Fortschritte der Medizin 118. Jg. – Originalien Nr. I/2000, S. 7–12

Trandolapril und Amilorid/Hydrochlorothiazid bei Patienten mit milder Hypertonie und organischem Psychosyndrom Günstige Effekte des ACE-Hemmers Trandolapril auf die Demenzsymptomatik älterer Hypertoniker Vo n W. L a n d g r a f, H . - J . U pm eye r, P. O r e n g o u n d J . Ku g l e r

A

lter und Bluthochdruck gelten als eigenständige Risikofaktoren für die Entwicklung eines organischen Psychosyndroms (OPS), welches allgemein Zustände beschreibt, die direkt durch pathologische Veränderungen der Gehirnsubstanz oder deren Neurophysiologie bzw. Neurochemie verursacht werden [13]. Auffälligkeiten in Psyche oder Verhalten sind grundlegende Merkmale, häufig begleitet von diagnostizierbaren Funktionsstörungen des Gehirns. Letztere manifestieren sich in der Frühphase der Erkrankung durch Beinträchtigung kognitiver Funktionen wie etwa der Gedächtnisleistung, Orientierung oder intellektueller Faktoren (z. B. Verständnis, Urteilsvermögen, Rechnen, Lernen) [4, 16, 17]. Bei neurologischen Krankheitsbildern werden zusätzlich Antriebs- und Affektionsstörungen diagnostiziert, die eine Wesensveränderung im Verlauf des OPS kennzeichnen [12]. Antriebsstörungen äußern sich in der Psychomotorik, während die vegetativen Symptome als affektive Störungen betrachtet werden. Besonders ältere Hypertoniker mit OPS leiden oft unter Vergesslichkeit, Konzentrationsmangel oder Stimmungslabi-

Dr. rer. nat. W. Landgraf, Aventis Pharma Deutschland GmbH, Bad Soden, H.-J. Upmeyer, Gemako GmbH, Bereich Medizin, München, Dr. med. P. Orengo, München, Prof. Dr. med. J. Kugler, Wien. Trandolapril, erhältlich als Udrik®; Hersteller: Hoechst Marion Roussel Deutschland GmbH, Bad Soden. Siehe auch die kommentierte Kurzfassung dieser Arbeit: W. Landgraf et al.: ACE-Hemmer für den älteren Hypertoniker. MMW-Fortschr. Med. 142 (2000), 61.

Z U S A M M E N F A S S U N G Grundlagen: Tierexperimentelle Studien haben einen positiven Einfluss von ACE-Hemmern auf unterschiedliche kognitive Funktionen gezeigt. Günstige klinische Effekte bei älteren Hypertonikern mit kognitiven Funktionsstörungen sind empirisch oft beobachtet, durch kontrollierte Vergleichsstudien allerdings nicht hinreichend belegt. Methodik: In einer monozentrischen, randomisierten, doppelblinden Pilotstudie wurde an 60 älteren Hypertonikern mit organischem Psychosyndrom der Einfluss des lipophilen ACE-Hemmers Trandolapril (2 mg tgl.) bzw. der Diuretikumkombination Amilorid/ Hydrochlorothiazid (2,5/25 mg tgl.) auf Blutdruck und Demenzsymptomatik untersucht. Ergebnisse: Nach einer Untersuchungsdauer von drei Monaten war die Blutdrucksenkung für beide Therapieformen vergleichbar und statistisch signifikant. Der Gesamtschweregrad der Demenzsymptomatik, der anhand eines validierten Punktesystems ermittelt wurde, verbesserte sich gegenüber den Ausgangswerten unter Trandolapril als auch Amilorid/Hydrochlorothiazid (HCT) signifikant (p < 0,001). Das Ausmaß der Verbesserung war unter der ACE-Hemmer-Therapie jedoch signifikant stärker ausgeprägt im Vergleich zum Diuretikum (p < 0,01). Eine weitere mithilfe der Sandoz Clinical Assessment Geriatric Scale (SCAG) beur-

teilte Ausprägung der Demenzsymptomatik zeigte ebenfalls unterschiedliche Wirkungen in beiden Therapiegruppen auf. Obwohl unter Trandolapril und Amilorid/HCT die SCAGGesamtpunktzahl von 57,2 auf 40,3 Punkte bzw. von 54,0 auf 46,6 Punkte signifikant abnahm (p < 0,001), war im Vergleich zwischen den Behandlungsgruppen die Abnahme der SCAGGesamtpunktzahl unter Trandolapril ebenfalls signifikant besser als unter dem Diuretikum (p < 0,001). Dieses Gesamtergebnis wurde unterstützt durch Punktzahlverbesserungen in allen SCAG-Einzelfaktoren (kognitive, somatische und affektive Störungen, soziales Verhalten, Antriebsarmut). Schlussfolgerung: Bei vergleichbar ausreichender Blutdrucksenkung konnte für den lipophilen ACE-Hemmer Trandolapril im Vergleich zu einer Amilorid/HCT-Kombination nach drei Monaten Behandlung eine signifikant bessere Wirkung auf Symptome des organischen Psychosyndroms bei älteren Hypertoniepatienten nachgewiesen werden. Eine blutdruckunabhängige günstige Beeinflussung kognitiver Funktionen, z. B. durch Hemmung zerebraler Renin-Angiotensin-Systeme mit Trandolapril, wäre denkbar. Schlüsselwörter: Trandolapril – Amilorid/Hydrochlorothiazid – Hypertonie – Demenz – psychometrische Testverfahren

Eingereicht 21.7.1998 – Revision 6.10.1999 – akzeptiert 26.10.1999

FORTSCHRITTE DER MEDIZIN Originalien 118. Jg., Nr. I/2000, W. Landgraf et al., Trandolapril

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Trandolapril bei Demenz älterer Hypertoniker

lität als Symptome, die bei vielen Patienten durchaus als frühe Zeichen einer sich entwickelnden Altersdemenz gedeutet werden können. Zielsetzung Verschiedene experimentelle wie klinische Ansätze lassen vermuten, dass ACE-Hemmer neben ihren antihypertensiven und organprotektiven Eigenschaften durch Hemmung lokaler Renin-Angiotensin-Systeme (RAS) im Gehirn [6, 7, 8] auch zerebrale Wirkungen entfalten, die mit einer Beeinflussung kognitiver Funktionen sowie verbesserter Lebensqualität einhergehen könnten [3, 11, 18, 19, 20]. So zeigten bereits frühe Untersuchungen mit Enalapril bei älteren Hypertonikern eine gleichzeitig signifikante Verbesserung kognitiver Funktionen bei Normalisierung des Blutdrucks, die sich durch psychometrische Testverfahren belegen ließen [1, 19]. Trandolaprilat, der aktive Metabolit des ACE-Hemmers Trandolapril, weist eine im Vergleich zu Enalapril und anderen ACEHemmern relativ hohe Lipophilie auf [2], die eine Passage der Blut-HirnSchranke im Gegensatz zu Enalaprilat ermöglicht mit schneller Anreicherung in verschiedenen Hirnarealen (u. a. Hirnstamm, Hypothalamus, Nucleus tractus solitarii, Nucleus caudatus und Cortex) [9]. Die Hemmung von RASystemen innerhalb dieser verschiedenen Hirnareale durch Trandolaprilat lässt eine günstige Beeinflussung zentralnervöser Funktionen auch beim Menschen denkbar erscheinen, da bereits in tierexperimentellen Modellen eine Verbesserung der Gedächtnisleistung nach oraler Gabe von Trandolapril gezeigt werden konnte. Um diese Hypothese zu testen, sollten zunächst in der vorliegenden Pilotstudie Erkenntnisse zur Wirkung von Trandolapril auf die Symptomatik des OPS bei älteren Patienten mit milder essenzieller Hypertonie gewonnen werden. Weiteres Ziel war der Nachweis einer ausreichenden antihypertensiven Wirkung von Trandolapril. Als Vergleichspräpa8

rat diente die Diuretikumkombination Amilorid/Hydrochlorothiazid (HCT). Patienten und Methodik Bei der Untersuchung handelte es sich um eine monozentrische, prospektive, kontrollierte, randomisierte, doppelblinde Pilotstudie. Die Untersuchungsdauer der Studie wurde auf 14 Wochen mit insgesamt sechs Kontrolluntersuchungen festgelegt. Die Studie wurde gemäß den Grundsätzen der Deklaration von Helsinki durchgeführt und von der zuständigen Ethikkommission genehmigt. Die Patientenrekrutierung erfolgte über Anzeigen in lokalen Tageszeitungen. Bei allen Reagenten auf diese Anzeigen, die an der Mitarbeit im Rahmen dieser Studie Interesse zeigten und nach Aufklärung eine schriftliche Einverständniserklärung abgaben, wurde eine klinische Untersuchung durchgeführt zur Abklärung der Ein- und Ausschlusskriterien. Die Zuteilung der Patienten in den jeweiligen Therapiearm erfolgte anhand einer Randomisierungsliste, die mit einem Zufallszahlengenerator erzeugt wurde. Insgesamt 60 ambulante Patienten, die älter als 55 Jahre waren, wurden in die Studie aufgenommen. Da die meisten Patienten vorbehandelt waren, wurde der dreimonatigen Behandlungsphase eine zweiwöchige Auswaschphase vorgeschaltet, in der alle antihypertensiv oder zerebroaktiv wirkenden Substanzen abzusetzen waren. Eingeschlossen waren Patienten mit einem diastolischen Blutdruck im Sitzen zwischen 90 und 105 mmHg und systolisch ≤ 180 mmHg zum Zeitpunkt der Woche 0. Die Messungen erfolgten mit einem geeichten automatischen Blutdruck-Messgerät an mindestens zwei Tagen (Woche 2 und Woche 0). Die Patienten erhielten zunächst einmal täglich 2 mg Trandolapril oder 2,5 mg Amilorid/25 mg HCT. Beide Prüfsubstanzen wurden in Kapseln verabreicht, die äußerlich in Form und Farbe nicht zu unterscheiden waren. Als Responder galten Patienten mit einem diastoli-

schen Blutdruck ≤ 90 mmHg. Diese sollten ihre Anfangsdosis von einer Kapsel weiter einnehmen. Nonresponder mit einem diastolischen Blutdruck zwischen 91 und 104 mmHg nach vierwöchiger Therapie erhielten eine Dosiserhöhung um eine Kapsel. Patienten mit einem diastolischen Blutdruck ≥ 105 mmHg bzw. < 70 mmHg oder einem systolischen Blutdruck über 180 mmHg wurden von der Studie ausgeschlossen. Zur Diagnose des OPS wurden validierte Verfahren eingesetzt, die die diagnosetypischen Symptome beinhalteten [10]. Im ärztlichen Urteil wurden Demenzsymptome im kognitiven (herabgesetzte geistige Klarheit, Beeinträchtigung des Frischegedächtnisses, Stimmungslabilität, Müdigkeit) und im organischen Bereich (Schwindel, Kopfschmerzen, Ohrensausen, Schlafstörungen) berücksichtigt und der jeweilige Schweregrad mithilfe einer Punkteskala, die von 0 bis 28 Punkte reicht, bewertet. Die Summe der Symptomschweregrade musste in einem der beiden Bereiche mindestens 16 Punkte erreichen. Zur weiteren Diagnose wurde das Fremdbeurteilungsverfahren Sandoz Clinical Assessment Geriatric Scale (SCAG) angewendet. Mit der SCAG werden psychische Rückbildungssymptome bei älteren Menschen durch einen psychologisch geschulten Rater (Prüfarzt) anhand von Punkteskalen beurteilt. Im Rahmen eines Arzt-Patienten-Gesprächs wird zu den Bereichen kognitive, affektive und somatische Störungen sowie zu sozialem Verhalten und Antriebsarmut Stellung genommen. Der Schweregrad wird jeweils in sieben Stufen von „nicht vorhanden“ bis „schwer“ differenziert. Mit dem SCAG beurteilt der Arzt die jeweils vergangene Woche. Als Einschlusskriterium galt eine SCAGGesamtpunktzahl von mindestens 40 Punkten. Ein weiteres Einschlusskriterium war ein Intelligenzquotient von mindestens 80 Punkten, der mithilfe des Mehr-

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Trandolapril bei Demenz älterer Hypertoniker

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Trandolapril Amilorid/HCT

Blutdruck [mmHg]

140

systolisch

Abb. 1: Blutdruckverlauf über zwölf Wochen unter der Behandlung mit Trandolapril (n = 28) und Amilorid/HCT (n = 27).

135 130 100 diastolisch

95 90 85 -2

0

2

4

8

12

Woche

fachwahl-Wortschatz-IntelligenzTests nach Lehrl (MWT-A) bestimmt wurde und als Fähigkeitsnachweis des Patienten diente, die Anforderungen des eingesetzten Instrumentariums zu erfüllen (IQ von 80 entspricht 17 Punkten im MWT-A). Zahlensymboltest (ZS-G), Syndromkurztest (SKT), Eigenschaftswörterliste nach Janke und Debus (EWL 60-S) sowie die Nürnberger Alltagsaktivitätenskala (NAA) wurden als weitere psychometrische Testverfahren zur Charakterisierung allgemeiner, zerebraler Funktionsstörungen herangezogen. Zur Bestimmung der Vigilanz und um besondere Anomalien ausschließen zu können, wurde bei allen Patienten ein 20-minütiges EEG in Woche 0 und 12 aufgenommen. Ausgeschlossen waren Patienten mit schwerer Demenz, die primär zerebral degenerativ (z. B. Morbus Alzheimer) oder primär zerebral nicht degenerativ (z. B. Tumoren, Enzephalitis, Chorea Huntington) oder sekundär bedingt waren. Die statistische Auswertung umfasste die Homogenitätstestung der Patienten beider Therapiearme bei Woche 0 (soziodemographische Merkmale, Blutdruckwerte, Schweregrade des OPS: Demenzsymptome, SCAG, psychometrische Tests) sowie den intraindividuellen Vorher-Nachher-Vergleich und Gruppenvergleich. Zur deskriptiven Darstellung der Ergebnisse wurden ge-

eignete Testverfahren (Wilcoxon-Test, t-Test) herangezogen. Darüber hinaus wurden die Responderraten und andere kategoriale Raten hinsichtlich relevanter Veränderungen (hyperton zu Grenzbereich bzw. normoton) mit dem Chi2-Test verglichen. Alle Angaben sind Mittelwerte mit Standardabweichung. Ergebnisse Allgemein. 60 Patienten wurden in die Pilotstudie aufgenommen, davon erhielten je 30 den ACE-Hemmer Trandolapril bzw. das Diuretikum Amilorid-/HCT. Insgesamt 55 Patienten beendeten die Studie nach zwölf Wochen und kamen in die Auswertung, 28 in der Trandolapril- und 27 in der Amilorid/HCT-Gruppe. Die Patientenmerkmale beider Gruppen zeigten zu Studienbeginn keine signifikanten Unterschiede mit Ausnahme etwas höherer Ausgangswerte des diastolischen Blutdrucks bei Woche 0 (p < 0,05) für die Trandolaprilgruppe (Tabelle 1). Auch hinsichtlich der OPS-Symptomschweregrade (Demenzsymptome, SCAG) sowie des MWT-A bestanden keine signifikanten Unterschiede. Die durchschnittliche Dauer der Begleiterkrankung „organisches Psychosyndrom“ betrug in der Trandolaprilgruppe 36 Monate, in der Vergleichsgruppe 38 Monate. Familienstand, berufliche und wohnliche Situation unterschieden sich

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ebenso nicht wesentlich zwischen den Gruppen wie auch die psychometrischen Tests (ZS-G, SKT, EWL-60S, NAA) sowie die EEG-Analyse, die keine pathologischen Auffälligkeiten bei der Screening-Untersuchung zeigte. Blutdruckverlauf. In beiden Behandlungsgruppen kam es zu einer statistisch signifikanten Blutdrucksenkung von Woche 0 auf 12 mit Differenzen von systolisch/diastolisch 6,6 ± 10,8/7,6 ± 5,8 mmHg in der Trandolapril- und 11,8 ± 14,1/7,3 ± 5,3 mmHg in der Vergleichsgruppe (Abb. 1). Nach vierwöchiger Therapiedauer lag die Responderrate bei 59% (17 Patienten) unter Trandolapril bzw. 72% (20 Patienten) unter Amilorid/HCT. Gemäß Studienprotokoll erfolgte bei den Nonrespondern eine Dosiserhöhung auf täglich zwei Kapseln, die jedoch in beiden Gruppen keine wesentliche weitere Blutdrucksenkung bewirkte. Bei Studienende (Woche 12) lag die Responderrate in der Trandolaprilgruppe bei 50%, in der Vergleichsgruppe bei 48%. Zwischen den Behandlungsgruppen ergaben sich während des gesamten Studienverlaufs keine signifikanten Unterschiede im Blutdruckverlauf. Organisches Psychosyndrom. Der Schweregrad der Demenzsymptomatik verbesserte sich nach zwölf Wochen in beiden Behandlungsgruppen sowohl im psychisch-kognitiven als auch organischen Symptombereich signifikant gegenüber den Ausgangswerten (Abb. 2). Im psychisch-kognitiven Bereich reduzierte sich die Gesamtpunktzahl um 4,7 ± 3,0 Punkte in der Trandolapril- und um 2,4 ± 2,0 Punkte in der Amilorid-/HCT-Gruppe (p < 0,001). Die etwa doppelte Abnahme der Punktzahl unter Trandolapril versus Amilorid/HCT war signifikant (p < 0,01). Insbesondere für die Parameter Stimmungslabilität und Müdigkeit ergaben sich für Trandolapril signifikante Unterschiede zu Woche 12. Die Gesamtpunktzahl des organischen Symptombereichs hatte sich bei Studienende in der Trandolaprilgruppe um 9

Trandolapril bei Demenz älterer Hypertoniker

Demenz: Symptomenbereiche psychisch-kognitiv

SCAG: alle Faktoren 60

organisch

**

*

50 Gesamtpunkte

16

Gesamtpunkte

*** 12

***

***

*** ***

8

*** ***

40 30 20 10

4

0 Woche

0 Woche

0

*** p < 0,001

0

12

0

Trandolapril

12

0

12

0

12 Trandolapril

0

12

Amilorid/HCT

12

Amilorid/HCT

Abb. 3: SCAG-Gesamtpunktzahl (Summe der fünf Einzelfaktoren) und Veränderungen nach zwölf Wochen Behandlung mit Trandolapril (n = 28) oder Amilorid/HCT (n = 27).

* p = 0,05 ** p = 0,01 *** p = 0,001

Abb. 2: Schweregrad der Demenzsymptome (psychisch-kognitive und organische Symptombereiche) vor und nach zwölf Wochen Behandlung mit Trandolapril (n = 28) bzw. Amilorid/HCT (n = 27).

10

Punkte sank nach zwölfwöchiger Therapie (p < 0,001). Die Beeinflussung der SCAG-Einzelfaktoren durch die beiden Antihypertensiva ist in Abbildung 4 dargestellt. Der am stärksten ausgeprägte Einzelfaktor „Affektive Störungen“ wurde unter Trandolapril um 5,8 Punkte verbessert, in der Vergleichsgruppe le-

diglich um 2,2 Punkte (p < 0,001). Ausmaß und Veränderung der OPSSymptomatik anhand des MWT-A sowie den ergänzend durchgeführten psychometrischen Tests ließen leichte Verbesserungen nach zwölf Wochen erkennen, wobei die Unterschiede im Vor-/Nach-Vergleich als auch zwischen

SCAG: Einzelfaktoren Kognitive Störungen

Soziales Verhalten

Affektive Störungen

Antriebsarmut

14

Somatische Störungen

*** **

12 *

***

***

*

10

Punkte

durchschnittlich 5,9 ± 3,8 Punkte, in der Amilorid-/HCT-Gruppe um 3,8 ± 3,6 Punkte verbessert (p < 0,001). Der Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen war signifikant (p < 0,05). Ähnliche Ergebnisse lieferte die mittels SCAG beurteilte Ausprägung der OPSSymptomatik, bei der die fünf Einzelfaktoren kognitive Störungen, soziales Verhalten, Antriebsarmut, affektive und somatische Störungen untersucht wurden. Die SCAG-Gesamtpunktzahl (Zusammenfassung der fünf Einzelfaktoren) war nach zwölf Wochen signifikant gesenkt in beiden Gruppen (p < 0,001), unter Trandolapril von 57,2 ± 9,9 auf 40,3 ± 9,1 Punkte, während unter Amilorid/HCT ein Rückgang von 54,0 ± 6,6 auf 46,6 ± 6,5 Punkte zu verzeichnen war (Abb. 3). Die Differenzen von Woche 0 zu 12 zwischen beiden Gruppen mit 17,1 ± 8,5 Punkten (Trandolapril) und 7,0 ± 4,5 Punkten (Amilorid/HCT) waren signifikant (p < 0,001). Bei Betrachtung pro Patient war auffallend, dass die bei Einschluss in die Studie geforderte SCAG-Gesamtpunktzahl von mindestens 40 Punkten bei signifikant mehr Patienten der Trandolaprilgruppe, nämlich 19 Patienten (68%), jedoch nur bei fünf Patienten (19%) der Vergleichsgruppe auf Werte unter 40

*

***

8

***

***

* ***

***

*** ***

6 4 2 0

0 12

* p < 0,05

0 12 ** p < 0,01

0 12

0 12

*** p < 0,001

0 12

0 12

0 12

Trandolapril

0 12

0 12

0 12

Amilorid/HCT

Abb. 4: Beeinflussung der SCAG-Einzelfaktoren durch Trandolapril (n = 28) oder Amilorid/HCT (n = 27) nach zwölf Wochen Behandlung. FORTSCHRITTE DER MEDIZIN Originalien 118. Jg., Nr. I/2000, W. Landgraf et al., Trandolapril

Trandolapril bei Demenz älterer Hypertoniker

den beiden Behandlungsgruppen nicht signifikant waren. Lediglich im Bereich der Selbsteinschätzung durch den Patienten im Rahmen des EWL-60S-Tests ergaben sich unter Amilorid/HCT signifikant verschlechterte Werte im Bereich „allgemeines Wohlbehagen“, während unter Trandolapril keine wesentlichen Veränderungen festgestellt wurden. Verträglichkeit. Beide Prüfpräparate wurden von über 90% der Patienten gut vertragen. Insgesamt fünf Patienten brachen die Studie vorzeitig ab, davon drei Patienten wegen unerwünschter Ereignisse (ein Trandolaprilpatient wegen Hustens, zwei Amilorid/HCT-Patienten wegen gastrointestinaler Störungen bzw. Schwindel). Diskussion Im Rahmen dieser explorativen Pilotstudie konnte nach einer dreimonatigen Therapie mit dem ACE-Hemmer Trandolapril bzw. der Diuretikumkombination Amilorid/HCT bei älteren Patienten mit milder Hypertonie, die in Form eines organischen Psychosyndroms bereits Symptome einer beginnenden Demenz aufwiesen, neben einer signifikanten und klinisch zufrieden stellenden Blutdrucksenkung gleichzeitig eine signifikante Verbesserung der Demenzsymptomatik nachgewiesen werden. Diese Beobachtung lässt vermuten, dass bereits eine effiziente Blutdrucksenkung auf Werte unter 140/90 mmHg zu einer allgemeinen Verbesserung von Demenzsymptomen und kognitiven Störungen führen kann. Dass eine konsequente, langjährige antihypertensive Therapie gerade bei älteren Patienten die Inzidenz von Demenzen einschließlich Alzheimer-Demenzen drastisch reduzieren kann, zeigten Daten der SystEur-Studie mit dem Kalziumantagonisten Nitrendipin [5]. Obwohl die Pilotstudie nicht als Überlegenheitsnachweis für einen der beiden Therapieansätze ausgelegt war, waren die im psychisch-kognitiven und organischen Symptomenbereich sowie im Fremdbeurteilungsverfahren SCAG

erzielten Verbesserungen unter Trandolapril signifikant stärker ausgeprägt als unter dem Diuretikum. Es wäre denkbar, dass Trandolapril in ausreichender Konzentration auch beim Menschen die Blut-Hirn-Schranke passieren kann, und die nachweisbaren Unterschiede sich auf eine zusätzliche blutdruckunabhängige zerebrale Wirkung von Trandolapril zurückführen lassen. Die wesentlich ausgeprägtere Abnahme der SCAG-Gesamtpunkte bei Dosiserhöhung von Trandolapril bei unveränderten Blutdruckwerten könnte ein Hinweis für diese Annahme sein. So führte bei 13 Nonrespondern der Trandolaprilgruppe die notwendige Dosiserhöhung nach vier Wochen auf 4 mg Trandolapril/Tag zu einer mittleren Abnahme der SCAG-Gesamtwerte um 19,9 Punkte vom Ausgangswert, während bei den mit 2 mg Trandolapril/Tag behandelten Patienten die mittlere Abnahme nur 14,3 Punkte betrug. Es fiel dabei auf, dass bei allen

SCAG-Einzelfaktoren die Reduktion der Symptome bei den mit 4 mg Trandolapril behandelten Patienten deutlicher ausfiel. Patienten der Amilorid-/HCT-Gruppe zeigten keine Verbesserung der mittleren Abnahme der SCAG-Gesamtwerte durch eine Dosiserhöhung. Bei zehn Patienten, die blutdruckbedingt die doppelte Dosis verabreicht bekamen, betrug die mittlere Abnahme 5,5 Punkte und unterschied sich nicht von der normaldosierten Gruppe mit 7,4 Punkten. Es wäre möglich, dass Trandolapril aufgrund seiner Gehirngängigkeit zu einer dosisabhängigen Hemmung spezifischer, durch zahlreiche Befunde und Studien nachgewiesener funktioneller RA-Systeme im Gehirn führen könnte [4, 5, 6], welche durch das Vergleichspräparat direkt unbeeinflusst blieben. Es gibt genügend Hinweise, dass offensichtlich Hirnleistung als auch Gedächtnismuster via Interaktion mit dem cholinergen System durch Angiotensin II

Tabelle 1: Ausgangsparameter der mit Trandolapril oder Amilorid/HCT behandelten Patienten bei Studienbeginn (Woche 0) (SCAG = Sandoz Clinical Assessment Geriatric Scale, MWT-A: Mehrfachwahl-Wortschatz-Intelligenztest nach Lehrl) Charakteristika

Trandolapril

Amilorid/HCT

Patientenanzahl

30

30

Geschlecht

17 männlich

15 männlich

Alter [Jahre]

63,8 ± 4,9

63,8 ± 6,5

170,2 ± 7,8

168,7 ± 7,6

Körpergröße [cm] Körpergewicht [kg] Raucher (%)

79,7 ± 12,5 20,0

73,3 ± 11,9 36,7

Diastolischer Blutdruck [mmHg]

97,5 ± 3,7*

95,6 ± 3,7

Systolischer Blutdruck [mmHg]

144,9 ± 10,3

146,3 ± 10,0

Erkrankungsdauer Hypertonie [Monate]

116 ± 107

Erkrankungsdauer org. Psychosyndrom [Monate]

36 ± 20

74 ± 78 38 ± 19,5

Demenzsymptome (Gesamtpunkte): – psychisch-kognitiv – organisch

16,5 ± 2,8 15,2 ± 3,2

16,2 ± 2,0 15,3 ± 3,4

SCAG (Gesamtpunkte)

57,2 ± 9,9

54,0 ± 6,6

MWT-A (Gesamtpunkte)

30,2 ± 3,5

30,0 ± 3,9

* p < 0,05

FORTSCHRITTE DER MEDIZIN Originalien 118. Jg., Nr. I/2000, W. Landgraf et al., Trandolapril

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Trandolapril bei Demenz älterer Hypertoniker

beeinträchtigt wird [17], ebenso dass die Beeinflussung des zerebralen NO-Stoffwechsels und Interaktionen mit exzitatorischen Aminosäuren durch ACE-Hemmung eine wichtige Rolle bei kognitiven Leistungen spielen könnte [8, 11]. Für Diuretika ist eine direkte zerebrale Wirkung nicht bekannt. Da es unter dieser Stoffgruppe dosisabhängig im Sinne einer Gegenregulation häufig zu einer Stimulation des ReninAngiotensin-Systems kommt, ist es durchaus denkbar, dass auch Amilorid/HCT – obgleich eine Bestimmung der Plasmareninaktivitäten in dieser Studie nicht vorgenommen wurde – möglicherweise indirekt durch erhöhte Aktivität zerebraler RA-Systeme zu einer Abschwächung der durch die Blutdruck senkende Wirkung erzielten günstigen Beeinflussung kognitiver Funktionen führt. Gehirngängige ACE-Hemmer wie Trandolapril könnten dagegen neben der antihypertensiven Wirkkomponente durch additive zerebrale Effekte einen insgesamt günstigeren Einfluss auf die Demenzsymptomatik bei älteren Patienten nehmen als andere Antihypertensiva, die nicht zerebral wirken oder zerebrale RA-Systeme beeinflussen.

tenkollektiven zu bestätigen. Summary: Efficacy of Trandolapril and the Combination Amiloride/Hydrochlorothiazide in Patients with Mild Hypertension and an Organic Psychosyndrome Background: Animal studies have shown a positive effect of ACE-inhibitors on a range of cognitive functions. Although elderly hypertensives have often been observed to benefit clinically, the effects have not been adequately confirmed in controlled comparative studies. Methods: In a monocentric randomized double-blind pilot study on 60 elderly hypertensives with an organic psychosyndrome, the effect of the lipophilic ACE-inhibitor trandolapril (2 mg daily) and the diuretic combination amiloride/hydrochlorothiazide (HCT) (2.5/25 mg daily) on blood pressure and symptoms of dementia was investigated. Results: After 3 months of treatment, the decrease in blood pressure was similar and statistically significant for both regimens, and the overall severity of the dementia symptoms as determined by a validated scoring system also improved significantly under both regimens (p ‹ 0.001). Here, however, the degree of improvement was significantly more pronounced with the ACE-inhibitor than with the diuretic (p ‹ 0.01). A difference in the effect on the symptoms of dementia was also found between the two regimens with the Sandoz Clinical Assessment Geriatric Scale (SCAG). Although both trandolapril and amiloride/hydrochlorothiazide significantly reduced the SCAG score (from 57.2 to 40.3 and from 54.0 to 46.6, respectively, p ‹ 0.001), the reduction was significantly greater under the ACE-inhibitor (p ‹ 0.001). The overall improvement included improved scores for all the SCAG parameters (cognitive, somatic and affective disorders, social behavior and lack of drive). Conclusion: While blood pressure reduction was adequate with both regimens, the ACE-inhibitor trandolapril had a significantly better effect on the symptoms of the organic psychosyndrome in elderly hypertensives. This suggests a reduced blood pressure-independent favorable effect of trandolapril on cognitive functions, possibly by suppressing cerebral renin-angiotensin systems. Keywords: Trandolapril – amiloride/hydrochlorothiazide – hypertension – dementia – psychometric test

Fazit

Literatur

Folgt man den Ergebnissen dieser Pilotstudie, so scheinen ältere Hypertoniker mit OPS von einer antihypertensiven Therapie mit dem ACE-Hemmer Trandolapril bzw. der Kombination aus Amilorid/HCT allgemein zu profitieren. Ob die für den lipophilen ACEHemmer Trandolapril signifikant besseren Ergebnisse hinsichtlich der Beeinflussung des organischen Psychosyndroms bei dieser Patientengruppe durch eine zusätzliche zerebrale Wirkkomponente erklärbar sind, ist durch weitere Studien mit größeren Patien-

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Für die Verfasser: Dr. rer. nat. Wolfgang Landgraf, Aventis Pharma Deutschland GmbH, Königsteiner Straße 10, D-65812 Bad Soden, Tel.: 069-305-84273, Fax: 069-305-80771, E-Mail: [email protected]

FORTSCHRITTE DER MEDIZIN Originalien 118. Jg., Nr. I/2000, W. Landgraf et al., Trandolapril