20 Jahre 20 Geschichten

Fotos: Foto Vorwort/Dr. Sophie Karmasin: ©ChristianJungwirth.com Die Fotos zu den vorgestellten Projekten wurden von den jeweiligen Personen und Einrichtungen zur Verfügung gestellt. Herzlichen Dank! Herausgeber: Interkulturelles Zentrum – Nationalagentur „Erasmus+: Jugend in Aktion“ Grafik-Design: Schneeweis Wittmann (www.schneeweiswittmann.at) Interviews & Redaktion: Philipp Schneider (www.sastre.at) Druck: digidruck.at Wien, Oktober 2016 Diese Publikation wurde mit Unterstützung der Europäischen Kommission finanziert. Die Verantwortung für den Inhalt der Veröffentlichung trägt allein der/die Verfasser/-in, die Kommission haftet nicht für die weitere Verwendung der darin enthaltenen Angaben.

Der Europäische Freiwilligendienst feiert Geburtstag! Seit 20 Jahren sind junge Österreicherinnen und Österreicher als Europäische Freiwillige im Ausland im Einsatz. Sie helfen in gemeinnützigen Organisationen und Projekten mit, z.B. in Kindergärten, Jugendzentren, Naturschutzparks oder Pflegeeinrichtungen. Gefördert wird dieser Einsatz durch das EU-Jugendförderprogramm, aktuell „Erasmus+: Jugend in Aktion“. Im Jahr 1996 wurde der Europäische Freiwilligendienst (EFD) als Pilotprojekt von der Europäischen Kommission ins Leben gerufen. Seither haben europaweit mehr als 100.000 junge Freiwillige daran teilgenommen und bis Ende 2020 sollen weitere 100.000 dazukommen. Aus Anlass des 20-Jahre-Jubiläums wurden in dieser Festpublikation zehn Jugendliche interviewt, die einen EFD absolviert haben, sowie zehn Organisationen aus Österreich, die junge Freiwillige bei sich aufnehmen. Die Bezeichnung „EFDler“ wird in der vorliegenden Publikation für Europäische Freiwillige verwendet und inkludiert alle Freiwilligen jeglichen Geschlechts. Der EFD steht allen jungen Menschen zwischen 17 bis 30 Jahren offen, egal welche Ausbildung sie mitbringen. Jede/r kann sich für einen Europäischen Freiwilligendienst bewerben. Es müssen keinerlei Sprachkenntnisse oder anderweitige Qualifikationen mitgebracht werden und besonders jene Jugendliche sollen vom Programm profitieren, die ansonsten kaum Möglichkeiten haben eine solche Auslandserfahrung zu machen. Für die Freiwilligen werden Unterkunft und Verpflegung gestellt und sie erhalten ein Taschengeld sowie einen Zuschuss zu den Reisekosten. Einsatzstellen für Europäische Freiwillige sind auch in Österreich gefragt: Gemeinnützige Einrichtungen und Organisationen, die Interesse haben einen Freiwilligen zu engagieren, können sich bei der Österreichischen Nationalagentur melden.

NÄHERE INFORMATIONEN www.jugendinaktion.at/europaeischer-freiwilligendienst

Dr. Sophie Karmasin BUNDESMINISTERIN FÜR FAMILIEN UND JUGEND

Vorwort Liebe Festgäste! Liebe Leserinnen und Leser! Freiwilligenarbeit hat in Österreich Tradition und nimmt einen besonders hohen Stellenwert ein: Mehr als 3,3 Millionen Menschen über 15 Jahre engagieren sich in unserem Land freiwillig, das ist im Europavergleich eine Spitzenposition. Das Engagement ist so vielfältig und bunt wie unsere Gesellschaft selbst, sei es in der Jugendarbeit, oder im Sozialen- und im Bildungsbereich. Ein Projekt das sich seit nunmehr zwei Jahrzehnten bewährt hat und als wegweisender Brückenbauer unseres Kontinents gesehen werden kann ist der Europäische Freiwilligendienst. 20 Jahre EFD ist eine beeindruckende Erfolgsgeschichte, die zukunftsweisend für ein Miteinander über den europäischen Raum hinaus steht. Jungen Menschen werden unabhängig der geografischen, gesellschaftlichen und kulturellen Grenzen bereichernde Begegnungen und Erfahrungen ermöglicht. Gleichzeitig entwickeln sie durch ihr freiwilliges Engagement wertvolle Fähigkeiten, die oft auch Einfluss auf ihre Bildungsund Berufskarrieren nehmen. Für einen Erfolg braucht es Menschen, die nicht nur Visionen eines europäischen Zusammenlebens beschreiben, sondern diese auch in die Realität umsetzen. An dieser Stelle spreche ich allen Vertreterinnen und Vertretern der beteiligten Institutionen meinen großen Dank aus, die in den letzten 20 Jahren ihren Beitrag zum Gelingen des Europäischen Freiwilligendienstes geleistet haben. Meinen Dank richte ich auch an alle jungen Menschen, die am Europäischen Freiwilligendienst teilgenommen haben, und den Geist des freiwilligen Engagements sowie des respektvollen Miteinanders in einem gemeinschaftlichen Europa leben und weitertragen. Auf die nächsten 20 Jahre!

Dr. Sophie Karmasin

Mag. Gerhard Moßhammer INTERKULTURELLES ZENTRUM NATIONALAGENTUR „ERASMUS+: JUGEND IN AKTION”

Unzählige Biografien und Lebensgeschichten wurden bereits durch den Europäischen Freiwilligendienst geprägt: Egal, ob wichtige Weichenstellung für die weitere Ausbildung oder berufliche Karriere, Start für neue Beziehungen und lebenslange Freundschaften, Familiengründung oder neue Heimat – der Europäische Freiwilligendienst hinterlässt nachhaltig Spuren. Menschen treffen Menschen, sie helfen und unterstützen einander, frischer Wind kommt in die Organisation, lokale Strukturen werden durch internationalen Flair bereichert und neue Perspektiven eröffnen sich. Und das Besondere daran: Jede/r Jugendliche kann am Europäischen Freiwilligendienst teilnehmen! Es braucht keinerlei Ausbildung, Fremdsprachenkenntnisse oder andere Qualifikationen, um sich zu engagieren. Jedes Jahr sind junge Österreicher und Österreicherinnen als Europäische Freiwillige im Ausland aktiv. Zugleich profitieren gemeinnützige Einrichtungen und Organisationen in ganz Österreich vom Engagement junger Leute aus Europa. Und es werden immer mehr, denn dank steigender Fördermittel der Europäischen Union können in Zukunft noch mehr junge Menschen von diesem Mobilitätsprogramm profitieren. Aus Anlass des 20 Jahre Jubiläums haben wir in der vorliegenden Publikation 20 Portraits von Jugendlichen gesammelt, die als Europäische Freiwillige ins Ausland gezogen sind, sowie von Einrichtungen aus ganz Österreich, in denen Europäische Freiwillige engagiert sind. Zahlreiche Menschen und Organisationen sind an der erfolgreichen Umsetzung des Europäischen Freiwilligendienstes in Österreich beteiligt. Als Leiter der Nationalagentur danke ich Ihnen allen für Ihr Engagement und freue mich auf die Fortsetzung dieser Erfolgsgeschichte! Viel Spaß bei der Lektüre!

Mag. Gerhard Moßhammer

Stará L'ubovňa SLOWAKEI

Vom Bahnhof direkt auf die Skipiste

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as hätte sich Mäggy Ortner auf der 21stündigen Zugfahrt zu ihrem EFD-Zielort in der Slowakei auch nicht gedacht: Gleich nach der Ankunft in Stará L‘ubovňa ging es mit ihren neuen Kolleginnen und Kollegen erstmal zum Skifahren. Dabei hätte es mit dem EFD Anfang 2015 eigentlich in viel wärmere Gefilde gehen sollen: nach Griechenland. Doch das griechische Projekt, für das sich Mäggy entschieden hatte, hatte plötzlich mit finanziellen Problemen zu kämpfen und musste der damals 20-Jährigen kurzfristig absagen. „Oh mein Gott, was mache ich jetzt?”, fragte sich die Vorarlbergerin. Doch genauso kurzfristig wie die Absage, erschien auch schon die Lösung am Horizont. Die Betreuerin ihrer Entsendeorganisation aha Vorarlberg hatte von einem Projekt in der Slowakei gehört, das spontan auf der Suche nach Freiwilligen aus Österreich gewesen war. „Die Tätigkeit mit Kindern und Jugendlichen hatte mich schon damals interessiert, also habe ich mich beworben”, erzählt Mäggy. Kurze Zeit später saß sie bereits im Zug und war ob des Neuen und Ungewissen, das sie nun erwarten würde, reichlich nervös. „Ich hatte zwar

schon zuvor Kontakt mit Mitarbeitern der Organisation und einer EFD-Freiwilligen aus Deutschland, die bereits in Stará L‘ubovňa im Einsatz war. Aber ich war trotzdem ziemlich nervös, weil ich noch nie zuvor so lange alleine gewesen war”, schildert Mäggy ihre Gedanken, die während der Zugfahrt durch ihren Kopf schwirrten. Doch mit dem Alleinsein war es nach der Ankunft in der Slowakei schnell vorbei. In den Tagen vor dem Beginn ihrer Tätigkeit in der Organisation wurde die Zeit nicht nur zum Skifahren, sondern vor allem zum gegenseitigen Kennenlernen genutzt. Die WG teilte sich Mäggy mit zwei Mädels aus Deutschland und Kroatien. Die Kommunikation über Putzpläne und gemeinsame Unternehmungen lief auf Deutsch, da die EFD‘lerin aus Kroatien ebenfalls Deutsch sprach. Mäggys deutsche Muttersprache war auch verantwortlich dafür, dass sich ihre Aufgaben in den folgenden Wochen und Monaten anders gestalteten als ursprünglich geplant. „Vorab wurde mir gesagt, dass ich mit den von der Organisation betreuten Kindern und Jugendlichen Freizeitaktivitäten unternehmen sollte.” Doch nachdem Mäggy noch kein Slowakisch sprach und die Kinder kein

Mäggy Ortner aus Vorarlberg

1 Englisch oder Deutsch verstanden, wurde gemeinsam eine andere Aufgabe gefunden. So entstand die Idee, dass Mäggy ihre Deutsch- und Englischkenntnisse an die Kinder weitervermittelt: „Das war voll cool und hat viel Spaß gemacht”, zieht Mäggy eine positive Bilanz. Zugleich verbesserten sich Mäggys Slowakischkenntnisse rasant, mit slowakischen Bodensee-Touristen kann sie sich auch heute noch problemlos in deren Landessprache unterhalten. Mäggy kehrte im September 2015 aus Stará L‘ubovňa zurück, mit im Gepäck jede Menge neue Erfahrungen und ein anderer Blick auf – in Österreich – ganz Alltägliches. „Man lernt Dinge wie Strom und warmes Wasser zu schätzen”, erzählt Mäggy. „Im Sommer gab es nie warmes Wasser und im Winter ist ständig der Strom ausgefallen. Wenn ein Gewitter kam, hat das Haus immer ordentlich gewackelt”, erzählt die heute 22-Jährige mit einem Lachen.

„Außerdem lernt man sehr gut, sich selbst zu beschäftigen und mit sich selbst klar zu kommen. In der örtlichen Bibliothek gab es deutsche Bücher, die habe ich verschlungen. Ich habe viel Musik gemacht und bin viel Spazieren gewesen.” Die Erfahrung, das eigene Leben und die Tagesabläufe selbst zu gestalten, führte dazu, dass Mäggy nach ihrer Rückkehr aus dem elterlichen Haus ausgezogen ist. „Ich habe mich irrsinnig auf alle daheim gefreut, aber nach sieben Monaten im Ausland wieder in meinem Zimmer zu hocken, war schon irgendwie komisch.” Nichts geändert hat sich durch den EFD-Einsatz am Berufswunsch der Vorarlbergerin, im Gegenteil. Nach ihrer Rückkehr nach Dornbirn begann sie „Soziale Arbeit” an der FH Vorarlberg zu studieren. „Das war schon vorher klar für mich, der Aufenthalt in der Slowakei hat mich aber nochmal darin bestärkt”, sagt Mäggy.

Lustenau VORARLBERG

Offene Jugendarbeit Lustenau

Wo Vielfalt Programm ist

V

ielfältig – das beschreibt die Einsatzmöglichkeiten für EFD‘ler bei der Offenen Jugendarbeit Lustenau (OJAL) wohl am besten. „Wir setzen die Freiwilligen in sämtlichen Bereichen ein, also bei der Betreuung an unserem Jugendplatz Habedere genauso wie im Mädchencafé, dem Jugendcafé im Culture Factor Y, dem Jugendtreff Oase oder unserem Beschäftigungsund Qualifizierungsprojekt Gute Geister”, erzählt Sozialarbeiterin Kerstin Hofer. „Darüber hinaus besteht auch jederzeit die Möglichkeit, eigenständige Workshops oder Projekte durchzuführen”, ergänzt OJAL-Co-Leiterin Birgit Mattei. So hat zum Beispiel eine deutsche Freiwillige bei einem Deradikalisierungsprojekt mitgeholfen. „Und die aktuelle EFD‘lerin aus Griechenland hat beim Rundgang durch die Einrichtung, als sie die Werkstatt entdeckt hat, gleich gesagt, dass sie gerne mal einen

Handwerks- oder Bastelnachmittag mit unseren Jugendlichen machen will”, so Mattei weiter. Die erste EFD‘lerin, eine Dänin, startete im Februar 2015 in Lustenau. „Die Offene Jugendarbeit Lustenau ist seit jeher ein multikultureller Verein. Wir legen auch im Team viel Wert auf Vielfalt, sowohl bei den Interessen und Stärken der Teammitglieder, als auch bei der kulturellen Herkunft. Deshalb ist es eine Bereicherung für uns, eine junge Person aus einem anderen Land kennenzulernen, ins Team einzuführen und diese zu begleiten”, betont Kerstin Hofer. Mittlerweile ist mit der Griechin Konstantina die seit September 2016 dritte EFD‘lerin in Lustenau im Einsatz. „Die Jugendlichen lernen auf diese Art Menschen aus anderen Ländern und Kulturen kennen und entwickeln ein Feingefühl, Personen anderer Herkunft anzunehmen und zu integrieren.

Sie müssen sich der Challenge stellen, Hochdeutsch und manchmal sogar Englisch zu reden”, beschreibt Birgit Mattei die Herausforderung für die lokalen Jugendlichen. Dass die Freiwilligen von ihren KlientInnen sehr gut angenommen werden, zeigt sich spätestens dann, wenn es am Ende des EFD-Einsatzes heißt, Abschied zu nehmen. „Unsere Burschen und Mädels gewöhnen sich sehr stark an die Freiwilligen, vielen Jugendlichen fällt es dann schwer, wenn sie sich verabschieden müssen. Es entstehen da schon sehr gute Beziehungen”, so Mattei. Die Freiwilligen werden bei der Offenen Jugendarbeit Lustenau in die Monatspläne und Abläufe eingebunden und sind jeweils für einen längeren Zeitraum in einer Einrichtung eingeteilt. „Dadurch können leichter Beziehungen zwischen unseren Jugendlichen und den Freiwilligen aufgebaut und gleichzeitig Hemmschwellen abgebaut werden”, erklärt Mattei. Die griechische EFD‘lerin startete beispielsweise in der Oase, dem Lustenauer Treffpunkt für zehn- bis vierzehnjährige Jugendliche. Auf die persönlichen Interessen der Freiwilligen wird bei der Verteilung auf die in der ganzen Gemeinde verstreuten Einrichtungen natürlich Rücksicht genommen. Sollten Probleme auftreten, kann auch mal kurzfristig umdisponiert werden. „Ein Mädchen hat sich im Jugendcafé nicht so wohlgefühlt, da haben wir dann einen Wechsel gemacht und sie woanders eingeteilt”, erzählt Mattei. Um eventuell auftretende Schwierigkeiten möglichst früh erkennen zu können, finden regelmäßige Reflexionsgespräche statt.

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Untergebracht werden die EFD‘ler im Kolpinghaus im sechs Kilometer entfernten Dornbirn. „Dort sind auch Freiwillige aus anderen Organisationen untergebracht, was natürlich sehr angenehm ist, weil man dort sehr schnell Gleichgesinnte für gemeinsame Freizeitaktivitäten findet”, erzählt Hofer. Diese können zum Bodensee genauso führen, wie zum Skifahren auf das Dornbirner Bödele. Und auch im Rahmen der Aktivitäten in der Offenen Jugendarbeit Lustenau bekommen die EFD‘ler einen Einblick in das Vorarlberger Freizeit- und Kulturleben. „In unserem Beschäftigungs- und Qualifizierungsprojekt findet jeden Freitag ein Bildungstag statt, zuletzt ging es ins Jüdische Museum in Hohenems. Dabei können sich unsere Freiwilligen natürlich auch anschließen, was für sie definitiv eine Bereicherung ist”, erzählt Mattei. Vielfalt wird also nicht nur in den Einsatzbereichen der Offenen Jugendarbeit Lustenau, sondern auch in der Freizeit großgeschrieben.

Stepanawan ARMENIEN

Eine Erfahrung, die jede/r mal gemacht haben sollte

Ü

ber den armenischen Markt schlendern und Obst und Gemüse einkaufen. „Das kam dort alles direkt vom Feld in die Kiste am Markt und hat grandios geschmeckt. Allein die Äpfel waren ein Traum”, schwärmt Lara Leitner von den kulinarischen Reizen ihres EFD-Aufenthalts im Kaukasus. Über eine Klassenkameradin wurde die damals 19-Jährige auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht, via Europäischen Freiwilligendienst ins Ausland zu gehen. „Ich habe mich dann gleich auf der Website von InfoEck informiert, wo ich das ausgeschriebene Projekt in Armenien gesehen habe”, erzählt Lara. Und dann ging alles ganz schnell: „Es hat interessant geklungen und sich nach einer spannenden Herausforderung angehört. Also habe ich mich beworben und einen Monat später war ich in Armenien.” Das Projekt, bei dem Lara zwischen Oktober 2013 und September 2014 mitgearbeitet hat, befand sich im Norden von Armenien, in einer kleinen Stadt namens Stepanawan. Die auf einer Höhe von 1.300 Metern gelegene Gemeinde wird vom Fluss

Dsoraget in zwei Hälften geteilt, nicht weit von hier lag das Epizentrum jenes Erdbebens, das 1988 mehr als 25.000 Todesopfer forderte. Zehn Jahre später wurde jene Organisation gegründet, für die Lara tätig war, die Full Life NGO. Lara unterstützte jeweils von Montag bis Freitag behinderte Kinder aus Stepanawan und der Umgebung. „Von Mathe bis Englisch und Kunst war alles mit dabei”, sagt sie. Die Kinder waren zwischen sieben und siebzehn Jahren alt. In jeder der fünf Gruppen waren zehn Kinder. Die Verständigung mit den Kindern lief trotz anfänglicher Sprachbarriere ohne Probleme, „irgendwie haben wir uns immer verständigt.” Die Tätigkeit mit den Kindern hat großen Spaß gemacht, „die meisten Tage mit den Kindern waren wirklich toll”, zeigt sich Lara auch noch zwei Jahre nach ihrem Aufenthalt begeistert. „Wir hatten eine echt schöne Zeit miteinander und haben uns gegenseitig total ins Herz geschlossen.” Eine größere Herausforderung war es da schon, die Kinder jeden Tag aus den umliegenden Dörfern nach Stepanawan und wieder zurück zu bringen. „Es gab vor Ort einen Angestellten, dessen einzige Aufgabe es war, die Kinder hin und her zu fahren.

Lara Leitner aus Tirol

3 Das war aufgrund des fehlenden öffentlichen Verkehrs und der oft nur ungenügend ausgebauten Straßen ein nicht nur aufwendiges, sondern auch teures Unterfangen.” Untergebracht war Lara vor Ort gemeinsam mit einem weiteren Freiwilligen aus Dänemark in einem Haus, das nur wenige Gehminuten vom Büro der NGO entfernt lag. Die Tatsache, dass es für ländlich-armenische Verhältnisse sehr ungewöhnlich war, dass Frau und Mann ohne Heirat gemeinsam ein Haus bewohnten, änderte nichts daran, dass die beiden immer wieder von Nachbarn zum Essen eingeladen worden sind. „Armenier sind ausgesprochen gastfreundlich. Wir waren öfter mal bei Familien eingeladen, die für uns gekocht haben”, sagt Lara und noch heute erinnert sie sich nur zu gern an Xorovac, das traditionelle armenische Grillfleisch. Auch einzelne Projekte mit den Kindern sind der heute 22-Jährigen noch gut in Erinnerung. „Wir wollten zu Weihnachten mit den Kindern in die Hauptstadt fahren und beim dortigen

Weihnachtsbasar Lieder singen”, erzählt Lara. Gemeinsam mit ihrem dänischen Mitvolontär wurde eine Woche lang durchgeschuftet, armenische und englische Lieder eingeübt, Plakate gemalt und vieles mehr. „Eigentlich dachten wir, dass wir das niemals schaffen würden. Doch dann sind wir nach Eriwan gefahren und es war ein echt super Tag und die Kinder hatten total viel Spaß.” Für Lara eine wichtige Erfahrung, nicht nur im Rahmen ihres EFD-Einsatzes, sondern generell fürs Leben. „Egal wie schwierig etwas erscheint, man muss alles so nehmen wie es kommt, sich durchbeißen und das Beste daraus machen.” Und so fällt ihr Fazit auch zwei Jahre nach Ende ihres EFD-Einsatzes positiv aus: „Das ist eine Erfahrung, die jeder mal gemacht haben sollte und das bringt einen als Menschen einfach weiter. Da lernt man Dinge, die in keinem Lehrbuch der Welt stehen.”

Innsbruck TIROL

Die Bäckerei – Kulturbackstube

Vom EFD‘ler zum Kollegen „D

ie Bäckerei hat im Jahr 2012 zum ersten Mal einen Freiwilligen aus dem EFD-Programm bei sich gehabt”, erzählt Alberto Sanchez. Und wenn sich ein Mitarbeiter des Innsbrucker Kulturzentrums an den damaligen Einsatz noch heute sehr gut erinnern kann, dann ist das Alberto Sanchez selbst. Denn es war der gebürtige Spanier, der vor vier Jahren aus seiner andalusischen Heimat nach Tirol kam, um einen Europäischen Freiwilligendienst zu absolvieren. Heute ist er als Jugendkoordinator und Kurator von Ausstellungen und Projekten in der Bäckerei-Kulturbackstube tätig. „Ich war damals zwölf Monate hier und habe die Erfahrung und das gesamte Umfeld so toll gefunden, dass ich unbedingt hier bleiben wollte”, wirft Sanchez einen Blick zurück. Der Kulturverein befindet sich im Gebäude einer ehemaligen Bäckerei, bei den Umbauarbeiten

wurde darauf Wert gelegt, dass der namensgebende Gebäudecharakter erhalten bleibt. Seit 2010 stellt der Verein seine Infrastruktur Kultur- und Kunstschaffenden zur Verfügung. „Wir haben pro Jahr 500 Veranstaltungen, jeder kann zu uns kommen und ein Projekt vorschlagen”, erzählt Alberto Sanchez. Als der Spanier 2012 seinen EFD-Einsatz antrat, bestand das Bäckerei-Team aus gerade mal fünf Personen, mittlerweile sind es zehn Angestellte. „Ich habe mich damals hauptsächlich mit der Betreuung und Dokumentation von Veranstaltungen beschäftigt”, erzählt Sanchez. Ein Aufgabenbereich, der auch heutzutage gerne von den – mittlerweile gleichzeitig zwei im Einsatz befindlichen – EFD‘lern mitübernommen wird. „Die Freiwilligen können sich bei uns aussuchen, was sie am liebsten machen wollen”, erklärt Sanchez. Sie können selbst Projekte entwickeln und sich in verschiedenen Bereichen ausprobieren. Aktuell setzt sich ein

4 kroatischer Freiwilliger vor allem mit der IT auseinander, seine slowakische EFD-Kollegin ist sehr talentiert im Umgang mit Fotos und Videos, weswegen sie sich um die Dokumentation von Veranstaltungen kümmert. „Die Tätigkeit der Freiwilligen geht aber weit über die Unterstützung im normalen Alltag hinaus”, betont Sanchez. „Die verschiedenen Freiwilligen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen, mit all ihren facettenreichen persönlichen Hintergründen, stellen uns als Team immer wieder vor Herausforderungen und neue Situationen. Das macht es für uns so interessant.” Sanchez eigene Erfahrungen als EFD‘ler machen es ihm besonders leicht, sich in die Situation seiner jungen NachfolgerInnen hineinzuversetzen. „Ich kann mich recht gut in ihre Lage einfühlen. Ich weiß, wie es ist, wenn man neu in einem Land ist und noch niemanden so wirklich kennt. Das ist im Umgang mit unseren aktuellen Freiwilligen sicher hilfreich”, erzählt Sanchez. Bei der Auswahl der EFD‘ler achten Sanchez und seine KollegInnen in erster Linie auf eine gewisse Grundoffenheit. „Wir sind sehr viel mit Menschen konfrontiert. Falls das einen Freiwilligen zu Beginn vor eine Herausforderung stellt, ist es auch okay. Aber man muss zumindest bereit sein, das zu lernen und sich gegenüber fremden Menschen zu öffnen.” Ungewohnt sei für viele Freiwillige in der Anfangsphase vor allem der

Umstand, dass es im Team der Bäckerei keine klassischen Hierarchien gibt. „Wir haben hier keinen Chef, alle arbeiten sehr eigenständig. Das ist ein Prozess, der für viele gewöhnungsbedürftig ist, denn sie erwarten hier jemanden, der ihnen sagt, was sie wie zu erledigen haben.” Mit der Zeit kommen die Freiwilligen mit dieser für sie ungewohnten Situation gut zurecht, was Alberto Sanchez nicht zuletzt auch an sich selbst festgestellt hat. Um immer auf dem aktuellsten Stand zu sein, was die Organisation von und die Arbeit mit Freiwilligen betrifft, absolviert er immer wieder von der Nationalagentur vermittelte Trainings und Seminare. „Es gibt ein sehr gutes Angebot zur Weiterbildung, das ich natürlich gerne in Anspruch nehme”, erklärt Sanchez. Der Spanier ist übrigens nicht der einzige EFD-Absolvent, der der Bäckerei nach dem Ende seines Einsatzes erhalten geblieben ist. Auch einer heutigen Kollegin aus Lettland gefiel es in der Kulturbackstube so gut, dass sie in Innsbruck geblieben ist.

Sant Lluís SPANIEN

Waka Waka auf Menorca

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ls Einstandsgeschenk gab es für die neuen Kolleginnen und Kollegen in Sant Lluís Mozartkugeln – ganz wie es sich für eine Salzburgerin gehört. Im Oktober 2015 begann Marilena Opferkuch ihren zehnmonatigen Freiwilligendienst auf Menorca und es dauerte nicht lange, bis sie sich fast wie Zuhause fühlte. Auch wenn sich der Winter auf der Baleareninsel wesentlich wärmer gestaltete als in Österreich – Strandbesuche im November inklusive. „Das Projekt in Menorca war eines der ersten, das ich angeschrieben habe. Zwischenzeitlich hatte ich schon ein Interview mit einer Organisation in Frankreich, daraus wurde aber nichts. Als sich Menorca dann gemeldet hat, hatte ich schon gar nicht mehr daran gedacht”, erinnert sich Marilena zurück. Gereizt hat sie an der Baleareninsel vor allem die Tatsache, dass man auf Menorca neben Spanisch auch noch eine spezielle Eigenart des Katalanischen spricht. „Spanisch habe ich in der Schule gelernt und ich war bereits ein Semester in Chile. Deswegen wollte ich unbedingt in eine Region, in der die Einwohner eine regionale Sprache sprechen.” Während die meisten anderen Freiwilligen

einen Spanischkurs besuchten, stürzte sich die EFD‘lerin folgerichtig mit großer Freude in den Katalanischkurs. Neben der sprachlichen Eigenart konnte Menorca auch mit einer weiteren Besonderheit aufwarten, denn das Büro der Organisation Molí de Baix, für die Marilena vor Ort im Einsatz war, befand sich in einer alten Mühle, nur fünf Minuten zu Fuß von ihrer Wohnung entfernt. Ihre Tätigkeit bestand darin, Kindern und Jugendlichen Englisch beizubringen sowie über Europa und den EFD zu informieren. „Vor allem die Englischstunden und das Vorbereiten des Unterrichts haben mir wirklich richtig Spaß gemacht”, sagt die heute 20-Jährige. Lieder, die gemeinsam mit den Kindern gesungen wurden, wurden zuvor auf Youtube recherchiert. „Mit den 7-Jährigen sind wir im Unterricht zum Beispiel die unterschiedlichen Kontinente durchgegangen. Zum Schluss kam Afrika an die Reihe und da haben wir im Unterricht Waka Waka von Shakira gehört, die das Lied zur Fußball-WM in Südafrika gesungen hat”, gibt Marilena einen Einblick in die musikalische Ausgestaltung.

Marilena Opferkuch aus Salzburg

5 Während der lokalen Ferienzeit wurde ein spezielles Freizeitprogramm angeboten, dazu zählten Strandausflüge genauso wie Kajakfahren, Surfen oder Ausfahrten mit den Rädern. „Das Ferienprogramm für die Kinder war fast wie Urlaub für uns”, sagt Marilena. Und auch das private Freizeitprogramm hatte allerhand zu bieten. Da Flüge von den Balearen auf das spanische Festland für lokale BewohnerInnen subventioniert werden, nahmen Marilena und die anderen Freiwilligen dieses Angebot nur zu gerne in Anspruch. So wurden in Barcelona andere EFD‘ler besucht, die die Salzburgerin bei gemeinsamen Trainings kennengelernt hatte. Zu Ostern ging es einige Tage ins Baskenland. Und auch auf Menorca gab es ausreichend Gelegenheit, die Seele baumeln zu lassen. „In der Nähe unserer Wohnung gab es ein italienisches Café namens Gana Loca, dort bin ich regelmäßig hingegangen, zum Lesen und Kaffeetrinken”, erzählt Marilena. Ansonsten ging es entweder mit Fahrrädern oder – auf Menorca ganz alltäglich –

per Anhalter zum Strand Punta Prima. Als positive Überraschung erwies sich für Marilena die Tätigkeit mit den Kindern. „Damit hatte ich zuvor überhaupt keine Erfahrung. Ich habe erst kurz vor Beginn meines Einsatzes maturiert und war eigentlich nie so erpicht darauf, mit Kindern zu arbeiten. Das hat sich durch meinen Aufenthalt in Menorca, durch die viele Zeit mit den Kindern, das gemeinsame Musizieren und Absolvieren von Ausflügen, aber total geändert”, zieht Marilena eine zufriedene Bilanz. „Es kann natürlich passieren, dass man viele Bewerbungen an EFD-Organisationen schreiben muss, bevor man eine passende Stelle findet. Aber davon sollte man sich nicht entmutigen lassen. Und wenn ich könnte, würde ich sofort wieder mit dem EFD ins Ausland gehen”, sagt die heute 20-Jährige, die im Herbst 2016 ein Studium der Translationswissenschaften in Leipzig beginnen wird.

Salzburg Stadt SALZBURG

Die Kinderfreunde Salzburg

Die Sprache ist nicht das Maß aller Dinge „A

ls die ersten EFD‘ler damals zu den Kinderfreunden stießen, war das eine Sensation”, erinnert sich Vera Schlager von den Salzburger Kinderfreunden. Damals, das war Anfang der 2000er Jahre, machten ein Bursche aus England und ein Mädel aus Finnland den Anfang. „Das war einfach etwas Neues und hat zu viel Aufmerksamkeit geführt”, erzählt Schlager.

Heute sind Freiwillige aus den unterschiedlichsten europäischen Ecken etwas ganz Alltägliches bei den Salzburger Kinderfreunden, was nicht bedeutet, dass ihre Anwesenheit business as usual ist. „Die EFD‘ler sind für uns als Team eine große Bereicherung, aber vor allem natürlich für die Kinder und Jugendlichen, mit denen wir in unseren Projekten arbeiten”, erzählt Schlager. Derzeit ist eine junge

Frau aus der Ukraine im Einsatz, in der Regel verbleiben die Freiwilligen ein Jahr vor Ort. Eingesetzt werden sie in einem Stadtteilprojekt, das ganzjährig offene Kinder- und Jugendarbeit im öffentlichen Raum betreibt. „Durch den Einsatz der Freiwilligen bekommen die Jugendlichen in den sozial schwachen Stadtteilen die Möglichkeit, regelmäßig neue Leute aus unterschiedlichen Ländern kennenzulernen. Dabei lernen sie, dass die Sprache nicht das Maß aller Dinge ist und dass man sich auch verständigen kann, wenn man nicht dieselbe Sprache spricht”, sagt Schlager. Die Freiwilligen sind ein vollwertiger Teil der Teams vor Ort, von den Vorbesprechungen im Büro, dem gemeinsamen Mittagessen bis hin zur Tätigkeit im Stadtteil werden die EFD‘ler komplett eingebunden. „Im

Mittelpunkt steht bei diesen Projekten die Beziehungsarbeit, wir stellen Kindern und Jugendlichen verlässliche Bezugspersonen zur Seite”, erklärt Vera Schlager. Von dieser Beziehungsarbeit profitieren natürlich auch die EFD‘ler. „In unseren Projekten stoßen die Freiwilligen auf viele unterschiedliche Kulturen und merken ihrerseits sehr schnell, dass die gesprochene Sprache wirklich nur ein Miniteil der Kommunikation ist. Das ist aber alles kein Problem, solange man eine gewisse Offenheit mitbringt”, erzählt Schlager. „Man muss ein bisschen seine eigene Komfortzone verlassen. Wenn man das schafft, können alle Seiten von einem solchen Einsatz nur profitieren.” Dass dies auch von den Freiwilligen so wahrgenommen wird und darüber hinaus auch die Integration in das Salzburger Umfeld gut funktioniert, zeigt sich unter anderem darin, dass eine Reihe von EFD‘lern auch nach dem Ende ihres Einsatzes in Salzburg geblieben sind. „Wenn wir Stellen freihaben, besetzen wir diese auch sehr gerne mit ehemaligen EFD‘lern.” Oft komme es auch vor, dass die Freiwilligen noch eine Zeit lang in der von den Kinderfreunden gestellten Unterkunft, einem Studentenwohnheim, bleiben. „Das ist natürlich klasse, weil die neuen EFD‘ler dadurch gleich eine Bezugsperson in ihrem Alter haben, die die Situation kennt und bei der sie andocken können.” Trotzdem komme es natürlich manchmal vor, dass Schwierigkeiten auftreten oder jemand den Einsatz vorzeitig abbricht. „Hin und wieder ist Heimweh ein auftretendes Problem. In einem Fall hatten wir ein Mädel bei uns, das gerade frisch verliebt war und schnell wieder aus Salzburg abgereist ist”, erzählt Vera Schlager.

Solche Fälle, die man auch nach all den Jahren noch an einer Hand abzählen könne, ändern jedoch nichts am positiven Gesamtresümee von Vera Schlager. „Wir haben wirklich total klasse Menschen kennengelernt und mit vielen besteht bis heute ein sehr guter, mitunter freundschaftlicher, Kontakt.” Diese positiven Erfahrungen lassen auch den administrativen Aufwand in den Hintergrund rücken, mit dem eine EFD-Aufnahmeorganisation konfrontiert ist. „In Salzburg haben wir mit Akzente eine Organisation, die uns in dieser Hinsicht großartig unterstützt. Dort können wir jederzeit anrufen, wenn wir Fragen haben oder uns wo nicht auskennen”, sagt Schlager. Die frisch verliebte Freiwillige, die ihren Einsatz vorzeitig beendet hatte, meldete sich übrigens kurz nach ihrer Abreise wieder bei Vera Schlager. „Sie hat uns geschrieben, dass sie es bei uns schon recht cool fand und gerne wiederkommen würde, wenn wir mal wieder etwas frei haben.”

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Bukarest RUMÄNIEN

Von der Fremden zur Freundin

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enn Katharina Bertsch während ihres EFD-Einsatzes in Bukarest spätabends ein sanftes Klopfen an ihrer Tür hörte, wusste sie meist schon, welches Anliegen die oder der BesucherIn hatte. Dann stand eines der Kinder auf dem Flur und bat darum, gemeinsam mit der Steirerin noch ein Freundschaftsband knüpfen zu dürfen. „Das war für die Kinder etwas ganz Besonderes”, sagt Katharina auch noch zwei Jahre nach ihrem Einsatz. Katharina Bertsch absolvierte in Hartberg die Ausbildung zur Kindergarten- und Hortpädagogin mit Matura. Die Idee zum EFD-Einsatz entstand aus dem Gefühl heraus, unabhängig von Eltern und Umfeld etwas auf die Beine stellen zu wollen. Der EFD bot ihr dabei die nötige Sicherheit eines geschützten Rahmens bei gleichzeitiger fachlicher Unterstützung von MentorInnen vor Ort. Sie bewarb sich bei mehreren Projekten, „das in Rumänien hat mir von Beginn an am meisten getaugt”. Von dem von einem Ehepaar privat geführten Kinderheim am Stadtrand von Bukarest erhielt sie schließlich zu ihrer großen Freude auch die Zusage. Das Bild, das Katharina vor ihrem EFD-Einsatz von

Rumänien hatte, war beeinflusst durch die großteils negative Berichterstattung in österreichischen Medien über das südosteuropäische Land. „Ich habe eigentlich nur die arme Seite Rumäniens gekannt. Im Fernsehen lief damals zum Beispiel eine Dokumentation über einen Skandal in einem rumänischen Heim für Kinder mit Behinderung”, erzählt Katharina. Doch die damals 19-Jährige ließ sich davon nicht abhalten, brachte sich via Internet einen Basiswortschatz der rumänischen Sprache bei und startete im Februar 2014 in ihr einjähriges Abenteuer. In Bukarest befand sich ihre Unterkunft in derselben Anlage wie auch das Kinderheim. „Dadurch habe ich gleich das Personal und die Kinder kennengelernt, die mich sehr lieb aufgenommen haben. Und natürlich die EFD‘ler”, erzählt Katharina. Mit den anderen Freiwilligen entwickelte sich im Lauf der Zeit unter anderem ein reger kulinarischer Austausch, denn von den Familien kamen regelmäßig Pakete aus der Heimat in Bukarest an. Die Steirerin konnte mit Kernöl, Mannerschnitten und Mozartkugeln aufwarten, während die anderen Freiwilligen türkischen Honig, Raki oder belgische

Katharina Bertsch aus der Steiermark

7 Schokolade kredenzten. Ihre gemeinsame Freizeit nutzten sie, um die Region zu bereisen. Vor allem Sibiu und Braşov haben es Katharina mit der an ihre Heimat erinnernden Stadtarchitektur angetan. „Die Leute waren dort so offen und herzlich. Ein Mann hat uns zum Essen und Trinken eingeladen, ohne etwas dafür zu verlangen. Bei uns in Österreich würde wohl niemand so herzlich jemanden aus Rumänien aufnehmen.” Sowohl die Einsatzzeiten als auch die Art ihrer Tätigkeit konnte Katharina sehr flexibel und eigenständig gestalten. „Es hat keine strikten Zeiten gegeben, ich habe mit den Kindern gemeinsam gegessen und war auch am Wochenende dort, weil ich ja eben auch dort gewohnt habe”, erzählt sie. Am Anfang fiel es ihr durch die nicht vorhandene Einteilung etwas schwerer „ihren Platz in den Abläufen zu finden. Ich habe zuerst in der Küche mitgeholfen und dann schließlich immer mehr Zeit mit den Kindern verbracht. Dadurch baute sich dann langsam Vertrauen auf.” Katharina begann, im Rahmen der Nachmittagsbetreuung Sport- und

Kreativstunden sowie Englischunterricht zu geben. „Das waren Aktivitäten, die ich mir selbst ausgedacht habe und in denen ich von der Heimleitung der Organisation Fundatia Filantropica Metropolis unterstützt wurde.” Das Vertrauen und die Beziehung zu den Kindern waren es auch, die Katharina als größte Bereicherung während ihrer Zeit in Rumänien bezeichnet. „Von einer Fremden wurde ich zu einer Freundin oder bei den älteren Kindern zu einer Art Schwester. Diese Entwicklung zu verfolgen, war sehr schön.” Auch an sich selbst konnte Katharina eine Entwicklung wahrnehmen: „Ich bin viel kritischer gegenüber Vorurteilen geworden, vor allem in Bezug auf die Länder im Osten Europas. Wenn man ein Jahr mit den Menschen verbringt, versteht man zudem vieles von dem, was einen zuvor auf die Distanz verschreckt hat.”

Kapfenberg STEIERMARK

BBRZ – Berufliches Bildungs- und Rehabilitationszentrum Kapfenberg

Die Barrieren fallen relativ schnell „D

ass unsere Jugendlichen mit einer anderen Sprache und Kultur in Kontakt kommen können”, antwortet Bernd Bertolli spontan auf die Frage, welchen Vorteil der Aufenthalt von EFD-Freiwilligen für die Initiative Haltegriff des Beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszentrums (BBRZ) in Kapfenberg mit sich bringt. Haltegriff bietet sozial auffälligen Jugendlichen ohne Lehrund Ausbildungsstätte nach Ende der Schulpflicht Wohn-, Lebens- und Arbeitstrainings an. Dass durch die EFD-Freiwilligen vermittelte weltoffene Denken stelle in diesem Rahmen „einen großen Mehrwert dar”, so Bertolli.

„Natürlich bringt der Einsatz der EFD-Freiwilligen auch einen gewissen administrativen Aufwand mit sich. Aber zum einen erhalten wir sehr viel

Unterstützung von der steirischen Koordinierenden Organisation LOGO EU.Info, zum anderen bringt auch uns im Team die Auseinandersetzung mit den EFD-Freiwilligen sehr viel. Da kommen Inputs, die wir sonst sehr missen würden”, so Bertolli. Seminare für MentorInnen und andere Weiterbildungsangebote hat auch er bereits in Anspruch genommen und davon sehr profitiert, „das ist immer wieder ein toller Erfahrungsaustausch und sehr hilfreich”. Seit 2011 sind EFD‘ler bei der Initiative Haltegriff im Einsatz, Bertolli wurde über eine Infoveranstaltung von LOGO EU.Info in Graz auf die Möglichkeit eines Europäischen Freiwilligendienstes in der eigenen Organisation aufmerksam. Pro Jahr ist seither ein EFD‘ler auf Langzeiteinsatz in Kapfenberg zu Gast. „Wir sind mit unseren Jugendlichen quasi

8 an der vordersten Front, die von uns betreute Klientel sind zwischen 15 und 21 Jahren alt, darunter schwer sozial auffällige Jugendliche”, umschreibt Bertolli die Rahmenbedingungen. Die Jugendlichen sind in einem Wohnheim untergebracht und erhalten eine Tagesstruktur in Form eines Arbeitstrainings. Die EFD‘ler können im Rahmen der Wochenplanungen selbst entscheiden, wo sie sich einbringen wollen. Mögliche Betätigungen liegen in der Freizeitpädagogik, im handwerklichen Bereich oder im Krisen- und Konfliktmanagement. „Wir lassen ihnen so viel Entscheidungsmöglichkeit wie möglich, bemühen uns aber natürlich, dass sie einen möglichst umfassenden Einblick in die verschiedenen Tätigkeiten bekommen”, sagt Bertolli. Die Reaktion der KlientInnen auf die EFD‘ler falle zu Beginn eher verhalten aus, „grundsätzlich reagieren sie auf alles, was neu ist, erstmal sehr verschlossen und zurückgezogen”, erläutert Bertolli. „Wenn sie dann aber im Laufe der Wochen mitbekommen, dass die Freiwilligen für länger bleiben und dass diese einen Schritt auf sie zugehen, reagieren unsere Jugendlichen sehr positiv.” Um eine Beziehung zwischen KlientInnen und Freiwilligen herzustellen, helfen gemeinsame Kochabende mit traditionellen Speisen aus den Herkunftsländern genauso wie Infoabende, bei denen das eigene Land präsentiert wird. „Da fallen die Barrieren dann relativ schnell”, erklärt Bertolli. „Und unsere KlientInnen geben ihnen natürlich auch etwas von uns mit. Am Feedback der Freiwilligen merken wir,

dass diese Dinge gemeinsam mit den hier gemachten pädagogischen Erfahrungen für sie ein irrsinniger Erfahrungsschatz sind. Das wird von der Wertigkeit her sehr hoch angesiedelt.” Zu schätzen wissen die Freiwilligen, die während ihres Einsatzes in einer eigenen Wohnung in Kapfenberg untergebracht sind, auch das umfassende Freizeitprogramm. „Wir bieten unseren Jugendlichen fast 365 Tage im Jahr eine sehr aktive Freizeitgestaltung an, an der sich natürlich auch die Freiwilligen beteiligen können. Ob sportliche oder kulturelle Veranstaltungen, Wandertage oder der Besuch eines Festivals, wir bieten die ganze Palette an. Wenn die Freiwilligen sich in diese Aktivitäten einbringen, ist das für uns natürlich eine Win-Win-Situation, denn wir haben dadurch dann eine zusätzliche Aufsichtsperson dabei”, erklärt Bertolli. Zudem bieten die nahe Montan-Uni Leoben mit ihren internationalen Studierenden sowie das sechzig Kilometer entfernte Graz zahlreiche Möglichkeiten für EFD‘ler, um Anschluss zu finden.

Tallinn ESTLAND

Gekommen, um zu bleiben

E

s ist ja nicht so, dass ein Kärntner mit einem harten und langen Winter nicht umzugehen weiß. Johannes Tamegger war nach seiner Ankunft in Estland im September 2015 aber trotzdem halbwegs erstaunt. „Es ist relativ schnell extrem kalt geworden, im Winter waren Temperaturen von minus dreißig Grad keine Seltenheit. Und die kalte Jahreszeit hat sich ziemlich gezogen.” Vor allem die Dunkelheit war gewöhnungsbedürftig. „Pro Tag gab es nur drei bis vier Stunden Tageslicht. Zweimal habe ich es geschafft, einen ganzen Tag zu verschlafen, weil ich zwischendurch nicht gemerkt habe, dass es kurz mal hell war”, erzählt Johannes. Doch zum Glück gewöhnte sich sein Körper relativ rasch an die neuen Umstände. Während es am Wochenende also die eine oder andere Extraportion Schlaf für den 26-jährigen Kärntner gab, war er unter der Woche im Rahmen seines EFD-Einsatzes für die Shokkin Groub tätig. Die Organisation setzt sich für eine stärkere Teilhabe der russischen Minderheit am gesellschaftlichen und unternehmerischen Geschehen in der Baltikumrepublik ein. Jugendliche mit estnischen und russischen Wurzeln werden gezielt

zusammengebracht, gemeinsam werden Events geplant und veranstaltet. „Wir versuchen die russische Minderheit aktiv in Prozesse einzubinden, damit sie sich Skills im Organisationsbereich aneignen kann”, erzählt Tamegger. So entstehen Straßenfeste, Dancebattles und große Putzaktionen, in denen gemeinsam ein Bezirk der estnischen Hauptstadt gereinigt wird. Der Kärntner, der seinen einjährigen EFD-Einsatz Ende September 2016 beendet hat, unterstützte die Organisation mit seiner Erfahrung, die er zuvor im Rahmen seiner Selbstständigkeit im Marketingbereich in Österreich gesammelt hat. Dass Tamegger ausgerechnet in Estland gelandet ist, kam nicht von ungefähr. Im Frühjahr 2015 lernte er den Chef der Shokkin Groub kennen, man verstand sich auf Anhieb gut und der Kontakt riss nie ab. Irgendwann entstand die Idee, dass Tamegger via EFD nach Estland kommen könnte. So erhielt die Shokkin Groub zum ersten Mal einen EFD‘ler und Tamegger schaffte es doch noch ins Ausland. „Irgendwann wäre ich sonst einfach zu alt gewesen, deshalb habe ich mich sehr gefreut, dass es mit dem EFD in Estland geklappt hat.”

Johannes Tamegger aus Kärnten

9 Von den internationalen Spannungen, die derzeit in der Weltpolitik zu Tage treten, sei in der konkreten Arbeit mit den verschiedenen Ethnien in Estland nichts zu spüren gewesen, sagt Tamegger. „Die russische Minderheit lebt durchaus in einer gewissen Parallelgesellschaft, aber eigentlich funktioniert alles recht harmonisch.” Schwierigkeiten bereiteten Johannes lediglich die linguistischen Herausforderungen. „Die Sprache war hin und wieder eine Barriere”, erzählt der Kärntner. Vor allem das Estnische, dem Finnischen sehr ähnlich und ausgestattet mit vierzehn Fällen, bereitete hin und wieder Kopfzerbrechen. „Das ist schon sehr schwer zu lernen”, gibt Tamegger zu. Die Sprachbarriere hat ihn jedoch nicht davon abgehalten, bewusst den Kontakt mit der lokalen Bevölkerung zu suchen, zumal die jungen Esten oft sehr gut Englisch sprechen. „Natürlich verbringt man auch ein bisschen Zeit mit anderen Freiwilligen, ich habe aber von Anfang an lieber mit Locals Kontakte geknüpft. Ich wollte einfach

kennenlernen, wie die Leute hier leben.”Was Tamegger dabei kennengelernt hat, dürfte ihn alles andere als abgeschreckt haben. Denn noch während sein Einsatz lief, stand für ihn fest, dass er nach Ende des EFD-Einsatzes zurück nach Estland gehen würde, um gemeinsam mit einem Kollegen von der Shokkin Groub eine Firma zu gründen. Tamegger scheint – trotz des dunklen und kalten Winters – in Estland angekommen zu sein, was nicht nur an seiner Vorliebe für estnische Topfenriegel namens Kohuke liegen dürfte, sondern auch an der Art, wie er in Estland aufgenommen wurde. „Ich habe mich hier von Anfang an wohlgefühlt, wie in einer richtigen Familie”, erzählt Tamegger. Und auch dem EFD wird er erhalten bleiben, denn für die Shokkin Groub wird er in Zukunft weitere EFD-Einsätze koordinieren.

Klagenfurt KÄRNTEN

Jugendzentrum Youth Point Don Bosco Siebenhügel

Das macht einfach total Sinn

F

ragt man Silvia Vrzak, Leiterin des Jugendzentrums Youth Point Don Bosco Siebenhügel in Klagenfurt, nach dem Mehrwert, den der Aufenthalt von Europäischen Freiwilligen für die Jugendlichen in ihrem Jugendzentrum mit sich bringt, muss sie nicht lange überlegen: „Sie sollen etwas Neues kennenlernen und sehen, dass es eine unkomplizierte Möglichkeit gibt, mal für ein Jahr woanders hinzugehen und dass das auch Spaß machen kann”, sagt Vrzak. Seit 2008 nimmt das Jugendzentrum EFD‘ler bei sich auf, Vrzak selbst war damals dafür mitverantwortlich, dass sich der Youth Point als aufnehmende Stelle engagiert. „Der freizeitpädagogische Teil unseres Aufgabenbereichs bietet sich für die Mitarbeit von VolontärInnen sehr gut an”, so Vrzak. Dass

sich diese Einschätzung mit der Realität deckt, zeigen die bis heute hohen Zahlen an Bewerbungen. „Wir können wirklich aus dem Vollen schöpfen und haben mit den EFD‘lern bisher durch und durch nur positive Erfahrungen gemacht”, berichtet Vrzak. Die Freiwilligen kommen meist für ein Jahr in die Kärntner Landeshauptstadt. Das Jugendzentrum favorisiert Langzeiteinsätze, damit die Beziehung zwischen ortsansässigen Jugendlichen und Europäischen Freiwilligen tatsächlich wachsen kann. Die Freiwilligen werden in einem nahen Studentenwohnheim untergebracht, durch die Einbindung in das studentische Milieu entstehen rasch neue Kontakte, die zu einem wichtigen Bezugspunkt für die gesamte Dauer des EFD-Einsatzes (und darüber hinaus) werden. Vor allem die günstige geographische Lage Kärntens wird von vielen Freiwilligen sehr

geschätzt, weiß Vrzak zu berichten. „In ihrer Freizeit unternehmen unsere Freiwilligen viele Reisen nach Slowenien, Italien oder Kroatien”, so Vrzak. Positiv auf die Eingewöhnung wirkt sich auch das Angebot einer günstigen Mittagsmahlzeit in der angeschlossenen Pfarre aus. „Da kommt man schnell in Kontakt und ist täglich, auch außerhalb des Jugendzentrums, in eine Gemeinschaft integriert”, so Vrzak. In punkto Essen werden den Freiwilligen auch Kärntner Traditionen wie der Reindling nähergebracht. „Rund um Ostern bereiten unsere Jugendlichen den für die Osterjause unentbehrlichen Reindling gemeinsam mit den VolontärInnen zu und erzählen einiges über Kärntner Bräuche. In dieser Situation sind unsere Jugendlichen die Experten, die jemand anderem etwas näherbringen können und das kann sich natürlich positiv auf ihr Selbstwertgefühl auswirken.” In ihre Tätigkeit im Jugendzentrum werden die Freiwilligen behutsam eingebunden. „Wir versuchen, die Freiwilligen zuerst als ganz normale Besucher des Jugendzentrums an die Tätigkeit heranzuführen”, erzählt Vrzak. Darüber soll der EFD‘ler langsam in seine/ihre Rolle als Bezugsperson herangeführt werden. Von großer Bedeutung ist dabei, dass es zu keinen Unsicherheiten zwischen Jugendlichen und Freiwilligen kommt. „Wir kommunizieren eine sehr klare Rollenzuschreibung und achten darauf, dass die Freiwilligen älter als unsere KlientInnen sind. Schließlich sind Jugendliche bei uns im Youth Point auch schon achtzehn oder neunzehn Jahre alt und es soll zu keinen Rollenvermischungen kommen.” Und so kamen neben einer fast fertigen

Psychologiestudentin auch Freiwillige nach Klagenfurt, die noch keine einschlägige Ausbildung vorzuweisen hatten. Aber dafür mit einer umso klareren Vorstellung von der Tätigkeit Klagenfurt wieder verließen. Eine Freiwillige aus der Ukraine ist im Anschluss in Österreich geblieben. Vrzak half ihr dabei, einen Praktikumsplatz in einem Kindergarten zu bekommen, anschließend absolvierte sie die berufsbegleitende Kindergartenschule. „Wir haben sie beraten und sie in ihrem Werdegang unterstützt. Solche Entwicklungen freuen mich, da merkt man einfach, dass das total Sinn macht”, so Vrzak.

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Pécs UNGARN

Gegenseitiges Lernen zwischen Zähneputzen und Gutenachtgeschichten

M

it Kindern beschäftigt, in der Freizeit gemeinsam im Garten gegrillt und am Wochenende mit anderen Freiwilligen zum Städtetrip nach Serbien – das alles gehörte zum Alltag von Melanie Rammer während ihres EFD- Aufenthalts in Ungarn. Und noch viel mehr.

Nach dem Ende der dreijährigen Fachschule und vor Beginn der beruflichen Tätigkeit wollte die Oberösterreicherin unbedingt die Gelegenheit nutzen, um Erfahrungen im Ausland zu sammeln. „Wenn ich erstmal richtig im Job drin bin, hätte ich das wohl nicht mehr so schnell gemacht”, sagt Melanie über ihre Motivation, obwohl sie zum damaligen Zeitpunkt erst siebzehn Jahre alt war. Nach einem Besuch in einem örtlichen Jugendzentrum sowie einem Gespräch mit der Organisation 4YOUgend fiel die Wahl schließlich auf ein EFD-Projekt im südungarischen Pécs, wo man im Sommer 2015 auf der Suche nach internationalen Freiwilligen für die zehnmonatige Betreuung von Kindergartenkindern war. „Jemand von 4YOUgend hat mit einer der Verantwortlichen in Ungarn telefoniert, mein Alter war für sie kein Problem”, erzählt Melanie. Nach der rund vierstündigen Zugfahrt kam sie

am 30. August 2015 in Budapest an. Dort wurde sie bereits von ihrer Mentorin erwartet, die sie auf dem weiteren Weg nach Pécs begleitete. In der Europäischen Kulturhauptstadt von 2010, die zugleich Zentrum der deutschsprachigen Minderheit in Ungarn ist, betreibt die Organisation Területfejlesztök a Vidékért Egyesület mehrere Kindergärten. Zu ihren Aufgaben zählte neben der Betreuung der Kinder auch das Vermitteln der deutschen Sprache. „Anfangs verstanden die Kinder nicht so viel, aber sie waren sehr interessiert und wissbegierig”, erzählt die gelernte Dekorateurin über die für sie ungewohnte Tätigkeit. Auf dem Programm standen Vorbereitungen für Mittagessen und Mittagsschlaf genauso wie das gemeinsame Putzen der Zähne sowie das Vorlesen von Gutenachtgeschichten. „Es war ein gegenseitiges Geben und Nehmen und ich habe sehr viel gelernt. Besonders schön fand ich es, wenn die Kinder zwischendurch zu einer der Kindergärtnerinnen gerannt sind und sie nach einem deutschen Wort gefragt haben, um es mir dann freudestrahlend sagen zu können.” Sehr gern erinnert sich Melanie auch an die gemeinsam verbrachte Freizeit mit den anderen

Melanie Rammer aus Oberösterreich

11 Freiwilligen zurück. „In unserer WG waren wir sechs Jungs und Mädels aus Deutschland, Österreich, Italien und Spanien. Die Umsetzung von gemeinsamen Unternehmungen fiel zu Beginn mitunter etwas schwierig aus”, erinnert sich Melanie. „Ich bin eine überpünktliche Person, die Spanier sind jedoch zu den meisten Verabredungen zu spät gekommen. Mit der Zeit hat sich aber jeder beim Timing etwas angepasst. Sich zu arrangieren und Kompromisse zu finden, war eine tolle Erfahrung.” Zusammen haben die Freiwilligen die gesamte Region bereist, von Bosnien über Serbien bis nach Rumänien. Und auch die Stadt Pécs hatte einiges zu bieten. Wenn man nicht gerade unterwegs war, wurde gemeinsam im Garten gegrillt oder an den See gefahren. Bei Schlechtwetter standen DVD-Abende auf dem Programm, „auf Englisch mit spanischen Untertiteln” – so war gewährleistet, dass alle etwas vom Film hatten. Ihr – im Verhältnis junges – Alter spielte während des gesamten Aufenthalts keine Rolle, weder bei der Beschäftigung mit den Kindern, noch im

Zusammenleben mit den anderen Freiwilligen. „Das Alter sagt ja eigentlich nicht viel aus, ein 26-Jähriger kann sich in manchen Bereichen weniger erwachsen verhalten als ein 19-Jähriger. Und daheim war ich unter meinen Geschwistern die älteste und war dadurch sowieso schon früh selbstständig”, erklärt Melanie. Die abwechslungsreiche Tätigkeit mit den Kindern sowie das vielseitige Freizeitprogramm sorgten dafür, dass für Melanie die Zeit in Ungarn wie im Flug verging. „Durch das Projekt und den Kontakt mit den anderen Freiwilligen habe ich sehr viel von anderen Kulturen gelernt, schließlich hat jeder Mensch andere gesellschaftliche oder politische Vorstellungen. Durch den Aufenthalt in Ungarn habe ich definitiv ein gewisses Verständnis für die Einstellung anderer Menschen entwickelt”, zieht Melanie Rammer ein überaus positives Fazit ihres EFD-Aufenthalts in Pécs.

Perg OBERÖSTERREICH

Jugendzentrum Perg

Vorurteile und Konflikte werden ausgeräumt „I

ch wollte unsere Jugendlichen mit Migrationshintergrund mit jungen Erwachsenen aus jenen Ländern zusammenbringen, aus denen die Familien unserer Jugendlichen stammen”, erläutert Karin Peham-Strauß eine Hauptmotivation für das Engagement des Jugendzentrums Perg im Rahmen des EFD-Programms. „Du verstehst uns nicht” – diese Aussage bekam die Geschäftsführerin des Jugendzentrums im oberösterreichischen Perg und ihre MitarbeiterInnen immer wieder von ihren Jugendlichen zu hören. „Also haben wir mit dem EFD einfach jemanden aus der Region zu uns geholt. Damit haben wir viele Vorurteile ein Stück weit drehen können. Ich selbst habe mittlerweile mehrere Ausbildungen in der Türkei absolviert und auch das dortige Schulsystem kennengelernt. Somit kann ich unseren Jugendlichen glaubhaft mit

auf den Weg geben, dass man in der Türkei genauso seine Ausbildung machen muss und dass das Leben dort genauso funktioniert wie bei uns”, erzählt Peham-Strauß. Im Dezember 2005 kam der erste Jugendliche – aus der Türkei – über den EFD nach Perg. „Das hat so super funktioniert, dass wir uns entschieden haben, das permanent zu machen. Seitdem haben wir jedes Jahr einen Jugendlichen bei uns”, erzählt Peham-Strauß. Die westlichsten Länder, aus denen ein EFD‘ler stammte, waren Lettland und Ungarn. Alle anderen Freiwilligen kamen aus Staaten wie der Türkei oder dem Libanon. Auch aus Palästina war bereits ein EFD‘ler in Perg, der derzeitige Freiwillige stammt aus Armenien. Angst, dass sie mit den Jugendlichen aus mitunter konfliktbeladenen

12 Staaten die Konflikte in ihr Jugendzentrum importiert, hat Peham-Strauß nicht. „Ganz im Gegenteil, Vorurteile und Konflikte werden ausgeräumt, indem man die Menschen zusammenbringt”, sagt die engagierte Geschäftsführerin. Aber natürlich kommt der Auswahl der Entsendeorganisationen und der Jugendlichen in diesem Zusammenhang eine sehr große Bedeutung zu. „Ich habe alle Länder schon selbst bereist, kenne die Leute und die Organisationen vor Ort. Diese persönlichen Kontakte sind sehr wichtig, um den Background einschätzen zu können”, sagt Peham-Strauß. Die Herkunftsländer der Freiwilligen bringen es mit sich, daß neben finanziellen Schwierigkeiten auch ein enormer administrativer Aufwand zu erledigen ist. „Für die meisten Freiwilligen brauche ich ein Visum, unser aktueller Freiwilliger aus Armenien musste deshalb extra zur Botschaft nach Moskau fliegen. Dazu kommt, dass gesetzliche Rahmenbedingungen sich ständig ändern, es müssen offizielle Einladungsbriefe verschickt werden und vieles mehr. Zum Glück ist uns die Nationalagentur da sehr behilflich”, gibt Peham-Strauß einen Einblick in ihren Alltag. Ein großes Anliegen ist Peham-Strauß das Näherbringen der in Österreich üblichen Freizeitkultur.

„Viele kommen aus Ländern, in denen man rund um die Uhr arbeiten muss und dafür obendrein schlecht bezahlt wird. Sie werden ausgebeutet und haben gar keine Zeit, um Hobbys oder eigene Interessen zu entwickeln.” Das Jugendzentrum unterstützt die Freiwilligen auch bei der Organisation von günstigen Kurzzeittrips ins europäische Ausland. „Wir wollen ihnen verständlich machen, wie unsere Gesellschaft in Europa funktioniert. Dass man auch bei uns für sein Geld arbeiten muss und nichts geschenkt bekommt. Das ist für viele Jugendliche aus dieser Region nicht so leicht nachzuvollziehen, denn ÖsterreicherInnen mit hierzulande geringem Lebensstandard sind im Vergleich immer noch wesentlich reicher als die allermeisten Menschen in den Herkunftsländern”, gibt PehamStrauß zu bedenken. „Alle unserer EFD‘ler haben nach ihrem Aufenthalt bei uns ihren Lebensweg gut in den Griff bekommen, manche haben tolle Jobs bekommen”, zieht Peham-Strauß eine positive Bilanz ihres Engagements. Und man dürfe nicht vergessen, dass die Freiwilligen wichtige MultiplikatorInnen sind. „Die Erfahrungen, die sie bei uns machen, kommen somit auch anderen Jugendlichen in ihren Heimatländern zugute.”

Olsztyn POLEN

Von der Sprachtheorie zur Praxis

F

ür ihren EFD-Einsatz in einem polnischen Kindergarten erhielt Eva Kubr in ihrer Familie die beste Vorbereitung. „Ich habe vier kleine Cousins in verschiedenen Altersstufen, auf die ich häufig aufgepasst habe. Ich wusste also ganz gut, worauf ich mich einlasse“, erzählt die Klosterneuburgerin. Dass sie im Rahmen ihres Einsatzes etwas mit Kindern machen wollte, war für sie klar, „alleine in der Wildnis einen Nationalpark betreuen, wäre nicht so mein Fall gewesen.“ Auch die Entscheidung für das Zielland traf die damals 19-jährige Eva ganz bewusst: „Ich habe mich prinzipiell für die östlichen Länder interessiert. Alle anderen wollen ja meist nach Frankreich, Spanien oder England gehen, ich wollte lieber etwas anderes machen.“ Da sich der Beginn ihres EFD-Aufenthaltes nach hinten verzögerte, begann Eva in der Zwischenzeit in Wien Slawistik und Jus zu studieren, was ihr die Gelegenheit bot, sich mit einem Sprachkurs auf ihre Zeit in Polen vorzubereiten. „Ich war so stolz auf meine Fähigkeit, im Restaurant eine Portion Pierogi zu bestellen. Als ich dann im Februar 2011 am Warschauer Bahnhof ankam, habe ich aber erstmal überhaupt nichts verstanden“, schildert Eva die

Diskrepanz zwischen Sprachtheorie und Praxis. Der Kindergarten lag im Zentrum der 170.000-Einwohner-Stadt, untergebracht war Eva gemeinsam mit anderen Freiwilligen in einer nahen Privatwohnung. „Mit den Kindern wurde nur Polnisch gesprochen. Durch das tägliche Beisammensein habe ich zum Glück sehr schnell gelernt, sodass die Sprache dann überhaupt kein Problem mehr war.“ Die Kinder waren je nach Alter in vier Gruppen aufgeteilt, die jeweils von einer Kindergärtnerin sowie einer Assistentin betreut wurden. „Zu Beginn war ich den sechs- bis siebenjährigen Kindern zugeteilt, nach den Ferien bin ich dann zu den Gruppen mit den Zwei- bis Dreijährigen gekommen. Da hat es noch sehr viel Weinen nach der Mama gegeben“, blickt Eva zurück. Ein Höhepunkt während ihres zehnmonatigen Aufenthaltes waren die Vorbereitungen für den lokalen Martinsumzug mit den Kindern. „Das war ein riesengroßes Projekt. Wir haben Martinskipferln gebacken und zu viert mit über hundertfünfzig Kindern Laternen gebastelt. Unser Umzug endete am Hauptplatz in Olsztyn, wo wir auf einer kleinen Bühne ein Theaterstück aufgeführt haben. Der ganze Aufwand

Eva Kubr aus Niederösterreich

13 hat sich aber total ausgezahlt, weil natürlich die Kinder eine große Freude damit hatten.“ Ihre Freizeit nutzte Eva, um sich Land und Leute anzuschauen. So ging es unter anderem mit dem Zug nach Krakau, also ans andere Ende von Polen. Während der offiziellen polnischen Ferien engagierte sie sich im Rahmen ihrer Aufnahmeorganisation unter anderem bei einem Ferienspiel in einem polnischen Dorf sowie bei der Pflege eines alten ostpreußischen Friedhofs in Masuren. Dem Land ist Eva Kubr auch nach dem Ende ihres EFD-Aufenthalts im Dezember 2011 verbunden geblieben. Zwei Jahre später besuchte sie Olsztyn erneut und traf einige der Kindergartenkinder wieder, die sie selbst noch betreut hatte. „Die Betreuerinnen haben mich gleich zum Mittagessen eingeladen, das war ein sehr herzliches Wiedersehen“, erzählt Eva. 2015 folgte ein einjähriger Erasmus-Aufenthalt in Krakau. Damit sie auch im heimatlichen Österreich nicht auf die Verwendung der polnischen Sprache verzichten muss, hat sie

mittlerweile Anschluss an die polnische Community in Wien gefunden. Und auch der europäischen Idee ist sie seit ihrem EFD-Einsatz verbunden geblieben, als EuroPeer informiert sie bis heute Jugendliche über EU-Mobilitätsprojekte. „Es macht Spaß, andere Freiwillige kennenzulernen und die Idee des Austausches weiterzutragen“, sagt Eva zu ihrer Motivation.

Klosterneuburg NIEDERÖSTERREICH

Wohngemeinschaft St. Martin

Grenzen im Kopf abbauen

D

as Gespräch mit Krzyzstof Mayer findet statt, während draußen im Garten der Wohngemeinschaft St. Martin Klosterneuburg ein Grillfest veranstaltet wird. „Ein Freiwilliger grillt und ein anderer spielt mit unseren BewohnerInnen Karten”, sagt Mayer, während im Hintergrund auch ein Akkordeon zu hören ist. Das Grillfest sei ein typisches Beispiel für den Alltag in der Wohngemeinschaft und das Miteinander von Freiwilligen und BewohnerInnen.

Freiwilligen ist für ihn eine Win-Win-Situation: „Wir geben den jungen Menschen ein Dach über dem Kopf und die Möglichkeit, mit unseren BewohnerInnen zu kochen, zu essen oder die Freizeit zu gestalten.” Dadurch kommen die KlientInnen immer wieder mit anderen Menschen in Kontakt, „sie erstarren nicht in Alltagssituationen und haben Abwechslung. KlientInnen und Freiwillige suchen gemeinsam Tätigkeiten, die ihnen Spaß machen”, erklärt Mayer den Gedanken dahinter.

Seit Jahrzehnten unterstützen Freiwillige aus der ganzen Welt die Arbeit in jenem Verein, der das Leben in der Wohngemeinschaft organisiert. Diese besteht aus zwei Häusern, in denen 25 Menschen mit Behinderung leben. Ein zweiter Verein namens Tagesstätte Behindertenhilfe Klosterneuburg führt eine Tageswerkstatt, in der die KlientInnen ihrer Arbeit nachgehen. Krzyzstof Mayer ist seit 27 Jahren als Mitarbeiter vor Ort tätig. Der Einsatz der

Anfangs seien manche Freiwillige im Kontakt mit den KlientInnen „reserviert, viele können noch nicht einschätzen, wie sie mit Menschen mit Behinderung umgehen sollen. Wenn sie dann aber im Alltag sehen, dass auch wir ganz normal mit ihnen umgehen, dann nimmt die Angst ab”, beschreibt Mayer den Prozess vor allem zu Beginn eines Freiwilligeneinsatzes. Während ihres Einsatzes unterstützen EFD‘ler und andere Freiwillige das

14 Pflegepersonal im Alltag, gewohnt wird gemeinsam mit den KlientInnen in einem der beiden Häuser. „Für uns ist dieses zusätzliche Paar Augen sehr wichtig”, erklärt Mayer. „Wenn unser Personal mit einem Klienten beschäftigt ist, können wir nicht immer in allen Räumen gleichzeitig sein. Wenn aber auch noch ein Freiwilliger anwesend ist und vielleicht gerade mit einem Klienten am Tisch Karten spielt, werden wir schnell informiert, falls etwas passiert.” Laut dem gebürtigen Polen profitieren vor allem jene Freiwilligen, die einen langfristigen Einsatz in Klosterneuburg absolvieren. „Die jungen Menschen haben bei uns die Möglichkeit, ein Berufsfeld im sozialen Bereich kennenzulernen. Einigen gefällt es, sodass sie sich vorstellen können, später mal in diesem Bereich zu arbeiten. Andere empfinden es zwar als interessanten Lebensabschnitt, stellen aber fest, dass für sie keine berufliche Tätigkeit in diesem Bereich in Frage kommt. In jedem Fall aber können sie eine fundierte Entscheidung aus der Erfahrung heraus treffen”, erzählt Mayer. Neben der willkommenen Abwechslung für die KlientInnen erfüllt die Anwesenheit der Freiwilligen für Mayer aber auch einen übergeordneten Zweck.

„Die Arbeit mit Menschen öffnet die Köpfe. Wenn Leute aus anderen Ländern zu uns kommen, dann bekommen sie mit, dass wir alle friedlich miteinander leben. Ich sehe unser Angebot für Freiwillige daher auch als Beitrag von uns, Grenzen im Kopf abzubauen”, erklärt Mayer. Dass die Freiwilligen dieses Angebot zu schätzen wissen, zeigt das Beispiel einer Polin, die ursprünglich als Freiwillige nach Klosterneuburg gekommen und schließlich geblieben ist. Heute ist sie als eine der fixen Mitarbeiterinnen im Verein tätig. Eine Litauerin, die später nach Spanien gezogen ist, macht auf ihren Reisen in die Heimat im Baltikum stets einen Stopp in Klosterneuburg. „Das sind alles schöne Beispiele, die uns in unserer Arbeit bestätigen”, sagt Mayer. Genauso wie das Grillfest, bei dem Freiwillige, MitarbeiterInnen und KlientInnen gemeinsam in den Abend hineinfeiern.

Jürmala LETTLAND

Das war für mich absolutes Neuland

E

rwin Buchberger bezeichnet sich selbst als Abenteurer. „Ich war lange Pfadfinder und bin es bis heute noch. Dementsprechend reise ich auch sehr gerne”, erzählt der 30-Jährige. Davon kann ihn auch seine körperliche Beeinträchtigung nicht abhalten, seit Geburt an ist Buchberger auf einen Rollstuhl angewiesen. Trotzdem ging es im Jahr 2012 für einen zweimonatigen EFD-Einsatz nach Lettland. Eine Freundin hatte ihn auf diese Möglichkeit aufmerksam gemacht. Sie war kurz zuvor von einem EFD-Einsatz in Belfast zurückgekehrt und hatte davon geschwärmt, dass sie dort „einen Riesenschritt in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gemacht hat. Das hat mich dann auch gereizt”, erzählt Buchberger rückblickend. „Der Einsatz in Jürmala in Lettland war ein Vorschlag meiner Entsendeorganisation. Nachdem ich noch nie im Baltikum war, war mir das gleich sympathisch”, sagt der gebürtige Niederösterreicher. Die Anfangseuphorie ließ sich Buchberger, der von persönlicher Assistenz begleitet wurde, auch nicht dadurch nehmen, dass bei seiner Ankunft noch Winter herrschte. „Der Einsatz wurde extra für Anfang April geplant, weil man in Lettland davon

ausging, dass dann kein Schnee mehr liegen würde. Und dann komme ich am 1. April an und es liegt Schnee”, erzählt Buchberger über seine Ankunft. Doch davon ließ sich der EFD‘ler nicht entmutigen – im Gegenteil: „Das Spannende für mich an diesem EFD-Programm war auch, dass man gezwungen war, sich den Herausforderungen des ungewohnten Alltags zu stellen. Man musste sich damit arrangieren, dass nicht alles nach Schema F ging.” Rund sechzigtausend EinwohnerInnen zählt der lettische Badeort Jürmala, in dem Buchberger zwei Monate verbrachte. Sein Einsatzort war eine öffentliche integrative Schule. „In der Klasse, in der ich in der Nachmittagsbetreuung half, waren sechs von zwanzig Kindern behindert”, schildert Buchberger die Rahmenbedingungen. Sechs bis acht Jahre alt waren die Kinder im Durchschnitt, in Lettland gehört Nachmittagsbetreuung auch in diesem Alter schon zum Alltag. „Viele Leute verdienen dort sehr wenig, weswegen sie oftmals zwei Jobs haben. Ohne Nachmittagsbetreuung für die Kinder funktioniert das natürlich nicht”, erklärt Buchberger. Der EFD‘ler malte und spielte gemeinsam mit den Kindern, mit der Zeit entwickelte sich eine

Erwin Buchberger aus Wien

15 sehr innige Beziehung, obwohl man sich mangels Sprachkenntnissen nicht miteinander unterhalten konnte. „Für mich war es sehr interessant zu sehen, dass man trotzdem miteinander kommunizieren kann, mit Händen und Füßen, irgendwie ist es immer gegangen”, erzählt Buchberger. „In der Früh, wenn wir uns auf dem Weg zur Schule getroffen haben, haben sich die Kinder immer gefreut mich zu sehen.” Dass Buchberger niemals zuvor beruflich mit Kindern zu tun hatte, machte ihm dabei nichts aus. „Das war für mich absolutes Neuland. Aber man muss einfach locker an die Sache rangehen, dann geht das schon.” Buchberger war während seines Aufenthalts in einem barrierefrei gebauten Rehazentrum gleich gegenüber der Schule untergebracht. Die eine oder andere Stiege im Schulgebäude musste dagegen gemeinsam mit dem Assistenten erklommen werden, was für Buchberger kein Problem war. „Man findet die Situation so vor und mit der muss man

zurechtkommen. Es gab keine Situation, in der das nicht gelungen ist, was langfristig sehr gut für mein Selbstvertrauen war”, sagt Buchberger. So wie auch seine Bekannte, die in Belfast auf Einsatz war, hat sich auch der 30-Jährige durch den Einsatz verändert. „Ich nehme Menschen heute anders wahr, versuche mich mehr in sie hineinzuversetzen und habe auch ein bisschen mehr Geduld”, zieht er eine positive Bilanz. „Von den Erfahrungen her, kann ich das jedem nur empfehlen. Der EFD-Einsatz in Lettland steht jetzt natürlich auch in meiner Bewerbungsmappe und Personalchefs sprechen mich darauf sehr positiv an.”

WIEN

Verein Grenzenlos – Interkultureller Austausch

Frischer Wind und neue Ideen

D

er EFD ist „eine großartige Möglichkeit, junge Menschen zu motivieren und zu unterstützen, die sonst nicht die Möglichkeit oder den Mut hätten, ins Ausland zu gehen”, erklären Daniela Fellinger und Barbara Eglitis unisono. Beide sind für den Verein Grenzenlos tätig, der nicht nur selbst Freiwillige aus ganz Europa bei sich aufnimmt, sondern darüber hinaus in enger Kooperation mit dem Verein wienXtra für die Stadt Wien im Rahmen des Melange-Programms EFDEinsätze für ganz Wien koordiniert und Freiwillige entsendet.

Jugendliche mit einer körperlichen Behinderung oder junge Erwachsene, die keine Fremdsprachenkenntnisse und/oder keinen mustergültigen Lebenslauf aufweisen – diese Menschen wollen

Fellinger und Eglitis ganz besonders für einen Einsatz motivieren. „Denn sie erhalten durch den Auslandseinsatz plötzlich eine Wertschätzung für ihre Tätigkeit, die sie sonst eher nicht bekommen”, betont Daniela Fellinger und verdeutlicht sogleich auch den Mehrwert für die eigene Organisation. Der Verein hat in seinen eigenen Büroräumlichkeiten für jeweils sechs Monate einen Fixplatz für EFD‘ler mit Körperbehinderung vorgesehen. Die Einsatzgebiete werden vorab, je nach Stärken und Interessen der Freiwilligen, festgelegt. „Vor jedem Einsatz besucht uns die oder der Freiwillige in unserem Büro und überprüft, ob für sie oder ihn alles passt oder ob irgendwo mögliche Barrieren lauern. Dasselbe geschieht mit der Wohnunterkunft”, präzisiert Barbara Eglitis. Bis jetzt haben alle

Einsätze dieser Art sehr gut geklappt, auch dank der Unterstützung von persönlichen AssistentInnen konnten die Freiwilligen in der Vergangenheit den Alltag in Wien gut bewältigen. Neben der Tätigkeit im Büro bietet Grenzenlos darüber hinaus vor allem in den Sommermonaten die Möglichkeit an, Kurzzeiteinsätze zu absolvieren. Die Kurzzeiteinsätze würden sich vor allem für Freiwillige eignen, die zum Beispiel aus einem schwierigen sozialen Hintergrund stammen und noch nicht in der Lage wären, einen Langzeiteinsatz im Ausland zu absolvieren. „Für viele ist das ein wertvoller erster Schritt”, sagt Eglitis. Egal ob bei Langzeit- oder Kurzeinsatz, Grenzenlos bietet für die eigenen EFD‘ler sowie für die bei den zahlreichen Einrichtungen über ganz Wien verstreuten anderen Freiwilligen im Rahmen des Melange-Programms eine Rundumbetreuung an. Praktische Anliegen zur Unterbringung werden hier genauso aufgegriffen, wie Fragen zur Versicherung oder psychologische Betreuung. Bei der Eingewöhnung und Betreuung der Freiwilligen in Wien hat sich auch das Coala-Programm (Cooperative Alliance of Assisting) bewährt. In diesem Rahmen werden ehemalige, aktive und zukünftige Freiwillige zusammengeführt. Sie tauschen sich in regelmäßigen Jour-Fix oder bilateralen Treffen über Erfahrungen aus. „Wenn wir zur Zeit einen Freiwilligen aus Spanien in Wien haben, der sich mit einem EFD‘ler treffen kann, der bald nach Spanien aufbricht, kann man die beiden über das Coala-Programm gut miteinander in Kontakt bringen”, erzählt Barbara Eglitis. Auf der anderen Seite bieten

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die regelmäßigen Treffen RückkehrerInnen die Gelegenheit, ihre vielleicht gerade erst erlernte Fremdsprache in einer internationalen Gruppe zu pflegen.

Den Europäischen Freiwilligendienst sehen beide als „gesamtheitliches Programm”, die Weiterentwicklung der Jugendlichen solle nicht nur im fachlichen Bereich erfolgen. „Es ist jedes Mal schön zu sehen, wenn Freiwillige nach Beendigung des EFD bestärkt zurückgehen und ihr Leben insgesamt ein bisschen selbstständiger gestalten können”, betont Barbara Eglitis abschließend.

Berlin DEUTSCHLAND

Auf Einsatz im Dorf in der Stadt

W

er an Berlin denkt, hat vielleicht das Brandenburger Tor oder den Reichstag vor Augen, manche vielleicht auch die Skyline am Potsdamer Platz. Doch für Daniel Bracher ging es während seines EFD-Aufenthalts in der deutschen Hauptstadt in ein anderes Berlin. „Der Standort der Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung Oktopus befand sich in Französisch Buchholz, einem kleinen Ortsteil des Bezirks Pankow. Das war ziemlich weit draußen und de facto ein Dorf, das irgendwann eingemeindet wurde”, erzählt Daniel. Auf die Idee eines Einsatzes mit dem Europäischen Freiwilligendienst kam der damals 19-Jährige, als er sich Gedanken zu seinem Zivildienst gemacht hat. Daniel, der während seiner HTL-Zeit bereits ein Austauschjahr in Argentinien absolviert hatte, wollte auch seinen Zivildienst im Ausland verbringen, „um neue Erfahrungen zu sammeln und eine neue Kultur kennen zu lernen”. Doch die angebotenen Zivildienst-Möglichkeiten überzeugten ihn nicht. Als er schließlich davon erfuhr, dass künftig auch ein EFD-Einsatz als Zivildienst anerkannt werden würde, war seine Neugier geweckt. „Statt vierzig Möglichkeiten gab es nun auf einmal tausend

Angebote, ins europäischen Ausland zu gehen”, erzählt Daniel. Nach rund zwanzig versendeten Bewerbungen lagen schließlich zwei Antwortschreiben aus Island und Berlin auf seinem Tisch. „Island hätte mich schon sehr gereizt, die Bedingungen der Einsatzstelle haben mir dann aber doch nicht so zugesagt. Und im Winter hätte mir die ständige Dunkelheit zu schaffen gemacht.” Also entschied sich der in Berlin geborene 19-Jährige, der im Alter von vier Jahren nach Wien kam, für einen zehnmonatigen Aufenthalt in seiner Geburtsstadt. „Eigentlich ist die Kinder- und Jugendarbeit nicht die berufliche Richtung gewesen, die ich einschlagen wollte. Aber ich habe mit der Chefin von Oktopus ein sehr nettes Telefonat geführt und mir dann gedacht, dass es die perfekte Chance ist, um zu sehen, ob der Bereich beruflich vielleicht doch etwas für mich sein könnte”, erzählt Daniel. Im September 2015 ging es nach Berlin, in den folgenden zehn Monaten verbrachte Daniel fünf Tage die Woche in der Jugendeinrichtung. Dort kümmerte er sich unter anderem um die Holzbauwerkstatt, in der während seiner Anwesenheit eine Hundehütte und ein Meerschweinchenhaus entstanden. Er

Daniel Bracher aus Wien

17 reparierte Fahrräder, veranstaltete Sport- und Spielerunden genauso wie Kochevents und Musikveranstaltungen im Keller der Jugendeinrichtung. Die größte Herausforderung war für Daniel das Setzen von Grenzen im Umgang mit den Jugendlichen. „Ich habe oft gedacht, dass ich anstehe, weil sie mich schon immer wieder mal herausgefordert haben. Damit muss man aber einfach lernen umzugehen, das konnte ich vorher nicht. Nach einiger Zeit sind wirklich gute Beziehungen entstanden und ich habe mich dadurch persönlich sicherlich sehr weiterentwickelt.” Untergebracht war Daniel mit vier anderen Freiwilligen aus der ganzen Welt in einer Wohngemeinschaft. „Ich war der einzige Bursche in der Runde, das machte aber gar nichts. Es war von Anfang an ein toller Zusammenhalt und die Chemie stimmte einfach zwischen uns. Ich fühlte mich wie in einer Familie, nur dass wir alle im selben Alter waren und das gleiche Interesse für Kultur hatten.”

An den Vorstellungen für seine berufliche Zukunft hat der EFD-Aufenthalt in Berlin nichts geändert. „Es hat mir viel für den Umgang mit Kindern gebracht. Aber ein Leben lang in diesem Bereich zu arbeiten, wäre wohl nichts für mich.” Aktuell arbeitet der ausgebildete Mediendesigner in einem Architekturbüro, das sich dem Bereich der Nachhaltigkeit verschrieben hat. Dabei profitiert er von den Eindrücken, die er in Deutschland gesammelt hat. „In Berlin gibt es eine tolle kulturelle Offenheit und so viel Energie und Platz, um spannende Projekte gedeihen zu lassen, wie ich sie aus Wien nicht kenne.” Und so hat Daniel Bracher neben den Erlebnissen im ländlichen Berlin-Pankow doch auch ein bisschen „hippes” Berlin nach Wien gebracht.

WIEN

Caritas WG Refugio Ein klares Ja zum Europäischen Freiwilligendienst „E

in EFD-Einsatz ist für alle Seiten sowohl sprachlich als auch kulturell unglaublich bereichernd”, sagt Elina Smolinski, Teamleiterin in der Caritas Refugio. Seit mehr als zehn Jahren nimmt die Einrichtung zur Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen EFD‘ler bei sich auf. „Die Tatsache, dass wir sie immer wieder gerne und ohne Unterbrechung bei uns haben, ist schon ein Zeichen dafür, dass wir mit dieser Form des Austausches sehr glücklich sind”, erklärt Smolinski. Fünfzehn Jugendliche im Alter zwischen vierzehn und achtzehn Jahren wohnen gemeinsam in einer von der Caritas Refugio betreuten Wohngemeinschaft im neunten Wiener Gemeindebezirk. „Die

Zusammensetzung der WG ändert sich jeweils mit der weltpolitischen Situation”, erklärt Smolinski. Derzeit stammen die Jugendlichen in der WG zu je einem Drittel aus Syrien beziehungsweise Afghanistan, dazu kommen Jugendliche aus mehreren afrikanischen und asiatischen Ländern. „Wir bieten den EFD-Freiwilligen hier also zusätzlich zum österreichischen Kontext die halbe Welt dazu”, sagt Smolinski. MitarbeiterInnen der Caritas Refugio sind als BetreuerInnen vierundzwanzig Stunden vor Ort, die Freiwilligen aus dem EFD-Programm bereichern den WG-Alltag mit eigenen Ideen und Hilfestellungen. „Für unsere Jugendlichen sind sie ein ganz normaler Teil der Wohngemeinschaft und

eine sinnvolle Ergänzung im Alltagsleben. Es wird gemeinsam gekocht, sie unternehmen Ausflüge oder organisieren gemeinsam Fußballturniere”, erzählt Smolinski. Eine Kunststudentin, die in der Caritas Refugio als EFD-Freiwillige im Einsatz war, habe beispielsweise gemeinsam mit den Jugendlichen Sperrholzkisten zu neuen Möbeln umgebaut. Während ihres Aufenthalts in Wien wohnen die Freiwilligen in einer externen Wohngemeinschaft, in der Regel dauern die EFD-Einsätze bei Caritas Refugio zwölf Monate. „Langzeiteinsätze sind für uns sehr angenehm, weil man in dem einen Jahr sehr viel mitbekommt und sich nachhaltig wirksame Beziehungen entwickeln können”, betont Smolinski. Generell sei der alltägliche Umgang in der Wohngemeinschaft sehr vom gegenseitigen Respekt geprägt. „Die Wohngemeinschaft besteht gleichberechtigt mit allen Rechten und Pflichten je zur Hälfte aus Burschen und Mädchen. In manchen Herkunftsländern der Jugendlichen ist diese Art des Zusammenlebens zwischen nicht verwandten Personen natürlich nicht selbstverständlich. Aber in unserer pädagogischen Wahrnehmung nehmen wir das als sehr gut funktionierend und bereichernd wahr”, erklärt Elina Smolinski. Die Trennung von Familie und Heimat sowie traumatische Erlebnisse können aber natürlich zu Unsicherheiten führen.

18 „Durch den intensiven persönlichen Kontakt mit den Flüchtlingen kann das auch für die EFD-Freiwilligen belastend sein. Wir versuchen das dann sehr offensiv zu thematisieren und ein Klima zu schaffen, in dem man darüber reden kann.” Durch die Anwesenheit der EFD‘ler erhalten die jugendlichen Flüchtlinge die zusätzliche positive Bereicherung, mehr über das kulturelle Leben und die unterschiedlichen Werte in anderen europäischen Ländern zu erfahren. „Das ist für sie besonders wertvoll, denn viele von ihnen glauben sich hier in Österreich so sehr anpassen zu müssen, dass möglichst wenig von der eigenen Kultur übrig bleiben darf.” Als Einrichtung habe die Caritas Refugio vom Einsatz der EFD‘ler bisher ausschließlich profitiert, betont Smolinski. „Mir fallen keine Negativbeispiele oder Situationen ein, in denen wir darüber nachgedacht hätten, ob sich das auszahlt. Es war immer ein klares Ja”, so Smolinski.

Cawsand ENGLAND

Sich engagieren, wo andere Urlaub machen

C

ornwall ist bekannt für seine traumhaften Landschaften und die darin spielenden Romane von Rosamunde Pilcher. Dass die Grafschaft im Südwesten Englands aber wesentlich mehr zu bieten hat, davon konnte sich der Tiroler Leander Kolb im Rahmen seines EFD-Aufenthaltes in Cawsand überzeugen. Ein Freund hatte dem damals 20-jährigen Leander von dem Projekt in der Nähe von Plymouth erzählt. „Er war im Sommer zuvor im gleichen Ort und hat an einem Projekt der Initiative Rückenwind der Arbeiterkammer Tirol teilgenommen”, erzählt Leander. „Nach seiner Rückkehr hat er so sehr davon geschwärmt, dass ich mir gedacht habe, dass ich das ja auch mal machen könnte.” Der Zeitpunkt war für Leander ideal, er war aufgrund seiner beruflichen und privaten Situation froh, dass sich eine sinnvolle Gelegenheit bot, mal aus Tirol rauszukommen. Anfang Jänner hob Leander mit vier anderen Tirolern vom Innsbrucker Flughafen in Richtung Bristol ab, viereinhalb Stunden später waren sie in Cawsand angekommen. „Es war total ruhig”, schildert Leander seinen ersten Eindruck von der 400-Einwohnergemeinde,

die direkt an der Küste liegt. „Und es war ziemlich kalt. Alles wirkte ein bisschen ausgestorben und wir haben vor allem kaum junge Leute gesehen”, erzählt Leander. Viele reiche Briten haben in Cornwall Ferienhäuser, die sie vor allem in der wärmeren Jahreszeit nutzen. Im Winter sind viele Ortschaften dagegen wie leergefegt. „Aber mich hat das nicht gestört”, erzählt Leander, „denn wir waren ja zum Anpacken dort.” Im Rahmen der Initiative Rückenwind gibt es eine Reihe von Projekten in der Region, Leander half während des einmonatigen Aufenthalts dabei mit, das Haus The Manse zu renovieren, das zu einem späteren Zeitpunkt Freiwilligen als Gästehaus und Projektzentrale dienen sollte. „Das Projekt hat sich für mich als gelernten Maurer einfach total gut angeboten, denn dort konnte ich meine Fähigkeiten am besten einbringen.” Von Montag bis Freitag wurde gewerkt, offiziell dreißig Stunden pro Woche, „wir haben aber immer ein bisserl mehr gemacht, es hat ja schließlich Spaß gemacht”, blickt Leander zurück. Gemeinsam wurden Fenster renoviert, Wände neu verputzt und Schimmel entfernt. „Zwischen Haus und Küste lagen maximal drei Meter,

Leander Kolb aus Tirol

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dementsprechend hoch war die Luftfeuchtigkeit”, erzählt Leander. Neben der Luftfeuchtigkeit mussten die Freiwilligen auch mit der Vielzahl an Spinnen umzugehen wissen, „die großen waren zwar nur drei Zentimeter groß, aber in der Masse waren sie schon recht mühsam.” Als sie nach einem Monat mit ihrem Einsatz fertig waren, war das Haus wieder in einen bewohnbaren Zustand versetzt. Die Freizeit wurde unter anderem für ausgedehnte Spaziergänge und Wanderungen genutzt, „dafür hat sich die Gegend mit der tollen Landschaft und den zahlreichen Forts und Burgen, den Stränden und Klippen einfach angeboten”. Von den Outdoor-Aktivitäten konnte sie dabei auch nicht das wechselhafte Wetter abhalten. „Wir haben innerhalb eines Monats die komplette Wetterpalette erlebt. Von zwanzig Grad Celsius und schönstem Sonnenschein bis zu tagelangen Regengüssen war alles dabei. Bis auf Schnee”, erzählt Leander. Für Leander war der Aufenthalt in England ein voller Erfolg. Der Tiroler war schon zuvor ein großer England-Fan, Kultur und Geschichte des Landes

übten auf ihn eine große Faszination aus. Durch die Tätigkeit im Rahmen des EFD haben sich dieses positive Bild – genauso wie seine Englischkenntnisse – verfestigt. Heute kann sich Leander auch gut vorstellen, eines Tages für länger nach England zu gehen. Doch bis es soweit ist, will er erstmal seine Ausbildung abschließen. Denn durch den Aufenthalt in England, die Gespräche mit den anderen Freiwilligen und den Betreuern, reifte in ihm der Plan, eine Weiterbildung auf der Handelsakademie zu beginnen. „Die Gespräche und die Erfahrungen in England haben mich total dazu motiviert, dass ich nach meiner Maurerlehre nochmal etwas Neues versuchen mag”, sagt Leander.

Kaisersdorf BURGENLAND

Verein Storchennest

Die Welt zu Gast im Burgenland „W

ir sind hier in Kaisersdorf sehr entlegen, das müssen wir in allen Bewerbungsprozessen immer ganz klar sagen. Es hilft ja nichts, wenn die Freiwilligen hier ankommen und erst dann feststellen, dass sie nicht in der Wiener Innenstadt mit ihrer pulsierenden Jugendkultur angekommen sind”, betont Sandra Marth. Die Pädagogin ist EFD-Koordinatorin und Mitglied im Verein Storchennest in der 630-Einwohnergemeinde Kaisersdorf im Bezirk Oberpullendorf. Wer jedoch glaubt, dass man den Freiwilligen hier, nicht weit entfernt von der ungarischen Grenze, nichts bieten könne, der irrt. Der Montessoriverein Storchennest steht für ganzheitliches Lernen für Kinder und Jugendliche vom Kindergarten bis zur Oberstufe. „Bei uns findet

Lernen so statt, wie es der Natur des Menschen entspricht, im eigenen Tempo und nach eigenen Interessen”, erklärt Marth. Die EFD‘ler werden dabei hauptsächlich in der Sekundaria, also den 12- bis 16-Jährigen, und in der folgenden Oberstufe eingebunden. „Ab der Sekundaria entwickelt sich bei unseren SchülerInnen das Interesse für das Thema ‚Ich und die Welt‘. Das ist für uns ein sehr zentraler Bereich, durch die Freiwilligen holen wir uns quasi die Welt nach Kaisersdorf”, beschreibt Marth den Mehrwert für das Storchennest Kaisersdorf. Die EFD‘ler werden dabei unkompliziert in die Abläufe der Bildungseinrichtung eingebaut, sie bekommen alle Arbeitsvorgänge mit, die innerhalb des Schulalltags und in dessen Organisation anfallen. Auf diese Art erhalten sie Einblicke in eine Bildungseinrichtung, die seit fünfundzwanzig Jahren Erfahrung

20 im Umgang mit freiem Lernen hat. „Wir sind in dem Bereich absolute Experten und können reiche Erfahrungsschätze weitergeben”, betont Marth den Mehrwert für interessierte Freiwillige. Untergebracht sind die Freiwilligen während ihres Aufenthalts in Gastfamilien, dadurch finden sie in der Regel auch sehr schnell privaten Anschluss. Die Gastfamilien sind, wie auch TutorInnen und MentorInnen des Vereins, von Beginn an zentral eingebunden. „Natürlich ist es nicht so leicht, eine Familie zu finden, die jemanden für fast ein Jahr aufnimmt, den oder die sie noch gar nicht kennt”, erklärt Marth. Deshalb soll der Aufenthalt von Freiwilligen künftig auch auf mehrere Gastfamilien aufgeteilt werden können. Um einen möglichst umfassenden Eindruck von den BewerberInnen zu erhalten, werden aufkommende Fragen vorab abgeklärt. „So finden wir heraus, ob sich eine Person überhaupt mit uns beschäftigt hat und wo die speziellen Interessen liegen”, erläutert Marth die erste Stufe des Auswahlprozesses. „Da reagieren dann schon viele gar nicht drauf, vielleicht weil sie dadurch merken, dass wir hier wirklich in der sogenannten Einschicht sind”, vermutet Marth. Mit jenen, die antworten, wird im Anschluss ein Gespräch via Skype vereinbart. Auch wenn Kaisersdorf in punkto Jugendkultur nicht mit Wien mithalten kann, so ist in der burgenländischen Gemeinde und ihrem Umland trotzdem einiges los. „Aber es braucht natürlich ebenso

Eigeninteresse der Freiwilligen, wir können nicht nur Angebote servieren, bis irgendwann mal etwas Passendes dabei ist”, erzählt die Pädagogin. „Wir hatten mal einen jungen Mann aus Spanien bei uns, der hat leidenschaftlich gerne Rugby gespielt. Unter unseren im Verein engagierten Eltern kannte jemand einen Spieler des Rugbyteams in Wiener Neustadt, der dafür gesorgt hat, dass unser EFD‘ler dort mitspielen konnte. Dadurch hatte der Freiwillige neben seiner Tätigkeit bei uns und der Gastfamilie einen persönlichen Anker auf einer ganz anderen Ebene.” Doch so intensiv die Vorbereitungen und das Vorabscreening auch ausfallen, vor Überraschungen sind Sandra Marth und die anderen Verantwortlichen vom Storchennest nicht gefeit. „Bei einem Freiwilligen konnte ich mir nach seiner Ankunft nicht vorstellen, dass das jemals funktionieren könnte. Der hat dann aber so einen Ehrgeiz entwickelt, sich durchgebissen und sich dann so super eingelebt. Das war eine schöne Ermutigung für uns weiterzumachen. So ein Freiwilligeneinsatz bringt eben nicht nur Vorteile für unsere Kinder und Jugendlichen, sondern ist auch für die jungen Menschen sehr bereichernd.”

DEIN ORT

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NÄHERE INFORMATIONEN www.jugendinaktion.at/europaeischer-freiwilligendienst