2 Kartographie als Wissenschaft

Einführung in die KARTOGRAPHIE Kapitel 2 Kartographie als Wissenschaft 2 Kartographie als Wissenschaft 2.1 Platzierung der Kartographie im wissensc...
Author: Evagret Böhmer
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Einführung in die KARTOGRAPHIE Kapitel 2 Kartographie als Wissenschaft

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Kartographie als Wissenschaft

2.1 Platzierung der Kartographie im wissenschaftlichen Gebäude Definitionen der Kartographie Stellung der Kartographie Entwicklung der kartographischen Wissenschaft Kartographie und ihre Nachbardisziplinen 2.2 Wissenschaftlich-theoretische Grundlagen der Kartographie Wissenschaftlich-theoretische Begriffe Begriffe und Arten der Kommunikation Kommunikationstheorie Informationstheorie Zeichentheorie 2.3 Verwendete Literatur und Links 2.4 Abbildungsverzeichnis

2.1 Platzierung der Kartographie im wissenschaftlichen Gebäude •

Definitionen der Kartographie

WITT, W.: Lexikon der Kartographie. Wien, Franz Deuticke, 1979 (= Die Kartographie und ihre Randgebiete – Enzyklopädie, Band B). S 19-22. E. MEYNEN (1949): ”Der Begriff Kartographie, wie er heute in Anwendung ist, umfaßt alle Arbeiten, die mit der kartographischen Bearbeitung der topographischen Aufnahme und kartenmäßigen Umarbeitung in kleinere Maßstäbe, mit der Zeichnung und Vervielfältigung von Karten und kartenähnlichen Darstellungen zusammenhängen. Kartographische Arbeit setzt geodätische Messung, die wissenschaftlichen mathematischen Grundlagen der Kartenprojektionen und topographische Erkundung bei großmaßstäblichen Karten bzw. geographische Landesforschung bei kleinmaßstäblichen Karten voraus." UNO (1949): ”Die Kartographie wird als die Wissenschaft der Herstellung aller Arten von Karten und Plänen angesehen; sie umfaßt jede Tätigkeit von der Originalaufnahme an bis zum endgültigen Druck von Kartenblättern.“ W. KRALLERT (1963): ”Kartographie ist die Kunst und Technik der Kartenherstellung". _________________ Seite 1 von 16

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E. ARNBERGER (1966): ”Kartographie ist die Lehre von der Logik, Methodik und Technik der Konstruktion, Herstellung und Ausdeutung von Karten und anderen kartographischen Ausdrucksformen, die geeignet sind, eine räumlich richtige Vorstellung von der Wirklichkeit zu erwecken. Sie beschäftigt sich nicht nur mit der Darstellung konkreter Objekte, sondern auch abstrakter Erscheinungen im Raum, soweit sich diese nach kartographischen Prinzipien abbilden lassen." Internationale Kartographische Vereinigung (IKV) Kommission (1967): ”Theorie, Facherfahrung und Technik der Kartenherstellung, des Inhaltes und der graphischen Gestaltung von Karten und von kartenverwandten Erzeugnissen sowie die Lehre von Kartenbenutzung und Kartengeschichte." ”The art, science, and technology of making maps, together with their study as scientific documents and works of art. In this context maps may be regarded as including all types of maps, plans, charts and sections, three-dimensionals models and globes representing the earth and any heavenly body at any scale." http://www2.cr.nps.gov/gis/cartography.htm "The making and study of maps in all their aspects, cartography consists of a group of techniques fundamentally concerned with reducing the spatial characteristics of a large area--a portion or all of the earth, or another celestial body--and putting it in map form to make it observable." --Elements of Cartography 5th edition, Arthur H. Robinson, Randall D. Sale, Joel L. Morrison, Phillip C. Muehrcke, John Wiley & Sons, Inc., New York, 1984, p.4 International Cartographic Association 10th General Assembly International Cartographic Association (1995): “A map is a symbolised image of geographical reality, representing selected features or characteristics, resulting from the creative effort of its author’s execution of choices, and is designed for use when spatial relationships are of primary relevance. Cartography is the discipline dealing with the conception, production, dissemination and study of maps” MacEachern, A./Kraak, M-J.: Research Challenges in Geovisualization. Draft, Nov. 20, 2000 – forthcoming in Cartography and Geographic Information Science, Vol. 28, No. 1, 2001 „Modern cartography, thus, deals with a complex process of geospatial information organization, access, display, and use – with ‚maps’ no longer conceived of as simply graphic representations of geographical space, but as dynamic portals to interconnected, distributed, geospatial data resources.” •

Stellung der Kartographie

Freitag, U.: Kartographische Konzeptionen – Beiträge zur theoretischen und praktischen Kartographie 1961 – 1991, Berliner Geowissenschaftliche Abhandlungen, 1992. S. 85

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Wer nur aufgrund dieser Sammelwerke [in Deutschland, Schweiz und Österreich] die Kartographie der Gegenwart beurteilen sollte, könnte in ihr allein eine technische Disziplin sehen, die aufgrund rechtlicher, organisatorischer and technischer Vorgaben hochwertige Produkte herstellt. Diese Meinung wird von zahlreichen Kartographen geteilt, die ihren Beruf als Praktiker and Techniker ausüben. Dass die Kartographie auch eine wissenschaftliche Disziplin ist, die seit den 60er Jahren mit mehreren Lehrstühlen an Hochschulen vertreten ist, die Forschungen sowohl im Bereich der Technik wie der Theorie durchführen, spielt weder in den Sammelwerken noch in der Meinung vieler praktischer Kartographen eine große Rolle. Das gegenwärtige Missverhältnis zwischen den technischen and wissenschaftlichen Aufgabenbereichen der Kartographie hat mehrere Ursachen. Zwei davon seien genannt: Die Entwicklung des Berufsstandes des Kartographen an die Unterschiede der Auffassung von Wissenschaft and Theorie. […] HAKE, G., GRÜNREICH, D., MENG, L.: Kartographie – Visualisierung raum-zeitlicher Informationen (8.Auflage). Berlin – New York, Walter de Gruyter, 2002. S. 3 Wie viele andere Disziplinen, so unterliegt gegenwärtig auch die Kartographie einem erheblichen Wandel ihrer Inhalte und Verfahren. Über Jahrhunderte hinweg waren ihre graphischen Darstellungen trotz aller inneren und äußeren Vielfalt stets zugleich Medium und Speicher raum-zeitlicher Informationen, und Zahlen dienten weitgehend nur als bloße Hilfsmittel auf dem Wege zur Graphik. Im heutigen Informationszeitalter besitzen dagegen die Zahlen durch den vielseitigen Einsatz der digitalen Rechentechnik einen eigenen Stellenwert von zentraler Bedeutung. Im Zuge dieser Entwicklung bedient sich die Kartographie zunehmend auch multimedialer Präsentationsformen: So verknüpft sie ihre graphischen Darstellungen mit Animationen und akustischen Zeichen und bietet ferner dem Benutzer die Möglichkeit eigener Gestaltung durch interaktive Eingriffe. Angesichts einer solchen, noch nicht abgeschlossenen Entwicklung lässt sich Kartographie gegenwärtig etwa wie folgt beschreiben: Die Kartographie ist ein Fachgebiet, das sich befasst mit dem Sammeln, Verarbeiten, Speichern und Auswerten raumbezogener Informationen sowie in besonderer Weise mit deren Veranschaulichung durch kartographische Darstellungen. KRIZ, K.: Kartographische Ansichten im neuen Millennium. In: Buzin/Wintges (Hrsg.): Kartographie 2001 – multidisziplinär und multidimensional. Beiträge zum 50. Deutschen Kartographentag, Wichmann Verlag, Heidelberg, 2001. S. 231, 232 Um die theoretischen Sichtweisen und Ziele [der Kartographie] besser zu verstehen, ist eine holistische Betrachtungsweise der kartographischen Prozesse und Abläufe notwendig. Graphische Modelle der Theorie können dabei sehr behilflich sein. Sie sind wichtige Instrumente jeder Wissenschaft und verdeutlichen die Aussagen, Begriffe und Beziehungen der Theorie in vereinfachter, generalisierter, graphischer Form (Freitag 2000). Sie können komplexe Prozesse und Abläufe verständlicher transportieren. Betrachtet man den kartographischen Prozess nicht als „Einbahnstraße“, wo lediglich in eine Richtung produziert bzw. kommuniziert wird – Produkt zum Nutzer – sondern als zirkulären, dynamisch-interaktiven Vorgang, dann erhält die Kartographie eine neue Dimension. Drei Prozessbereiche stehen dabei signifikant im Vordergrund: Gestaltung, Kognition und Kommunikation. _________________ Seite 3 von 16

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Ausgehend von der Initialisierung, die sich zu Beginn jeder raumbezogenen Fragestellung mit der Problemerkennung bis hin zur Problemformulierung beschäftigt, folgt die Realisierung. Die Gestaltung eines der ureigensten Bereiche der Kartographie, steht als Prozess dabei im Mittelpunkt. Kartographisches Wissen wird eingesetzt, um Lösungsansätze und Konzepte zu realisieren, die anschließend in räumliche Modelle gefasst und mit Hilfe von graphischen Werkzeugen und Verfahren ausgeführt werden. Das Ergebnis ist ein kartographisches Produkt. Der Prozess der Gewinnung und Verarbeitung von Informationen aus diesem Produkt ist vorrangiges Ziel der Kognition. Der Nutzer interagiert mit dem Produkt und versucht aus der Interpretation eine Erkenntnisgewinnung zu erhalten. Das Ergebnis dieses Prozesses ist entweder eine Handlung oder ein Modifikationsbedürfnis. Früher war der Weg von der Modifikation zur Redigierung nur sehr mühsam und langwierig über den Spezialisten möglich. Durch neue technologische Verfahren ist ein direktes, interaktives Eingreifen in den kartographischen Gestaltungsprozess möglich. Dabei kann der Nutzer zwischen primitiven bis hin zu komplexen Modifikationsverfahren wählen. Diese Verfahren müssen jedoch vom Spezialisten koordiniert sein und im Gestaltungsprozess zur Verfügung gestellt werden. Der Vorteil solch eines Systems liegt in der raschen Umsetzung von nutzerorientierten Wünschen, die in Abhängigkeit vom kartographischen Vorwissen optimal umgesetzt werden können. Die Kartographie ist demnach nicht nur für die Produkte zuständig, sondern vielmehr verantwortlich für den zirkulären Prozess zwischen Gestaltung, Kognition und Kommunikation. Initialisierung raumbezogene Fragestellung Problemerkennung -spezifikation, -formulierung

Kommunikation

Gestaltung

Realisierung Modifikation

kartographisches Wissen

Handlung

Lösungsansatz Konzeption

Erkenntnisgewinnung

Modellbildung

Interpretation

(multidimensional)

Werkzeuge und Verfahren (elementar – komplex)

Interaktion

Produkt

Nutzer Kognition

Abb. 1: Zirkulärer, kartographischer Prozess KRIZ, K.: Kartographische Ansichten im neuen Millennium. In: Buzin/Wintges (Hrsg.): Kartographie 2001 – multidisziplinär und multidimensional. Beiträge zum 50. Deutschen Kartographentag, Wichmann Verlag, Heidelberg, 2001. S. 233 Neue Formen der medialen Kommunikation lösen die alte lineare, hierarchisch strukturierte Sichtweise der Kartographie ab. Anstatt ein statisches, graphisch-dominantes „Einbahn_________________ Seite 4 von 16

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system“ weiter zu forcieren, sind vernetzte, interaktive, dynamische „Mehrwegsysteme“ im Rahmen der kartographischen Darstellung raumbezogener Sachverhalte zukunftsweisend. Der Nutzer wird die Möglichkeit haben, sich in den kartographischen Ablauf aktiver einzuschalten und sowohl gestalterische wie auch wahrnehmungsspezifische Akzente individuell zu setzen. •

Entwicklung der kartographischen Wissenschaft

HAKE, G., GRÜNREICH, D., MENG, L.: Kartographie – Visualisierung raum-zeitlicher Informationen (8.Auflage). Berlin – New York, Walter de Gruyter, 2002. S. 5f. Kartographische Darstellungen gibt es schon seit langer Zeit. Dennoch hat sich die Kartographie erst relativ spät aus einem Hilfsmittel zur Erforschung der Erde, zur Abgrenzung privaten Besitzes und politischer Zuständigkeit, zur Landnutzung sowie für den Verkehr und für militärische Operationen zu einem eigenständigen Wissenszweig entfaltet. Auf diesem langen Wege war sie durch zwei Wirkungsfelder gekennzeichnet: Empirischhandwerkliche Techniken der Zeichnung und Vervielfältigung einerseits und graphischkünstlerische Gestaltung andererseits. Erst mit Beginn einer exakteren Geländedarstellung am Ende des 18. Jh. entwickelten sich auf theoretischen Grundlagen methodische Ansätze, und am Beginn des 20. Jh. vertieften Peucker (1902) und Eckert (1921) […] solche und weitere Ansätze zu einem ersten wissenschaftlichen Lehrgebäude. Diese Entwicklung führte zur üblichen Zweiteilung in theoretische und praktische Kartographie. Eine solche Gliederung wird aber der heutigen Situation immer weniger gerecht, weil sich in vielen Stoffgebieten Theorie und Praxis stark miteinander mischen und weil auch in die technischen Bereiche immer mehr die Theoriebezüge eindringen. Eine Einteilung in allgemeine und angewandte Kartographie erweist sich dagegen als sinnvoller; […] Dabei erstreckt sich die allgemeine Kartographie auf das Basiswissen und den methodischen Kern des Fachgebietes, und sie vereint dazu Theorie und Praxis. Dagegen bedient sich die angewandte Kartographie dieses Grundvorrates, indem sie für die jeweilige Anwendung die zweckmäßigen Varianten entwickelt und vertieft. Freitag, U.: Kartographische Konzeptionen – Beiträge zur theoretischen und praktischen Kartographie 1961 – 1991, Berliner Geowissenschaftliche Abhandlungen, 1992. S. 85 – 86 Wissenschaft wird allgemein verstanden als systematisch geordnetes Wissen, als ein System methodisch gesicherter und objektiver Aussagen über einen Gegenstand oder Gegenstandsbereich der Wirklichkeit. Außer den systematischen Bestandteilen, die als Theorie bezeichnet werden, enthalten die meisten Wissenschaften prätheoretisches, empirisches Wissen, Bestandteile der Methodologie, Anleitungen zur praktischen Tätigkeit u.a. Das theoretische Wissen aber, das durch das Ordnen von Erscheinungen, Zusammenhängen und Erkenntnissen, durch Abstraktion und Systematisieren entsteht, ist der wichtigste Bestandteil jeder Wissenschaft. In der Kartographie sind in neuerer Zeit mehrfach Versuche zu einer systematischen Ordnung des bekannten Wissens unternommen werden, die manchmal als Metakartographie oder Kartologie bezeichnet oder bespöttelt wurden. Zur Begründung einer Wissenschaft ist es aber notwendig, von der Praxis, die als System zielgerichteter Handlungen bezeichnet werden kann und zu empirischem Wissen führt, über eine Methodologie, ein System von Regeln aufgrund empirischen und theoretischen Wissens, zu einer Theorie zu _________________ Seite 5 von 16

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gelangen, einem System von exakt definierten Begriffen und Aussagen (6). Von den verschiedenen Typen von Theorien, die unterschieden werden können, besagt das strukturelle Theoriekonzept, dass eine umfassende Theorie aus mehreren Teiltheorien aufgebaut ist. Die Voraussetzung für die skizzierte Entwicklung ist die Benennung des Gegenstandsbereiches, auf die sich Praxis, Methodologie und Wissenschaft beziehen. […] HAKE, G., GRÜNREICH, D., MENG, L.: Kartographie – Visualisierung raum-zeitlicher Informationen (8.Auflage), 2002, S. 7

Abb. 2: Wissenschaftliche Grundlagen der Kartographie •

Kartographie und ihre Nachbardisziplinen

HAKE, G., GRÜNREICH, D., MENG, L.: Kartographie – Visualisierung raum-zeitlicher Informationen (8.Auflage). Berlin – New York, Walter de Gruyter, 2002. S. 523f. Die […] Merkmale der Kartographie verdeutlichen zwar ihre Eigenständigkeit in Theorie und Praxis, doch bedingt ihr sachbezogenes Wirken zwangsläufig auch eine enge Verknüpfung mit verschiedenartigen Wissenschaften und Berufsfeldern. Zu den mit ihr verbundenen Wissenschaften zählen seit langem die Geowissenschaften (Geodäsie, Geographie, Geologie, Geophysik) und die Raumforschung; in diese Bereiche war sie anfänglich auch wissenschaftlich eingebettet. Darüber hinaus sind vertiefte Bezüge entstanden zur Kommunikationstheorie, zur Mathematik und Informatik, zur Wahrnehmungspsychologie, zur Nachrichtentechnik, zur Didaktik und zu den Geschichtswissenschaften. Der Wirkungsbereich der Kartographie ergibt sich aus ihren […] Aufgaben. Daher liegt ihr Einsatz ganz allgemein in allen Bereichen von Praxis, Lehre und Forschung, in denen es um die Bearbeitung und den vielfältigen Gebrauch kartographischer Darstellungen geht. Dabei _________________ Seite 6 von 16

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wird aber mit den zunehmenden Systemtechniken die fachliche Abgrenzung der Kartographie selbst immer unschärfer […]. So ergeben sich für die Kartographie die folgenden benachbarten Berufsfelder unter mehr oder weniger starker gegenseitiger Verzahnung: Vermessungswesen mit Topographie und Hydrographie, Geoinformatik, raumbezogene Bestandserhebung und Planung (von der Statistik bis zum Umweltschutz), Unterrichts- und Verlagswesen und graphisches Gewerbe.

2.2 Wissenschaftlich-theoretische Grundlagen der Kartographie •

Wissenschaftlich-theoretische Begriffe

Freitag, U.: Die Entwicklung der Theorie der Kartographie. In: Theorie 2000 – Vorträge des kartographischen Symposiums am 17./18. November 2000 an der TU Dresden. Kartographische Bausteine, Band 19, Dresden 2001. S. 7-8, 10 Was sind graphische Modelle der Theorie der Kartographie? Graphische Modelle sind übersichtliche Repräsentationen der Theorie der Kartographie. Sie repräsentieren die Aussagen, Begriffe und Beziehungen der Theorie in vereinfachter, generalisierter graphischer Form, die aber vielfältige Variationen zulässt. In ihr werden Wörter der natürlichen Sprache nur in geringem Umfang als fachliche Schlüsselwörter verwendet. Graphische Modelle zwingen zur Konzentration auf die wesentlichen Aussagen der Theorie. Gute graphische Modelle sind leicht und über Sprachgrenzen hinweg verständlich. […] Was sind kartographische Theorien? Kartographische Theorien sind alle systematisch geordneten Aussagen über den Bereich der Realität, den wir heute als Kartographie bezeichnen. Das Problem der Definition des Wissensund Erkenntnisbereiches, auf den sich diese Aussagen beziehen, steht damit am Anfang jeder Theoriebildung. Wenn wir uns daran erinnern, dass der Begriff Kartographie für einen umfassenden Forschungsansatz erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts eingeführt wurde, dass die Institutionalisierung der Kartographie als Profession und Wissenschaftsdisziplin erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfolgte, dass Konzepte einer umfassenden Theorie der Kartographie zwar zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorgetragen, aber erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts in strukturierter Form allgemeine Anerkennung fanden, dann müssen wir feststellen, dass die Entwicklung kartographischer Theorien nicht in Abhängigkeit von diesen Ereignissen erfolgt ist, sondern viel früher begann. Die Entwicklung kartographischer Theorien begann schon sehr früh in der Geschichte der Bildung menschlicher Gemeinschaften mit der Formulierung kleiner empirischer Theorien für Teilbereiche der kartographischen Hauptaufgabe, der graphischen Abbildung der Umwelt des Menschen in einer Form, die später als tabula oder mappa (für die Abbildungsfläche), als imago, pictura oder delineatio (für die graphische Darstellung) und heute allgemein und im weitesten Sinn als Karte bezeichnet wird.

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Jede graphische Abbildung seiner Umwelt, unabhängig von ihrer Zielsetzung, stellte den Menschen vor mehrere Aufgaben und Entscheidungen: die Auswahl bestimmter Objekte der Umwelt, ihre Verkleinerung und Vereinfachung, die Umformung ihrer Körperlichkeit in flächige Figuren, die Wahl von wiedererkennbaren Figuren usw. usf. Für jede dieser Aufgaben wurden im Laufe der Jahrhunderte immer genauere Theorien entwickelt, von denen wir jede als kartographische Theorie bezeichnen müssen. Als Beispiel sei eine der schwierigsten Aufgaben genannt, die Abbildung der Dreidimensionalität unserer Umwelt auf einer Fläche. Begriffe wie Horizont und Proportionalität, Entfernung und Staffelung sowie darstellende Geometrie und Perspektive kennzeichnen die erste Gruppe von Theorien der Abbildung der gesehenen, physischen Erdoberfläche. Die Konzeptionen des Erdkörpers, der durch ein räumliches Koordinatensystem definierten abstrakten Erdkugel und der projektiven Geometrie bildeten die Grundlagen für die Theorien der Verebnung der gedachten und erkannten Erde. Die Aussagen dieser beiden speziellen kartographischen Theorien wurden im Laufe der Jahrhunderte weiter entwickelt, differenziert und präzisiert. Die Theorien der Abbildung der physischen Erdoberfläche wurden schließlich in Lehrbüchern der Geländedarstellung zusammengefasst, die Theorien der Abbildung der geodätisch bestimmten Erdoberflache in zahlreichen Büchern der Kartennetzentwurfslehre. •

Begriffe und Arten der Kommunikation

HAKE, G., GRÜNREICH, D., MENG, L.: Kartographie – Visualisierung raum-zeitlicher Informationen (8.Auflage). Berlin – New York, Walter de Gruyter, 2002. S. 8 Allgemein lassen sich alle Kommunikationsvorgänge durch den Satz „Wer sagt was zu wem mit welcher Wirkung?" beschreiben. Eine solche Kommunikation zwischen Kommunikationsgrößen, Kommunikatoren (Menschen, Tiere und Automaten) ist entweder - dialogisierend (Duplex-Kommunikation) als wechselseitige, sich gegenseitig beeinflussende Beziehung oder - diagnostizierend (Simplex-Kommunikation) als einseitige Erfassung, Beobachtung, Analyse oder Erkenntnis der Außenwelt, wie sie sich für den einzelnen Kommunikator jeweils als Gesamtheit der belebten und unbelebten Umwelt ergibt. Kommunikation dient der Informationsübertragung; ihre Wirkung besteht in dem Einfluss, den die empfangene Information auf den Kommunikator ausübt. Die große Bedeutung der Kommunikation für das Leben liegt darin, dass sie offenbar eine existentielle und soziale Notwendigkeit ist, denn „man kann nicht nicht kommunizieren" (Watzlawick 1971). Unter dem Begriff der Information versteht man umgangssprachlich soviel wie Nachricht oder Mitteilung. Dieses Wort hat inzwischen aber auch im Sprachgebrauch vieler Disziplinen der Natur- und Geisteswissenschaften Eingang gefunden, dabei allerdings oft seine jeweils fachspezifischen Ausprägungen erfahren. Dennoch lässt sich allgemein für alle diese Bereiche die Information mit einer vereinfachten wissenschaftliche Definition etwa beschreiben als Signalfolge zur Kodierung von Zeichen eines Kommunikationsprozesses.

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KELNHOFER, F.: Grundzüge der Topographischen und Thematischen Kartographie. Lehrbehelf für das Sommersemester 1997, IKR, TU-Wien, 1997, S. 16 Kartographische Kommunikation Kartographische Darstellungen dienen der Kommunikation (= Kommunikationstheorie) sowie der Informationsvermittlung (= Informationstheorie). Wobei der Informationstransport mittels Grafik (= Zeichentheorie – Semiotik) erfolgt. Bollmann, J., Koch G., et al.: Lexikon der Kartographie und Geomatik. Heidelberg, Berlin, Spektrum Akademischer Verlag, 2002. Aufbauend auf dem allgemeinen Kommunikationsbegriff umfasst kartographische Kommunikation, (cartographic communication), die ein- oder mehrseitigen Übertragungsprozesse bei der Aufnahme, der Verarbeitung und dem Austausch von raumbezogenen Informationen mittels Karten und anderen kartographischen Medien auf der Grundlage eines gemeinsamen Zeichenvorrats, den Kartenzeichen und der Sprache. Vorwiegende Ziele dieser Übertragungsprozesse sind die georäumliche Erkenntnisgewinnung bzw. - erweiterung, die raum- bzw. umweltbezogene Bewusstseinsbildung sowie die Steuerung von Verhalten und Handeln im Raum (vgl. kartographische Information, kartographische Informationsverarbeitung). Übermittelt werden im Rahmen der kartographischen Kommunikation neben den georäumlichen Informationen kommunikationsrelevante Merkmale und Bedingungen der Aufnahme, Verarbeitung oder des Austausches von Informationen. Diese können den zur Kommunikation erforderlichen gemeinsamen Zeichenvorrat beispielsweise in Form von Beschreibungsinformationen prozess- und zielorientiert ergänzen. Merkmale und Bedingungen der Kommunikation mit Karten Die grundlegenden Faktoren kartographischer Kommunikationsprozesse im Sinne eines Kommunikationskontextes bilden die Funktionen der Kartennutzung im Rahmen kartographischer Handlungsfelder bzw. die aus diesen ableitbaren kommunikativen Funktionsmerkmale und die mit der konkreten Nutzung verbundenen situativen Bedingungen (Kommunikationssituation). Funktionen der Kartennutzung sind: a) die Orientierung im Georaum und die Navigation im Gelände und in der Umwelt, b) die Gewinnung von georäumlichen Überblicksinformationen und neuen Erkenntnissen, c) das Ausmessen, Analysieren und Überprüfen von Informationen sowie d) das Lernen mit georäumlichen Informationen und letztendlich e) das Dokumentieren und Archivieren georäumlicher Erkenntnisse. Kommunikationsbezogene Merkmale, die diese Nutzungsfunktionen kennzeichnen, sind beispielsweise fachliche Konventionen bei der Dokumentation von geowissenschaftlichen Forschungsergebnissen oder systematische Strukturen zur Archivierung von Karten. Bei der Gewinnung von neuen Informationen und Erkenntnissen sowie beim Lernen erfordern dagegen beispielsweise die unterschiedlichen Erkenntnisziele und Merkmale von visuellkognitiven Operationen im kartographischen Wahrnehmungsraum u. a. spezifische Interaktionsund Unterstützungsformen bei der Informationsübermittlung. Funktionsmerkmale, die beim Messen, Analysieren und Überprüfen von Informationen mitübertragen werden müssen, sind z. B. Anforderungen an räumliche Bezugssysteme oder qualitative und quantitative Begriffs- und Wertesysteme. _________________ Seite 9 von 16

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Als zweiten Faktorenbereich bestimmen in Karten und kartographischen Medien Eigenschaften und Merkmale der Abbildung georäumlicher Daten die Ausrichtung des Kommunikationsprozesses auf die Funktionen der Kartennutzung. So erfordert die Übermittlung von georäumlichen Detailinformationen beim Messen, Analysieren und Überprüfen prinzipiell andere Angaben zum Maßstab und zum Kartennetzentwurf als die Übermittlung von Übersichtsinformationen. Das Lernen mit georäumlichen Informationen hängt dagegen in starkem Maße von der Abstraktion der Abbildung in Karten ab. Abstrakte Kartenzeichen erfordern beispielsweise die Übermittlung umfangreicherer Erläuterungen als bildhafte Zeichen. Der dritte Faktorenbereich wird durch den Kartennutzer gebildet, den unterschiedlich spezifisches Fachwissen, individuelle Fähigkeiten und situative Einstellungen und Motivationen kennzeichnen (Kommunikationsfähigkeit). Die sich daraus ergebenden spezifischen kommunikationsbezogenen Merkmale und Bedingungen der Aufnahme, Verarbeitung und des Austausches von georäumlichen Informationen werden in der empirischen Kartographie analysiert und können kartographischen Kommunikationsprozessen beispielsweise in Form von Metainformationen und Metadaten zugeführt werden. •

Kommunikationstheorie

Freitag, U.: Kartographische Konzeptionen – Beiträge zur theoretischen und praktischen Kartographie 1961 – 1991, Berliner Geowissenschaftliche Abhandlungen, 1992. S. 90 Im engen Zusammenhang mit der Informationstheorie ist die Kommunikationstheorie entwickelt worden. Sie hat die kartographische Theorie besonders stark beeinflusst, da sie schon die klassische Kartographie als Lehre von der Übertragung von Mitteilungen über die Erdoberfläche verstand. Im Unterschied zur Informationstheorie bezog die Kommunikationstheorie den Menschen in den Mitteilungsprozess ein, den Kartenhersteller wie den Kartennutzer. Die Kommunikationstheorie zwang dazu, die Hersteller und Nutzer von Karten als Individuen und soziale Gruppen zu sehen, ihr gesellschaftliches Umfeld zu berücksichtigen, aber auch die individuellen Wahrnehmungsleistungen und Handlungsmöglichkeiten. Sie fragte nach den intendierten und aktuellen Funktionen kartographischer Darstellungen. Sie forderte zu Forschungen im Grenzbereich zur Psychologie, Soziologie und Geschichte heraus. Darüber hinaus bot eine kartographische Kommunikationstheorie die Möglichkeit, andere Theorien als Teiltheorien miteinzubeziehen, um dadurch wesentliche Teilprozesse im Kommunikationsprozess besser analysieren, beschreiben und besser integrieren zu können (20). Bollmann, J., Koch G., et al.: Lexikon der Kartographie und Geomatik. Heidelberg, Berlin, Spektrum Akademischer Verlag, 2002. Kommunikationstheorie, (communication theory), eine ursprünglich auf dem SenderEmpfänger-Modell der Nachrichtentechnik basierende Wissenschaftsdisziplin, die sich heute im weitesten Sinne mit der Übertragung von Informationen (Wissen) befasst (vgl. kartographische Kommunikation). _________________ Seite 10 von 16

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Der allgemeine Kommunikationsbegriff, abgeleitet aus dem lateinischen Wort für Verbindung, Zusammenhang und Verkehr, beschreibt die Übermittlung von Nachrichten zwischen Menschen auf der Grundlage eines gemeinsamen Zeichenvorrats als notwendige Voraussetzung für das Zusammenleben der Menschen in sozialen Gemeinschaften. Die Informationsträger einer Nachricht bilden dabei akustische und optische Signale. Kommunikation ist auch ein Grundbegriff in der Existenzphilosophie Karl Jaspers, nach dem jeglicher menschlichen Existenz das Bedürfnis nach Informationsaustausch als Grundlage für Denken und Handeln immanent ist. Die Motive, Bedingungen und Wirkungen der Kommunikation seien nach Jaspers deshalb "durchsichtig zu machen". Neuere Ansätze in den Kommunikations- und Kognitionswissenschaften, der Informatik und der Kartographie definieren Kommunikation erneut als Übermittlung und Austausch von Informationen mit dem Ziel der ausschließlich von Menschen zu bewältigenden Informationsverarbeitung. Gegenstand der Kommunikationswissenschaft als eine der allgemeinen Sprachwissenschaft und der Informatik übergeordnete Wissenschaft sind dementsprechend u. a. informationelle Kopplungen zwischen Menschen, die sich dazu bestimmter Sprachen bedienen.

Abb. 3: Kartographische Kommunikation: Prozess der Kommunikation kartographischer Information •

Informationstheorie

Freitag, U.: Kartographische Konzeptionen – Beiträge zur theoretischen und praktischen Kartographie 1961 – 1991, Berliner Geowissenschaftliche Abhandlungen, 1992. S. 89 – 90.

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Eine wichtige Anregung zu einer Neukonzeption von Karte und Kartographie ging von der Informationstheorie aus (18). Die Karte wird seither nicht mehr ausschließlich als graphisches Bild, sondern als Träger von Information aufgefasst. Informationsgehalt, Informationsgewinn und -verlust durch Generalisierung sowie menschliche oder maschinelle Übertragung wurden als messbare Größen angesehen. […] HAKE, G., GRÜNREICH, D., MENG, L.: Kartographie – Visualisierung raum-zeitlicher Informationen (8.Auflage). Berlin – New York, Walter de Gruyter, 2002. S. 8f. Die klassische Informationstheorie beschreibt aus vorwiegend mathematisch-physikalischer Sicht die Vorgänge einer einseitigen (unidirektionalen) Informationsübertragung durch ein Schema, dessen Begriffe weitgehend der Nachrichtentechnik entstammen (Mildenberger 1990). Nach Abb. [4] wird ein Kommunikator zum Sender (Expedient) und der andere zum Empfänger (Rezipient) der Information. Der Inhalt dieser Information wird zunächst beim Sender im Wege der sog. Codierung (Verschlüsselung) in bestimmte Zeichen (z. B. Buchstaben) umgesetzt. Diese wiederum werden auf einem bestimmten Kanal als physikalische Signale (z. B. als Schallimpulse) ausgestrahlt und erreichen so den Empfänger. Dort werden sie wieder zu Zeichen zusammengesetzt, die ihrerseits dann im Wege der sog. Decodierung (Entschlüsselung) die Nachricht ergeben. Auf den Informationskanal können von außen Störquellen (z. B. Lärm) einwirken und die Zeichenbildung und damit auch den Inhalt der Nachricht beim Empfänger beeinflussen. Aus dieser Beschreibung folgt, dass Informationen stets in codierter Form als Zeichen übertragen werden. Zeichen oder Zeichenfolgen lassen sich demnach auch als Realisationen von Informationsinhalten auffassen. Dabei beschränke sich der Begriff des Zeichens keineswegs nur auf das, was sich im optischen Wege wahrnehmen lässt. Auch Laute, Gerüche und Berührungen gehören zu den Zeichen. Darüber hinaus spricht man von Zeichensystemen, wenn aus einem Zeichenvorrat mannigfaltige Kombinationen zusammenhängender Zeichen zu einer Vielzahl von Ausdrucksmöglichkeiten führen.

Abb. 4: Schema der Informationsübertragung

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WITT, W.: Lexikon der Kartographie. Wien, Franz Deuticke, 1979 (= Die Kartographie und ihre Randgebiete – Enzyklopädie, Band B). S. 248f. Die Informationstheorie hat für alle Bereiche, in denen Kenntnisse über Fakten und Entwicklungen als Nachrichten übermittelt werden können, eine ungewöhnlich große Bedeutung. Auch für die Kartographie ist das informationstheoretische Modell von hohem Interesse, obwohl es nicht so unmittelbar übertragbar ist, wie man meist annimmt. Die Karte unterscheidet sich durch ihre Zweidimensionalität grundsätzlich von der linearen Aufeinanderfolge der Signale bei den verbalen Nachrichtensystemen. Man kann eine Karte zwar ebenfalls, etwa durch Scannerabtastung, in Zeilen zerlegen und so als Nachricht übermitteln, aber der Perzipient sieht nicht die zeitliche Aufeinanderfolge der einzelnen punktförmigen Signale, sondern die flächenmäßige („chorographische") Gestalteinheit, und die Entropie läßt sich nicht in derselben Weise messen wie bei der linearen Abfolge kodierter Signale. Vor allem bleibt dabei der für die Karte ausschlaggebende Lagefaktor (Raumzusammenhang) gänzlich unberücksichtigt. •

Zeichentheorie

BERTIN, J.: Graphische Darstellungen und die graphische Weiterverarbeitung der Information. Berlin – New York, Walter de Gruyter, 1982. S. 176 Symbole und graphische Darstellungen: Zwei Bedeutungsbereiche Die Wahrnehmung eines Symbols, eines Verkehrszeichens [...], erfolgt in einem einzigen Schritt: „Was bedeutet dieses Zeichen?“ – „Stop!“ Die brauchbare Information ist völlig erfasst. Symbole haben den Zweck, die Gesamtheit einer Information oder einen Begriff zu bestimmen. Die Wahrnehmung einer graphischen Darstellung dagegen erfordert zwei Schritte: 1. „Um welche Elemente handelt es sich?“ und 2. „Welche Beziehungen bestehen zwischen diesen Elementen?“ [...] Graphische Darstellungen haben das Ziel, Beziehungen zwischen zuvor definierten Gesamtheiten von Elementen darzustellen. Eine graphische Darstellung ist immer das Ergebnis einer Tabelle mit x- und y-Achse, ein Symbol aber niemals – sonst wäre es eine graphische Darstellung. Freitag, U.: Kartographische Konzeptionen – Beiträge zur theoretischen und praktischen Kartographie 1961 – 1991, Berliner Geowissenschaftliche Abhandlungen, 1992. S. 90 Ebenfalls in engem Zusammenhang mit den vorgenannten Theorien bewirkte die Zeichentheorie eine Neuordnung kartographischer Zeichen, die bisher als Signaturenfrage empirisch versucht worden war. Karten werden als Zeichensysteme verstanden und in vielfacher Weise analysiert (21). Entsprechend den Vorgaben der allgemeinen Zeichentheorie werden dabei im allgemeinen drei (manchmal vier) Dimensionen des einzelnen kartographischen Zeichens unterschieden: Die Syntaktik, die die Beziehung eines Zeichens zu anderen Zeichen untersucht, die Semantik, die die Beziehungen des Zeichens zu einem Begriff menschlichen Denkens oder einem Objekt der Realität untersucht, and die Pragmatik, die nach den Beziehungen des Zeichens zum Menschen (Zeichenhersteller, Zeichennutzer) fragt. _________________ Seite 13 von 16

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Einführung in die KARTOGRAPHIE Kapitel 2 Kartographie als Wissenschaft

HAKE, G., GRÜNREICH, D., MENG, L.: Kartographie – Visualisierung raum-zeitlicher Informationen (8.Auflage). Berlin – New York, Walter de Gruyter, 2002. S. 10 […] eine wechselseitige, dialogisierende (bidirektionale) Kommunikation [ist] nur dann sinnvoll, wenn die Kommunikatoren ein bestimmtes gemeinsames Repertoire an Zeichen (Zeichenvorrat) und Zeichenbedeutungen besitzen. Nur dann nämlich ist es dem Empfänger möglich, die durch die Zeichen codierten Informationen in ihrem Sinngehalt zu gewinnen. Wer z.B. das lateinische Alphabet nicht kennt und/oder die deutsche Sprache nicht beherrscht, wird den Inhalt dieses Buches seinem Sinn nach ohne weitere Hilfe nicht begreifen. BOLLMANN, J., KOCH G., et al.: Lexikon der Kartographie und Geomatik. Heidelberg, Berlin, Spektrum Akademischer Verlag, 2002. Somit untersucht die kartographische Zeichentheorie vorrangig auf den Grundlagen triadischer Zeichenmodelle kartographische Zeichen, ihre Beziehungen untereinander (kartographische Syntaktik) und zum bezeichneten Raumobjekt (kartographische Semantik) sowie die Beziehung dieser Zeichen zum Nutzer kartographischer Medien (kartographische Pragmatik) […]. Des Weiteren wird von der kartographischen Zeichentheorie der kartographische Zeichenprozess (Semiose) untersucht, der im Zusammenhang des Auslösens von raumbezogenen Vorstellungen, Erkenntnissen, Reaktionen oder Handlungen mittels kartographischer Zeichen besteht. Dabei werden im Rahmen eines komplexen perzeptiven und kognitiven Prozesses über die unmittelbare Zeichenbedeutung hinaus weitere Zeichenbedeutungen, die erfahrungsabhängig mit der unmittelbaren Zeichenbedeutung verbunden sind, für das raumbezogene Verhalten und Handeln abgeleitet (vgl. Denotation, Konnotation). Der Bedingungsrahmen für zeichentheoretische Untersuchungen in der Kartographie wird heute zunehmend durch die temporäre Präsentation und Nutzung kartographischer Medien am Bildschirm bestimmt (kartographische Bildschirmkommunikation). Generell bildet die kartographische Zeichentheorie die Grundlage für die Untersuchung, Entwicklung und Anwendung des kartographischen Zeichenmodells.

Abb. 5: Triadisches Modell des Kartenzeichens (nach Freitag, 2001). _________________ Seite 14 von 16

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Einführung in die KARTOGRAPHIE Kapitel 2 Kartographie als Wissenschaft

HAKE, G., GRÜNREICH, D., MENG, L.: Kartographie – Visualisierung raum-zeitlicher Informationen (8.Auflage). Berlin – New York, Walter de Gruyter, 2002. S. 10 Die Zeichentheorie unterscheidet dabei zwischen drei folgenden Betrachtungsweisen als sog. Zeichendimensionen: a) Die syntaktische Dimension regelt die formale Bildung der Zeichen und ihre Beziehungen untereinander. So wäre ein Verkehrszeichen syntaktisch einwandfrei, wenn es in seiner Graphik richtig erkennbar ist und sich von Verkehrszeichen anderer graphischer Struktur ausreichend und eindeutig unterscheidet. b) Die semantische Dimension betrifft die Beziehung der Zeichen zu den Objekten, die sie anzeigen sollen, bringt also die sog. Zeichenbedeutung zum Ausdruck. Erst sie stellt sicher, dass die beim Empfänger eintreffende Nachricht möglichst identisch ist mit der von der Informationsquelle ausgehenden. Im Falle des syntaktisch einwandfreien Verkehrszeichens müssten sich beim Verkehrsteilnehmer die richtigen Hinweise zu den Geboten bzw. Verboten über das Verhalten im Straßenverkehr einstellen. c) Die pragmatische Dimension regelt die Beziehung zum wahrnehmenden Subjekt und nimmt damit Einfluss auf dessen Verhaltensweise. Dem syntaktisch einwandfreien und semantisch richtig bewusst gewordenen Verkehrszeichen wäre daher im Rahmen der Verkehrsregeln in richtiger Weise Folge zu leisten.

2.3 Verwendete Literatur und Links BERTIN, J.: Graphische Darstellungen und die graphische Weiterverarbeitung der Information. Berlin – New York, Walter de Gruyter, 1982. S. 176 BOLLMANN, J., KOCH G., et al.: Lexikon der Kartographie und Geomatik. Heidelberg, Berlin, Spektrum Akademischer Verlag, 2002.

FREITAG, U.: Kartographische Konzeptionen – Beiträge zur theoretischen und praktischen Kartographie 1961 – 1991, Berliner Geowissenschaftliche Abhandlungen, 1992. FREITAG, U.: Die Entwicklung der Theorie der Kartographie. In: Theorie 2000 – Vorträge des kartographischen Symposiums am 17./18. November 2000 an der TU Dresden. Kartographische Bausteine, Band 19, Dresden 2001. HAKE, G., GRÜNREICH, D., MENG, L.: Kartographie – Visualisierung raum-zeitlicher Informationen (8.Auflage). Berlin – New York, Walter de Gruyter, 2002. KELNHOFER, F.: Grundzüge der Topographischen und Thematischen Kartographie. Lehrbehelf für das Sommersemester 1997, IKR, TU-Wien, 1997 KRIZ, K.: Kartographische Ansichten im neuen Millennium. In: Buzin/Wintges (Hrsg.): Kartographie 2001 – multidisziplinär und multidimensional. Beiträge zum 50. Deutschen Kartographentag, Wichmann Verlag, Heidelberg, 2001, S. 228-238 MacEachern, A./Kraak, M-J.: Research Challenges in Geovisualization. Draft, Nov. 20, 2000 – forthcoming in Cartography and Geographic Information Science, Vol. 28, No. 1, 2001 _________________ Seite 15 von 16

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WITT, W.: Lexikon der Kartographie. Wien, Franz Deuticke, 1979 (= Die Kartographie und ihre Randgebiete – Enzyklopädie, Band B).

ICA: http://www.icaci.org/ NPS: http://www2.cr.nps.gov/gis/cartography.htm

2.4 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Zirkulärer, kartographischer Prozess aus KRIZ, K.: Kartographische Ansichten im neuen Millennium. In: Buzin/Wintges (Hrsg.): Kartographie 2001 – multidisziplinär und multidimensional. Beiträge zum 50. Deutschen Kartographentag, Wichmann Verlag, Heidelberg, 2001. S. 232 Abb. 2: Wissenschaftliche Grundlagen der Kartographie aus HAKE, G., GRÜNREICH, D., MENG, L.: Kartographie – Visualisierung raumzeitlicher Informationen (8.Auflage), 2002, S. 7 Abb. 3: Kartographische Kommunikation: Prozess der Kommunikation kartographischer Information (Iv = verbalsprachliche Information, Ik = kartographische Information) (nach Kolácný, 1970) aus Bollmann, J., Koch G., et al.: Lexikon der Kartographie und Geomatik. Heidelberg, Berlin, Spektrum Akademischer Verlag, 2002. Abb. 4: Schema der Informationsübertragung aus HAKE, G., GRÜNREICH, D., MENG, L.: Kartographie – Visualisierung raumzeitlicher Informationen (8.Auflage), 2002, S. 9 Abb. 5: Triadisches Modell des Kartenzeichens (nach Freitag, 2001). aus BOLLMANN, J., KOCH G., et al.: Lexikon der Kartographie und Geomatik, 2002, Kartographische Kommunikation.

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