Algebra - Komplexe Zahlen - Ortskurven. Roger Burkhardt (FHNW)

Algebra - Komplexe Zahlen - Ortskurven Roger Burkhardt (FHNW) FS 2008 Contents 1 Einführung 1 2 Kurven in der Gauss’schen Zahlenebene 3 2.1 Die...
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Algebra - Komplexe Zahlen - Ortskurven Roger Burkhardt (FHNW) FS 2008

Contents

1 Einführung

1

2 Kurven in der Gauss’schen Zahlenebene

3

2.1 Die Geraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

2.2 Der Kreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

3 Inversionen 3.1 Inversion einer Geraden durch den Ursprung . . . . . . . . . .

9 9

3.2 Inversion einer Geraden nicht durch den Ursprung . . . . . . . 10 3.3 Inversion eines Kreises durch den Ursprung . . . . . . . . . . . 12 3.4 Inversion eines Kreises nicht durch den Ursprung . . . . . . . 13 4 Ortskurven mit MATLAB

16

I

1.

Einführung

Ortskurven werden in einigen technischen Disziplinen (Regelungstechnik, Nachrichtentechnik, usw.) eingesetzt. Unter einer Ortskurve versteht man eine parametrisierte Abbildung in die Gauss’sche Zahlenebene der Form f : R→C t → z (t) = x (t) + iy (t) Übersetzt könnte dies auch folgendermassen ausgedrückt werden: Gegeben sei eine veränderliche komplexe Grösse. Die komplexe Grösse kann bekanntlich als Zeiger in der Gauss’schen Zahlenebene aufgefasst werden. Die Ortskurve beinhaltet nun alle Zeigerspitzen der veränderlichen komplexen Grösse. Als Beispiel betrachten wir die frequenzabhängige Gesamtimpedanz der folgenden Schaltung:

R

L

Zser = ZR + ZL = R + iωL f : R+ → C ω → Zser (ω) = R + iωL Stellt man diese Impedanzen als Punkte in der Gauss’schen Zahlenebene dar, so erhält man die folgende Gerade:

1

2

2.

Kurven in der Gauss’schen Zahlenebene

2.1

Die Geraden Die allgemeine Gleichung einer Geraden1 in der Gauss’schen Zahlenebene lautet: z (t) = z0 + f (t) z1 Dabei bezeichnen z0 und z1 komplexe Zahlen (Zeiger) und f (t) eine reellwertige Funktion für den Parameter. Eine klarere Vorstellung liefert folgende Skizze:

z z0

z1 z

Betrachten wir nocheinmal die Ortskurve des Einführungsbeispiels Zser (ω) = R + iωL =(R) +ω (iL) ~}€ z0

 ~} € z1

so sehen wir den analogen Aufbau. 1

Analog zur Parametergleichung der Geraden in der Vektorgeometrie. − → − → r =− r→ 0 + t r1

3

Eine besonders einfache Form der Beschreibung einer Geraden in der Gauss’schen Zahlenebene liefert die folgende Gleichung2 : z (t) = a (1 + if (t)) bzw. z (t) = a (1 + it) Durch einfaches ausmultiplizieren findet man wieder die allgemeine Geradenform: z (t) = (a) + (ia) t ~}€ z0

~}€ z1

Nun stehen die gefundenen komplexen Zeiger z0 = a und z1 = ia senkrecht zueinander und die komplexe Zahl a ist der kürzeste Zeiger vom Ursprung auf die Gerade:

z

z 1 ia z0 a z

Das Einführungsbeispiel lautet in dieser neuen Darstellungsform: 

L ωL Zser (ω) = R + iωL =(R) + (iR)ω = R 1 + i ~}€  ~} € R R ~}€ a

ia



f (ω)

Nicht alle Geraden lassen sich so einfach finden. Betrachten wir als weiteres Beispiel die Gerade durch die Punkte z1 = 2 + 3i und z2 = 5 − i. Wechseln wir zur Bestimmung in die Vektorgeometrie und suchen die Normalform der 2

Funktioniert nicht für Geraden durch den Ursprung!

4

Geraden durch P1 (2, 3) und P2 (5, −1). Mit der Zwei-Punkt-Form finden wir die Koordinatengleichung y2 − y1 y = (x − x1 ) + y1 x2 − x1 −1 − 3 4 5 y = (x − 2) − 1 = − x + 5−2 3 3 Die Normalform lautet somit: 4x + 3y − 5 = 0 → bzw. die Hesse’sche Normalform (Normalenvektor − n =

#

4 3

$

→ mit |− n | = 5):

4x + 3y − 5 =0 5 Der Ursprung hat somit die (kürzeste) Entfernung d=

4∗0+3∗0−5 = −1 5

von der Geraden und daher zeigt der Vektor # − → n − → = a = −d − |→ n|

4 5 3 5

$

auf den nächsten Punkt (Fusspunkt) der Geraden. Die gesuchte komplexe Zahl entspricht somit a = 45 + i 35 und die Geradengleichung lautet: z (t) =

2.2





4 3 + i (1 + it) 5 5

Der Kreis Wir starten mit dem Spezialfall z (t) =

1 1 + it

Als ertes zeigen wir, dass diese Ortskurve einem Kreis entspricht. Formen wir dazu um: 1 −t 1 − it = +i z (t) = 2 (1 + it) (1 − it) 1 + t 1 + t2 ~} €  ~} € x(t)

y(t)

5

1 1 + t2 −t y (t) = 1 + t2

x (t) =

Ellimination des Parameters führt auf eine Koordinatengleichung3 : y = −t x y x

y= 1+ 

 2 y x

y x2 + y 2 

y x2 − x + y 2

=

 

x2

xy + y2

= xy = 0

x2 − x + y 2 = 0   2 1 1 2 2 x− +y = 2 2



Die gegebene Ortskurve entspricht also einem Kreis mit dem Mittelpunkt  1 M 2 , 0 und Radius R = 12 (der Mittelpunkt liegt also auf der reellen Achse und der Ursprung befindet sich auf dem Kreis!).

z

M

1 2 ,0

z R 1 2 3

Die Kreisgleichung mit Mittelpunkt M (xM , yM ) und Radius R lautet: (x − xM )2 + (y − yM )2 = R2

6

Diesen ersten Kreis können wir nun durch Multiplikation mit der komplexen Zahl a = |a| eiϕ (Drestreckung) in einen neuen Kreis transformieren: z (t) = a

Der neue Kreis hat den Radius R = Mittelpunkt:

1 1 + it |a| 2

und M



|a| 2



cos (ϕ) , |a| sin (ϕ) als 2

z a M R z

Beispiel: Wir suchen die Beschreibung des Kreises durch den Ursprung mit Mittelpunkt zM = −4 + 2i. Der benötigte Zeiger a für die Beschreibung ist gleich a = 2zM = −8 + 4i. Die gesuchte Kreisgleichung lautet somit: z (t) =

−8 + 4i 1 + it

Für einen beliebigen Kreis verschieben wir nun den vorhin gefundenen Kreis um die komplexe Zahl b: z (t) = a

1 +b 1 + it

Durch diese Parallelverschiebung ändert sich der Radius nicht. Nur der Mittelpunkt wird um den Zeiger b verschoben. Also  erhalten wir für den Radius  |a| im(a) + re (b) , + im (b) : weiterhin R = 2 und für den Mittelpunkt M re(a) 2 2

7

a

z M b

a

R b z

8

3.

Inversionen

In der Technik müssen Ortskurven häufig invertiert werden. Sei z.B. die frequenzabhangige Ortskurve einer Impedanz Z (ω) gegeben, so erhält man den U Strom durch die Impedanz mit dem ohm’schen Gesetz zu I (ω) = Z(ω) . Wenn die Ortskurve der Impedanz invertiert wird, erhält man (bis auf Skalierung mit U) den Verlauf (Ortskurve) des frequenzabhängigen Stroms. Im weiteren betrachten wir die wichtigsten Inversionen:

3.1

Inversion einer Geraden durch den Ursprung Wir betrachten die Gerade durch den Ursprung mit der Gleichung z (t) = f (t) z0 Für die Inversion w =

1 z

finden wir:

w (t) =

1 1 z0 1 = = z (t) f (t) z0 f (t) z0 z0

wieder eine Gerade durch den Ursprung mit der Parametrisierung g (t) = und der Richtung w0 = z0z0z0 .

1 f (t)

z z t

f t z0

z0 z

w0 w t

g t w0

9



π



Als Beispiel suchen wir die Inversion von z (t) = t 2ei 3 . Wir finden: w (t) =



1 1 1 1 1 −i π = e 3 π = i z (t) t 2e 3 t 2



Die Inversion einer Geraden durch den Ursprung ergibt somit wieder eine Gerade durch den Ursprung. Die invertierte Gerade ist die Spiegelung der gegebenen Geraden an der reellen Achse.

3.2

Inversion einer Geraden nicht durch den Ursprung Betrachten wir die Gerade (mit a = |a| eiϕ ): z (t) = a (1 + if (t)) Die Inversion ergibt: w (t) =

1 1 1 = = z (t) a (1 + if (t)) a 

1 1 + if (t)



~}

€

Kreis durch Urprung

~}

mit Drehstreckung

€

somit einen Kreis durch den Ursprung mit den Daten: R=

M

#

1 2 |a|

$

1 1 cos (−ϕ) , sin (−ϕ) 2 |a| 2 |a|

Wir betrachten zwei Beispiele: • z (t) = 2 (1 + it): w (t) =

1 1 1 = 2 (1 + it) 2 1 + it R= 

1 4



1 ,0 M 4

10

• z (t) = (1 − i) (1 + it): w (t) =

1 1 1 1 1 π 1 = √ −i π = √ −i π = √ ei 4 (1 − i) (1 + it) 1 + it 2e 4 (1 + it) 2e 4 1 + it 2 R = M

#

 

 $

1 π π 1 √ cos , √ sin 4 2 2 4 2 2

1 √ 2 2 

1 1 , = M 4 4



11

Die Inversion einer Geraden nicht durch den Ursprung ergibt einen Kreis durch den Ursprung!

3.3

Inversion eines Kreises durch den Ursprung Die Inversion eines Kreises durch den Ursprung muss nach den Überlegungen des letzten Abschnittes eine Gerade ergeben, welche nicht durch den Ursprung geht. Sei also ein Kreis mit dem Mittelpunkt M

#

$

|a| |a| |a| cos (ϕ) , sin (ϕ) ⇒ R = 2 2 2

gegeben. Diesen Kreis können wir durch die folgende Gleichung beschreiben: z (t) = a

1 1 + if (t)

Die Inversion ergibt nun: w (t) =

1 1 −iϕ 1 = (1 + if (t)) = e (1 + if (t)) z (t) a |a| 1 −iϕ e |a|

(Punkt der Geraden, welcher dem 1 i( π2 −ϕ) . e Ursprung am nächsten liegt) mit der Richtung z1 = iz0 = |a| eine Gerade durch den Punkt z0 =

12

3.4

Inversion eines Kreises nicht durch den Ursprung Als letzte wichtige Inversion betrachten wir die Inversion des Kreises: z (t) = b + a Mit Mittelpunkt

1 1 + if (t)

a +b 2

zM = und Radius R=

|a| 2

Die Inversion: w (t) =

1 1 + if (t) 1 = = 1 z (t) b + a 1+if (t) a + b (1 + if (t))

Polynomdivision ergibt: a 1 1 1 1 1 + if (t) b = − = − b b (1 + if (t)) + a b b (1 + if (t)) + a b b a (1 + if (t)) + 1 1 1 1 1 1 1   − b = − b = b b b a + 1 + i a f (t) b b + 1 1 + i bf (t)

=

#

1 a + − b (a + b) b ~}€ B



~} A

a

$

b+a

1 1 =B+A bf (t) 1 + ig (t) € 1+i b+a  ~} € g(t)

Dies ist nun wieder die Gleichung eines Kreises. Der neue Kreis geht ebenfalls nicht durch den Ursprung und hat die folgenden Kenndaten: zM =

A −a 1 a + 2b +B = + = 2 2 (a + b) b b 2 (a + b) b 



 |A|  a  R=  =  2 2 (a + b) b 

Als Beispiel invertieren wir den Kreis mit Mittelpunkt zM = 1 + 3i und Radius R = 2. Dieser Kreis wird beschrieben durch die Gleichung: 13

• Kreis durch Ursprung mit dem gegebenen Radius: z1 (t) = 4

1 1 + it

• Verschobener Kreis: z2 (t) = z1 (t) + (−1 + 3i) 1 = (−1 + 3i) + 4 1 + it Die Gleichung des gegebenen Kreises lautet nun: z (t) =(−1 + 3i) + ~}€ 4 

~} b

€

a

1 1 + it

Die Inversion liefert also wieder ein Kreis mit: 4 + 2 (−1 + 3i) 1 7 a + 2b = = − i 2 (a + b) b 2 (4 + (−1 + 3i)) (−1 + 3i) 30 30 √         a 4 5     = = Rw =  2 (a + b) b   2 (4 + (−1 + 3i)) (−1 + 3i)  15

wM =

Die neue Kreisgleichung:



• Kreis durch Ursprung mit dem Radius 155 : √ √ 5 1 2 5 1 = w1 (t) = 2 15 1 + it 15 1 + it • Verschobener Kreis:

#√

$

5 1 7 w2 (t) = w1 (t) + − − i 15 30 30 √ # √ $ 2 5−1 7 2 5 1 −i = + 30 30 15 1 + it

14

15

4.

Ortskurven mit MATLAB

Mit MATLAB lassen sich Ortskurven recht schnell erzeugen. Das nachfolgende m-File stellt eine Ortskurve z(t) und ihre Inversion im gleichen Fenster dar. Zudem kann die Parametrisierung auch dargestellt werden: syms omega omega_r = [-3,3]; omega_w = omega_r(1):1:omega_r(2); z=(1+i*omega) ezplot(real(z),imag(z),omega_r); hold on for k=1:length(omega_w) zz=subs(z,omega,omega_w(k)); xx=real(zz); yy=imag(zz); plot(xx,yy,’r*’) text(xx,yy,strcat(’ \leftarrow \omega=’,num2str(omega_w(k)),’^1/_s’)) end w=1/z ezplot(real(w),imag(w),omega_r); hold on for k=1:length(omega_w) ww=subs(w,omega,omega_w(k)); xx=real(ww); yy=imag(ww); plot(xx,yy,’k*’) 16

text(xx,yy,strcat(’ \leftarrow \omega=’,num2str(omega_w(k)),’^1/_s’)) end Der dazugehörige Graph:

17