Alles was Recht ist Rechtsgrundlagen, Verantwortlichkeiten, Entscheidungswege im Gesundheitswesen

Prof. Dr. Dieter Hart Alles was Recht ist Rechtsgrundlagen, Verantwortlichkeiten,  Entscheidungswege im Gesundheitswesen Vortrag auf der Tagung der  ...
Author: Sophie Mann
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Prof. Dr. Dieter Hart

Alles was Recht ist Rechtsgrundlagen, Verantwortlichkeiten,  Entscheidungswege im Gesundheitswesen Vortrag auf der Tagung der  Evangelischen Akademie Tutzing  „Die Krankenkasse zahlt nicht  (mehr) alles“ am 28.10.2011

Überblick I I. Einführung II. Rechtsgebiete III. SGB V: Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung I 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 2

2 Abs. 1 S. 3 SGB V: die Grundlage – der Standard 12 Abs. 1 SGB V: ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich 70 SGB V: Krankenkassen – Qualität, Humanität, Wirtschaftlichkeit 27 Abs. 1, 28 SGB V: Krankenbehandlung (+ Zugang) 39 SGB V: Krankenhausbehandlung (+ Zugang) 31 SGB V: Arzneimittelbehandlung (AM) und deren Ausschluss 35 a SGB V: Nutzenbewertung von AM mit neuen Wirkstoffen

Überblick II IV. SGB V: Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung II 1. 2. 3.

Qualitätssicherung 91 ff SGB V: G-BA 139 a ff SGB V: IQWiG

V. Vier Beispiele 1. 2. 3. 4.

IGEL Stoßwellentherapie Neues Arzneimittel Teststreifen

VI. Resümee 3

I. Einführung Die Krankenkasse zahlt nicht (mehr) alles    

Es geht um die gesetzliche Krankenversicherung (GKV)! Grundsatz: Sachleistung, nicht Erstattung = erbringt! Die GKV hat noch nie alles gezahlt. Erbringt sie weniger und wenn ja, seit wann, was und warum?  Wer legt das fest?  Gesetz  G-BA  IQWiG

 Strukturen der Festlegung des Leistungskatalogs in der GKV  für Untersuchungs- und Behandlungsmethoden  stationär  vertragsärztlich

 Arzneimittel

 Ausschlüsse

4

I. Einführung (und Resümee)  Die Entscheidung über den Leistungskatalog in der GKV fällt in einem komplizierten, aber weitgehend transparenten System nach klaren, gut nachvollziehbaren allgemeinen Kriterien.  Zweckmäßigkeit (Nutzen) und Wirtschaftlichkeit bilden ihr Zentrum.  Der medizinische Standard ist ihr Ausgangspunkt.  Ihre „Verwaltung“ obliegt dem G-BA und dem IQWiG.  Sie setzen den Rahmen für die Einzelentscheidung über die Leistungsansprüche der Versicherten. 5

I. Einführung: Das System der GKV Versicherungsverhältnis

Kassen Gemeinsame

Vertragsverhältnis

Leistungserbringer Selbst-

Versicherte

verwaltung

G-BA Entscheidungszentrum

„Zulassung“ Unterausschüsse

Auftrag IQWiG

Empfehlung

Qualitätssicherung

AQUA 6

II. Rechtsgebiete am Beispiel Arzt/Pflege‐Patient‐Beziehung Zivilrecht ‐ VertragsR ‐ DeliktsR BerufsR

SozialversicherungsR

Arzt/Pflege‐Patient Beziehung ArbeitsR

KrankenhausR

GesellschaftR

SicherheitsR ‐ AMR ‐ MedPR WettbewerbsR

7

II. Rechtsgebiete am Beispiel Arzneimittel

EuropR

Arzneimittelrecht Deklaration

Haftungs‐ Recht

MPG Arzneimittel

Berufs‐ recht

TFG Sozialrecht 8

II. Rechtsgebiete am Beispiel Arzneimittel

Zulassungs‐ Sicherheitsrecht

Arzneimittelrecht

Recht

Marktverkehrs „vorgreiflich“

Ausgleichsrecht Arzthaftungsrecht 9

Versorgungsrecht GKV‐R

III. SGB°V: Recht der Gesetzlichen  Krankenversicherung I

§ 27 Abs. 1 S. 1 SGB V Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.

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III. SGB°V: Recht der Gesetzlichen  Krankenversicherung I  § 27 Abs. 1 SGB V: prinzipiell unbegrenzter Heilbehandlungsanspruch  Aber: Leistungsausschlüsse oder -beschränkungen  „Vom Standard nicht umfasst!“ (nicht Thema!)  Gesetz: nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (§ 34 Abs. 1 SGB V); Sehhilfen (§ 33 Abs. 2 SGB V); Beschränkung auf Teilleistungen (§ 55 Abs. 1 SGB V Zahnersatz; § 27a SGB V künstliche Befruchtung) = explizite Rationierung  Beschränkungen des Leistungskatalogs der GKV durch Entscheidung des G-BA = explizite Rationierung  Beschränkung der Leistungen durch „implizite Rationierung“; z. B. Bugetierung (faktische Auswirkung einer Mittel-Begrenzung auf Makroebene auf die individuelle Behandlung)  Priorisierung: Rangfolge von Erkrankungen oder Behandlungsmöglichkeiten als Basis für Versorgungsentscheidungen 11

III. SGB V: Recht der Gesetzlichen  Krankenversicherung I § 2 Abs. 1 Satz 1‐3 Leistungen 1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots ( 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. 2) Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen.

3) Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. 12

Behandlung

wissenschaftliche Erkenntnis Akzeptanz in der Profession

Standard Leitlinien 13

ärztliche Erfahrung

III.1  2 Abs. 1 S. 3 SGB V: die Grundlage – der  Standard Medizinisches Wissen Evidenzbasierte Medizin Möglichst hochwertige Evidenz (Qualitätsränge)  Metastudien, Studien,   Einzelfallerfahrung

Bewertungsverfahren Akzeptanzfeststellung auf möglichst rationaler  Basis Z. B. Delphi‐Verfahren 14

III.1  2 Abs. 1 S. 3 SGB V: die Grundlage – der  Standard Evidenzstufen (nach 5. Kap. G-BA-VerfO) I a Systematische Übersichtsarbeiten von Studien der Evidenzstufe I b  I b Randomisierte klinische Studien  II a Systematische Übersichtsarbeiten von Studien der Evidenzstufe II b  II b Prospektive vergleichende Kohortenstudien III Retrospektive vergleichende Studien  IV Fallserien und andere nicht vergleichende Studien  V Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen,  deskriptive Darstellungen, Einzelfallberichte, u. ä.; nicht mit Studien  belegte Meinungen anerkannter Expertinnen und Experten, Berichte von  Expertenkomitees und Konsensuskonferenzen 15

III.1 

2 Abs. 1 S. 3 SGB V: die Grundlage – der  Standard

 Der Nutzennachweis sollte auf der in der Qualitätsrangskala der EbM höchsten Stufe geführt werden. Ausnahmen von dieser Anforderung sind notwendig und anerkannt bei Schwierigkeiten, überhaupt wissenschaftliche Aussagen wegen der Art der Erkrankung – einzigartig, selten, systematische Erforschung scheidet aus, notstandsartige Situation – zu gewinnen.  Der Nutzennachweis kann auf den niedrigeren Rangstufen begründet werden, sofern das angemessen ist und höherrangige Evidenz nicht vorhanden oder nicht überzeugend und nicht generierbar ist.  Die Anforderungen an den Nachweis müssen bei den beiden Komponenten der Nutzenbilanz (positive + negative Effekte) aufgrund des Risikovorsorgeprinzips differenziert werden. 16

III.1  § 2 Abs. 1 S. 3 SGB°V: die Grundlage – der Standard Indikation 1. Bewertung 2. Bewertung 

effectiveness

Risiken  3. Abwägung

Nutzen 17

III.1   2 Abs. 1 S. 3 SGB V: die Grundlage – der  Standard positive [effectiveness]

negative [Risiken] Indikation Effekte (Nutzen I)

vergleichende Abwägung Stand des Wissens

18

Maßstäbe des Bewertens

Nutzen II

III.1   2 Abs. 1 S. 3 SGB V: die Grundlage – der  Standard 1. Nutzenbewertung ist ein Prozess. Er setzt sich aus a. der Analyse der Wissenssituation, b. der Nutzenbewertung und c. der vergleichenden Nutzenbewertung zusammen. 2. Sein vorläufiges Ende findet er in einer rechtlich verfassten Entscheidung. 3. Nutzen wird hier definiert als das positive Ergebnis oder die positive Bilanz der vergleichenden Abwägung zwischen Wirksamkeitswahrscheinlichkeit (effectiveness!) und Risiken (Sicherheit, Schadenswahrscheinlichkeit) einer oder mehrerer medizinischer Methoden unter Alltagsbedingungen im Hinblick auf das diagnostische oder therapeutische Ziel oder Teilziel der Behandlung von Patienten bzw. Patientengruppen. 19

III.2   12 Abs. 1 SGB V: ausreichend,  zweckmäßig und wirtschaftlich § 12 Abs. 1 Wirtschaftlichkeitsgebot 1 Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. 2 Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

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III.2   12 Abs. 1 SGB V: ausreichend,  zweckmäßig und wirtschaftlich

ausreichend = keine Übermaßbehandlung

21

III.2   12 Abs. 1 SGB V: ausreichend,  zweckmäßig und wirtschaftlich

zweckmäßig = Nutzen

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III.2  12 Abs. 1 SGB V: ausreichend,  zweckmäßig und wirtschaftlich  Rechtlich

 Zwei Sachverhalte  bezogen auf die Behandlung des einzelnen Patienten  bezogen auf die Kosten einer Behandlung für die Versichertengemeinschaft  Rechtliche Voraussetzungen und Grenzen

 Gesundheitsökonomie – Rechtliche Rezeption  Generierung der Wissensbasis nach wissenschaftlichmethodischen Regeln  Unterschied zur Medizin  keine Nutzen-Kosten-Bewertung, solange Nutzen  nicht professionell festgelegt  und normativ festgestellt

 Rezeption durch Normgeber in eigener Wertung 23 (Zitat: Robert Francke)

III.2  12 Abs. 1 SGB V: ausreichend,  zweckmäßig und wirtschaftlich; notwendig  Nutzen und Notwendigkeit  Nutzen: ob die Methode eingesetzt werden kann  Notwendigkeit:  ob die Methode eingesetzt muss  Kein Automatismus der Übernahme des wissenschaftlichen Urteils

 Maßstab der Entscheidung des G‐BA:   Relevanz der medizinischen Methode   zur Erreichung der Teilziele des § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V  unentbehrlich, unvermeidlich, unverzichtbar für Versorgung? (Zitat: Robert Francke) 24

III.3  70 SGB V: Krankenkassen – Qualität,  Humanität, Wirtschaftlichkeit § 70 Qualität, Humanität und Wirtschaftlichkeit (1) 1 Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben eine  bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkann‐ ten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Ver‐ sorgung der Versicherten zu gewährleisten. 2 Die Versorgung  der Versicherten muss ausreichend und zweckmäßig sein, darf  das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muss in der  fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht  werden. (2) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben durch  geeignete Maßnahmen auf eine humane Krankenbehandlung  ihrer Versicherten hinzuwirken. 25

III.4   27 Abs. 1, 28 SGB V:  Krankenbehandlung § 28 Ärztliche und zahnärztliche Behandlung (1) 1 Die ärztliche Behandlung umfasst die Tätigkeit des  Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung  von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst  ausreichend und zweckmäßig ist. 2 Zur ärztlichen  Behandlung gehört auch die Hilfeleistung anderer  Personen, die von dem Arzt angeordnet und von ihm zu  verantworten ist.

26

III.4   76 SGB V: Zugang zu vertragsärztlicher  Versorgung (1) 1 Die Versicherten können unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, den medizinischen Versorgungszentren, den ermächtigten Ärzten, den ermächtigten oder nach 116b an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Einrichtungen, den Zahnkliniken der Krankenkassen, den Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach 140 Abs. 2 Satz 2, den nach 72a Abs. 3 vertraglich zur ärztlichen Behandlung verpflichteten Ärzten und Zahnärzten, den zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäusern sowie den Einrichtungen nach 75 Abs. 9 frei wählen. 27

III.5   39 Abs. 1 SGB V:  Krankenhausbehandlung § 39 Krankenhausbehandlung 1 Die Krankenhausbehandlung wird vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär ( 115a) sowie ambulant ( 115b) erbracht. 2 Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus ( 108), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. 3 Die Krankenhausbehandlung umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung ( 28 Abs. 1), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung; die akutstationäre Behandlung umfasst auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation. 28

III.5   108 SGB V: Zugang zu  Krankenhausversorgung Die Krankenkassen dürfen Krankenhausbehandlung nur durch folgende Krankenhäuser (zugelassene Krankenhäuser) erbringen lassen: 1. Krankenhäuser, die nach den landesrechtlichen Vorschriften als Hochschulklinik anerkannt sind, 2. Krankenhäuser, die in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen sind (Plankrankenhäuser) oder 3. Krankenhäuser, die einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossen haben. 29

III.6   31 SGB V: Arzneimittelbehandlung (AM)  und deren Ausschluss (1) 1 Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apotheken‐ pflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach  § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 aus‐ geschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln,  Harn‐ und Blutteststreifen. (2) 1 Für ein Arznei‐ oder Verbandmittel, für das ein Festbetrag nach § 35 oder § 35a festgesetzt ist, trägt die Krankenkasse die  Kosten bis zur Höhe dieses Betrages, für andere Arznei‐ oder  Verbandmittel die vollen Kosten, jeweils abzüglich der vom  Versicherten zu leistenden Zuzahlung und der Abschläge nach  den §§ 130, 130 a und dem Gesetz zur Einführung von Abschlä‐ gen der pharmazeutischen Großhändler. 30

III.6   31 SGB V: Arzneimittelbehandlung (AM)  und deren Ausschluss § 34 Abs. 1 SGB V  1 Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versor‐ gung nach § 31 ausgeschlossen. 2 Der Gemeinsame Bundesauss‐ chuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 erstmals  bis zum 31. März 2004 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen  Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkran‐ kungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen  Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise  verordnet werden können. 3 Dabei ist der therapeutischen Vielfalt  Rechnung zu tragen. 4 Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf  der Grundlage der Richtlinie nach Satz 2 dafür Sorge zu tragen, dass  eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Fertigarzneimittel  erstellt, regelmäßig aktualisiert wird und im Internet abruffähig so‐ wie in elektronisch weiterverarbeitbarer Form zur Verfügung steht. 31

III.6  § 31 SGB°V: Arzneimittelbehandlung (AM)  und deren Ausschluss

 Zulassung bestimmt „Zulassung“  AMG = Wirksamkeit, Sicherheit, Qualität  SGB V = Qualität, Wirtschaftlichkeit

32

III.6   31 SGB V: Arzneimittelbehandlung (AM)  und deren Ausschluss Zulassungs‐ Sicherheitsrecht

Arzneimittelrecht

Recht

Marktverkehrs „vorgreiflich“

Ausgleichsrecht Arzthaftungsrecht 33

Versorgungsrecht GKV‐R

III.7   35 a SGB V: Nutzenbewertung von AM  mit neuen Wirkstoffen § 35a Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln mit  neuen Wirkstoffen (1) 1 Der Gemeinsame Bundesausschuss bewertet den Nutzen von 

erstattungsfähigen Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen. 2 Hierzu  gehört insbesondere die Bewertung des Zusatznutzens gegenüber  der zweckmäßigen Vergleichstherapie, des Ausmaßes des Zusatz‐ nutzens und seiner therapeutischen Bedeutung. 3 Die Nutzenbe‐ wertung erfolgt aufgrund von Nachweisen des pharmazeutischen  Unternehmers, die er einschließlich aller von ihm durchgeführten  oder in Auftrag gegebenen klinischen Prüfungen spätestens zum  Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens als auch der Zulas‐ sung neuer Anwendungsgebiete des Arzneimittels an den Gemein‐ samen Bundesausschuss elektronisch zu übermitteln hat, und die  insbesondere folgende Angaben enthalten müssen: ….. 34

35

IV. SGB V: Recht der Gesetzlichen  Krankenversicherung II

Qualitätssicherung Institutionen

36

IV.1  

135 ff SGB V: Qualitätssicherung

 Qualitätssicherung (QS) erfolgt unterschiedlich für vertragsärztlichen und stationären Bereich:  Verbot mit Erlaubnisvorbehalt: vertragsärztlicher Bereich  Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt: stationärer Bereich

 Auseinanderfallen zulässiger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden deshalb möglich („soll nicht, aber kann doch“)  Aber:  Verpflichtung zur einrichtungsübergreifenden QS;  Verpflichtung zum einrichtungsinternen Qualitätsmanagement;  G-BA legt verpflichtende Maßnahmen zu QS für beide Bereiche „grundsätzlich einheitlich für alle Patienten“ und sektorübergreifend fest.

37

IV.1  

135 Abs. 1 SGB V: Qualitätssicherung

1 Neue Untersuchungs‐ und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztl‐ ichen … Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn  der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag … in Richtlinien nach § 92 Abs. 1  Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über 1.

2. 3.

die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen  Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit – auch im  Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden – nach dem  jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierich‐ tung, die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie  Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte  Anwendung der neuen Methode zu sichern, und die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.

2 Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkass‐ en erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen darauf‐ hin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. 3 Falls die Überprüfung  ergibt, dass diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht  mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der  Krankenkassen erbracht werden. 38

IV.1  

137 c Abs. 1 SGB V: Qualitätssicherung

Bewertung von Untersuchungs‐ und Behandlungsmethoden im  Krankenhaus (1) 1 Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 überprüft auf Antrag  des Spitzenverbandes Bund, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder  eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs‐ und Be‐ handlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im  Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder ange‐ wandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweck‐ mäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berück‐ sichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkennt‐ nisse erforderlich sind. 2 Ergibt die Überprüfung, dass die Methode nicht  den Kriterien nach Satz 1 entspricht, erlässt der Gemeinsame Bundesaus‐ schuss eine entsprechende Richtlinie.

39

IV.2  

91 ff SGB V: G‐BA 

Versicherungsverhältnis

Kassen

Vertragsverhältnis

Leistungserbringer

Versicherte

G-BA Entscheidungszentrum

„Zulassung“ Unterausschüsse

Auftrag IQWiG

Empfehlung

Qualitätssicherung

AQUA 40

IV.2  

91 ff SGB V: G‐BA 

 Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland. Er bestimmt in Form von Richtlinien den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für mehr als 70 Millionen Versicherte und legt damit fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der GKV erstattet werden. Darüber hinaus beschließt der G-BA Maßnahmen der Qualitätssicherung für den ambulanten und stationären Bereich des Gesundheitswesens.  Rechtsgrundlage für die Arbeit des G-BA ist das SGB V. Entsprechend der Patientenbeteiligungsverordnung nehmen Patientenvertreter und Patientenvertreterinnen an den Beratungen des G-BA mitberatend teil und haben ein Antragsrecht. 41

IV.2  

91 ff SGB V: G‐BA 

§ 92 SGB V: Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (1) 1 Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärzt‐ lichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine aus‐ reichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; ….  er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnah‐ men einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem  Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische  Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht  nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken  oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere,  wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen  oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist.   2 Er soll insbesondere  Richtlinien beschließen über die 1. ärztliche Behandlung, … 5. Einführung neuer Untersuchungs‐ und Behandlungsmethoden, …. 6. Verordnung von Arznei‐, Verband‐, Heil‐ und Hilfsmitteln,  Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege und  Soziotherapie, 42

IV.2  

43

91 ff SGB V: G‐BA 

IV.3  

139 a SGB V: IQWiG

(3) Das Institut wird zu Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für die  Qualität und Wirtschaftlichkeit der im Rahmen der gesetzlichen  Krankenversicherung erbrachten Leistungen insbesondere auf folgenden  Gebieten tätig: 1. 2. 3. 4. 5. 6.

44

Recherche, Darstellung und Bewertung des aktuellen medizinischen  Wissensstandes zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren bei  ausgewählten Krankheiten, Erstellung von wissenschaftlichen Ausarbeitungen, Gutachten und Stellung‐ nahmen zu Fragen der Qualität und Wirtschaftlichkeit der im Rahmen der  gesetzlichen Krankenversicherung erbrachten Leistungen … , Bewertungen evidenzbasierter Leitlinien für die epidemiologisch  wichtigsten Krankheiten, Abgabe von Empfehlungen zu Disease‐Management‐Programmen, Bewertung des Nutzens und der Kosten von Arzneimitteln, Bereitstellung von für alle Bürgerinnen und Bürger verständlichen  allgemeinen Informationen zur Qualität und Effizienz in der  Gesundheitsversorgung sowie zu Diagnostik und Therapie von Krankheiten  mit erheblicher epidemiologischer Bedeutung.

IV.3  

45

139 a SGB V: IQWiG

IV.3  

91 ff SGB V: G‐BA/IQWiG

(1) 1 Der Gemeinsame Bundesausschuss nach 91 beauftragt das Institut mit Arbeiten nach 139a Abs. 3. (3) 1 Zur Erledigung der Aufgaben nach 139a Abs. 3 Nr. 1 bis 5 hat das Institut wissenschaftliche Forschungsaufträge an externe Sachverständige zu vergeben. (4) 1 Das Institut leitet die Arbeitsergebnisse der Aufträge nach den Absätzen 1 und 2 dem Gemeinsamen Bundesausschuss nach 91 als Empfehlungen zu. 2 Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Empfehlungen im Rahmen seiner Aufgabenstellung zu berücksichtigen. 46

Die Bewertungsverfahren Zusammenarbeit mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit Gemeinsamer  Bundesausschuss

Institut Auftrag

Wissensstand

Antrag Recherchen und Auswertung des wiss. Materials (Studien)

Prüfung der Plausibilität Empfehlung Bewertung der  Notwendigkeit und  Wirtschaftlichkeit

Evidenzbasierte  Bewertung nach  patienten‐relevanten  Endpunkten

Richtlinien

Dr. jur. Rainer Hess, 26. April 2007

IGMR

47

V.1 Vier Beispiele:IGeL Individuelle Gesundheitsleistungen 1.

2. 3.

IGeL sind ärztliche Leistungen, die entweder medizinisch nicht indi‐ ziert oder aus der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversiche‐ rung (GKV) ausgeschlossen, aber dennoch aus der Sicht des Arztes  sinnvoll sind und/oder vom Patienten gewünscht werden. Über solche Leistungen können freie vertragliche Vereinbarungen  zwischen Patienten und Ärzten geschlossen werden. Die Leistungen  werden kostenmäßig nach der GOÄ abgerechnet. Ob es sich um eine GKV‐Leistung oder eine IGeL handelt, kann unter  Umständen erst nach der ärztlichen Anamnese (ärztliches Vorgespräch  über die Krankengeschichte) und Diagnose festgestellt werden. Ein  Vertrag über IGeL kann deshalb in diesen Fällen erst nach solchen  Feststellungen zur Indikation wirksam abgeschlossen werden. 48

V.1 Vier Beispiele:IGeL      

Ultraschalluntersuchung/Sonografie 20 % Glaukomvorsorgeuntersuchung 16,2 Medikament beziehungsweise Heil- und Hilfsmittel 11,5 Blutuntersuchung/Laborleistung 10,1 keine vertragsärztliche Leistung 10,0 Ergänzende Krebsfrüherkennungsuntersuchung bei der Frau 9,9  PSA-Bestimmung zur Früherkennung von Prostatakrebs 6,2  Hautkrebsvorsorge 4,4  Knochendichtemessung 3,8  Akupunktur 3,1  Kosmetische Leistung 1,3  EKG 1,0  Nahrungsergänzungsmittel 0,9  Sonstiges 1,5 Ultraschall, Glaukomvorsorgeuntersuchungen und zusätzliche Verordnungen für  Medikamente und Heil‐ und Hilfsmittel liegen an der Spitze der Zusatzangebote. Auf diese  49 drei Leistungsgruppen entfällt fast die Hälfte der angebotenen IGeL. Quelle: WIdO 2010

V.2 Vier Beispiele: Stoßwellentherapie  Die Möglichkeit der extrakorporalen Stoßwellenbehandlung in der Orthopädie oder Unfallchirurgie hat sich aus der Methode der Urologie entwickelt, Nierensteine ohne Operation durch alleinige Anwendung von Stoßwellen aus dem Körper zu entfernen.  Stoßwellentherapie bei Fersensporn:  (G-)BA 1998: Wirksamkeit und Notwendigkeit nicht belegt.  Vertragsarztbereich:  In der Urologie anerkannt;  In der Orthopädie (Fersensporn) nicht anerkannt.

 Krankenhausbereich:  Beides durchführbar.

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V.3 Vier Beispiele: neues Arzneimittel  Nach dem Arzneiverordnungsreport 2011 (hrsg. v. U. Schwabe, D. Pfaffrath) hätten im vergangenen Jahr etwa 4,7 Milliarden € ohne Qualitätsverluste in der Therapie eingespart werden können, wenn Ärzte preiswerte Generika statt Originalpräparate oder patentgeschützter Analogsubstanzen und keine Medikamente mit umstrittener Wirksamkeit verschrieben hätten.  Das AMNOG (Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz) kann dem teilweise entgegenwirken. Es verlangt für neue Arzneimittel eine schnelle Nutzenbewertung – bei Zusatznutzen verhandeln Hersteller und der GKV-Spitzenverband erstmalig über den Erstattungspreis. 51

V.3 Vier Beispiele: neues Arzneimittel Ticagrelor (Oktober 2011; erstes Verfahren frühe Nutzenbewertung [Zusatznutzen])  Ticagrelor im Vergleich zu Clopidogrel, jeweils + ASS  Insgesamt zeigte die Auswertung der bis Juli 2011 bekannten Studien, dass Ticagrelor bei Personen mit akuten Herzbeschwerden OHNE typische EKG-Veränderungen (ohne ST-Hebung) einen Zusatznutzen hat. Bei Personen mit einem Herzinfarkt MIT typischen EKG-Veränderungen ist ein Zusatznutzen hingegen nicht belegt.  Diese Bewertung wird derzeit vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) im Rahmen der „Nutzenbewertung von Arzneimitteln nach 35a SGB V“ überprüft. Über den Stand des Verfahrens können Sie sich hier informieren: www.g-ba.de oder Herrn Hess befragen.  Bis 25.10.2011 schriftliches Stellungnahmeverfahren; etwa 12.2011 Entscheidung 52

V.4 Vier Beispiele: Teststreifen  Für Diabetiker, die kein Insulin benötigen, dürfen Ärzte Teststreifen ab dem 1. Oktober 2011 nur noch in Ausnahmefällen verordnen. Dies regelt die Arzneimittel-Richtlinie, die für Ärzte, Krankenkassen und Patienten verbindlich ist.  Typ-2-Diabetiker, die kein Insulin benötigen, erhalten Harn- oder Blutzucker-Teststreifen künftig nur bei einer instabilen Stoffwechsellage. In diesen Fällen darf Ihr Arzt maximal 50 Teststreifen auf einem Kassenrezept verordnen.  Die Teststreifen sind Medizinprodukte, nicht Arzneimittel, werden aber trotzdem durch die Arzneimittel-Richtlinie erfasst, weil sie in die Versorgung der Krankenbehandlung einbezogen sind – es gilt deshalb auch für sie das Wirtschaftlichkeitsgebot des 12 Abs. 1 SGB V.  Therapeutischer Nutzen nur für Patienten, die mit Insulin behandelt werden, durch IQWiG festgestellt – für alle anderen nur unter bestimmten Bedingungen wirtschaftlich ( 92 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGB V) = Verordnungseinschränkung. 53

VI. Resümee  Die Entscheidung über den Leistungskatalog in der GKV fällt in einem komplizierten, aber weitgehend transparenten System nach klaren, gut nachvollziehbaren allgemeinen Kriterien.  Zweckmäßigkeit (Nutzen) und Wirtschaftlichkeit bilden ihr Zentrum.  Der medizinische Standard ist ihr Ausgangspunkt.  Ihre „Verwaltung“ obliegt dem G-BA und dem IQWiG.  Sie setzen den Rahmen für die Einzelentscheidung über die Leistungsansprüche der Versicherten.

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