Braucht unsere Gesellschaft das Handwerk?

Georg-August-Universität Göttingen Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik und Mittelstandsforschung Volkswirtschaftliches Institut für Mittelstand und Handw...
Author: Tobias Böhm
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Georg-August-Universität Göttingen Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik und Mittelstandsforschung Volkswirtschaftliches Institut für Mittelstand und Handwerk (ifh)

Braucht unsere Gesellschaft das Handwerk? Bundes-Obermeistertag des Metallhandwerks 2006 am 7. Juli 2006 in Wiesbaden

Prof. Dr. Kilian Bizer

Die neoliberale Antwort: Nein! Eine Abschaffung des Handwerks führt zu • Monopolisierungen in einzelnen Marktsegmenten, Preise steigen • Marktnischen bleiben, Kostenwettbewerb (geringere Löhne), Preise fallen • HWK-Beiträge entfallen, Ehrenamt entfällt, Entlastung der Betriebe • Sinkende Preise führen zu Nachfragesteigerungen, Wachstum und mehr Beschäftigung • Deshalb: Ohne Handwerk ist alles besser! © Prof. Dr. Kilian Bizer

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Was nutzt das Handwerk?

• Gefahrengeneigtheit • Verbraucherschutz • Qualitätssicherung • Ausbildungsleistungen: Humankapital

© Prof. Dr. Kilian Bizer

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Aber lohnt das den Aufwand? Aus ökonomischer Sicht: Abwägen zwischen Nutzen und Kosten des Handwerks für die Gesellschaft

© Prof. Dr. Kilian Bizer

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Welche Gesellschaft wollen wir?

• • • • •

keine natürlichen Ressourcen: deshalb Humankapital hoher Beschäftigungsstand sozialer Frieden Wachstum „gerechte“ Verteilung

© Prof. Dr. Kilian Bizer

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Welche Gesellschaft haben wir? 5 Wachstum des BIP in Prozent 4 3 2 1 0 1960-1970 © Prof. Dr. Kilian Bizer

1970-1980

1980-1990

1991-2000 6

© Prof. Dr. Kilian Bizer

ung rung r e ng del e i i u n s r s i i a e l n i turw alis idua roge k b v e i u o t l r d e t G H In S

Bizer/Sesselmeier, S. 27 ff

Soziale Absicherung der Nichtbeschäftigung

Bildungssystem: Erstausbildung

Kollektives System Der Lohnfindung

Homogene Arbeitslandschaft

Vollbeschäftigung

Die Basis des deutschen Wohlfahrtsmodells Arbeitsmarkt

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Die Rahmenbedingungen der Zukunft Fünf gesamtgesellschaftliche Trends herrschen vor: • Demografischer Wandel • Globalisierung • Individualisierung und Heterogenisierung • Dienstleistungsorientierter Strukturwandel • Informatisierung der Arbeit

© Prof. Dr. Kilian Bizer

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Demografie Altersquotient 60 Jahre

Quelle: Statistische Bundesamt, Bevölkerung Deutschlands bis 2050, 2003, S. 32

© Prof. Dr. Kilian Bizer

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Zunahme des Welthandels 1990=100

250 200 150 100 50 0

1970 © Prof. Dr. Kilian Bizer

1975

1980

1985

1990

1995

2000 10

Informatisierung der Arbeit Anteil der Beschäftigten an Computern und Internet 2002 bis 2004 100 80 60 40

55 46

46 29

41 33

20 0 2002

2003

2004

Anteil der Beschäftigten an Computer in (%) Anteil der Beschäftigten mit Internetzugang (%) © Prof. Dr. Kilian Bizer

Quelle: Statistische Bundesamt, Informationstechnol ogien in Unternehmen und Haushalten 2004, 2004, S. 26

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Was bedeuten die Trends für die Gesellschaft?

• Umbau der sozialen Sicherungssysteme • Flexibilisierung des Arbeitsmarktes • Wettbewerb mit Niedrig-Lohn-Ländern: Produktivität • •

bestimmt Löhne Systemwettbewerb: Leistungswettbewerb statt reiner Steuerwettbewerb Kürzere Halbwertszeiten des Wissens und technischen Fortschritts: steigender Innovationsdruck

© Prof. Dr. Kilian Bizer

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Technische Innovatoren nach Gewerken Rang 1

Nennungen 32

Prozent 21,6

Feinwerkmechaniker

2

Elektrotechniker

24

16,2

3

Metallbauer

21

14,2

4

Tischler

13

8,8

5

Install.+Heizungsb.

10

6,8

6

Kaross.+Fahrzeugb.

7

4,7

7

Informationstechniker

6

4,1

8

Landmaschinenb.

6

4,1

… Gesamt



… 148

… 100

© Prof. Dr. Kilian Bizer

Quelle: Lahner 2004

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Was bedeuten die Trends fürs Handwerk?

• Handwerk schafft Humankapital: Ausbildung • • • •

flexibilisieren! Gering qualifizierten Jugendlichen Einstieg ermöglichen Exportorientierung ausbauen Produktivität steigern: technischen Fortschritt nutzen Flexiblere Arbeitszeitmodelle für Frauen und Ältere

© Prof. Dr. Kilian Bizer

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Reform des Handwerks?

• Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft? • Anhang A HWO verkleinern zugunsten B1 und B2? Aber:

• • •

Was ist „das Handwerk“? Deutsche Besonderheit? Europäisches Vorbild? Wie muss das Handwerk sein, um Zukunftsmodell zu sein? – innovativ, ausbildungsstark, beschäftigungsintensiv, exportorientiert

© Prof. Dr. Kilian Bizer

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Braucht die Gesellschaft das Handwerk?

1. Das Handwerk erbringt Nutzen: Humankapital, 2. 3.

Qualität, Beschäftigung, flexible Unternehmensstruktur, etc. Reformen sind nur dann sinnvoll, wenn die Reform den Saldo aus Kosten und Nutzen gegenüber dem Status quo steigert. Das Handwerk verursacht Kosten – höhere Preise, Marktzutrittsbarrieren, Qualitätssicherung, Ausbildungskosten etc.

© Prof. Dr. Kilian Bizer

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Braucht die Gesellschaft das Handwerk?

4. Das Handwerk muss gesellschaftliche Funktionen wahrnehmen: • • • • • • •

Gewinne machen Innovationen anstoßen Ausbilden und Beschäftigung sichern Qualität sichern Gefahren vermeiden Umwelt schützen ….

5. Für diese Funktionen braucht es optimale Strukturen. © Prof. Dr. Kilian Bizer

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Sind es nur Sonntagsreden, wenn Politiker das Handwerk loben?

• Was verlangt man von Politikern? – Sie müssen Wahlen gewinnen

• Was ist eine Sonntagsrede? – Bekenntnis ohne Folge

• Sonntagsrede für den Wahlgewinn? - warum auch nicht?

• Politiker gewinnt man durch Argumente – Nutzen und Kosten des Handwerks © Prof. Dr. Kilian Bizer

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

© Prof. Dr. Kilian Bizer