8 Zusammenfassung und Ausblick

8 Zusammenfassung und Ausblick In dieser Arbeit wurde der Einsatz einer Mischung aus einer Ionischen Flüssigkeit (IL) und Monoethanolamin (MEA) als Lö...
Author: Mathias Kohl
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8 Zusammenfassung und Ausblick In dieser Arbeit wurde der Einsatz einer Mischung aus einer Ionischen Flüssigkeit (IL) und Monoethanolamin (MEA) als Lösemittel für die CO2-Abscheidung untersucht. Bei einigen ILMEA-Gemischen ist das Carbamat (Produkt der Reaktion zwischen CO2 und MEA) in der IL nicht mehr löslich, sodass während der Absorption eine zweite flüssige Phase entsteht, die reich an CO2 ist. Aufgrund dieser Phasentrennung wurde vorgeschlagen [CAMP 2008], das traditionelle Absorptions-Desorptionsverfahren zu modifizieren, sodass nur eine CO2-reiche Phase (Carbamat) zum Desorber geführt wird. Dazu muss zwischen Absorber und Desorber eine Grundoperation (bspw. Dekanter) eingesetzt werden, in der die Carbamat-Phase aufgrund des Dichteunterschieds aus der IL-Phase abgetrennt wird. Während der thermischen Desorption wird das Carbamat in flüssiges MEA und gasförmiges CO2 umgewandelt. Das CO2 wird wiedergewonnen und das flüssige MEA zusammen mit der IL aus dem Dekanter in den Absorber rückgeführt. So wird der Prozess im Kreislauf betrieben.

Abbildung 8.1: Absorptions-Desorptionsverfahren mit Zwischenphasentrennung am Beispiel von IL-MEA Gemischen nach [CAMP 2008].

Die Verwendung einer Flüssigkeit, die nach der Absorption zwei flüssige Phasen bildet, ist ein relativ neuer Trend in der Gaswäsche, der Energieeinsparungen verspricht und nicht nur in ILbasierten Systemen zu finden ist (siehe [RAYN 2011] oder [LIEB 2013]). In der Arbeit von Camper ist die vielversprechende Prozessidee dargestellt, jedoch fehlen in der Literatur thermo- und fluiddynamische Untersuchungen sowie prozesstechnische Grundlagen, die es ermöglichen, den Einsatz des IL-MEA Gemisches im technischen Maßstab zu bewerten. Aus diesem Grund ist eine systematische Untersuchung eines IL-MEA-Gemisches als Ziel dieser Arbeit

durchzuführen.

Diese

wird

durch

die

Kombination

von

thermodynamischen

Untersuchungen und Experimenten über den Stofftransport durchgeführt. Somit wird der

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technische Einsatz des Lösemittels bewertet sowie generalle Aussagen über den Einsatz zweiphasiger Flüssigkeiten getroffen. Zu Beginn der experimentellen Arbeit wurde in Vorversuchen an einer Sichtzelle bestätigt, dass die homogene Mischung aus MEA und der niedrig-viskosen IL [Emim][Tf2N] in Kontakt mit CO2 zwei flüssige Phasen bildet. Die leichte Phase ist CO2-reich (gebunden als Carbamat) und die schwere Phase ist reich an IL. In weiteren Vorversuchen im Batch-Maßstab wurde bewiesen, dass die Absorption von CO2 thermisch reversibel ist. Durch die Erhöhung der Temperatur spaltet sich das Carbamat in MEA und CO2 auf und das Lösemittel wird regeneriert. Während dieser Vorversuche fiel auf, dass trotz der langen Desorptionszeit und dem Einsatz eines Strippgases (N2), die Regenerationen nicht vollständig waren. Unvollständige Desorptionen sind bei der Verwendung chemischer Lösemittel typisch. Im Fall eines Absorptions-Desorptionsprozesses mit Zwischenphasentrennung würde die nicht vollständige Regeneration bedeuten, dass der flüssige Strom am Austritt des Desorbers eine binäre Mischung aus MEA und Carbamat ist. Wenn dieser Strom mit dem IL-Strom aus dem Dekanter gemischt wird, besteht die Möglichkeit, dass die Mischung zweiphasig ist. So wird sich das MEA entsprechend dem thermodynamischen Gleichgewicht in die IL-Phase und die Carbamat-Phase auftrennen. Im (für den CO2-Abscheidungsprozess) günstigsten Fall hätte das MEA eine höhere Affinität zu der IL als zum Carbamat, sodass das regenerierte MEA durch die IL extrahiert wird. Dies würde die Regeneration intensivieren. Aus diesem Grund wurde eine weitere Modifizierung des Verfahrens vorgestellt, in der eine mögliche Extraktion vorgesehen wird, indem ein zweiter Dekanter zwischen Desorber und Absorber geschaltet wird.

Abbildung 8.2. Vorgeschlagene Modifizierung des Absorptions-Desorptionsverfahren

Um diese Prozessmodifizierung zu testen, wurde das ternäre Gleichgewicht MEA-IL-Carbamat untersucht und modelliert sodass eine Simulation des Prozesses auf Basis der Massenbilanz durchgeführt werden konnte (Kapitel 6).

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Das kommerziell nicht erwerbbare Carbamat wurde im Rahmen dieser Arbeit synthetisiert (Kapitel 5). Die Synthese erfolgte durch die Anwendung eines Hochdruckverfahrens, in dem MEA und CO2 für einen Zeitraum von fünf Tagen bei 100 °C und 100 bar im Autoklav in Kontakt gehalten wurden. Dabei entstand reines Carbamat, das zur Untersuchung des ternären Gleichgewichts eingesetzt werden konnte. Während die hohe Temperatur der Synthese den Stofftransport zwischen Gas und Flüssigkeit durch die Absenkung der Viskosität der Flüssigkeit begünstigt, fördert der hohe CO2-Druck nach dem Le Chatelier-Prinzip die Verschiebung des Gleichgewichts in Richtung der Produkte (Carbamat). Die Reinheit des synthetisierten Carbamats wurde mithilfe der Elementaranalyse und der FTIR-Spektroskopie überprüft. Des Weiteren wurden Stoffdaten wie die Dichte (ca. 1,25 g/cm³ bei 25 °C) und die Viskosität (ca. 30 Pas bei 25 °C) des synthetisierten Carbamats ermittelt. Außerdem wurde die thermische Spaltung des reinen Carbamats untersucht. Hierbei wurde beobachtet, dass die Zersetzung des Carbamats in MEA und CO2 ab 80 °C beginnt. Die Spaltung des Carbamats wird intensiver, je höher die Temperatur ist. Allerdings degradiert das MEA ab Temperaturen von 130 °C und das Produkt ist nicht mehr einzusetzen. Darüber hinaus wurde durch diese Untersuchungen erneut gezeigt, dass trotz der langen Desorptionszeit die vollständige Regeneration nicht erreicht werden kann (max. Umsatz 50 %). Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass für eine industrielle Anwendung die Benutzung von Strippdampf unabdingbar wäre. Aus diesem Grund sollten auch die Energiekosten der Produktion des Strippdampfes einbezogen werden, wenn eine ganzheitliche Energiebilanz des Prozesses aufgestellt wird. Das synthetisierte Carbamat wurde im Verlauf dieser Arbeit eingesetzt, um das ternäre Phasengleichgewicht zwischen IL, MEA und Carbamat zu ermitteln (Kapitel 6). Zunächst wurden die Binodalkurven bei 30, 50, und 70 °C mit der Methode der Trübungstitration untersucht. Die Ergebnisse zeigten eine geschlossene Mischungslücke im Gebiet ILCarbamat, die bei ausreichender Addition von MEA in die einphasige Region übergeht. Die Mischungslücke wird mit steigender Temperatur kleiner, was meist bei zweiphasigen FlüssigFlüssig Systemen auftritt. Anschließend wurden mehrere Konoden bei 30 °C ermittelt. Dies geschah durch ein geometrisches Berechnungsverfahren, das die Trübungstitrationsergebnisse bei 30 °C und FTIR-Spektroskopie kombiniert. Zudem konnte durch die Anwendung der Methode der Konjugatslinie das Phasengleichgewicht bei 30 °C vollständig charakterisiert werden. Dazu wurde ein Skript in der Programmiersprache Python geschrieben, welches die Methode der Konjugatslinie implementiert und erweitert. Die Untersuchungen des Phasengleichgewichts zeigten, dass das MEA eine höhere Affinität zum Carbamat als zu der IL hat, was für die Extraktion von MEA durch die IL nachteilig ist (die maximale Konzentration an MEA der IL-Phase beträgt ca. 13 Gew.-%). Anschließend wurde die Auswirkung der ungünstigen Lage des Gleichgewichts auf das vorgeschlagene Verfahren berechnet. Das Phasengleichgewichtsmodell wurde angewendet, um den vorgeschlagenen Prozess auf Basis der Massenbilanz zu simulieren. Für die Lösung der Massenbilanz wurden der Absorptionsumsatz, der Desorptionsumsatz und die Anfangskonzentration des Lösemittels

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als Freiheitsgrade betrachtet. Durch ihre gezielte Variation ist

es möglich, eine

Sensitivitätsanalyse durchzuführen, um die Auswirkung der Freiheitsgrade auf den gesamten Prozess zu verstehen. Dies erfolgt in Form einer Parameterstudie. Diese Parameter wurden auch für ein wässriges Benchmark berechnet (Dissertation von [NOTZ 2009]) und erlauben eine Abgrenzung des modifizierten Prozesses gegenüber dem Stand der Technik. Ein zweiter Schwerpunkt dieser Arbeit liegt in der Untersuchung des Stofftransports von CO2 in die IL-MEA-Mischungen (Kapitel 7). Als erstes wurde eine Anlage aufgebaut, mit der es möglich ist, die Absenkung des CO2-Druckes während der Einspritzung einer reaktiven Lösung in einem geschlossenen Rezipienten, der nur CO2 enthält, zu messen. Nach der Validierung der Anlage wurde die Absorption von CO2 in IL-MEA-Gemischen untersucht und mit dem Benchmark wässrige MEA-Lösung verglichen. Die Ergebnisse dieser Experimente zeigten, dass die Reaktion zwischen MEA und CO2 in der IL auch ein schnelles oder momentanes Regime wie im Wasser aufweist. Allerdings wird der gesamte Stofftransport in IL-MEAGemischen durch die Bildung des Carbamats gehemmt. Das Carbamat bildet eine zweite viskose Phase, durch die das CO2 diffundieren muss, bevor es weiter mit MEA reagieren kann. Die Diffusion von CO2 in die Carbamatschicht ist der kontrollierende Schritt beim Stofftransport und wurde daher separat untersucht. Für die Untersuchung des Stofftransports in die Carbamatschicht wurde eine Messeinrichtung aufgebaut und mit einem Programm für maschinelles Sehen (Artificial Vision) ausgestattet. Das Programm wurde mithilfe der Software Open-CV und Python geschrieben und ermöglicht es, die Position der Flüssig-Flüssig-Phasengrenze sekündlich zu registrieren. Das Wachstum der Carbamatschicht ist ein sogenanntes Stefans-Problem (Diffusionsproblem mit beweglicher Phasengrenze), für das es in der Literatur analytische Lösungen für bestimmte Randbedingungen gibt. In dieser Arbeit wurde das Carbamatwachstum an die sogenannten Anlaufreaktionen (tarnishing reactions) in Metallen angenähert, bei denen sich eine Schicht aus Metalloxid auf der Oberfläche eines Metalls bildet, durch die der Sauerstoff diffundieren muss, ehe er das Metall weiteroxidieren kann. Für die Diffusion bei tarnishing reactions sind analytische Lösungen in der Literatur zu finden [DANC 1950], an die das Wachstum der Carbamatphase in dieser Arbeit angepasst wurde. Obwohl in manchen Fällen das Modell die experimentellen Daten deckte, wurden auch Nichtübereinstimmungen zwischen theoretischem Modell und gemessenen Punkten gefunden. Diese wurden dadurch erklärt, dass die Carbamatphase nicht nur wegen der Entstehung von neuem Carbamat (im Modell berücksichtigt) sondern auch wegen der Extraktion von MEA aus der IL-Phase (nicht berücksichtigt) wächst. Um diese Hypothese zu bestätigen, wurde reines Carbamat auf ein Gemisch IL-MEA ohne Zugabe von CO2 gegeben. In diesem Versuch wurde ein signifikantes Wachstum der Carbamatphase in Abwesenheit von CO2 beobachtet, welches darauf hindeutet, dass das Carbamat in der Lage ist, MEA aus der IL-Phase zu extrahieren. Die Zusammensetzung der beiden Phasen nach Abschluss der Flüssig-Flüssig Extraktion wurden mithilfe des Gleichgewichtsmodells des Kapitels 6 berechnet. Die Berechnungen ergaben,

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dass auch IL in die Carbamatphase gewandert ist. Die Anwesenheit von IL in der Carbamatphase wurde durch FTIR-Spektroskopie bestätigt. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass das Modell für tarnishing reactions auf das Carbamatwachstum nur begrenzt übertragbar ist. Ein Modell, das das Carbamatwachstum korrekt mathematisch darstellt, sollte u.a. die Diffusion von MEA und IL in die Carbamatphase berücksichtigen. Die Parameterstudie und die Untersuchung des Stofftransports haben die Nachteile der Carbamatentstehung in Bezug auf ein CO2-Abscheidungsverfahren gezeigt. Sollte wie im Prozess vorgeschlagen ein zweiter Dekanter zwischengeschaltet werden, würde ein Großteil des regenerierten MEAs vom Carbamat extrahiert und es somit den Absorber überspringen. Sollte dagegen kein zweiter Dekanter benutzt werden, so würde ein zweiphasiges System in den Absorber geführt, wobei sich das MEA größtenteils in der hochviskosen Carbamatphase befinden würde, was den Stofftransport behindert. Anhand dieser Ergebnisse und die Tatsache, dass für die Carbamatregeneration auch die Anwendung vom Strippdampf erforderlich wäre, ist der Einsatz von einer Lösung aus der IL [Emim][Tf2N] und MEA nicht konkurrenzfähig zum traditionellen Verfahren basierend auf Wasser-MEA. Die Untersuchungen in dieser Arbeit wurden mit dem Gemisch IL-MEA durchgeführt, erlauben es jedoch, generelle Aussagen für alle Gemische, die nach dem Kontakt mit CO2 zwei Phasen bilden, zu treffen. Der Autor ist der Meinung, dass nur in Systemen, wo sich die thermische Regeneration durch eine Flüssig-Flüssig-Extraktion erweitern lässt, der Einsatz zweiphasiger Systeme eine Alternative zum Stand der Technik darstellen könnte. In diesen Systemen hätte das unbeladene Lösemittel (in dieser Arbeit MEA) mehr Affinität zu dem nicht mit CO2 reagierenden Stoff (IL) als zu dem CO2-beladenen Lösemittel (Carbamat). Aus diesem Grund besteht Forschungsbedarf bei der Suche nach Lösemitteln, die zu einer Prozessintensivierung durch Extraktion führen könnten.