Ansichten aus der Praxis

Ist Mediation etwas für mich und mein Unternehmen? Ja, selbstverständlich! Gerade auch für Unternehmen. Ich würde es gar begrüssen, dass Unternehmen sich verpflichten, die Mediation als Alternative zu anderen Verfahren zu prüfen. Ich habe mich als Geschäftsführer und Verlagsleiter gerade darum mit Mediation beschäftigt, Kurse besucht und mit dem „Zertifikat für Mediaton“ abgeschlossen, weil ich dieses Verfahren als echte Alternative sehe, Konflikte schon im Ansatz zu regeln, aber auch eine Voraussetzung für einen anderen Umgang im Unternehmen zu finden. Mediation ist in allen Bereichen möglich. Meines Erachtens gibt es keine Einschränkung. Ich sehe sie jedenfalls nicht. Mediation eignet sich für die Lösung von Konflikten in Unternehmen, zwischen Einzelpersonen, in Organisationen, Institutionen wie Schule, Kirche, aber auch in Familien. Mediation ist eine Alternative zu gängigen Verfahren für Menschen, die sich in Konflikte verstrickt haben und nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe daraus herausfinden können. Dennoch, Mediation ist keine Methode für alle Fälle. Sie ist an verschiedene Vorbedingungen und Verfahrensregeln geknüpft. Sind diese Voraussetzungen nicht oder ungenügend gegeben, rate ich persönlich von einer Mediation ab. Gattus Hösl zählt 6 Merkmale auf, die Vorbedingungen für eine Mediation sind:

• • • • • •

Der Mediator als externer Dritter Allparteilichkeit des Mediators Einbeziehung aller Konfliktparteien Eigenverantwortlichkeit jedes Teilnehmers Das Fall- und Problemspezifische Die Ergebnisoffenheit des Konflikts

1

Was kann ich davon erwarten? Mediation zwingt die Parteien erst einmal auf einander zu hören – zuzuhören! Sie schafft das Feld, dass alle ihre Themen, ihre Positionen, ihre Interessen darlegen und artikulieren können. In meiner Ausbildung zum Mediator war dieser Aspekt ein wirkliches Aha-Erlebnis. Das ist meines Erachtens Voraussetzung und der Gewinn. Die Mediation kann aber auch Diskussionen auslösen, alternative Lösungen erkennen helfen und Innovationen auf den Weg bringen.

Welche Komponenten steuern die beratenden Parteien hinzu? Was wird vom Mediator von aussen offeriert? Sie erkundigen sich mit Ihrer Frage, welche Rolle allenfalls Anwälte oder Fachexperten der Mediationsteilnehmer haben? Grundsätzlich gilt, die Beteiligten – damit meine ich die vom Konflikt direkt Betroffenen – an einer Mediation sind die Experten. Es geht um eine Arbeit an einem Konflikt und um eine Antwort darauf. Diese muss eigenständig, nicht manipuliert und selbstverantwortlich sein. Anwälte oder Fachexperten sind Berater. Der Mediator ist der Fachmann in der Steuerung des Mediationsprozesses. Er kann mithelfen, durch seine Haltung wie Empathie, Authentizität, Wertschätzung, durch systemisches Denken und fundierte Gesprächstechniken, dass die Beteiligten auf einen konkret vorliegenden Fall oder dieses konkrete Problem eine verantwortliche Lösung für alle Seiten finden werden. Er kann in diesem Prozess als weiteres ein Ventil sein. Er kann mithelfen, dass Gefühle wie Angst, Stress oder Aggressionen kontrolliert abgebaut werden. Mir persönlich hat die Ausbildung auch darin geholfen, Konflikte zeitlich früher zu erkennen und anders mit solchen umzugehen.

2

Was für Hauptvorteile bietet die Mediation und wo sind ihre Grenzen? Ich sehe die Hauptvorteile der Mediation vor allem auf der Beziehungsebene. Unternehmen arbeiten mit Beziehungen, Unternehmen leben von Beziehungen, Unternehmen haben Erfolg, wenn die Beziehungen stimmen! Ob es sich dabei um Beziehungen innerhalb des Unternehmens handelt oder zwischen Unternehmen spielt keine Rolle. Die Mediation arbeitet an dieser Seite sehr intensiv. Auch wenn eine Mediation nicht jedes Problem löst und nicht alle die Mediation als Freunde verlassen, hilft sie gute Voraussetzungen für die Zukunft des Unternehmens zu schaffen. Im Weiteren bin ich überzeugt, dass eine Mediation kostengünstiger ist als jedes andere Verfahren – vor allem des Gerichtsverfahren – da die Mediation schneller abgeschlossen werden kann und kostentreibende Behörden oder externe Fachspezialisten nicht noch zusätzlich eingeschaltet werden müssen. Ein Blick in die Gerichte zeigt dies deutlich. Nur so verstehe ich auch den Vorstoss aus dem Justizdepartement des Bundes, die Zivilprozessordnung mit der Mediation zu ergänzen. Die Mediation ist freiwillig. Sie muss freiwillig bleiben und sie kann jederzeit von den Beteiligten und vom Mediator abgebrochen werden. Grenzen sehe ich eigentlich a priori bei Parteien oder Personen nicht. Die Grenzen bestimmen die Parteien selber.

Wie teuer ist die Mediationsberatung? Kann man sich Kosten sparen? Mediation ist ja keine Beratung. Wenn Sie aber zum Beispiel meinen, jemandem die Mediation zu erklären, einen Fall als mediationstauglich zu beurteilen oder die Parteien zusammenzuführen – dann ist diese Aufgabe und Arbeit kostenlos.

Selbstverständlich kostet die Mediation. Ich schliesse mich hier meinem Berufsverband EBEM Europäischer Berufsverband für eigenständige Mediation e.V. an. Er hält fest, dass der Mediator ein Honorar auf Stundenbasis vereinbart. Es richtet sich nach Komplexität des Falles, der Anzahl der Beteiligten sowie nach der Anzahl der eingesetzten Mediatoren.

3

Wie hoch ist der Erfolgsquotient und durch wen und was wird dieser bestimmt? Ich traue ungefragt keiner Statistik. In dieser Sache gibt es wohl auch keine. Experten in Mediation sagen, dass die Erfolgsquote sehr hoch sei. Der Vorstoss aus dem Justizdepartement, die Erfahrungen in den Ländern, wo Mediation schon gesetzlich verankert ist, deutet für mich darauf hin, dass Mediation eine erfolgreiche Konfliktlösungsstrategie ist. Entscheidend sind aber die Parteien. Der Mediator wird alles daran setzen, dass der Prozess zu einem guten Abschluss mit einer Mediationsvereinbarung und allenfalls einer Machbarkeitsprüfung kommt.

Bieten Sie die Mediation auch für Gruppen an? Oder ist diese ausschliesslich für zwei Parteien gedacht? Grundsätzlich werden in eine Mediation alle Konfliktparteien einbezogen. Ich verstehe Ihre Frage aber so, ob in Konfliktfällen, wo eine ganze Belegschaft, zusätzlich vielleicht noch Verbände oder Gewerkschaften involviert sind, alle direkt an der Mediation teilnehmen? Ich denke, dass an einer Mediation schlussendlich entscheidungsfähige und entscheidungsbefugte Leute, die das Vertrauen und die Legitimation haben, an einer Mediation teilnehmen. Eine lückenlose und transparente Information ist dabei Voraussetzung.

Wie unterscheidet sich die private Mediation von der unternehmerischen? Von der Methode her sehe ich keine Unterschiede. Die Fälle unterscheiden sich jeweils im individuellen Fall. Der Mediator ist kein Fachmann im Berufsfeld der Teilnehmer. Er kann zwar Betriebswirtschafter, Politiker, Ehemann oder Familienvater sein. Seine Informationen muss er aber holen. „Jeder Teilnehmer hat seine eigene Gefühls- und Verstandeswelt, in der er in der Mediation eine fall- und problemspezifische Regelung oder Lösung sucht“, schreibt der international anerkannte Mediationsfachmann Gattus Hösl in: „Mediation, die erfolgreiche Konfliktlösung, Kösel-Verlag München 20002, S.51“. Auf den Konflikt bezogen, ist die Frage damit beantwortet. 4

Bei der Dauer einer Mediation kann es wohl Unterschiede geben. Wirtschaftsmediationen werden häufig ganztägig innerhalb von ein bis zwei Tagen durchgeführt.

Was ist die wichtigste Eigenart eines Mediators Es ist das Einfühlungsvermögen in die Gedanken-, Gefühls- und Erlebniswelt des Anderen. Für mich ist Empathie die wichtigste Eigenschaft, die den Mediator erst zu einem guten Mediator macht. Dazu gehört vor allem Zuhören können und sich Zeit nehmen. Auch wenn Mediation der schnellere Weg als jedes Gerichtsverfahren oder andere Verfahren ist, einen anderen Menschen verstehen zu können braucht Zeit. Und die Zeit will ich mir nehmen.

5