77. Rechtsquellen: BGB 823 I, 831, 847

7 OLG Köln Unterbringung 1. Bestehen in einem Krankenhaus infolge Bauarbeiten oder aus anderen Gründen schlechte hygienische Zustände, die zu einer ...
Author: Elmar Hafner
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7 OLG Köln

Unterbringung

1. Bestehen in einem Krankenhaus infolge Bauarbeiten oder aus anderen Gründen schlechte hygienische Zustände, die zu einer allgemeinen Erhöhung der Infektionsgefahr führen, so trifft die behandelnden Ärzte zumindest dann eine Aufklärungspflicht hinsichtlich dieser Umstände und der infolgedessen nicht einwandfreien Pflegebedingungen, wenn die in Aussicht genommene Operation nicht dringlich ist. 2. Erfolgt eine derartige Aufklärung nicht, so fehlt es an einer wirksamen und beachtlichen Einwilligung des Patienten in die Operation. 3. Es liegt ein Organisationsverschulden des Krankenhausträgers vor, wenn er auf seine Bediensteten nicht hinwirkt, für entsprechende Aufklärung und Belehrung zu sorgen. OLG Köln, Urteil vom 16. März 1978 – 18 U 198/77 – Rechtsquellen:

BGB § 823 I, 831, 847

Entscheidungsstichworte:

Kniescheibenoperation – Wundinfektion – S. aureus – Hygienemängel infolge von Baumaßnahmen – Organisationsverschulden – Umkehr der Beweislast

Tatbestand Die Kl. unterzog sich in den Jahren 1973 und 1974 mehreren Operationen in der Orthopädischen Universitätsklinik K., deren Träger das beklagte Land ist, zur Behebung einer beidseitigen, anlagebedingten Kniescheibenverrenkung (Habituelle Patellaluxation). Die erste Operation an der linken Kniescheibe verlief ebenso wie die anschließende Heilbehandlung komplikationslos. Nach der zweiten Operation an der rechten Kniescheibe am 22. 1. 1974 kam es zu erheblichen Komplikationen. Nachdem die Kl. über heftige Schmerzen geklagt und sich eine Gelbverfärbung ihrer gesamten Hautoberfläche eingestellt hatte, wurde am 4. 2. 1974 der Gips geöffnet und eine ausgedehnte eitrige Zellgewebsentzündung im Bereich des rechten Beines, verbunden mit einer Knochenmarkentzündung, sowie ein schweres Nierenversagen und ein erheblicher Leberschaden festge1. Lfg. HuR, 10/96

stellt. In einem Wundabstrich fand sich nach bakteriologischer Untersuchung massenhaft der Erreger Staphylococcus aureus. Wegen der hiermit verbundenen Lebensgefahr wurde die Kl. noch am 4. 2. 1974 auf die internistische Intensivstation der medizinischen Universitätsklinik verlegt und am 26. 4. 1974 entlassen. Die Kl. begehrt mit der vorliegenden Klage Schmerzensgeld für die durch die Infektion hervorgerufene Verunstaltung des rechten Beines und die damit verbundenen Nachteile sowie die Feststellung, daß das beklagte Land zum Ersatz der mit der Operation vom 22. 1. 1974 und der anschließenden Behandlung verbundenen weiteren Gesundheitsschäden verpflichtet sei. Die Kl. hat behauptet, über die möglichen Folgen einer solchen Operation nicht unterrichtet worden zu sein. Die Gesundheitsschäden seien darauf zurückzuführen, HuR Urt. 7/Seite 1

7 Unterbringung daß im Operationssaal sowie auf der Station insbesondere durch das Vorhandensein von Ratten, Tauben, Kakerlaken und sonstigem Ungeziefer im Klinikbereich bzw. im Krankenzimmer unsterile und unhygienische Verhältnisse geherrscht hätten und daß durch die zu dieser Zeit stattfindenden Umbauarbeiten auf der Station ein weiterer erheblicher Schmutzanfall stattgefunden habe. Sie leide noch heute unter den Folgen dieser Infektion und sei zu 100% erwerbsunfähig und in der Ausübung ihrer Hausarbeit und von Sport behindert. Ferner sei die Operation nicht mit der den Regeln ärztlicher Kunst entsprechenden Sorgfalt ausgeführt worden, da sonst Erreger hätten abgetötet worden sein müssen. Außerdem stelle es einen Kunstfehler dar, den Gips nicht zu fenstern und die Operationswunde nicht mit einer Wunddrainage zu versehen. Im übrigen sei die Infektion vor dem 4. 2. 1974 erkennbar gewesen und hätte früher erfolgreich behandelt werden können. Die Kl. hat beantragt, 1. das beklagte Land zur Zahlung von 15000,– DM nebst 4% Zinsen seit Klagezustellung zu verurteilen; 2. festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet sei, ihr jeden weiteren, mit der Operation am 22. 1. 1974 und ihrer anschließenden stationären Behandlung in der Universitätsklinik verbundenen Gesundheitsschaden zu ersetzen; 3. hilfsweise, ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung einschließlich Bankbürgschaft abzuwenden. Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen; hilfsweise, ihm Vollstrekkungsnachlaß zu gewähren, SicherheitsleiHuR Urt. 7/Seite 2

OLG Köln stung auch durch die Bürgschaft einer bundesdeutschen Bank. Das beklagte Land hat eine Schadensersatzpflicht mit dem Hinweis auf die vorhandene erforderliche Sterilität der Operationsräume und Krankenzimmer abgelehnt mit der Behauptung, die Operation sei fachgerecht durchgeführt worden und das Auftreten der Infektion sei für die behandelnden Ärzte nicht früher erkennbar gewesen, da die Kl. erstmals am 4. 2. 1974 über Schmerzen geklagt und andere als die verordneten Medikamente zusätzlich eingenommen habe. Hierunter seien phenacetinhaltige Medikamente gewesen, die durch ihre temperatursenkende Wirkung den Verlauf der Infektion verschleiert hätten. Durch die langjährige Einnahme von schmerzstillenden Mitteln sei die allgemeine Abwehrlage der Kl. beeinträchtigt gewesen. Die durch die Entzündung ausgelösten Gesundheitsstörungen seien für die behandelnen Ärzte weder vorhersehbar noch vermeidbar gewesen und die postoperativen Maßnahmen seien sachgerecht gewesen. Weitere Maßnahmen seien aufgrund des erkennbaren Krankheitsbildes nicht geboten gewesen. Dauerschäden seien bei der Kl. nicht zu erwarten. Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme unter Abweisung der Klage im übrigen das beklagte Land zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 9 000,– DM nebst 4% Zinsen seit dem 30. 1. 1975 verurteilt und dem Feststellungsbegehren der Kl., soweit die Ersatzansprüche nicht übergegangen sind, stattgegeben mit der Begründung, die behandelnden Ärzte hätten die Infektion früher erkennen können und behandeln müssen. Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vortrages der Parteien sowie der weiteren Aus1. Lfg. HuR, 10/96

7 OLG Köln führungen des landgerichtlichen Urteils wird auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen (§ 543 ZPO). Gegen dieses Urteil wendet sich das beklagte Land mit seiner Berufung. Das beklagte Land wiederholt und ergänzt sein erstinstanzliches Vorbringen und ist der Auffassung, das Landgericht habe zu Unrecht die Annahme eines ärztlichen Fehlers bei der Nachbehandlung mit eigenen Erwägungen ohne Einholung eines weiteren medizinischen Gutachtens begründet. Es habe sein Urteil insoweit auf einen völlig neuen, von den Parteien beiderseits nicht schriftsätzlich behandelten Gesichtspunkt abgestellt, so daß vorsorglich Aufhebung und Zurückverweisung beantragt werde. Die Erwägungen des Landgerichts seien überdies unzutreffend. Aus dem Umstand, daß die Kl. über Schmerzen geklagt habe, habe nicht auf eine Infektion der Operationswunde geschlossen werden können, so daß es durchaus sachgerecht gewesen sei, die aufgetretenen Schmerzen in den Bereich normaler postoperativer Schmerzen einzuordnen. Ein auf die einsetzende Infektion hinweisendes Ansteigen der Körpertemperatur sei bei der Kl. nicht zu beobachten gewesen. Den behandelnden Ärzten könne nicht vorgeworfen werden, sie hätten damit rechnen müssen, daß die Kl. heimlich schmerzstillende Medikamente genommen und dadurch die Körpertemperatur niedrig gehalten habe. Selbst wenn die Kl. keine derartigen Medikamente eingenommen habe, folgere hieraus lediglich, daß der Infektionsverlauf 1. Lfg. HuR, 10/96

Unterbringung völlig atypisch gewesen sei und sich für die behandelnden Ärzte keinerlei Anhaltspunkte ergeben hätte, daß trotz des fehlenden Temperaturanstiegs eine Infektion bestanden habe. Durch das Anlegen eines gespalteten, ungefensterten Gipsverbandes nach der Operation sei seitens der operierenden Ärzte alles getan worden, um eine primäre Wundheilung ohne Infekt zu ermöglichen. Aus der Spreizung dieses Gipsverbandes könne entgegen den Ausführungen des Landgerichts kein Rückschluß auf einen besorgniserregenden Zustand der Kl. gezogen werden. Ebensowenig könne in der Änderung der Medikamentation vom 31. 1. 1974 eine besorgniserregende Änderung des Zustandes der Kl. gesehen werden. Maßnahmen wie das Spreizen des Gipses und Medikamentenänderungen würden auch ohne Infektion veranlaßt. Vorsorglich werde für die behandelnen Ärzte und das Pflegepersonal der Entlastungsbeweis angetreten. Schließlich bedürfe es zur Höhe des Schmerzensgeldes eines weiteren Sachverständigengutachtens und außerdem sei davon auszugehen, daß mit der Operation zusammenhängende Spätschäden nicht zu erwarten seien. Das beklagte Land hat den behandelnden Ärzten Prof. I., Prof. O., Dr. G. und Dr. Sch. den Streit verkündet, die sich mit Ausnahme von Dr. Sch. den Anträgen des beklagten Landes angeschlossen haben. Das beklagte Land beantragt, unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen; hilfsweise, dem beklagten Land nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung –

HuR Urt. 7/Seite 3

7 Unterbringung auch durch Bürgschaft einer bundesdeutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse – abzuwenden. Die Kl. beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hat in der Sitzung vom 16. 2. 1978 erklärt, den Antrag aus der Anschlußberufung „heute “ nicht zu stellen. Die Kl. tritt unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens den Ausführungen des beklagten Landes entgegen. Die Anschlußberufung hat gemäß Schriftsatz der Kl. vom 3. 2. 1978 den vom Landgericht abgewiesenen Schmerzensgeldbetrag von 6 000,– DM zum Gegenstand. Wegen der weiteren Ausführungen der Parteien und Streithelfer wird auf die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Schriftsätze sowie auf den der Kl. nachgelassenen Schriftsatz vom 1. 3. 1978 nebst Anlagen Bezug genommen. Entscheidungsgründe Die Berufung des beklagten Landes ist an sich statthaft, sie ist ordnungsgemäß eingelegt und begründet worden (§§ 511, 511 a, 516, 518, 519 ZPO). Sie hatte in der Sache keinen Erfolg. Das Feststellungsbegehren der Kl. und deren Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 9 000,– DM sind begründet und zur Endentscheidung reif, so daß insoweit Endurteil (Teilurteil) zu erlassen ist (§ 301 Abs. 1 ZPO).

HuR Urt. 7/Seite 4

OLG Köln Der Anspruch der Kl. ist in dem erkannten Umfang aus unerlaubter Handlung begründet (§§ 823 Abs. 1, 831, 847 BGB), weil dem beklagten Land in zweifacher Hinsicht eine ihm zuzurechnende schuldhafte Pflichtverletzung seiner Ärzte und des Pflegepersonals gegenüber der Kl. vorzuwerfen ist. Diese Pflichtverletzungen der Bediensteten des beklagten Landes bestehen darin, daß die Kl. bei der Aufnahme nicht auf die durch die Bauarbeiten bedingten ungünstigen Gesamtverhältnisse hingewiesen wurde und daß sowohl bei der Aufnahme als auch bei der späteren postoperativen Behandlung eine Befragung der Kl., ob und ggf., in welchem Umfang sie Medikamente einnehme, unterblieben ist, mit der sich hieraus ergebenden möglichen Folge einer Verschleierung des Krankheitsbildes der Kl. In beiden Fällen trifft das Land ein Organisationsverschulden, indem es nicht auf seine Bediensteten hingewirkt hat, für entsprechende Klärung und Belehrung zu sorgen. 1. Der Anspruch der Kl. ist im erkannten Umfang begründet, weil die Bediensteten des beklagten Landes die Kl. bei der Aufnahme nicht auf die noch nicht abgeschlossenen Bauarbeiten und die hiermit verbundene zusätzliche Infektionsgefahr hingewiesen und aufgeklärt haben. a) Der Rechtsgrundsatz, daß jedem das Recht auf körperliche Unversehrtheit zusteht (Art. 2 Abs. 2 GG), gilt auch für das Verhältnis zwischen Patient und Arzt. Soweit nicht ein Gesetz etwas anderes bestimmt, darf daher niemand zu einer Heilbehandlung gezwungen werden. Ein ärztlicher Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Kranken ist nur insoweit nicht widerrechtlich, als die Einwilligung des Kranken reicht (BGH vom 16. 1. 1959 in NJW 1959, 814). 1. Lfg. HuR, 10/96

7 OLG Köln Das bedeutet, daß die Widerrechtlichkeit der ärztlichen Maßnahme nur durch den erklärten Rechtswillen des Patienten entfällt, durch den er dem Arzt die Befugnis zum Eingriff in den Körper einräumt. Diese Auffassung hat sich nicht etwa erst in Anlehnung an das Grundgesetz herausgebildet, sie wurde vielmehr schon früher in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung vertreten (BGH a. a. O. mit zahlreichen weiteren Nachweisen auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts). Auch der Bundesgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß sich der Arzt vor Eingriffen in die körperliche Integrität der Einwilligung des Patienten versichern muß (vgl. u.a. BGH in NJW 1953, 700; NJW 1956, 1106). Entgegen dem Widerspruch der Ärzteschaft, aber auch eines erheblichen Teiles der Rechtslehre hat das Reichsgericht und ihm folgend der Bundesgerichtshof noch in jüngster Zeit an der Auffassung festgehalten, daß auch ein nach den Erfahrungen der Heilkunde und den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zu Heilzwecken (lege artis) vorgenommene Eingriff eine Körperverletzung sei, deren Rechtswidrigkeit nur durch die Einwilligung des Patienten ausgeschlossen werde (Erdsik in NJW 1959, 807 m. w. N.). Dem schließt sich der Senat an. Zunächst ist sicher, daß es keiner besonderen Aufklärung bedarf über solche Gefahren, die mit schlechthin jedem Eingriff, auch mit dem harmlosesten, notwendigerweise verbunden sind. Es ist allgemein bekannt, daß ein ärztlicher Eingriff bis zu einem gewissen Grade stets riskant ist, daher braucht der Arzt nicht über die Möglichkeit solcher Gefährdungen und Schädigungen aufzuklären, die, wenn sie auftreten, den Charakter unbeherrschbarer Zufälligkeiten haben. Ebensowenig braucht der Arzt über solche Risiken aufzuklären, denen er erfahrungsgemäß mit den Mit1. Lfg. HuR, 10/96

Unterbringung teln der ärztlichen Kunst ohne weiteres begegnen kann (Rockelmann in NJW 1961, 945 f). Grundsätzlich ist der Arzt nicht verpflichtet, den Kranken eingehend über alle möglichen nachteiligen Folgen der Therapie zu belehren. Es ist vor allem nicht erforderlich, den Patienten darauf hinzuweisen, daß auch die geringfügigsten Eingriffe unter ungünstigen Verhältnissen selbst bei Beachtung aller Vorsichtsmaßnahmen zu unvorhersehbaren Komplikationen führen können. Das ist allgemein bekannt und bedarf keiner besonderen Erwähnung. Maß und Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht werden mitbestimmt von der Häufigkeit und Schwere auftretender Komplikationen, somit von dem Grad der Gefährlichkeit des Eingriffs. Dabei wird man von einem Arzt im allgemeinen nicht mehr verlangen können, als daß er mit dem Kranken in großen Zügen die Therapie bespricht und ihn über die Gefahren aufklärt, mit deren Eintreten nach dem Stande ärztlicher Erfahrung und Wissenschaft gerechnet werden muß (BGH vom 16. 1. 1959 in NJW 1959, 814). Auf die Möglichkeit einer Infektion der Operationswunde brauchte die Kl. an sich nicht besonders aufmerksam gemacht zu werden. Daß bei einer solchen Operation eine Infektion möglich ist, gehört zum Allgemeinwissen eines jeden Einsichtigen und ergibt sich bereits daraus, daß bei der Operation Weichteile der Kl. verletzt wurden (BGH vom 20. 12. 1960 in NJW 1961, 261 f). Jedoch war die Kl., um von einer wirksamen und beachtlichen Einwilligung auszugehen, auf die Bauarbeiten der Klinik und die hiermit verbundenen erhöhten Infektionsgefahren hinzuweisen.

HuR Urt. 7/Seite 5

7 Unterbringung An einem derartigen Hinweis haben die Bediensteten des beklagten Landes es fehlen lassen; insbesondere ergibt sich aus den Krankenunterlagen nicht, daß ein entsprechender Hinweis erfolgt ist. Angesichts der in der Klinik mit Rücksicht auf die Bauarbeiten obwaltenden Umstände war es im Hinblick auf die mangelnde Dringlichkeit der Operation geboten, die Kl. vor Aufnahme unmißverständlich auf die beschränkten und beanstandeten Verhältnisse des Krankenhauses und die infolge der Bautätigkeit nicht einwandfreien Pflegebedingungen hinzuweisen (BGH vom 10. 11. 1970 in NJW 1971, 241f). Die vom beklagten Land der Kl. gebotenen Pflegebedingungen entsprachen nicht dem Stand der Hygiene und können daher nicht, wie es aufgrund des Aufnahmevertrags erforderlich gewesen wäre, in jeder Hinsicht befriedigen. Es mag dahinstehen, ob allein die Bekundungen der Zeugen die übereinstimmend von dem schmutzigen Krankenzimmer und Ungeziefer gesprochen haben, ausgereicht hätten, um die hygienischen Verhältnisse in der Krankenanstalt des beklagten Landes als nicht ausreichend zu bezeichnen. Gegen einwandfreie Pflegebedingungen und hygienische Verhältnisse sprechen jedoch die Bekundung der Stationsschwester der Station II B der Orthopädischen Klinik K., wonach sie in ihrer tation „sehr wenig mit Kakerlaken zu tun“ gehabt habe; allerdings sei ihr von der Nachtwache berichtet worden, „daß auf Station A sehr viel Kakerlaken seien“. Da sie die „dann mitbekamen“, habe sie sich deswegen mit der dortigen Stationsschwester in Verbindung gesetzt, damit sie jemand zum Desinfizieren kommen ließe. HuR Urt. 7/Seite 6

OLG Köln Schließlich hat das beklagte Land im eigenen Schriftsatz zu erkennen gegeben, daß die hygienischen Verhältnisse nicht einwandfrei waren. Das beklagte Land hat dort ausdrücklich hervorgehoben, Station II B sei und werde „anerkanntermaßen wesentlich besser geführt als Station II A“. Demgemäß sei Station II B auch immer sauber gehalten worden; die Aussage der Zeugin (...)1 dürfe daher nicht dahingehend verallgemeinert werden, daß sämtliche Stationen der orthopädischen Universitätsklinik etwa verschmutzt gewesen seien und nachlässig geführt worden wären. Eines eindeutigeren Hinweises auf die damaligen unzureichenden hygienischen Verhältnisse als dieses eigene Vorbringen des beklagten Landes bedarf es wohl nicht mehr. Hinzu kommt, daß auch aufgrund der Bekundung des behandelnden Arztes Prof. O. von der zusätzlichen Infektionsgefahr durch die Bauarbeiten auszugehen ist. Dieser hat bekundet, es sei Auflage gewesen, den Umbaubereich luftdicht von dem übrigen Klinikbereich abzugrenzen. Dies sei auch „im großen und ganzen“ eingehalten worden. Er habe niemals außerhalb des abgeschlossenen Baubereichs Bauschutt oder auch nur Baustaub gesehen; nur ein einziges Mal hätten sie den Eindruck gehabt, daß etwas durchgekommen sei, daraufhin sei sofort die Abdichtung zum Baubereich erneuert worden. Auch wenn man, dem eigenen Vortrag des beklagten Landes folgend, davon ausgehen will, daß die hygienischen Verhältnisse auf der Station II B wesentlich besser waren als auf der Station II A, so wurde die Kl. den1

Initialen aus der zugrundeliegenden Kopie des Urteils nicht ersichtlich.

1. Lfg. HuR, 10/96

7 OLG Köln noch von diesen nicht einwandfreien hygienischen Zuständen unmittelbar betroffen, weil nach der Bekundung der Zeugin Stationsschwester (...) die Betten aus der Station B über die Station A in den Operationssaal gefahren werden mußten und damit einer Staubeinwirkung ausgesetzt waren. Damit waren keine Pflegebedingungen vorhanden, die nach dem damaligen Stand der Hygiene in jeder Hinsicht befriedigen konnten und das beklagte Land war verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die Kl. unmißverständlich auf die beschränkten und beanstandeten Verhältnisse des Krankenhauses hingewiesen wurde, zumal die Operation nicht dringend notwendig war und ohne weiteres hätte verschoben werden können. Wie aus der Bekundung des behandelnden Arztes Dr. G. hervorgeht, stellten die Bauarbeiten in der Klinik ein erhöhtes Risiko dar. Hierauf wäre die Klägerin hinzuweisen gewesen. Auf einen ausdrücklichen Hinweis dieser Art hätte das beklagte Land allenfalls verzichten dürfen, wenn erkennbar gewesen wäre, daß die Kl. auch bei wahrheitsgemäßer Schilderung der Sachlage auf ihrem Aufnahmeverlangen bestanden hätte. Für eine derartige Annahme lagen indessen keinerlei Anhaltspunkte vor. Zwar kann eine Einwilligung auch stillschweigend erklärt werden, dies hätte jedoch die sichere Kenntnis der Kl. von den gefahrerhöhenden Umständen infolge der Bauarbeiten vorausgesetzt. Daß die Kl. hierauf hingewiesen worden ist, hat das beklagte Land nicht einmal behauptet. Die Beweislast dafür, daß sich ggf. die Kl. trotz pflichtgemäßer, d. h. ungeschminkter 1. Lfg. HuR, 10/96

Unterbringung Aufklärung zu einem Aufnahmevertrag unter Zugrundelegung unterdurchschnittlicher hygienischer Verhältnisse entschlossen haben würde, trägt das beklagte Land (BGH vom 10. 11. 1970 in NJW 1971, 241f). In dieser Hinsicht hat das beklagte Land keine schlüssigen Umstände vorgetragen oder unter Beweis gestellt. Damit ist bereits in der Aufnahme der Kl. in die Klinik des beklagten Landes ein schuldhafter Pflichtenverstoß zu erkennen, der zu einer nicht wirksamen Einwilligung in die Operation führte. b) Die im Krankenhaus eingetretene Infektion ist eine zurechenbare Folge dieses Verstoßes. Aufgrund des beiderseitigen unstreitigen Parteivorbringens ist davon auszugehen, daß es sich bei der Erkrankung der Kl. zunächst um eine Hospitalinfektion gehandelt hat. Dies hat im übrigen auch der behandelnde Arzt Dr. Th. bestätigt, der bekundet hat, bei einem Wundabstrich der Phlegmone sei massenhaft der Erreger Staphylococcus aureus festgestellt worden. Wenn auch, ausgehend vom Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M., derartige Infektionen bei einer in jeder Hinsicht ordnungsmäßigen Pflege eintreten können und nicht unbedingt auf einen ursächlichen Pflegefehler schließen lassen, so ist jedoch die Möglichkeit, daß diese Infektion auf ein unsachgemäßes Verhalten des Pflegepersonals und/oder auf nicht ausreichende hygienische Umstände zurückzuführen ist, nicht auszuschließen. Insoweit bezieht sich der Senat auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M., der in seinem Gutachten vom 8. 10. 1976 auf die möglichen weiteren Ursachen für die Hospitalinfektion hingewiesen hat.

HuR Urt. 7/Seite 7

7 Unterbringung Diese mangelnde Aufklärungsmöglichkeit geht zu Lasten des beklagten Landes, das insoweit die Beweislast trägt. Die Grundsätze, nach denen im Rahmen der Haftung aus unerlaubter Handlung und aus Vertrag hinsichtlich der Ursächlichkeit ärztlicher Behandlungsfehler nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter Umständen eine Beweislastumkehr zugunsten des Verletzten eintreten kann, gelten auch für eine Haftung aus einem Fehlverhalten des Krankenpflegepersonals (BGH vom 10. 11. 1970 in NJW 1971, 241 f). Sieht sich ein Patient bei stationärer Pflege durch Mißstände und Versäumnisse außerhalb des engeren Bereichs der ärztlichen Behandlung einer Infektionsgefahr ausgesetzt, die das Maß des Unvermeidlichen erheblich überschreitet, dann ist seine Lage derjenigen vergleichbar, in der sich ein Patient als Opfer eines groben ärztlichen Behandlungsfehlers befindet. Hat sich die Infektionsgefahr, wie hier, verwirklicht, dann kann es nach Lage der Umstände vor allem angesichts des Grades der vom beklagten Land verschuldeten Erhöhung einer unvermeidlichen, aber erheblich geringeren Gefahr, die Billigkeit erfordern, daß ihm die Last des meist aussichtslosen positiven Ursächlichkeitsbeweises abgenommen wird, so daß der verantwortliche Krankenhausträger die Nichtursächlichkeit festgestellter Fehler beweisen muß, die allgemein als geeignet anzusehen sind, die Infektionsgefahr zu erhöhen (BGH a. a. O.). Die Kl. war durch die nicht ausreichenden hygienischen Verhältnisse in der Anstalt einer unzumutbar erhöhten Infektionsgefahr durch das Zusammentreffen einzelner Unzuträglichkeiten und Versäumnisse ausgesetzt, wobei jeder Einzelumstand für sich allein vielleicht die Annahme einer groben FahrläsHuR Urt. 7/Seite 8

OLG Köln sigkeit einer bestimmten Person nicht zu rechtfertigen vermochte. Nur eine zusammenfassende Betrachtung aller dem beklagten Land anzulastenden Umstände, die die Infektionsgefahr erheblich erhöht haben, kann aber eine Grundlage für die Entscheidung darüber liefern, ob der Kl. nach allem die regelmäßige Beweislastverteilung noch zugemutet werden kann. Dies ist zu verneinen. Daß die allgemeinen hygienischen Bedingungen bereits aufgrund der Bauarbeiten nicht günstig, sondern höchstens noch an der Untergrenze des Tragbaren waren, ist auch dem medizinisch nicht Sachkundigen offensichtlich, so daß es der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nicht bedarf. Das bedeutet, daß außerordentliche Anstrengungen zur Verhütung der damit begünstigten Infektionsgefahr erforderlich waren. Dann aber war es Sache des beklagten Landes, darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, daß solche außerordentlichen Maßnahmen auch ergriffen worden waren (vgl. BGH a. a. O.). Dies ist vom beklagten Land nicht in ausreichend substantiierter Weise dargetan oder bewiesen worden. Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen M. besteht die Möglichkeit, daß die Hospitalinfektion auch von Bediensteten des beklagten Landes zu vertretende Umstände zurückzuführen ist. c) Das beklagte Land haftet für die mangelnde Aufklärung der Kl. bei ihrer Aufnahme über die nicht ausreichenden hygienischen Verhältnisse in der Klinik. Die behandelnden Ärzte, insbesondere die für die Belehrung der Kl. zuständigen Ärzte, sind als Verrichtungsgehilfen im Sinne von § 831 BGB anzusehen. Dem beklagten Land kann zugebilligt werden, daß es die behandelnden Ärzte sorgfältig aus1. Lfg. HuR, 10/96

7 OLG Köln gewählt hat, wenn auch nicht zu übersehen ist, daß es sich bei zwei der vier behandelnden Ärzte nicht um fertig ausgebildete Fachärzte gehandelt hat; Dr. G. war zum damaligen Zeitpunkt im letzten Teil seiner Weiterbildung in der Orthopädie und Dr. Sch. befand sich in seiner Weiterbildungszeit. Ob dem beklagten Land hieraus ein Vorwurf zu machen ist, kann jedoch dahinstehen. In jedem Fall ist ein Organisationsverschulden darin zu erkennen, daß es an einer ausreichenden Beaufsichtigung und Unterweisung der Ärzte gemangelt hat, die die Kl. bei der Aufnahme über die Folgen eines Eingriffs, insbesondere die durch die Bauarbeiten nicht ausreichenden hygienischen Verhältnisse, belehrt haben. Insoweit obliegt dem Vorstand einer solchen Klinik eine Leitungs- und Aufsichtspflicht, für deren Verletzung das beklagte Land einzustehen hat. Selbstverständlich können rein medizinische Fragen der Therapie im Einzelfalle nicht der Leitung der Verwaltung obliegen. Die Aufklärungspflicht, die den Ärzten bei Einholung der Einwilligung des Patienten obliegt, ist aber keine rein ärztliche der Weisungspflicht entzogene Angelegenheit, wobei dahingestellt bleiben kann, ob über den Umfang der Aufklärung selbst den angestellten Ärzten Weisungen zu geben sind. Dem beklagten Land ist das Fehlen jeder Anweisung und die unzureichende Beaufsichtigung über die ordnungsgemäße Belehrung bei der Aufnahme eines Patienten, insbesondere in Fällen, in denen eine dringende Behandlung nicht erforderlich ist, vorzuwerfen. Gleich aus welchem Grunde die hier erforderliche Überwachung oder der Hinweis auf die Aufklärungspflicht unterblieben ist, ist ein Verschulden des beklagten Landes zu bejahen, zumal es insoweit an jeglichem aus1. Lfg. HuR, 10/96

Unterbringung reichend substantiierten Vortrag fehlt. Vielmehr hat man sich, wenn überhaupt, auf die erste Belehrung bezogen, von der Unterzeichnung einer entsprechenden Urkunde abgesehen, ohne die Kl. auf die inzwischen grundlegend veränderte Gesamtsituation hinzuweisen. In der ersten Belehrung war sie aber nur über die „typischen Komplikationsmöglichkeiten . . . unterrichtet“ worden. 2. Das Begehren der Kl. ist in dem hier erkannten Umfang auch aus einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt begründet. Mit Recht hat das Landgericht auf einen Behandlungsfehler der Ärzte bei der postoperativen Behandlung der Kl. hingewiesen, für den das beklagte Land einzustehen hat (§§ 823, 831 BGB). Nach dem bisherigen Beweisergebnis, insbesondere dem Gutachten des Sachverständigen M. vom 8. 10. 1976, liegt ein Behandlungsfehler der Ärzte jedenfalls darin, daß sie die Infektion nicht früher erkannt und entsprechende Maßnahmen getroffen haben. Da die Infektion anhand der Epikrise von Dr. Th. offensichtlich erkennbar von dem Operationsort ausging, hätte nach den Ausführungen des Sachverständigen, denen sich der Senat anschließt, früher gezielt chemotherapeutisch eingegriffen werden können. Eine eingehende Untersuchung der Kl. wäre insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil diese über zunehmende heftige Schmerzen klagte. Es wäre die Pflicht der behandelnden Ärzte gewesen, diesen Beschwerden der Kl. nachzugehen und nicht darauf zu vertrauen, daß es sich hierbei um normale Schmerzen, wie sie nach jeder Operation aufzutreten pflegen, handeln werde. Aus der Änderung der Medikation am 31. 1. 1974 (Donnerstag) und der von Dr. G. bestätigten Spreizung des Gipses geht, HuR Urt. 7/Seite 9

7 Unterbringung worauf das Landgericht mit Recht hingewiesen hat, hervor, daß der Zustand der Kl. an diesem Tage derart besorgniserregend gewesen sein muß, daß sich einer der behandelnden Ärzte zu diesen Maßnahmen veranlaßt sah. Der Hinweis der Streitverkündeten, aus der im Krankenblatt enthaltenen Klammer sei ersichtlich, daß diese Medikamentation am 4. 2. 1974 geändert sei, ist neu und widerspricht im übrigen der eindeutigen Eintragung im Krankenblatt. Zumindest muß diese mangelnde Aufklärung und Unsicherheit zu Lasten der Krankenanstalt gehen, die für eine ordnungsgemäße Führung des Krankenblattes verantwortlich ist. Den behandelnden Ärzten ist vorzuwerfen, daß sie trotz der Schmerzkundgebung der Kl. und der am 31. 1. 1974 eingeleiteten Änderung der Medikation bis zum 4. 2. 1974 (Montag) nichts unternommen haben, um der über das Wochenende eingetretenen lebensbedrohenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Kl. wirksam zu begegnen, was nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M. mit relativ einfachen chemotherapeutischen Maßnahmen möglich gewesen wäre. Die behandelnden Ärzte können sich nicht damit entlasten, die Kl. habe das Krankheitsbild durch die unkontrollierte Einnahme fiebersenkender Medikamente offensichtlich verschleiert. Dahinstehen kann, ob die Kl. tatsächlich derartige Medikamente eingenommen hat. Bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt mußten die behandelnden Ärzte mit einer möglichen Hospitalinfektion der Kl. rechnen und die erforderlichen Untersuchungen und Vorkehrungen treffen. Dazu gehörte auch, die Kl. nach Einnahme von Medikamenten zu befragen, die sich nicht HuR Urt. 7/Seite 10

OLG Köln aus dem Krankenblatt ergaben, zumal, wie der Zeuge Prof. M. bekundet hat, Schwestern in eigener Verantwortung „harmlose Schlaf- und Schmerztabletten“ ohne Eintragung in das Krankenblatt verabreichen. Bei einer entsprechenden Befragung wäre somit die Gefahr einer Verschleierung des Krankheitsbildes der Kl. infolge der Einnahme fiebersenkender Medikamente vermeidbar und eine rechtzeitige und wirksame Bekämpfung der Hospitalinfektion möglich gewesen. Den behandelnden Ärzten ist zum Vorwurf zu machen, daß sie im Hinblick auf die Schmerzkundgebungen der Kl. insbesondere in dieser Hinsicht nicht alles Erforderliche zur Aufklärung des Krankheitsbildes getan haben. Der Vorwurf des beklagten Landes, insoweit handele es sich um eine Überraschungsentscheidung des Landgerichts, ist unzutreffend. Bereits im Schriftsatz der Kl. vom 5. 11. 1976 befindet sich der Hinweis, ein Verschulden werde auch darin erblickt, daß nicht frühzeitig eingegriffen worden sei. Auf diesen Vorwurf ist das beklagte Land in seinen Schriftsätzen vom 29. 11. 1976, 14. 12. 1976 und vom 14. 2. 1977 eingehend eingegangen. Schließlich hat auch das Landgericht in seinem Ergänzungsbeweisbeschluß vom 31. 1. 1977 durch das dort angegebene Beweisthema hinreichend auf die Bedeutung dieser Frage hingewiesen, so daß von einer Überraschungsentscheidung nicht die Rede sein kann. Das beklagte Land haftet für das Verschulden der behandelnden Ärzte. Auch insoweit ist ein Organisationsverschulden zu bejahen, indem das beklagte Land nicht dafür ausreichend Vorsorge getroffen hat, daß eine ordnungsgemäße Befra1. Lfg. HuR, 10/96

7 OLG Köln gung des Patienten nach der Einnahme etwaiger (hier: fiebersenkender) Medikamente durchgeführt und kontrolliert wird. Insoweit fehlt es jedenfalls an einem ausreichend substantiierten Vortrag des beklagten Landes. Hierzu hätte im vorliegenden Fall deshalb besonderer Anlaß bestanden, weil die Kl., wie aus dem Einlagebogen zum Krankenblatt ersichtlich, bei der Wiederaufnahme am 17. 1. 1974 selbst von Tabletten gesprochen hat, die ihr neurologischerseits wegen Kopfschmerzen verordnet worden seien. Aus dem Inhalt des Krankenblattes geht nicht hervor, daß die Kl. auch nach anderen, insbesondere fiebersenkenden Medikamenten, gefragt worden ist. Eine derartige Befragung wäre insbesondere im Falle der Kl. unerläßlich gewesen. Pflicht und Aufgabe des beklagten Landes war es, durch entsprechende Anweisungen und Überwachungen insoweit ausreichend Vorsorge zu treffen. Insoweit fehlt es an jeglichem Vortrag. 3. Sowohl das Feststellungsbegehren als auch der Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von 9 000,– DM sind begründet. Aufgrund des eingetretenen Schadensereignisses ist der Eintritt eines weiteren, derzeit noch nicht erkennbaren Schadens, möglich. Jedenfalls kann im derzeitigen Zeitpunkt nicht festgestellt werden, daß der Eintritt eines weiteren Schadens ausgeschlossen ist. Um dies festzustellen, bedarf es nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens. Ebenso ist der Schmerzensgeldanspruch (9000,– DM) begründet (§§ 823, 847 BGB). Dieser rechtfertigt sich, worauf das Landgericht mit Recht hingewiesen hat, aus dem Ausmaß der Verunstaltung des Beines, wovon sich der Senat durch Au1. Lfg. HuR, 10/96

Unterbringung genscheinseinnahme überzeugt hat (soweit Narben nicht ohnehin bei normal verlaufener Operation zurückgeblieben wären), und dem besonders schweren Krankheitsverlauf. Die Kl. hat, wie das beklagte Land (im Schriftsatz vom 1. 4. 1975) selbst vorgetragen hat, die ersten 10–14 Tage auf der Intensivstation in Lebensgefahr geschwebt und wurde erst am 26. 4. 1974 entlassen. Ausmaß und Schwere dieser lebensbedrohenden Folgen, Dauer des Krankenhausaufenthaltes und Entstellung des rechten Beines der Kl. rechtfertigen das zuerkannte Schmerzensgeld. 4. Der Vortrag und die Beweisantritte der Streitverkündeten zu 1. bis 3. in den Schriftsätzen vom 13. und 15. 2. 1978 werden, soweit sie erheblich sind, wegen Verspätung nicht zugelassen (§§ 282 Abs. 1, 296 Abs. 2, 523 ZPO). Die Streitverkündeten zu 1. bis 3. haben ihre Verteidigungsmittel und Behauptungen nicht so zeitig vorgebracht, wie es nach der Prozeßlage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozeßführung entsprochen hätte (§ 282 Abs. 1 ZPO). Die Streitverkündung wurde dem Streitverkündeten zu 1) (Prof. Dr. I.) am 6.9. 1977, dem Streitverkündeten zu 2) (Prof. Dr. O.) am 4. 10. 1977 und dem Streitverkündeten zu 3) (Dr. G.) am 6. 9. 1977 laut Postzustellungsurkunden zugestellt. Die Ladung zum Termin am 17. 1. 1978 ging den Streitverkündeten laut Postzustellungsurkunde jeweils am 10. 11. 1977 zu. Erstmals mit einem am 23. 12. 1977 bei Gericht eingegangenen Schreiben haben die Rechtsanwälte mit dem Hinweis, der Haftpflichtversicherer der Streitverkündeten habe sie mit der Wahrnehmung der Interessen beauftragt, um Akteneinsicht gebeten. Nach einem auf Bl. 281 der Gerichtsakten befindlichen Vermerk HuR Urt. 7/Seite 11

7 Unterbringung wurde den Rechtsanwälten am 30. Dezember 1977 telefonisch mitgeteilt, daß die Akten abholbereit seien; am 5. 1. 1978 wurden die Akten nach Einsichtnahme wieder zurückgegeben. Unter Berücksichtigung dieser rechtzeitigen Benachrichtigung der Streitverkündeten ist deren Vorbringen, soweit es erheblich ist, in den Schriftsätzen vom 13. 2. 1978 (eingegangen am 14. 2. 1978 bei Gericht) und 15. 2. 1978 (eingegangen am selben Tage) wegen Verspätung nicht zuzulassen (§§ 282 Abs. 1, 296 Abs. 2, 523 ZPO). Die Streitverkündeten wären aufgrund der rechtzeitigen Benachrichtigung von der Streitverkündung in der Lage gewesen, ihre Behauptungen so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozeßlage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozeßführung entsprochen hätte. Die Streitverkündeten können nicht damit gehört werden, daß infolge verspäteter Aktenübersendung eine rechtzeitige Einreichung ihrer Schriftsätze nicht möglich gewesen sei. Die Streitverkündeten hatten, wie dargetan, bereits seit dem 6. September 1977 bzw. 4. Oktober 1977 Kenntnis von der Streitverkündung. Es hätte damit die Möglichkeit eines früheren Antrags auf Akteneinsicht, als erstmals am 23. Dezember 1977 beim Senat eingegangen, bestanden. Wenn die Streitverkündeten sich mehr als zwei Monate mit der Stellung des Antrags auf Akteneinsicht Zeit gelassen haben, so widerspricht dies den Erfordernissen einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozeßführung.

HuR Urt. 7/Seite 12

OLG Köln Hinzu kommt, daß die Streitverkündeten bereits durch ihre in erster Instanz erfolgte Vernehmung Kenntnis von dem Inhalt des Rechtsstreits und der gegen sie erhobenen Vorwürfe hatten. Diese Kenntnis gilt insbesondere bei Prof. O., wie aus seiner Bekundung am 23. 2. 1977, er habe die Schriftsätze beider Rechtsanwälte sowie das Gutachten von Prof. Dr. M. zur Stellungnahme vorgelegt erhalten und in seiner Handakte vor sich liegen, hervorgeht, über die eines Zeugen hinaus. Die Streitverkündungsgegner hätten sich also schon vor der Streitverkündung als Streithelfer am Rechtsstreit beteiligen können (§ 66 ZPO). Das kann indessen dahinstehen, da schon ihr oben geschildertes Verhalten nach der Streitverkündung den Verspätungsvorwurf rechtfertigt. Maßnahmen nach § 273 (§ 262 a. F.) ZPO waren so nicht möglich. Die Verspätung beruht damit auf grober Nachlässigkeit und die Verteidigungsmittel der Streitverkündeten würde bei Zulassung die Erledigung des im erkannten Umfrage entscheidungsreifen Rechtsstreits verzögern, so daß eine Zurückweisung geboten war. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 10, 704, 713 ZPO. Streitwert für das Berufungsverfahren insgesamt: 35 000,– DM (15 000,– DM Schmerzensgeldanspruch; 20 000,– DM Feststellungsbegehren). Beschwer des Bekl. durch dieses Teilurteil: (9 000,– + 20 000,– =) 29 000,– DM.

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