annehmen würden. Er zitierte aus dem Goldglanz-Sutra, dem Sutra über den Medizinmeister, dem Sutra der Guten Könige und aus Großen Sammlung von Sutras, um diese Aussagen zu erhärten. Diese Sutras erwähnen sieben Katastrophen, die jedes Volk befallen, das sich dem wahren Buddhismus gegenüber feindselig verhält. Von den sieben hatten sich fünf in Japan bereits ereignet. Der Daishonin sagte voraus, auch die letzten beiden Katastrophen „Invasion aus dem Ausland“ und „interne Machtkämpfe“ würden das Volk treffen, falls die Machthaber dem wahren Gesetz weiterhin den Rücken kehrten. Tokiyori und die Beamten des Shogunats nahmen von der Abhandlung anscheinend keine Notiz. Als die Anhänger der Reine

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Land-Schule von ihrem Inhalt hörten, waren sie außer sich. Eine Bande überfiel Nichirens Behausung in Matsubagayatsu und wollte ihn umbringen. Nichiren entkam mit einigen Schülern in die Provinz Shimosa, wo er eine Weile bei seinem Anhänger Toki Jonin blieb, der ein einflussreicher Lehnsherr war. Aber sein Verantwortungsgefühl verbot es ihm, allzu lange dort zu verweilen. Nachdem noch ein Jahr vergangen war, kehrte er nach Kamakura zurück und begann wieder, seine Lehre zu verbreiten. Verbannung auf Izu Nichirens Anziehungskraft und sein Erfolg machte den Reine-LandPriestern Angst. Bei der Regierung von Kamakura ließen sie falsche Anschuldigungen gegen ihn vorbringen. Damals regierte Hojo Nagatoki, der Sohn Shigetokis, der wiederum ein geschworener Feind Nichirens war. Ohne Untersuchung oder Prozess erkannte Nagatoki die Anschuldigungen an. Am . Tag des fünften Monats des Jahres  ordnete er Nichirens Verbannung an die öde Küste der Halbinsel Izu an. Das war die erste Verfolgung seitens der Regierung, die der Nichiren Daishonin erlitt. Izu war eine Hochburg der Reine-Land-Schule und die Verbannung dorthin verhieß große persönliche Gefahr für den Daishonin. Glücklicherweise wurde er jedoch von Funamori Yasaburo aufgenommen, einem örtlichen Anführer der Fischer, und mit großer Freundlichkeit behandelt. Schließlich erließ das Shogunat, anscheinend auf Anregung des früheren Regenten Hojo Tokiyori, die Begnadigung, und Nichiren Daishonin kehrte im zweiten Monat des Jahres  nach Kamakura zurück.

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Unruhen, Katastrophen und religiöse Konflikte Im Herbst  besuchte Nichiren Daishonin aus Sorge um seine alte Mutter sein Heimatdorf in Awa. Er fand seine Mutter schwerkrank – sein Vater war schon vorher gestorben – aber er betete für ihre Genesung und sie überwand tatsächlich ihre Krankheit und lebte weitere vier Jahre. Unglücklicherweise erfuhr Tojo Kagenobu von seiner Rückkehr. Als der Daishonin sich mit einer Gruppe seiner Anhänger auf den Weg begab, um einen Anhänger in der Gegend zu besuchen, wurden sie von Tojo und seinen Soldaten bei Komatsubara überfallen. Der Daishonin konnte zwar dem Tode entrinnen, wurde jedoch an der Stirn durch einen Schwerthieb verwundet und seine linke Hand gebrochen. Im Jahre  schien die Invasion aus dem Ausland, die Nichiren Daishonin vorausgesagt hatte, sich tatsächlich zu ereignen. Eine Botschaft der Mongolen traf in Kamakura ein, in der verlangt wurde, Japan solle Kublai Khan als Lehnsherrn anerkennen. Die führenden Männer Japans erkannten, dass die Nation sich in großer Gefahr befand. Sofort wurde mit dem Bau von Verteidigungsanlagen an den Küsten Kyushus gegenüber Korea begonnen und jeder Tempel und Schrein in Japan erhielt Befehl, für die Niederlage des Feindes zu beten. Nichiren Daishonin, mittlerweile nach Kamakura zurückgekehrt, gelangte zur Überzeugung, nun sei es an der Zeit zu handeln. Er sandte elf Ermahnungsbriefe an hochrangige Beamte, einschließlich des Regenten Hojo Tokimune, sowie an den stellvertretenden Militärgouverneur Hei no Saemon und an die beiden einflussreichsten Priester des damaligen Kamakura: Doryu von der Zen-Schule und Ryokan von der Wahre-Wort-Verhaltensregel-Schule. Diese Briefe wiederholten kurz die Erklärung der Rissho Ankoku Ron: Das Land werde die beiden letzten Katastrophen erleiden, wie sie im Sutra vor

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hergesagt wurden, falls die Regierung sich nicht zur richtigen Lehre bekenne. Alle elf Männer schlugen die Warnung in den Wind.  wurde das Land von anhaltender Dürre heimgesucht. Die Regierung befürchtete eine Hungersnot und bat Ryokan, den berühmten und geachteten Priester der Wahre-Wort-Verhaltensregel-Schule, um Regen zu beten. Nichiren, der ihm bereits einen seiner Ermahnungsbriefe sandte, erfuhr von diesem Auftrag und forderte Ryokan heraus: Nichiren wolle sofort sein Schüler werden, falls es Ryokan gelinge, Regen zu bringen. Falls er jedoch versage, müsse Ryokan der Lehre Nichirens folgen. Ryokan nahm die Herausforderung an. Er betete zusammen mit Hunderten von Priestern, die ihm dabei halfen. Doch es fiel kein Regen. Stattdessen wurde Kamakura von verheerenden Sturmböen heimgesucht. Ryokans Scheitern war eindeutig, dennoch dachte Ryokan nicht daran die Abmachung einzuhalten und sich Nichiren anzuschließen. Im Gegenteil: Zusammen mit Hei no Saemon, dem stellvertretenden Militärgouverneur schmiedete er Pläne gegen ihn. Ryokan und der chinesische Zen-Priester Doryu standen beide Tempeln vor, die von hohen Beamten der Familie Hojo gegründet worden waren. Obwohl die Gründer verstorben waren, hatten ihre Frauen noch starken Einfluss in Regierungskreisen. Ryokan und Doryu erregten den Zorn der Ehefrauen, indem sie ihnen erzählten, Nichiren habe in seinen früheren Ermahnungsbriefen abschätzig über ihre verstorbenen Ehemänner gesprochen. Schließlich wurde als Ergebnis ihrer Machenschaften der Regierung eine Liste von Anschuldigungen gegen Nichiren Daishonin vorgelegt. Die Verfolgung von Tatsunokuchi und die Verbannung auf Sado Am . Tag des neunten Monats von  lud Hei no Saemon Nichiren Daishonin vor Gericht, um auf diese Anschuldigungen zu antwor

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ten. Dies war der Beginn der zweiten Phase der Verfolgungen seitens der Regierung. Der Daishonin wies die Anschuldigungen souverän und stichhaltig zurück. Auch wiederholte er seine Voraussagen von einer Invasion aus dem Ausland und von Machtkämpfen innerhalb der herrschenden Familie. Zwei Tage nach der Untersuchung drangen Hei no Saemon und seine Soldaten in Nichiren Daishonins Behausung ein. Obwohl keines Vergehens schuldig, wurde Nichiren Daishonin wie ein gemeiner Verbrecher verhaftet und zur Verbannung auf die entlegene Insel Sado verurteilt. Hei no Saemon war jedoch entschlossen, ihn auf der Hinrichtungsstätte Tatsunokuchi enthaupten zu lassen. Nichiren Daishonin und seine Gefolgsleute glaubten, dass sein Tod unmittelbar bevorstand, aber im letzten Augenblick versetzte das plötzliche Auftauchen eines leuchtenden Himmelskörpers die Miliz in so großen Schrecken, dass sie von der Hinrichtung absahen. Dieses Ereignis betrachtete Nichiren Daishonin als Beginn eines neuen Lebens und erklärte sich zum Buddha für die Endzeit des Gesetzes, weil er als Einziger genau jene Verfolgungen erlebt hatte, wie sie das Lotos-Sutra prophezeit. Eine Beschreibung aller Einzelheiten dieser dramatischen Ereignisse in des Daishonin eigenen Worten befindet sich in seinem Werk Wie ein Verfechter des Lotos-Sutra handelt. Im zehnten Monat von  fuhr Nichiren Daishonin unter der Bewachung von Kriegereskorten über das japanische Meer nach Sado, seinem Verbannungsort. Der einzige freundschaftlich gesonnene Mensch, der mit ihm ging, war sein treuer Anhänger Nikko Shonin. Die beiden fanden Unterkunft in einer verfallenen Hütte in einem Gebiet, in dem die Leichen von Schuldnern und Verbrechern ausgesetzt wurden. Es fehlte ihnen an Nahrungsmitteln, Kleidung und Brennholz für ein Feuer, an dem sie sich hätten wärmen können. In 

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Felle und Strohmäntel gehüllt, konnten sie mit Mühe und Not den ersten Winter überstehen. Im ersten Monat von  hielt Nichiren Daishonin eine religiöse Debatte mit Priestern von anderen buddhistischen Schulen ab, die auf Sado ansässig waren. Sie hatten ihn zuvor dazu herausgefordert und nun waren sie von der ganzen Insel und sogar vom Festland angereist. Während dieser „Tsukuhara-Debatte“ wie sie später genannt wurde, widerlegte Nichiren Daishonin restlos alle Lehren und Standpunkte dieser Priester. Einige wurden danach seine Anhänger. Mit der Zeit verbesserte sich Nichirens Lage auf Sado etwas. Er erhielt Geschenke in Form von Nahrung und Kleidung von örtlichen Anhängern, obwohl er ständigen Anfeindungen von Priestern und Laienanhängern anderer buddhistischer Schulen ausgesetzt war. Er verbrachte seine Zeit hauptsächlich mit Lehren und Schreiben. Viele seiner wichtigsten Werke wie Das Verehrungsobjekt zum Betrachten des eigenen Lebens, Das wahre Wesen des Daseins und Das Öffnen der Augen stammen aus dieser Zeit. Am . Tag des zweiten Monats von  brachte ein Schiff die Nachricht nach Sado, in Kamakura und Kyoto seien infolge einer Fehde innerhalb der Familie Hojo heftige Machtkämpfe ausgebrochen. Die Prophezeiung des Daishonin, innerhalb der herrschenden Familie werde es zu Streitigkeiten kommen, hatte sich erfüllt. Und schon bald wurde auch die zweite Katastrophe, die er vorausgesagt hatte, nämlich die Invasion aus dem Ausland, immer wahrscheinlicher: Die Mongolen schickten einen Botschafter nach dem anderen mit der Aufforderung, sich zu unterwerfen. Anfang des Jahres  hob der Regent Hojo Tokimune, der nie ganz mit der rücksichtslosen Behandlung des Daishonin einverstanden gewesen war, das Verbannungsedikt auf. Zwei Jahre und fünf Monate nach seiner Verbannung wurde Nichiren Daishonin begnadigt. Er kehrte am . Tag des dritten Monats nach Kamakura zurück. 

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Letzte Ermahnungen und Rückzug an den Berg Minobu Am . Tag des vierten Monats von  wurde Nichiren Daishonin vor ein Militärgericht gerufen. Hei no Saemon führte den Vorsitz wie auch schon drei Jahre zuvor, als die Anschuldigungen gegen den Daishonin vorgebracht worden waren. Diesmal allerdings verhielt er sich reserviert und höflich. In einem Verhör über die Möglichkeit eines mongolischen Angriffs äußerte Nichiren, er befürchte eine Invasion noch im gleichen Jahr. Er fügte hinzu, die Regierung solle die Wahre-Wort-Priester nicht auffordern, für die Vernichtung der Mongolen zu beten, da ihre Gebete die Lage nur verschlimmerten. Eine alte chinesische Weisheit lautet: „Warnt ein Weiser seinen Herrscher dreimal und findet kein Gehör, dann soll er das Land verlassen.“ Nichiren Daishonin hatte dreimal die Krise vorausgesagt – einmal, als er die Rissho Ankoku Ron vorlegte, noch einmal, als er verhaftet und in Tatsunokuchi fast hingerichtet wurde, und dann noch einmal nach seiner Rückkehr aus Sado. Überzeugt davon, die Regierung werde nie auf seine Warnungen hören, verließ er Kamakura am . Tag des fünften Monats von . Er bezog ein kleines Haus am Fuß des Berges Minobu, etwa dreißig Kilometer westlich des Fuji gelegen, in der damaligen Provinz Kai (heute Präfektur Yamanishi). Wegen der Entlegenheit der Gegend war sein Leben am Minobu alles andere als einfach. Seine Anhänger in Kamakura schickten ihm Geld, Nahrungsmittel und Kleidung und besuchten ihn zuweilen in Gruppen, um seine Führung zu erhalten. Er widmete sich stark dem Schreiben, fast die Hälfte seiner überlieferten Schriften stammt aus dieser Zeit. Er verwandte aber auch viel Zeit darauf, Vorträge zu halten und seine Schüler zu lehren. Seine Vorträge über das LotosSutra, die er zu dieser Zeit hielt, wurden von Nikko Shonin zusammengetragen und sind heute als Aufzeichnung der mündlich überlieferten Lehren (Ongi Kuden) erhalten. 

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Im zehnten Monat des Jahres , fünf Monate nachdem Nichiren Daishonin sich zurückgezogen hatte, griffen die Mongolen tatsächlich an. In einem Brief an einen seiner Anhänger drückt der Daishonin seine bittere Enttäuschung darüber aus, dass sein Rat nicht befolgt worden war. Hätte man auf ihn gehört, so seine Überzeugung, dann wäre dem Land und seinen Menschen dieses Leid erspart geblieben. Die Atsuhara-Verfolgung und die Einschreibung des Verehrungsobjekts Um dieselbe Zeit gelang es Nikko Shonin, eine Reihe von Priestern und Laien in der nahe gelegenen Gegend von Atsuhara zu bekehren. Die Priester eines Tendai-Tempels in diesem Gebiet ärgerten sich über seinen Erfolg und fingen an, den Gläubigen Schwierigkeiten zu bereiten. Schließlich schickten sie in einer Streitigkeit über Landrechte eine Schar von Kriegern aus, um eine Reihe von unbewaffneten Bauern unter den Konvertierten anzugreifen. Zwanzig Bauern wurden von Regierungsstellen verhaftet, gefoltert und am Ende wurden drei von ihnen hingerichtet. Die Verfolgung in Atsuhara war deshalb von Bedeutung, weil im Gegensatz zu früheren Verfolgungen, die hauptsächlich gegen Nichiren gerichtet waren, diesmal seine Anhänger die Opfer waren. Die Bauern hielten jedoch trotz der Drohungen seitens der Machthaber an ihrem Glauben fest. Nichiren Daishonin war überzeugt, dass seine Schüler und Anhänger in ihrem Glauben genügend gewachsen waren, um auch ihr Leben für das Mystische Gesetz einzusetzen. Das bewegte ihn dazu, den Dai-Gohonzon einzuschreiben – das Verehrungsobjekt für die gesamte Menschheit. Das geschah am . Tag des zehnten Monats von , siebenundzwanzig Jahre nachdem er zum ersten Mal Nam-Myoho-Renge-Kyo rezitiert hatte. 

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In seinem . Lebensjahr war der Daishonin bei schwacher Gesundheit. Er fühlte die Nähe seines Todes und bestimmte Nikko Shonin zu seinem legitimen Nachfolger. Seine Schüler und Anhänger drängten ihn, eine heiße Quelle in Hitachi aufzusuchen, um sich wieder zu erholen. Am . Tag des neunten Monats von  brach er von Minobu auf nach Hitachi. Als er in der Residenz der Brüder Ikegami im Gebiet des heutigen Tokio ankam, war er zu krank für die Weiterreise. Viele seiner Anhänger hörten von seiner Ankunft und versammelten sich bei den Ikegamis, um ihn zu sehen. Am frühen Morgen des . Tages im zehnten Monat von  verschied er friedlich, umgeben von seinen Schülern, die ehrfürchtig Nam-MyohoRenge-Kyo rezitierten.

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