Aus dem Sterbebuch von 1670 bis 1700 des Pfarrarchivs Nabburg

Aus dem Sterbebuch von 1670 bis 1700 des Pfarrarchivs Nabburg von Konrad Haller, Nabburg in „Die Oberpfalz“, 1955, 43. Jahrgang, ab Seite 222 Es ist ...
Author: Karin Fischer
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Aus dem Sterbebuch von 1670 bis 1700 des Pfarrarchivs Nabburg von Konrad Haller, Nabburg in „Die Oberpfalz“, 1955, 43. Jahrgang, ab Seite 222

Es ist die Zeit nach dem 30-jährigen Krieg. Ein so furchtbares Ereignis wie der 30-jährige Krieg braucht eine lange zeit der Abebbung bis wieder einigermaßen Ordnung in den schwer mitgenommenen Landen hergestellt ist. War doch die Bevölkerung teilweise bis auf ein Drittel ihres früheren Bestandes dezimiert. Allerlei Fremdvolk aus ganz Europa trieb sich noch jahrzehntelang in deutschen Landen herum. Dazu kam die furchtbare politische Lage. Deutschland war in 296 größere und kleinere Herrschaften aufgesplittert, so dass das „Deutsche Reich“ und das „Deutsche Kaisertum“ nur leere Namen darstellten. Im Westen drohte das erstarkte Frankreich unter seinem machtlüsternen Sonnenkönig Ludwig XIV. (Raub Straßburgs 1681) und im Osten drohten die Türken, welche 1683 vor Wien standen. Das ist die Situation jener Zeit. Dass Wehrverbände unterhalten wurden, ist begreiflich. Das spiegelt sich auch in unserem Sterbebuch, wenn wir lesen: 1682 July den 23. ist Friderich Wolfarth ein Musquetier under der aufsessischen Compagni, welcher ertrunkhen, alhier begraben worden. Augustus den 22. diss (22.08.1682) ist Hannß Ludwig Hallmayer ein Bickhenier unter der aufsessischen Compagni alhier begraben worden. Es handelt sich hier um eine Kompanie des Freiherrn von Aufseß. Die Muskete (französisch: mousquet) war eine schwere Hakenbüchse mit Luntenschloss. Weil sie so schwer war, ist sie nur auf einer Musketengabel benutzbar gewesen. Die mit einer Muskete bewaffneten Leute hießen Musketiere. Die Pike (französisch: pique) war ein 3 bis über 5 Meter langer Landsknechtsspieß. Die mit diesem Spieß bewaffneten Leute hießen Pikeniere. Die Kompanie Aufseß wurde im September von der Companie Zack abgelöst; was folgende Einträge besagen: 1682 September den 2. ist Stephan Krezlmayer ein soldat unter der Zackhischen Compagni alhier begraben worden. Den 15. diss (15.09.1682) ist Joseph Bachner ein soldat unter der Zackhischen Compagni alhier begraben worden. Es ist eine bekannte Erscheinung zu allen Zeiten gewesen, dass die Soldaten auch liederliche Weibspersonen anzogen, dass ihnen ehrvergessene Mädchen folgten. Das war damals nicht anders als heute.

Auch hier wirft das Sterbebuch ein Schlaglicht auf die sittlichen Verhältnisse jeder zeit, wenn wir lesen: 1684 Augustus 23. Eodem die (23.08.1684) ist allhier begraben worden ein Soldat Mensch Nahmens Ursula. Entweder hat der Schreiber ihren Familiennamen nicht gekannt oder er hat ihn bewusst weggelassen. 1684 September den 17. ist ein Armes soldaten Kündl alhier begraben worden. Diese Kinder hatten meist ein trauriges Schicksal. Die alte Zeit war gegen Bastarde und uneheliche Kinder hartherziger als unsere Zeit; denn sie kannte den fürsorglilchen Sozialismus der Gegenwart noch nicht. 1685 Jannuarij den 27. diß (27.01.1685) ist Anna Margaretha Treibichin ein soldatin sambt ihrem Kündt begraben worden. Was ist eine Soldatin? Es ist in alten Zeiten schon vorgekommen, dass heldisch gesinnte Mädchen unerkannt als solche im Heere dienten, wie etwa die Jungfrau von Orleans, wie Eleonore Prochaska, die 1813 im Gefecht an der Göhrde fiel oder Gustav Adolfs Page, der sich als das Mädchen Leubelfing entpuppte. Doch dürfte es sich in unserem Falle um die Frau eines Soldaten handeln, die wahrscheinlich bei der Entbindung starb. 1682 Juliuß den 14. ist Michael Rohn Burger und Tagwerckher alhier seel. Begraben worden. Eodem die (14. Juli 1682) ist Catharina Wolffin wittib seel. alhier auf dem Freythoff S. Joannis Baptißta begraben worden. Diese beiden Einträge werfen ein Schlaglicht auf die Friedhofverhältnisse in Nabburg jener Zeit. Für die Vollbürger, also die vornehmen Bürger, war der Friedhof bei der Pfarrkirche St. Johannis Baptist da und für die Halbbürger und Nichtbürger der Friedhof bei St. Georg. Zwar wurde 1597 der Friedhof bei St. Johann aufgelassen und der bei St. Georg erweitert und als allgemeiner Friedhof erklärt, aber die patrizischen Bürger ließen sich weiterhin im Friedhof St. Johann begraben, wie viele Sterbebucheinträge beweisen. Es scheint, dass durch den inzwischen ausgebrochenen 30-jährigen Krieg die angeordnete Friedhofauflassung überhaupt nicht mehr beachtet wurde. Ferner scheinen in der Pfarrkirche St. Johann für Adelige und besonders vornehme Bürger Gruften gewesen zu sein, obwohl heute keine Spur mehr davon zu sehen ist. Dies bezeugt z.B. folgender Eintrag:

Den 17. diß (17.04.1683) ist der woledl und gestrengen Frauen Mexnerin von Neusath ein Kindt in das alhisige Gottshaus sancti Joannis Baptißtae begraben worden. Die Meixner waren Besitzer des Schlosses Neusath und hatten in der Pfarrkirche zu Nabburg wahrscheinlich ihre Gruft. Die heutigen Schlossbesitzer von Neusath, die Freiherren von Lichtenstern, haben ihre Familiengruft im Friedhof zu Perschen. 1684 Marty den 30. (30. März 1684) ist Anna Dozlerin Pauerin von Perglshoff alhier begraben worden. Daraus geht hervor, dass die Bauern von Bergelshof nicht in ihrem Gemeindefriedhof Brudersdorf, sondern im Friedhof zu Nabburg beerdigt wurden. Auch sind Verstorbene von auswärts, wenn sie nicht in ihre Pfarrei heimgeholt wurden, hier beigesetzt worden, wie folgender Eintrag beweist: 1683 Aprillis den 13. diss. (13.04.1683) ist Johann Stainl bauer von Inzendorf, welcher ertrunkhen, begraben worden alhier. Interessant für Nabburg sind auch folgende zwei Einträge: 1684 November den 26. diß (26.11.1684) ist Kunigundis Wolthmanin Wittib aus dem alhisigen Seelhaus begraben worden. 1688 Augusti den 12. ist begraben worden ein Anna Burb auß dem Seelhaus. Im Stadtteil „Brunnanger“ befindet sich das Haus Nr. 147, unweit des Mähntores, das heute noch den Hausnamen „zum Seelhäusl“ trägt. Es ist Privatbesitz und gehört dem pensionierten Bahnbediensteten Peter Hösl, der im Volksmund heute noch der „Seelhäusl-Peter“ heißt. Im alten deutschen Rechtsleben kannte man keine eigentlichen Testamente. Alte Leute aber wollten für ihr Seelenheil etwas tun. So bürgerte sich durch den Einfluß der Kirche ein, dass Zuwendungen für fromme Zwecke zum eigenen Seelenheil gemacht wurden. Man nannte diese Zuwendungen von Todes wegen im Interesse des Seelenheils „Seelgeräte“. Es war dies eine Sicherstellung, dass der Verstorbene eine seinen Wünschen entsprechende christliche Beerdigung bekam, dass nach seinem Tode noch Seelenmessen gelesen, Gebete verrichtet wurden u.ä. Mit diesem Seelgerät hängt nun auch das „Seelhäusl“ zusammen, in dem sich alleinstehende alte Leute auf ihren Tod vorbereiten konnten. 1684 September den 6. ist der Ehrengeachtete und wolfornembe Herr Erhardt Schündtler Ihr Churfürstl. Durchlaucht in Baiern Mautner alhier begraben worden. Die Maut war eine Abgabe, ein Zoll, der für Brücken- und Straßenbenützung bezahlt werden musste. Der Einnehmer dieser Abgabe hieß Mautner. Aus diesem

Eintrage ersehen wir auch, dass die Maut zu den kurfürstlichen Gefällen gehörte und in die kurfürstliche Amtskasse floss, ferner dass der Mautner in Nabburg eine kurfürstliche Amtsperson war. 1685 Augustus den 18. ist der Ehrengeachtete und wohlvornembe herr Mateus Sechser Ihro Churfürstl. Durchlaucht in Baiern gewester OberumbgeltsSchreiber, Weißer Preyverwahlter, Burgermaister und Stattcammerer in die Statt und Pfarrkürchen Sancti Joannis Baptiste alhir begraben worden. Den 29. diss (29. August 1685) ist Hans Georg Wünckhlmann Weißen Preymaistern alhir ein Kündt begraben worden. Dass es nicht nur einen weißen Bräuverwalter und weißen Bräumeister gab, sondern auch einen braunen, beweist folgender Eintrag: 1694 Januar den 14. ist begraben worden Georg perr (herr?) Burger und brauner breymeister. Diese Einträge werfen ein Schlaglicht auf das Brauwesen. Ursprünglich war das „braune Bier“ oder - wie es im 15. und 16. Jahrhundert auch hieß - das „rote Bier“ der allgemeine Volkstrunk. Im 16. Jahrhundert stand nun ein gefährlicher Konkurrent gegen die Herrschaft des braunen Bieres auf. Er kam aus dem nahen Böhmen, wo man aus Weizen das „weiße Bier“ braute. Allmählich fand das Weißbier auch bei uns Eingang, es stieg sein Konsum, besonders weil vor allem die höheren Gesellschaftsschichten es dem braunen Bier vorzogen. So wurde denn auch in Nabburg neben dem brauen Bier aus Gerste auch weißes Bier aus Weizen hergestellt. Daraus erklärt sich der „weiße“ und der „braune Preymaister“. Dass manchmal eigenartige Todesfälle eintreten, ist nicht nur eine Erscheinung der Gegenwart, sondern sie gab es auch schon in alter Zeit. Es ist jedenfalls nicht alltäglich, dass in einer Woche beide Ehegatten wegsterben. 1682 November den 5. ist Barbara Krausin Johann Krausens Burgers und Zimmermeisters alhie Eheweib begraben worden. 1682 den 13. diss. (13.11.1682) ist Johannes Kraus Burger und Zimmermaister alhier begraben worden. 1679 Eodem die (4. Mai 1679) ist ein Mäderl, so zu wernberg erdrunkhen und alhier durch die Fischer gefundten, und in hiesig Freythoff begraben worden. Dass Kinder ertrunken sind, war schon oft da. Aber dass dieses Mädel von Wernberg bis nach Nabburg abgetrieben und hier erst von Fischern aufgefunden wurde trotz der Naabschleifen bei Iffelsdorf und des Wehres bei Untersteinbach, ist doch etwas merkwürdig. Von einem besonders merkwürdigen Todesfall berichtet folgender Eintrag:

1678 October den 3. ist Hans Wolffen Prieheiser ein Sohn, Namens Hanß Caspar, so ein Scheidt Holz von Durn herunder erschlagen, begraben worden. Dass ein Scheit Holz vom Turm herabfällt und dabei einen Knaben erschlägt, dürfte doch ein nicht alltäglicher und ganz seltener Fall eines Todes sein.

Abschrift: Alfred Kunz, Weiden