17 SICHERER UMGANG MIT CHEMIKALIEN

Sechster Umweltkontrollbericht – 17. Sicherer Umgang mit Chemikalien 763 17 SICHERER UMGANG MIT CHEMIKALIEN Kurzfassung In diesem Abschnitt wird der...
Author: Alke Ackermann
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Sechster Umweltkontrollbericht – 17. Sicherer Umgang mit Chemikalien

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17 SICHERER UMGANG MIT CHEMIKALIEN Kurzfassung In diesem Abschnitt wird der stoffbezogene Umwelt- und Gesundheitsschutz insoweit behandelt, als er dem sachlichen Geltungsbereich des Chemikaliengesetzes unterliegt. Andere Chemikalien wie Pflanzenschutzmittelwirkstoffe, Arzneimittelbestandteile, Lebensmittelzusatzstoffe, Düngemittel etc. unterliegen anderen Rechtsvorschriften, auf diese wird daher in diesem Teil des Umweltkontrollberichtes nicht eingegangen. Das erste österreichische Chemikaliengesetz vom 25. Juni 1987 ist mit 1. Feber 1989 in Kraft getreten und hat gleichzeitig das Giftgesetz 1951 aufgehoben. Nach zwei kleineren Änderungen (BGBl. Nr. 300/ 1989 und 325/1990) und einem Vorgriff auf die Umsetzung des Rechts der Europäischen Gemeinschaft in Form einer kleinen Novelle aus dem Jahr 1992 (BGBl. Nr. 759) hat der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union ab 1995 eine umfassende Anpassung des österreichischen Chemikalienrechts erfordert. Diese ist mit dem Inkrafttreten des Chemikaliengesetzes 1996, BGBl. Nr. I/53/1997, auf Gesetzesebene erfolgt. Mit der neuen ChemV 1999 wird das geltende EU-Recht einschließlich aller derzeit geltenden technischen Anpassungen umgesetzt und stellt mit der dynamisierten Übernahme von Stoffliste und Prüfmethoden eines der modernsten chemikalienrelevanten Rechtsinstrumente innerhalb der EU dar. Die Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen und Zubereitungen, auf die im Kapitel 17.4 näher eingegangen wird, ist damit in Österreich nunmehr vollständig mit den Gemeinschaftsbestimmungen harmonisiert. Die dadurch verbesserte Rechtssicherheit ist im Interesse der von den Chemikalienregelungen betroffenen Wirtschaft und sollte auch zu wesentlichen Erleichterungen für die behördliche Kontrollarbeit führen: Die Organe der Chemikalieninspektion können nun ein verbessertes Bewusstsein um die entsprechenden Vorschriften bei den Betroffenen voraussetzen und wieder mehr Gewicht auf ihre Überwachungsaufgaben als auf die Information legen. In Kapitel 17.7 findet sich dazu eine Darstellung der österreichischen Chemikalienkontrolle im Berichtszeitraum. Die im Anschluss daran beschriebenen europäischen Projekte, an denen das Umweltbundesamt und die Vollzugsbehörden mitarbeiten, zeigen deutlich, dass die Einhaltung der chemikalienrechtlichen Bestimmungen entsprechend überwacht werden muss. Ergänzt wird dies von einem Bericht über Aktivitäten des Umweltbundesamtes in analytischer Hinsicht. Es wurden Untersuchungen von Haushaltsreinigern, Textilwaschmitteln, Gebrauchsgegenständen und Lacken durchgeführt. Eine Erleichterung bei der Vollziehung des Chemikaliengesetzes brachten die mit 1.4.2000 wirksam gewordenen Kompetenzänderungen: War der Vollzug des als III. Abschnitt im Chemikaliengesetz enthaltenen Giftrechts seit dem ersten In-Kraft-Treten 1989 abwechselnd in der Zuständigkeit des Bundeskanzleramtes bzw. des Gesundheitsministeriums, so ist die Kompetenzaufspaltung zwischen den jeweiligen Ressorts für Umwelt und Gesundheit nunmehr beseitigt. Neben einer Vereinfachung bei der Erlassung einiger Verordnungen werden dadurch auch verschiedene Verwaltungsabläufe beschleunigt sowie die Nutzung der neuen bzw. erweiterten Instrumente (Sicherheitsdatenblattregister und Giftinformationsverordnung) verbessert. Das hatte auch eine Ausweitung des Aufgabenbereichs der Chemikalienanmeldestelle zur Folge: Diese bewertet nun sämtliche gefährlichen Eigenschaften, sowohl im Bereich Einstufung und Kennzeichnung als auch im Zuge des Anmeldeverfahrens. Im Berichtszeitraum haben die Bestrebungen zur Verringerung der Zahl von Tierversuchen ebenso weiter an Aktualität gewonnen wie die Problematik von Stoffen mit hormoneller Wirkung. Über neuere Entwicklungen auf dem Gebiet der Alternativmethoden wird in Kapitel 17.6 berichtet, das Kapitel 17.10 befasst sich mit den gegenwärtigen Forschungsaktivitäten zu endokrinen Wirkstoffen in der Umwelt unter besonderer Berücksichtigung eines aktuellen, von einer Reihe österreichischer Institutionen getragenen Projekts. Einige dieser Stoffe werden auch im Rahmen des europäischen Altstoffprogramms bearbeitet. Der Fortgang dieser auf der EU-Altstoffverordnung basierenden Arbeiten konnte in den letzten beiden Jahren zwar verbessert werden; trotzdem zeigt sich, dass der Ansatz der umfassenden Risikobewertungen dem Ziel einer befriedigenden Altstoffaufarbeitung nicht gerecht werden kann. Die sogenannten „Altstoffe“ bilden die große Mehrzahl der auf dem Markt befindlichen Chemikalien, die auch menUmweltbundesamt/Federal Environment Agency – Austria

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genmäßig von überwiegender Bedeutung sind. Die Bewertung der von manchen dieser Stoffe ausgehenden Gefahren muss im Rahmen der zukünftigen Chemikalienpolitik entsprechende Veränderungen erfahren: Die Arbeiten der Kommission an einer neuen Chemikalienstrategie und der gegenwärtige Stand der Entwicklungen wird in Kapitel 17.12 behandelt. Die Anmeldung Neuer Stoffe war im Berichtszeitraum davon geprägt, dass sich die in den letzten Jahren neu eingeführten Instrumente (Alleinvertreterregelung, Risikobewertung) durchaus bewährt haben, auch die Zusammenarbeit der nationalen Anmeldestellen sowie der Kommission konnte – bei stetiger Zunahme der Zahl der Anmeldungen – verbessert werden. Aufgrund der großen Vielfalt chemischer Produkte und deren unterschiedlichster Anwendungen erscheint es sinnvoll, konkrete Gruppen von Chemikalien im Anmeldeverfahren in Zukunft differenzierter zu behandeln: Auf die derzeit v. a. auf Bestreben der betroffenen Industrie geführten Diskussionen wird im Kapitel 17.1.4 näher eingegangen.

17.1 Anmeldung Neuer Stoffe Das Chemikaliengesetz unterscheidet zwischen Altstoffen und Neustoffen. Altstoffe sind jene Stoffe, die vor 1981 in der EU in Verkehr waren; sie sind im EINECS (European Inventory of Existing Commercial Chemical Substances) enthalten und dürfen von jedermann hergestellt oder aus Drittstaaten importiert werden. Stoffe, die nicht im EINECS aufgelistet sind, bezeichnet man als Neustoffe. Diese müssen vor dem Inverkehrsetzen bei der zuständigen Behörde angemeldet werden. Ziel der Anmeldepflicht für Neue Stoffe ist der vorsorgliche Schutz von Mensch und Umwelt vor unmittelbar oder mittelbar schädlichen Einwirkungen von gefährlichen Stoffen. Für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten zur Schaffung von gleichen Wettbewerbsbedingungen einheitliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anmeldung von Neustoffen und für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung der gefährlichen Stoffe. Eine Bewertung der Gefahren für Mensch und Umwelt, die von den angemeldeten Stoffen ausgehen könnten, erfolgt ebenfalls durch einheitliche festgelegte Kriterien. Mit dem Beitritt zur EU ist in Österreich seit dem 1.1.1995 für die Anmeldung von Chemikalien die 7. Änderung der Richtlinie 67/548/EWG (Stoffrichtlinie) zu beachten. Die insgesamt neun Anhänge werden laufend an den technischen Fortschritt angepasst; derzeitige Fassung ist jene der 27. Anpassungsrichtlinie. Eine Anpassung des österreichischen Chemikalienrechtes an die Rechtslage in der Europäischen Union erfolgte durch das Chemikaliengesetz 1996 und die Chemikalienverordnung 1999 (vgl. Kap. 17.2). Um Mehrfach-Anmeldungen des gleichen Stoffes in unterschiedlichen Staaten und in der Folge Mehrfach-Prüfungen an Wirbeltieren zu vermeiden, gilt die Anmeldung eines Neuen Stoffes in einem Mitgliedstaat jeweils für den gesamten EWR. Ein in Österreich angemeldeter Stoff ist somit in der gesamten EU und in Norwegen verkehrsfähig. Voraussetzung dafür ist ein gut funktionierender Austausch von Daten und Informationen zwischen den Mitgliedstaaten. Die übermittelten Datensätze werden von den einzelnen nationalen Behörden kommentiert und ggf. beeinsprucht. Auch der gesamte sich daraus ergebende Schriftverkehr wird unter den zuständigen Behörden zirkuliert. Diese Aufgabe wird vom European Chemicals Bureau (ECB) in Ispra/Italien, d. i. eine Abteilung im “Joint Research Center“, einer Dienststelle der GD XII, wahrgenommen. Vom ECB werden regelmäßig Sitzungen organisiert, wo Unstimmigkeiten in der Einstufung und Kennzeichnung angemeldeter Neustoffe diskutiert werden. Ebenfalls erfolgt eine enge Zusammenarbeit der nationalen Anmeldebehörden auf europäischer Ebene.

17.1.1

Anmeldung eines Neuen chemischen Stoffes bei der zuständigen Behörde

Für jeden Neuen Stoff, der in einer Jahresmenge von einer Tonne oder mehr in Verkehr gesetzt werden soll, ist bei der Anmeldebehörde 60 Tage vor dem erstmaligen Inverkehrsetzen ein sogenannter Grunddatensatz vorzulegen. Die für die Anmeldung vorgeschriebenen Unterlagen und Prüfnachweise dienen der Behörde dazu, Gefahren, die von neuen Chemikalien ausgehen können, rechtzeitig zu erkennen, zu verhindern bzw. zu begrenzen. UKB 6 (2001)

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Abbildung 1 zeigt die Zahl der Anmeldungen von Neustoffen in der EU von 1997 bis 2000. Bei der österreichischen Anmeldebehörde erfolgten im Jahr 2000 sechs Anmeldungen mit Grundprüfung (d. s. Stoffe in einer Menge von über einer Tonne pro Jahr), 1999 waren es acht, 1998 sieben und 1997 vier derartige Anmeldungen.

500

Zahl der Anmeldungen

453 384

400

300

357 296

200

100

0 1997

1998

1999

2000

Abb. 1: Anmeldungen in der EU für den Berichtszeitraum 1997-2000.

Ab Erreichen der Jahresmengenschwelle von 10 t kann die Anmeldestelle zusätzliche Prüfnachweise zur Toxizität des Stoffes fordern, ab Erreichen der Jahresmengenschwellen von 100 und 1.000 t hat sie diese zu verlangen. Bei begründeten Verdachtsmomenten auf eine mögliche Gefährdung der menschlichen Gesundheit oder Umwelt können jederzeit zusätzliche Prüfnachweise verlangt werden. Die Anmeldeunterlagen müssen folgende Informationen enthalten, die von der Anmeldestelle begutachtet und bewertet werden: • Identität des Anmelders; • Identität, Reinheit und Beschaffenheit des Stoffes; • physikalisch-chemische Eigenschaften des Stoffes; • Verwendung sowie die voraussichtlichen Mengen; • Herstellungsverfahren; • Verfahren zur schadlosen Beseitigung, Wiederverwendung oder Verwertung; • Angaben über die in den Prüfnachweisen der Grundprüfung belegten gefährlichen Eigenschaften; • vorgesehene Kennzeichnung und Verpackung; • bestimmungsgemäße Verwendung; Angaben über Sicherheitsvorkehrungen und Sofortmaßnahmen bei Unfällen; • Empfehlung von Löschmitteln etc. Die Bearbeitung der Anmeldeunterlagen erfolgt durch das Umweltbundesamt und umfasst folgende Punkte: • Erfassung der Identität des Stoffes und des Anmelders (§§ 5 und 15 ChemG 1996); • Entscheidung über die Anmeldepflicht; • Vergabe von Geschäftszahl, Formularnummer, Stoffnummer, Eingangsbestätigung; • Nachforderungen und Nachreichungen; • Erfassung und Überwachung der Mengenmitteilungen gem. § 13 ChemG 1996; • Schriftverkehr mit dem Anmelder; • Ausstellung einer Anmeldebestätigung (gem. § 11 Abs. 2 ChemG 1996); • Begutachtung der Prüfberichte sowie Bewertung der Stoffeigenschaften. Umweltbundesamt/Federal Environment Agency – Austria

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Für einen Grunddatensatz sind Prüfberichte über die physikalisch-chemischen Eigenschaften, die Humantoxizität und die Ökotoxizität vorzulegen. • Die Ergebnisse dieser Prüfungen liefern die Grundlage für eine Einstufung und Kennzeichnung des Stoffes gemäß den in der Stoffrichtlinie bzw. ChemV definierten Kriterien. Es wird die vom Anmelder vorgeschlagene Einstufung und Kennzeichnung überprüft und ggf. korrigiert. Der angemeldete Stoff muss mit standardisierten Gefahrenbezeichnungen und –symbolen sowie Sicherheitsratschlägen (R- und S-Sätze, vgl. Kap. 17.4.2), gekennzeichnet werden. • Aufgabe des Umweltbundesamtes ist weiters die Stoffdaten-Erfassung, die statistische Verarbeitung und Aufbereitung der Daten, sowie die Führung des Chemikalienregisters (vgl. Kap. 17.11.3). • Ist der Stoff erstmals in Österreich angemeldet worden, vertritt die österreichische Anmeldestelle diesen Stoff bei Sitzungen der EU-Gremien. Bei allen in der EU angemeldeten Stoffen kann die österreichische Anmeldebehörde Kommentare und Stellungnahmen abgeben und erforderlichenfalls die Einstufung und Kennzeichnung und auch die Prüfungsdurchführung beeinspruchen. Schwerwiegende Auffassungsunterschiede der einzelnen nationalen Anmeldebehörden (CA – Competent Authority) werden bei regelmäßigen Sitzungen behandelt. • Seit 1993 müssen für die einzelnen Anmeldungen Risikobewertungen durchgeführt werden. Auf Grund der vorgelegten Unterlagen und Prüfnachweise beurteilt die Anmeldestelle die Exposition von Mensch und Umwelt gegenüber dem Stoff bei dessen Herstellung, Anwendung und Beseitigung und ermittelt die von dem Stoff zu erwartenden Risiken. Darauf aufbauend werden Maßnahmen zur Reduktion und Beseitigung dieser Risiken vorgeschlagen. Sind diese Informationen – insbesondere im Hinblick auf die oben zitierten Jahresmengenschwellen-Überschreitungen – unzureichend, so fordert die Anmeldestelle zusätzliche Unterlagen und Prüfnachweise zur Risikoabschätzung an.

17.1.2

Eingeschränkte Anmeldung

Eine weniger umfangreiche Anmeldung ist beim Inverkehrsetzen eines Neuen Stoffes in Mengen von weniger als einer Tonne pro Jahr und beim ausschließlichen Export außerhalb des EWR erforderlich (bis zu 10 Anmeldungen/Jahr). Art und Umfang der Anmeldeunterlagen sind abgestuft nach Mengenschwellen (10, 100, 1.000 kg des Stoffes/Jahr/Hersteller) und müssen 30 Tage vor dem erstmaligen Inverkehrsetzen bei der Anmeldebehörde vorgelegt werden. Bei Stoffmengen unter einem Kilogramm besteht eine Mitteilungspflicht gegenüber der Anmeldebehörde (ca. 30-70 derartige Mitteilungen pro Kalenderjahr).

17.1.3

Ausnahmen von der Anmeldepflicht

Ausgenommen von der Anmeldepflicht gemäß § 5 ChemG 1996 sind Polymere, die nicht mehr als zwei Masseprozent eines Neuen Stoffes enthalten und Stoffe, die vor 1994 nachgemeldet bzw. gemeldet wurden. Ausnahmen von der Anmeldepflicht gibt es weiters für Neue Stoffe, die ausschließlich zum Zweck der wissenschaftlichen Forschung und Entwicklung (F&E) und in einer Menge kleiner als 100 kg/ Hersteller/Jahr in Verkehr gesetzt werden oder für Neustoffe, die ausschließlich für gesetzlich erforderliche Prüfungen in einer Prüfstelle bestimmt sind. Genehmigungspflichtig ist jedoch die Ausnahme für verfahrensorientierte Forschung und Entwicklung, wobei vom Antragsteller ein Forschungs- und Entwicklungsprogramm vorzulegen ist, das den Zweck der Inverkehrsetzung belegt. Der Stoff darf in der bekannten Menge nur an eine beschränkte Zahl registrierter Kunden, die sich zur Verwendung des Stoffes unter kontrollierten Bedingungen verpflichten, abgegeben werden. Nach Beurteilung der eingereichten Unterlagen kann die Anmeldebehörde das Inverkehrsetzen des Stoffes zur verfahrensmäßigen F&E für höchstens ein Jahr bewilligen. Diese Bewilligung kann um höchstens ein Jahr verlängert werden. Im Berichtszeitraum wurde pro Kalenderjahr zwischen fünf und zehn mal eine Ausnahmebewilligung zum Zwecke der verfahrensorientierten Forschung und Entwicklung beantragt.

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17.1.4

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Weiterentwicklung des Anmeldesystems

In den letzten Jahren sind die Anmeldebestimmungen in der Europäischen Gemeinschaft in zunehmendem Maße in Diskussion geraten. Dies und die Komplexität der Stoffrichtlinie (bisher neun Änderungen und 27 Anpassungen) waren Gründe, um die Richtlinie 67/548/EWG im Jahr 1999 dem SLIM-Verfahren zu unterziehen (SLIM – Simplification of Legislation for the Internal Market). Die dabei ausgesprochenen Empfehlungen wurden zwar bisher von der Europäischen Union noch nicht in Richtlinien umgesetzt, werden jedoch auch die neue europäische Chemikalienpolitik (vgl. Kapitel 17.12) beeinflussen. Bei den Anmeldebestimmungen werden insbesondere drei Themenbereiche diskutiert: Zwischenprodukte Während des vergangenen Jahrzehnts hat sich die Herstellung von Chemikalien in Richtung einer Spezialisierung verändert: Einzelne Schritte einer mehrstufigen Synthese werden nicht mehr an einem Produktionsort, sondern vermehrt in unterschiedlichen Unternehmen durchgeführt. Innerhalb der Betriebsstätte werden die dabei entstehenden Zwischenprodukte von einer beschränkten Anwenderzahl unter kontrollierten Bedingungen gehandhabt und im nächsten Syntheseschritt nach Möglichkeit vollständig umgesetzt. Erfolgt diese Herstellung und der darauf folgende Verbrauch eines solchen Zwischenproduktes (Intermediat) an derselben Betriebsstätte, so ist keine Anmeldung vorgeschrieben. Für den Transport zwischen zwei Verarbeitungsorten muss jedoch jedes Zwischenprodukt entsprechend den geltenden Bestimmungen bei der zuständigen Behörde angemeldet werden. Dies ist mit Kosten und erheblichem Arbeitsaufwand auf Seiten der Unternehmen und Anmeldebehörden ebenso verbunden wie mit zusätzlichen Tierversuchen. Die Anmeldevorschriften sind zum Schutz der Verbraucher jedoch für solche Stoffe ausgelegt, die auf den Markt kommen und die unter unterschiedlichen Bedingungen gehandhabt werden. Daher wird diskutiert, in Zukunft für Zwischenprodukte die Anmeldeerfordernisse zu erleichtern: Im Wesentlichen geht es darum, dass für Zwischenprodukte – angepasst an die geringere Exposition – bestimmte Prüfungen (v. a. Langzeittests) entfallen können gegenüber den Anforderungen für allgemein vermarktete Chemikalien. Polymere In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die Anmeldebestimmungen für neue Polymere nicht wie von der Richtlinie vorgesehen handhabbar sind. Insbesondere bei Polymeren, deren Spezifikationen nach Vorgaben des Kunden mehrfach geändert werden, wären für die Entwicklung eines einzelnen Produkts mehrere Anmeldungen erforderlich. Dies hat dazu geführt, dass innerhalb der EU die Entwicklung von Polymeren fast ausschließlich mit Altstoffen erfolgt. Polymere mit Neuen Stoffen als Monomere werden zunehmend außerhalb der EU entwickelt, wobei das Endprodukt als Fertigware bei der Einfuhr in den Europäischen Wirtschaftsraum dann keinen Anmeldebestimmungen unterworfen ist. Forschung & Entwicklung Sowohl für die verfahrensorientierte als auch für die wissenschaftliche Forschung und Entwicklung (F&E) wird von Seiten der Wirtschaft massiv eine Ausweitung des Anwendungsbereiches gefordert: Die geltenden Anmeldebestimmungen werden dabei oft für eine Behinderung in der Entwicklung der europäischen Chemieindustrie verantwortlich gemacht. Übersehen wird dabei jedoch, dass es gerade der Sinn der Anmeldebestimmungen ist, Chemikalien nicht mehr ohne ein entsprechendes Basiswissen über diese Stoffe zu vermarkten. Es muss die Information über eine allfällige Gefährdung vorhanden sein, bevor eine Chemikalie in die Hände des Letztverbrauchers gelangt. Die für die Forschung und Entwicklung neuer Stoffe derzeit geltenden Ausnahmen von der Anmeldung sind bereits sehr weitreichend, da solche ungeprüften Substanzen nur von einem sehr eingeschränkten Personenkreis unter kontrollierten Bedingungen angewendet werden. Nur in Einzelfragen (z. B. die Maximaldauer der Ausnahmegenehmigung in bestimmten Fällen) können hier zusätzliche Lockerungen gerechtfertigt sein. Insgesamt sind im Sinne des Schutzes von Mensch und Umwelt vor gefährlichen Chemikalien umfassende Erleichterungen bei den F&E-Ausnahmeregelungen jedoch eindeutig abzulehnen. Umweltbundesamt/Federal Environment Agency – Austria

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17.2 Chemikalienverordnung 1999 Die Chemikalienverordnung 1999 (ChemV 1999, BGBl. II Nr. 81/2000) ist die wichtigste Durchführungsverordnung zum Chemikaliengesetz 1996 (ChemG 1996). Mit der neuen ChemV 1999 werden die geltenden EU-Vorschriften betreffend die Einstufung, Verpakkung und Kennzeichnung sowie das Sicherheitsdatenblatt für gefährliche Stoffe und Zubereitungen in Österreich auf den neuesten Stand umgesetzt. Zu folgenden Regelungsbereichen des ChemG 1996 sind in der ChemV 1999 detaillierte Ausführungsvorschriften enthalten: • Kriterien zur Festlegung der 15 gefährlichen Eigenschaften; • Kriterien zur Einstufung gefährlicher Stoffe und Zubereitungen; • Anforderungen an die Verpackung gefährlicher Stoffe und Zubereitungen; • besondere Kennzeichnungserfordernisse für bestimmte Stoffe und Zubereitungen; • Details zur Erstellung, zur Abgabe, zur Form und zum Inhalt des Sicherheitsdatenblattes für gefährliche Stoffe und Zubereitungen; • Verpflichtung, Sicherheitsdatenblätter von gefährlichen Zubereitungen dem Bundesminister für Landund Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft im Wege des Umweltbundesamtes routinemäßig und unaufgefordert zu übermitteln; • besondere Hinweise zur Kennzeichnung bestimmter Batterien und Akkumulatoren; • Art der Auskunftserteilung der Zentralen Register- und Informationsstelle über gefährliche Stoffe und Zubereitungen; • Erfordernis, besondere Hinweise zur Entsorgung auf den Verpackungen bestimmter gefährlicher Stoffe und Zubereitungen anzubringen (Piktogramm: „durchgestrichener Mistkübel“). Für die genannten Bereiche sind jeweils die im verfügenden Teil der ChemV 1999 (§§ 1 bis 30) festgelegten Bestimmungen sowie die dazugehörigen technischen Einzelheiten der Anhänge A bis H zu beachten.

17.2.1

Gefahreneinstufung

Betreffend die gefährlichen Eigenschaften erfolgt nun auch in der ChemV 1999 die im ChemG 1996 selbst bereits durchgeführte Umstellung auf die aktuelle Terminologie, das heißt anstelle von „mindergiftig“ soll der Ausdruck „gesundheitsschädlich“ verwendet werden. „Sensibilisierend“ stellt eine eigene Gefahrenkategorie dar und „fruchtschädigend“ wird durch das Wort „fortpflanzungsgefährdend“ ersetzt, womit auch ein breiterer Anwendungsbereich einher geht. Die ChemV 1999 enthält auch eine Reihe von neuen Festlegungsmodalitäten zu den gefährlichen Eigenschaften: Die Kriterien, wann Stoffe und Zubereitungen als „umweltgefährlich“ gelten, sind ebenso enthalten wie die Kriterien für die „Aspirationstoxizität“ (gehört als spezifische Gesundheitsgefahr zur Gefahrenkategorie „gesundheitsschädlich“ und ist mit dem Symbol Xn sowie dem R-Satz 65 auszuweisen), die bisher in der Chem-VerbotsV-KreosotCKW-CMR-Lampenöle, BGBl. II Nr. 461/1998, zu finden waren. Die Einstufungsgrundlagen und -methoden werden mit der ChemV 1999 sowohl in sprachlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht sowie in der Regelsystematik (im Vergleich zur alten ChemV) an die aktuellen EU-Bestimmungen angepasst. Insbesondere stellt der in Anhang B der ChemV 1999 enthaltene „Leitfaden für die Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen und Zubereitungen“ eine Übernahme des Anhanges VI der Stoffrichtlinie (RL 67/548/EWG) sowie der Anhänge II und III der neuen Zubereitungsrichtlinie (RL 1999/45/EG) dar. Neu ist auch die in Anhang B der ChemV 1999 enthaltene Regelung zur Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen und Zubereitungen hinsichtlich der gefährlichen Eigenschaft „umweltgefährlich“ (für Zubereitungen in der Regel nach der Berechnungsmethode). Da die Zubereitungsrichtlinie von den Mitgliedstaaten erst am 30. Juli 2002 umzusetzen ist, treten die diesbezüglichen Vorschriften der ChemV 1999 ebenfalls erst mit 30. Juli 2002 in Kraft. UKB 6 (2001)

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17.2.2

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Stoffliste und Prüfmethoden

Im Gegensatz zur ChemV 1989 enthält die ChemV 1999 keine eigene Stoffliste. Mit einem direkten, dynamischen Verweis wird unmittelbar die EU-Hauptstoffliste in Österreich für verbindlich erklärt. Mit ihrer Fassung nach der 25. Technischen Anpassung (RL 98/98/EG) gibt es auch keine Stoffe mehr, die in Österreich anders als in der EU-Stoffliste eingestuft wären. Aufgrund der Einführung des dynamischen Verweises ist die Veröffentlichung der EU-Stoffliste in Österreich in einer eigenen Verordnung nicht mehr nötig. Auch bezüglich der anzuwendenden Prüfmethoden zur Bestimmung der gefährlichen Eigenschaften von Stoffen und Zubereitungen verweist die ChemV 1999 dynamisch auf das EU-Amtsblatt, in dem diese Methoden beschrieben sind, das heißt, es wird jeweils auf die gerade aktuelle Fassung des einschlägigen Gemeinschaftsrechtes verwiesen. Zur Wahrung der Rechtssicherheit, welche Fassung der einschlägigen Richtlinie gerade gilt, ist in den §§ 3 Abs. 5 und 4 Abs. 2 ChemV 1999 vorgesehen, dass der Umweltminister bei Änderungen der einschlägigen Bestimmungen (Anhänge I und V der RL 67/548/ EWG) das In-Kraft-Treten der Änderungen und den österreichischen Umsetzungstermin jeweils im Bundesgesetzblatt in Form einer „Bekanntmachung“ veröffentlicht.

17.2.3

Sicherheitsdatenblatt

Zum Themenbereich „Sicherheitsdatenblatt“ enthält die ChemV 1999 einige wesentliche Neuerungen. Im Anhang F der ChemV 1999 ist – erstmals in Österreich – der „Leitfaden für die Erstellung eines Sicherheitdatenblattes“ enthalten. Damit ist auch in Österreich das „EU-Sicherheitsdatenblatt“ (gemäß § 25 ChemG 1996 sowie § 25 und Anhang F ChemV 1999) als einziges rechtskonformes Sicherheitsdatenblatt anzusehen. Die Angaben zu jedem Punkt des Sicherheitsdatenblattes sollen es dem berufsmäßigen Abnehmer, der mit dem Stoff oder der Zubereitung umgeht, ermöglichen, die notwendigen Maßnahmen für den Gesundheitsschutz, die Sicherheit am Arbeitsplatz und den Umweltschutz zu ergreifen. Das Umweltbundesamt hat im Auftrag des Fachverbandes der chemischen Industrie Österreichs eine Broschüre gleichen Namens erstellt. Dieser Leitfaden enthält ausführliche Erläuterungen, Hinweise und Beispiele für Standardtexte, sowie einen Auszug österreichischer und EU-Vorschriften und Informationsquellen für diejenigen, die ein Sicherheitdatenblatt erstellen. In Sicherheitsdatenblättern für Zubereitungen sind auch bestimmte, im Anhang B der ChemV 1999 aufgelistete krebserzeugende Stoffe mit ihrer chemischen Bezeichnung anzuführen. Die Regelung aus der ChemV (1989), dass ein Sicherheitsdatenblatt auf Verlangen auch an nicht-gewerbliche Abnehmer abzugeben ist, wurde beibehalten. Die Verpflichtung, Sicherheitsdatenblätter auch für bestimmte nicht-gefährliche Zubereitungen auf Verlangen abzugeben, trat mit 30. Juli 2000 in Kraft. Neu ist die Verpflichtung, beginnend mit 1. Jänner 2001, die Sicherheitsdatenblätter von als „gefährlich“ eingestuften Zubereitungen routinemäßig und unaufgefordert dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft im Wege des Umweltbundesamtes zu übermitteln (vgl. auch Kapitel 17.11.4).

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17.3 Spezielle Bestimmungen für Gifte 17.3.1

Übersicht

Mit der Novelle des Bundesministeriengesetzes wurden die „Angelegenheiten des Giftverkehrs“ mit Wirkung 1. April 2000 vom Bundeskanzleramt dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft übertragen. Aus diesem Grund wird im vorliegenden Umweltkontrollbericht erstmals ausführlich über die Bestimmungen und die Situation des Giftverkehrs in Österreich berichtet. Die besondere Gefährlichkeit, die von Giften ausgeht, bringt spezielle rechtliche Bestimmungen mit sich, welche im Abschnitt III des Chemikaliengesetzes 1996 (ChemG 1996), sowie in mehreren Ausführungsverordnungen dazu festgehalten sind. So werden Bestimmungen zum Verbot der Abgabe von Giften außerhalb von Betriebsstätten, insbesondere im Versandhandel oder durch sonstige Direktvertriebsmethoden, durch Automaten sowie im Wege der Selbstbedienung in der Selbstbedienungsverordnung festgelegt. Dem Giftrecht unterliegen grundsätzlich alle im Inland in Verkehr befindlichen Stoffe und Zubereitungen, die sehr giftig, giftig oder gesundheitsschädlich sind. Dabei wird unterschieden zwischen „Giften gemäß § 35 Z 1“ (sehr giftige und giftige Stoffe und Zubereitungen) und „Giften gemäß § 35 Z 2“ (gesundheitsschädliche Stoffe und Zubereitungen). Sehr umfassend geregelt wird der Umgang und Verkehr mit Giften in der Giftverordnung 2000, welche am 11. Jänner 2001 kundgemacht wurde und die bisher geltende Giftverordnung 1989 mit einer Novelle 1993 außer Kraft setzt. Mit dieser neuen Verordnung wird den Änderungen im Giftrecht durch das mittlerweile in Kraft getretene ChemG 1996 sowie durch den EU-Beitritt Rechnung getragen, die wesentlichen Neuerungen werden im folgenden Kapitel 17.3.2 behandelt.

17.3.2

Die neue Giftverordnung 2000

Die Bestimmungen der bisher geltenden Giftverordnung haben die Intention, sowohl mit Giften umgehende als auch unbeteiligte Personen vor den Gefahren zu schützen und jeglichen Missbrauch zu vermeiden. Sie sehen daher nicht nur die lückenlose Verfolgung von Giften vom Hersteller über Abgeber bis zum Verwender vor, sondern auch eine komplette Abtrennung beim Umgang, sowohl bei der Lagerung als auch bei sämtlicher Gerätschaft. Als Ziel der neuen Giftverordnung 2000 wird angestrebt, die mittlerweile üblichen Formen des Warenverkehrs und der Giftgebarung zu berücksichtigen und dabei das bestehende Schutzniveau aufrecht zu erhalten. Durch eine klare Definition der Ausbildungen, welche Sachkundigkeit vermitteln und durch Festlegung des Inhaltes für Sachkundekurse soll vorbeugend für einen sichereren Umgang mit Giften gesorgt werden und das Prinzip der Eigenverantwortung stärker angesprochen werden. Die neue Giftverordnung enthält im Wesentlichen folgende Neuerungen: Wegfall von nicht dem EU-Recht entsprechenden Kennzeichnungsvorschriften Die Anbringung eines Giftbandes und zusätzlicher Hinweise auf Maßnahmen der Ersten Hilfe werden nicht mehr vorgeschrieben. Seit im Rahmen der Beitrittsverhandlungen zur EU Änderungen und Anpassungen der Sicherheitsratschläge im Vergiftungsfall erreicht wurden, sind die chemikalienrechtlichen Kennzeichnungsbestimmungen für sehr giftige und giftige Stoffe als Warnhinweise für Gifte ausreichend. Sachkunde und Erste Hilfe Es war schon bisher eine Voraussetzung für die Bezugsbewilligung, dass der Erwerber sachkundig ist. Da jedoch eine Definition der Sachkunde fehlte, führte dies mitunter zu einer unterschiedlichen Praxis in den Bundesländern. Dem soll nun durch das Aufzählen der Ausbildungen, die einerseits die im Hinblick auf den sicheren und sachgerechten Umgang mit Giften erforderlichen Kenntnisse und andererUKB 6 (2001)

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seits die notwendigen Kenntnisse von Maßnahmen der Ersten Hilfe vermitteln, Abhilfe geschaffen werden. Entsprechende Kurse sollen Personen ohne ausreichende Ausbildung die Aneignung der notwendigen Kenntnisse ermöglichen. Vereinfachungen • Die Mindestinhalte der zu führenden Aufzeichnungen werden nunmehr definiert, in welcher Form sie zu führen sind, wird freigestellt. Die Verpflichtung der Abgeber ein gesondertes Giftvormerkbuch zu führen, entfällt. • Die Ausstellung einer Giftempfangsbestätigung, welche im Rahmen der inzwischen üblichen Abwicklungen des Gifthandels als nicht mehr zweckmäßig erscheint, ist nicht mehr erforderlich. • Anträge auf Erteilung einer Giftbezugsbewilligung können künftig mittels einheitlicher Formulare gestellt werden, um eine eindeutige Identifizierung des Giftes sicherzustellen. Reform der Lagerungs- und Giftgebarungsbestimmungen Die Anforderung der Lagerung von Giften in ausschließlich hierfür bestimmten Räumen wird den praktischen Erfahrungen angepasst, die Zusammenlagerung von Giften mit anderen Stoffen und Zubereitungen war bisher verboten und wird nunmehr den Anforderungen der Praxis entsprechend ermöglicht. Die besonderen Bestimmungen zur sicheren Handhabung von Geräten, welche mit Giften in Berührung kommen, entfallen, da Personen, welche mit Giften arbeiten, aufgrund ihrer Sachkunde über die entsprechenden Kenntnisse verfügen sollten und außerdem die generellen Standards der Qualitätssicherung zur Anwendung gelangen.

17.3.3

Sammlung von Informationen über Gifte

Eine verstärkte Kontrolle über Produkte, die besonders gefährlich für die menschliche Gesundheit sind, die in der Regel akut wirken und die an die allgemeine Öffentlichkeit gelangen, war das Ziel des Erlasses einer neuen Giftinformations-Verordnung (BGBl. II Nr. 137/1999). Im Unterschied zur alten Giftinformations-Verordnung aus dem Jahre 1994 wurde der Geltungsbereich von „sehr giftigen“ und „giftigen“ auch auf „ätzende“ Zubereitungen ausgedehnt. Als Meldestelle fungiert nunmehr das Umweltbundesamt, auf erste Erfahrungen wird nachstehend näher eingegangen.

17.3.3.1

Führung der Meldestelle gemäß Giftinformations-Verordnung 1999

Seit Mai 1999 ist die neue Giftinformations-Verordnung in Kraft, deren Bestimmungen zweierlei Meldeverpflichtungen vorsehen: Einerseits die Meldepflicht (gemäß § 2) für das Inverkehrsetzen von sehr giftigen, giftigen oder ätzenden Zubereitungen, die für jedermann im Einzelhandel erhältlich sind und andererseits die Verpflichtung (gemäß § 7) zur Meldung von Erkrankungen, die von Stoffen oder Zubereitungen verursacht sein können. Ziel der Verordnung ist eine bessere Kenntnis der Behörden über sehr giftige, giftige und ätzende Produkte sowie über Unfälle damit, um die Sicherheit im Umgang mit solchen Produkten zu erhöhen. Für Meldungen gemäß § 2 (Meldepflicht für Zubereitungen) erfüllt das Umweltbundesamt die Funktion als Meldestelle. Jede Meldung wird von der Meldestelle schriftlich bestätigt, bei einer erstmaligen Meldung unter Bekanntgabe der Meldungsnummer. Die Datensätze der eingelangten Meldungen werden wöchentlich an die Vergiftungsinformationszentrale (VIZ), eine Einrichtung des Österreichischen Bundesinstituts für Gesundheitswesen, übermittelt. Die Kenntnis der Produkte soll die VIZ dabei unterstützen, im Unglücksfall rasch die geeigneten Ratschläge erteilen zu können. Den Meldeunterlagen kann die vollständige Angabe der betreffenden Inhaltsstoffe mit ihren Masseanteilen in der Zubereitung entnommen werden, was in dieser Form aus der Verpackungskennzeichnung und auch aus der Handelsbezeichnung in der Regel nicht möglich ist.

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Sechster Umweltkontrollbericht – 17. Sicherer Umgang mit Chemikalien

Seit 1. Mai 1999 sind im Berichtszeitraum 20 Zubereitungsmeldungen gemäß § 2 Giftinformations-Verordnung in der Meldestelle eingelangt (vgl. Tab. 1). Von den gemeldeten Zubereitungen waren alle als „ätzend“ eingestuft, weder sehr giftige noch giftige Zubereitungen wurden bislang gemeldet. Die bisherigen Meldungen wurden von sieben verschiedenen Firmen durchgeführt. Tab. 1: Übersicht der eingelangten Meldungen. Gesamtanzahl der eingelangten Meldungen

20

Einstufung der Zubereitung als „sehr giftig“

0

Einstufung der Zubereitung als „giftig“

0

Einstufung der Zubereitung als „ätzend“

20

Meldungen mit Sicherheitsdatenblatt

16

Meldungen ohne Sicherheitsdatenblatt

4

Alle Sicherheitsdatenblätter, die in der Meldestelle einlangten, wurden hinsichtlich der Chemikalienverordnung 1999 (ChemV 1999, BGBl. II Nr. 81/2000) kontrolliert, da in der ChemV 1999 in § 25 und in Anhang F auch neue Vorschriften für Sicherheitsdatenblätter angeführt werden. Bei all jenen Meldungen, bei denen das Sicherheitsdatenblatt zum Zeitpunkt der Meldung zwar den noch geltenden Vorschriften entsprach, nicht aber den künftigen Regelungen der ChemV 1999, wurden die betroffenen Firmen über den geänderten Sachverhalt informiert. Diese Information erfolgte in Hinblick auf die Bestimmung gemäß § 25 Abs. 8 ChemV 1999, demzufolge für Zubereitungen, die auf Grund der Giftinformations-Verordnung gemeldet wurden, dem Umweltbundesamt kein Sicherheitsdatenblatt übermittelt werden muss (vgl. Kap. 17.2.3). Die geringe Anzahl der bisher erfolgten Meldungen muss klar als unzufriedenstellend gewertet werden. Vor allem durch die mit der neuen Giftinformations-Verordnung 1999 erfolgte Ausdehnung der Meldepflicht von sehr giftigen und giftigen auch auf ätzende Zubereitungen wurde ein deutlich größerer Anstieg an Meldungen erwartet. Es erscheint daher sinnvoll, geeignete Maßnahmen wie z. B. gezielte Schwerpunktaktionen im Bereich der Chemikalieninspektion zu überlegen, um jene Produkte zu identifizieren, für welche die Meldepflicht bislang verabsäumt wurde.

17.3.4

Die österreichische Giftliste

Sehr giftige und giftige Stoffe werden vom BMLFUW in einer Giftliste geführt (Giftliste-Verordnung, BGBl. II Nr. 317/1998). Von der Taxativität der Giftliste ausgenommen sind mit dem Inkrafttreten des ChemG 1996 alle gesundheitsschädlichen Stoffe. Sie werden weiterhin in einem gesonderten Abschnitt in Form einer demonstrativen Liste erfasst, können jedoch ohne Rücksicht auf die Giftliste in Verkehr gesetzt werden. Wer einen sehr giftigen oder giftigen Stoff, der nicht in der Giftliste enthalten ist, als solchen oder als Bestandteil einer Zubereitung erstmals im Bundesgebiet in Verkehr setzt, hat diesen Stoff bis längstens zwei Wochen nach dem erstmaligen Inverkehrsetzen dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur Aufnahme in die Giftliste schriftlich zu melden. Neustoffe, welche noch nicht in der Giftliste enthalten sind, müssen gemäß § 5 ChemG 1996 angemeldet werden, die Aufnahme in die Giftliste erfolgt dann im Zuge des Anmeldeverfahrens. Liegt bereits eine Anmeldung in einem anderen EWR-Staat vor, so muss dieser Stoff unter Bezugnahme auf diese Anmeldung zur Aufnahme in die Giftliste gemeldet werden.

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17.4 Schutz vor gefährlichen Chemikalien Das Umweltbundesamt bewertet sowohl im Anmeldeverfahren für Neue Stoffe als auch im Zuge der Mitarbeit an der Europäischen Stoffliste (Anhang I zu RL 67/548/EWG) die sachgerechte Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien. Die von Österreich vorgeschlagenen Einstufungen und Kennzeichnungen werden in den zuständigen Kommissionsarbeitsgruppen vertreten, in denen auch die fachlichen Grundlagen und Kriterien für die Einstufung und Kennzeichnung erarbeitet werden. Die Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien aufgrund ihrer gefährlichen Eigenschaften ist auf EU-Ebene einheitlich in der Stoffrichtlinie (RL 67/548/EWG) und in der Zubereitungsrichtlinie (RL 1999/ 45/EG) geregelt. Im österreichischen ChemG 1996 und in der ChemV 1999 ist die Stoffrichtlinie in nationales Recht umgesetzt. In § 3 Abs. 1 ChemG sind insgesamt 15 gefährliche Eigenschaften von Chemikalien definiert: • Physikalisch-chemische Eigenschaften: {

Explosionsgefährlich,

{

Brandfördernd,

{

Hochentzündlich, leichtentzündlich, entzündlich;

• Gesundheitsschädliche (toxische) Eigenschaften: {

Sehr giftig, giftig, gesundheitsschädlich,

{

Ätzend, reizend,

{

Sensibilisierend,

{

Krebserzeugend, erbgutverändernd, fortpflanzungsgefährdend;

• Umweltgefährliche Eigenschaften. Einige der gefährlichen Eigenschaften sind weiter unterteilt (z. B. akute Toxizität – chronische Toxizität; augenreizend – hautreizend; krebserzeugend Kategorie 1, 2 oder 3; sehr giftig, giftig oder schädlich für Wasserorganismen etc.).

17.4.1 17.4.1.1

Einstufung Stoffe

Einstufung ist die stoffbezogene Zuordnung der gefährlichen Eigenschaften aufgrund gesetzlich festgelegter Kriterien. In Österreich ist die Einstufung von Stoffen in § 4 der Chemikalienverordnung 1999 (BGBl. II 81/2000) geregelt. Die Einstufungskriterien sind im Anhang B, Teil 1 zur ChemV im „Leitfaden für die Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen und Zubereitungen“ festgelegt. Demnach ist zum Beispiel ein Stoff mit einer biologischen Abbaubarkeit < 70 % in 28 Tagen und mit einer akuten Toxizität gegenüber Fischen zwischen 1 mg/l und 10 mg/l als „umweltgefährlich“ und mit der R-Satz-Kombination R 51-53 (Giftig für Wasserorganismen; kann in Gewässern längerfristige schädliche Wirkungen haben) einzustufen. Bei Neustoffen, die vor ihrem erstmaligen Inverkehrsetzen innerhalb der EU angemeldet werden müssen, erfolgt die Einstufung aufgrund der Ergebnisse von Prüfungen (teilweise Tierversuche), die gemäß § 7 ChemG 1996 vorzulegen sind. Die Prüfmethoden sind in Anhang V der RL 67/548/EWG beschrieben und müssen unter Einhaltung der OECD-Grundsätze der Guten Laborpraxis (GLP) durchgeführt werden. Der Anhang I („Stoffliste“ oder „Liste der gefährlichen Stoffe“) der RL 67/548/EWG enthält diejenigen gefährlichen Stoffe – derzeit mehr als 3.000 – für die eine bindende, innerhalb der EU abgestimmte Einstufung besteht. Sie ist somit das wichtigste Instrument für die Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen. Die österreichische Ausgabe der Stoffliste wird vom Umweltbundesamt in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

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Für die Einstufung und Kennzeichnung aller im Europäischen Altstoffverzeichnis (EINECS) angeführten Stoffe (vgl. Kapitel 17.1), die noch nicht in der Stoffliste enthalten sind, muss der verantwortliche Hersteller oder Importeur Nachforschungen anstellen, um sich Angaben über die gefährlichen Eigenschaften dieser Stoffe zu verschaffen. Auf europäischer Ebene kann ein Einstufungsvorschlag (für alle gefährlichen Eigenschaften) für einen Altstoff sowohl von einem Mitgliedstaat, als auch von der Herstellerfirma eingebracht werden. Die vorgeschlagene Einstufung und die sich daraus ergebende Kennzeichnung von Neuen Stoffen und auch von Altstoffen wird unter den EU-Mitgliedstaaten schriftlich oder in den dafür zuständigen Kommissionsarbeitsgruppen akkordiert. Die endgültig beschlossene Einstufung und Kennzeichnung wird in Form einer ATP (Anpassung an den technischen Fortschritt) zum Anhang I als Kommissionsrichtlinie im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft veröffentlicht.

17.4.1.2

Zubereitungen

Zubereitungen sollen aufgrund der Bestimmungen der §§ 5 bis 8 der ChemV 1999 nach Möglichkeit nicht geprüft sondern anhand der Eigenschaften ihrer Inhaltsstoffe eingestuft werden. Die Einstufung von Zubereitungen aufgrund ihrer physikalisch-chemischen gefährlichen Eigenschaften ist ebenso wie für Stoffe aufgrund von Prüfergebnissen anhand des Leitfadens für die Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen und Zubereitungen zu ermitteln. Die Einstufung von Zubereitungen aufgrund ihrer gesundheitsgefährlichen und ihrer umweltgefährlichen Eigenschaften erfolgt, um unnötige Tierversuche zu vermeiden, nicht anhand von Prüfungen, sondern durch ein im Anhang B, Teil 2-4 festgelegtes Berechnungsverfahren (konventionelle Methode). Die Konzentrationsgrenzwerte, ab denen eine Einstufung der Zubereitung zu erfolgen hat, sind entweder stoffspezifisch in der Stoffliste (Anhang I der RL 67/548/EWG), oder allgemein im Anhang B zur ChemV 1999 festgelegt. Liegen jedoch valide Prüfungen für eine Zubereitung bereits vor, so sind die Ergebnisse der Prüfung für die Einstufung heranzuziehen. Die Einstufung der gefährlichen Eigenschaften „krebserzeugend“, „erbgutverändernd“ und „fortpflanzungsgefährdend“ ist jedoch immer nach der Berechnungsmethode durchzuführen, eine „Herabstufung“ durch die Ergebnisse von Tierversuchen ist in diesen Fällen nicht zulässig.

17.4.2

Kennzeichnung

Die Kennzeichnung stellt eine Erstinformation für den Abnehmer und Verwender eines gefährlichen Stoffes oder einer gefährlichen Zubereitung dar. Sie dient zur sicheren Verwendung und zur fachgerechten Entsorgung von Chemikalien. Die Kennzeichnung von gefährlichen Stoffen und Zubereitungen erfolgt aufgrund ihrer Einstufung und ist in der ChemV 1999 in den §§ 13 bis 24 geregelt. Die genauen Leitlinien für die Auswahl der korrekten Gefahrensymbole, der Bezeichnungen der besonderen Gefahren (R-Sätze) und der Sicherheitsratschläge (S-Sätze) sind in Anhang B zur ChemV festgelegt. Eine korrekte Kennzeichnung muss folgende Informationen enthalten: • Chemische Bezeichnung des Stoffes; bei Zubereitungen Handelsname oder Bezeichnung; • Chemische Bezeichnung der gefährlichen Stoffe, die in der Zubereitung enthalten sind; • Name (Firma), vollständige Adresse und Telefonnummer eines Inverkehrsetzers (mit Sitz im EWRRaum; • Gefahrensymbole und Gefahrenbezeichnungen; • Standardisierte Gefahrenhinweise (R-Sätze); • Standardisierte Sicherheitsratschläge (S-Sätze); • Nur für Stoffe: zugeordnete EG-Nummer;

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• Nur für Stoffe, die in der Liste der gefährlichen Stoffe enthalten sind: der Hinweis „EG-Kennzeichnung“; • Nur für Zubereitungen, die für jedermann im Einzelhandel erhältlich sind: Nennmenge der Verpackung (Nennmasse oder Nennvolumen). Davon abgesehen gibt es Sonderbestimmungen für die Kennzeichnung bestimmter Zubereitungen (z. B. Zubereitungen, die nicht als „sensibilisierend“ eingestuft sind, aber mindestens einen als „sensibilisierend“ eingestuften Stoff enthalten, müssen folgenden Hinweis enthalten: „Enthält [Name des sensibilisierenden Stoffes]. Kann allergische Reaktionen hervorrufen“). Bei der chemischen Bezeichnung eines Stoffes ist die in Anhang I der RL 67/548/EWG angeführte zu verwenden oder die Bezeichnung einer international anerkannten chemischen Nomenklatur. Die Gefahrensymbole und -bezeichnungen müssen Anhang A der ChemV entsprechen. Sind aufgrund der Einstufung mehrere Gefahrensymbole und Gefahrenbezeichnungen nötig, so dürfen gem. Anhang B, Teil 1 der ChemV einige Symbole zu Gunsten der Übersichtlichkeit der Kennzeichnung entfallen (z. B. kann die Kennzeichnung als „reizend“ bei einer gleichzeitigen Kennzeichnung als „gesundheitsschädlich“ entfallen (vgl. Abb. 2).

E ... Explosionsgefährlich

O ... Brandfördernd

F ... Leichtentzündlich F+ ... Hochentzündlich

T ... Giftig T+ ... Sehr giftig

C ... Ätzend

Xn ... Gesundheitsschädlich (Mindergiftig)

N ... Umweltgefährlich

Xi ... Reizend Abb. 2: Gefahrensymbole und Gefahrenbezeichnungen.

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17.4.3

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Verbote und Beschränkungen von gefährlichen Chemikalien

Auf Grund des § 17 des Chemikaliengesetzes hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft die Möglichkeit, gefährliche chemische Stoffe per Verordnung zu verbieten oder ihre Verwendung, Herstellung oder das Inverkehrsetzen zu beschränken bzw. besondere Kennzeichnungsvorschriften zu erlassen.

Bis Juni 1998 in Kraft getretene Verordnungen: • Verordnung über das Verbot vollhalogenierter Fluorchlorkohlenwasserstoffe als Treibgas in Druckgaspackungen (BGBl. Nr. 55/1989). • Verordnung über das Verbot der Einfuhr bestimmter Stoffe aus Nichtvertragsstaaten des Montrealer Protokolles (BGBl. Nr. 68/1990). • Verordnung über Beschränkungen des Inverkehrsetzens und über die Kennzeichnung formaldehydhaltiger Stoffe, Zubereitungen und Fertigwaren (Formaldehyd-Verordnung; BGBl. Nr. 194/1990). • Verordnung über Beschränkungen und Verbote der Verwendung, der Herstellung und des Inverkehrsetzens von vollhalogenierten Fluorchlorkohlenwasserstoffen (BGBl. Nr. 301/1990). • Verordnung über Beschränkungen des Inverkehrsetzens und des Herstellens, des Verwendens sowie über die Kennzeichnung asbesthaltiger Stoffe, Zubereitungen und Fertigwaren (Asbestverordnung; BGBl. Nr. 324/1990). • Verordnung über das Verbot von Halonen (BGBl. Nr. 576/1990). • Verordnung über das Verbot bestimmter gefährlicher Stoffe in Unterwasser-Anstrichmitteln (Antifoulings; BGBl. Nr. 577/1990). • Verordnung über das Verbot von Pentachlorphenol (PCP) (BGBl. Nr. 58/1991). • Verordnung über ein Verbot bestimmter gefährlicher Stoffe in Pflanzenschutzmitteln (BGBl. Nr. 97/1992). • Verordnung über ein Verbot von 1,1,1-Trichlorethan und Tetrachlorkohlenstoff (BGBl. Nr. 776/1992). • Verordnung über das Verbot von halogenierten Biphenylen, Terphenylen, Naphthalinen und Diphenylmethanen (BGBl. Nr. 210/1993). • Verordnung über Verbote und Beschränkungen von Cadmium und seinen Verbindungen sowie von Bleiweiß (Cadmiumverordnung; BGBl. Nr. 855/1993). • Verordnung über die Anwendung giftrechtlicher Bestimmungen auf bestimmte gefährliche Stoffe und Zubereitungen (Selbstbedienungsverordnung; BGBl. Nr. 232/1995). • Verordnung über ein Verbot bestimmter teilhalogenierter Kohlenwasserstoffe (HFCKW-Verordnung; BGBl. Nr. 750/1995). • Verordnung über Verbote und Beschränkungen von organischen Lösungsmitteln (Lösungsmittelverordnung; BGBl. Nr. 872/1995). • Verordnung über Beschränkungen oder ein Verbot von in der Europäischen Union beschränkten oder verbotenen Stoffen und Zubereitungen (Chemikalien-EU-Anpassungs-Verordnung; BGBl. Nr. 169/1996).

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Folgende Verordnungen, die gefährliche Stoffe verbieten oder deren Verwendung, Herstellung bzw. das Inverkehrsetzen beschränken, sind im Berichtszeitraum in Kraft getreten: • Verordnungen, mit denen weitere Verbote und Beschränkungen des Inverkehrsetzens und der Verwendung bestimmter gefährlicher Chemikalien und damit behandelter Fertigwaren erlassen werden (BGBl. II Nr. 461/1998 und BGBl. II Nr. 258/2000). • Artikel I regelt das Inverkehrsetzen und die Verwendung von Kreosot und damit behandeltem Holz, von bestimmten chlorierten Kohlenwasserstoffen, von bestimmten gefährlichen Flüssigkeiten, z. B. Lampenölen und von bestimmten krebserzeugenden, erbgutverändernden und fortpflanzungsgefährdenden Stoffen. • Ausnahmen sind für Analyse-, Entwicklungs- und Forschungszwecke vorgesehen. • Artikel II enthält geringfügige Änderungen zu Verordnung BGBl. Nr. 776/1992 (1,1,1-Trichlorethan und Tetrachlorkohlenstoff). • Verordnung über die Einrichtung einer Halonbank (Halonbankverordnung; BGBl. II Nr. 77/2000). • Ziele dieser Verordnung sind: { die Festlegung von Anwendungen, in denen Halone nach dem 1. Jänner 2000 noch eingesetzt werden dürfen („kritische Verwendungszwecke“), { die Sicherstellung, dass der Einsatz von Halonen auf diese „kritischen Verwendungszwecke“ eingeschränkt wird, { die Erfassung von in Österreich zum Zeitpunkt 1. Jänner 2000 vorhandenen Halonbeständen, { die Sicherstellung, dass durch die Einrichtung einer nationalen Halonbank aus diesen Beständen Halone für „kritische Verwendungszwecke“ zur Verfügung stehen und { die Kontrolle und Reduktion von Emissionen in die Umwelt.

17.5 Bewertung und Kontrolle der Umweltrisiken chemischer Altstoffe (EU-Altstoffverordnung) Chemische Altstoffe stellen den Großteil der auf dem Markt befindlichen Chemikalien dar. Sie wurden bereits vor 1982 erstmals vermarktet und fallen daher nicht unter die Anmeldeverpflichtung gemäß EUStoffrichtlinie 67/548/EWG. Die Altstoffverordnung der EU (Ratsverordnung zur Bewertung und Kontrolle der Umweltrisken chemischer Altstoffe, EWG 793/93) verpflichtet alle Hersteller und Importeure dieser Stoffe nach einem vorwiegend mengenmäßig bestimmten Stufenkonzept, die ihnen bekannten bzw. zugänglichen Daten dem Europäischen Chemikalien Büro (ECB) an der gemeinsamen Forschungsstelle in Ispra (Italien) sowie ggf. den zuständigen nationalen Behörden zu übermitteln. Für österreichische Hersteller und Importeure bedeutete dies vorerst eine Meldepflicht über vorhandene Daten von Altstoffen mit Produktionsmengen über 1.000 Tonnen bis Anfang Juni 1995 (Stufen 1 + 2), im Jahr 1998 wurde die dritte Stufe im Meldeverfahren mit zehn Tonnen jährlich erreicht. Österreichische Firmen hatten die Angaben in Kopie auch der Behörde vorzulegen. Die Anzahl der in Österreich gemeldeten Stoffe betrug 150 für die Stufen 1 und 2 sowie 472 für die Stufe 3. Die EU-weiten Meldungen wurden vom ECB gesammelt (Datenbank IUCLID: dzt. ca. 30.000 Datensätze zu rund 10.000 Stoffen, gemeldet von ca. 2.000 Firmen; die Daten für die 3. Stufe wurden erst zum Teil eingearbeitet) und ausgewertet. Mit Hilfe dieser Daten und einem festgelegten Reihungsverfahren werden jene Stoffe ausgewählt, bei welchen aufgrund ihrer Eigenschaften und Verwendung ein erhöhtes Risiko vermutet wird, und darauf basierend werden von der Kommission in Zusammenarbeit Umweltbundesamt/Federal Environment Agency – Austria

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mit den Mitgliedstaaten Prioritätenlisten festgelegt. Die erste Prioritätenliste wurde im Mai 1994 veröffentlicht (Kommissionsverordnung EG 1179/94) und enthält 42 Stoffe, die zweite mit 36 Stoffen im September 1995 (EG 2268/95), die dritte Prioritätenliste umfasst 31 Stoffe und wurde im Januar 1997 kundgemacht (EG 143/97). Eine vierte Prioritätenliste wurde im Oktober 2000 im Amtsblatt veröffentlicht. Sie enthält 30 Stoffe, Österreich wird als Berichterstatter für die Stoffe Borax und Borsäure tätig sein. Innerhalb eines halben Jahres nach der Veröffentlichung haben die jeweiligen Hersteller die vorhandenen Unterlagen (Prüfberichte) sowie Expositionsdaten den zuständigen nationalen Behörden der in der Liste als Berichterstatter angegebenen Mitgliedstaaten vorzulegen. Basierend auf diesen und allen anderen zugänglichen Informationen erstellen diese Behörden eine Risikobewertung und schlagen gegebenenfalls Strategien zur Risikominderung vor. Die Durchführung der Risikobewertung erfolgt entsprechend der Kommissionsverordnung EG 1488/94, in Österreich ist das BMLFUW als Berichterstatter vorgesehen (§ 16 Abs. 3 ChemG). Die Abwicklung des EU-Altstoffprogramms blieb lange Zeit hinter den ehrgeizigen Vorgaben der Verordnung zurück, wobei die Gründe vielfältig waren: Zu lange Dauer der Datenübertragung von den Meldedisketten in die Datenbank IUCLID, Unstimmigkeiten bei der Prioritätensetzung, schleppende Nachlieferung fehlender Daten durch die Hersteller von Prioritätsstoffen, Informations- und Koordinationsmängel in Kommission, nationalen Behörden und Firmen, geringe Unterstützung der Berichterstatter durch einige Mitgliedstaaten, wesentlich größerer Zeitaufwand für die Erstellung der Risikobewertungen als in der Verordnung vorgesehen, langwieriges Verfahren bei der Beurteilung der Risikobewertungen durch die befassten Gremien u. a. m. Mittlerweile konnte der Prozess, nicht zuletzt aufgrund des erhöhten politischen Drucks und vieler öffentlicher Diskussionen, aber auch aufgrund der inzwischen gesammelten Erfahrung und dadurch verbesserten Abwicklung um Einiges beschleunigt werden: Bis jetzt wurden zu den 109 gelisteten Prioritätsstoffen (Listen 1 bis 3) 73 Risikobewertungen von den Berichterstattern fertiggestellt. Die Diskussionen auf wissenschaftlicher und technischer Ebene konnten von 40 dieser Bewertungen abgeschlossen und deren Ergebnisse von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bestätigt werden: • Für 30 dieser bewerteten Stoffe sind risikomindernde Maßnahmen notwendig; • weiterer Informationen bedarf es für 4 Stoffe, um eine vollständige Risikobewertung durchführen zu können; • für 6 Stoffe ergab die Risikobewertung, dass weder zusätzliche Informationen noch zusätzliche Risikominderungsmaßnahmen erforderlich sind.

17.5.1

Ergebnis der Risikobewertung von o-Anisidin

Die Risikobewertung von o-Anisidin im Rahmen der EU-Altstoffverordnung EWG/793/93 durch Österreich als Berichterstatter ist abgeschlossen, auf Kommissionsebene steht die Befassung des wissenschaftlichen Ausschusses der Europäischen Kommission kurz bevor. Zusammenfassend ergab die Risikobewertung von o-Anisidin, dass am Arbeitsplatz sowie für Konsumenten unter bestimmten Anwendungsbedingungen ein Gesundheitsrisiko nicht ausgeschlossen werden kann. o-Anisidin findet als Ausgangsstoff für eine Reihe von Azofarbstoffen und Pigmenten Verwendung. Das Produktionsvolumen liegt derzeit unter 1.000 t/Jahr, größter Hersteller und Weiterverarbeiter innerhalb der EU ist eine Firma in Deutschland. Die Überarbeitung der Einstufung von o-Anisidin im Rahmen der Risikobewertung ergab, dass der Stoff im Tierversuch krebserzeugend wirkt (Carc. Cat. 2; R 45), möglicherweise erbgutverändernde Eigenschaften besitzt (Muta. cat. 3; R 40) und sowohl beim Einatmen, bei Berührung mit der Haut als auch bei Verschlucken giftig ist. Für den Menschen ist der Kontakt mit o-Anisidin am Arbeitsplatz während bestimmter Tätigkeiten möglich sowie generell aus darauf basierenden Produkten durch Rückstände der Substanz in Farbstoffen oder Pigmenten oder durch Spaltung der Azobindung. Letztere Reaktion ist in Pigmenten sehr viel unwahrscheinlicher, da diese weniger wasserlöslich sind als Farbstoffe und daher weniger biover-

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fügbar sind. In die Umwelt kann o-Anisidin während Produktions- und Weiterverarbeitungsprozessen und in geringerem Ausmaß auch während Anwendungs- und Formulierungsprozessen gelangen, wobei der Eintrag größtenteils in die Hydrosphäre erfolgt. Das Ergebnis der Risikobewertung lässt zum gegenwärtigen Zeitpunkt folgende Schlussfolgerungen zu: • Für den Umweltbereich besteht derzeit weder zusätzlicher Informationsbedarf noch sind Risikominderungsmaßnahmen nötig, welche über bereits bestehende hinaus gehen. • Am Arbeitsplatz besteht während des Hantierens an Gasausgleichsleitungen im Produktionsprozess bei Hautkontakt mit dem Stoff ein inakzeptabel hohes Risiko. • Für den Endverbraucher wurde in zwei Bereichen eine mögliche Gefährdung festgestellt: Generell bei Hautkontakt mit gefärbten Textilien und zusätzlich für Kleinkinder, die an Textilien saugen, welche mit Farbstoffen auf der Basis von o-Anisidin gefärbt wurden. Für die unter den letzten beiden Punkten genannten Bedingungen besteht demnach ein Gesundheitsrisiko und es wird daher notwendig sein, Maßnahmen zu erarbeiten, welche eine Reduktion oder Beseitigung dieses Risikos ermöglichen, wobei nach den Vorgaben des Leitfadens der EU-Kommission “Technical Guidance Document on Development of Risk Reduction Strategies“ vorzugehen ist. Das Umweltbundesamt wurde bereits mit dieser Aufgabe betraut.

17.6 Alternative Testmethoden – Ausstieg aus Tierversuchen Im Rahmen der Anmeldung neuer chemischer Stoffe sind Tierversuche zur Ermittlung etwaiger gefährlicher Eigenschaften bislang unerlässlich. Es handelt sich dabei in den meisten Fällen um Versuche mit Mäusen, Ratten, Meerschweinchen, Kaninchen und Fischen. Die in den USA manchmal durchgeführten Versuche mit Affen sind in Österreich nicht zulässig. Im Jahr 1999 wurden in Österreich 11 neue Chemikalien angemeldet, 10 davon werden in Mengen von über einer Tonne pro Jahr in Verkehr gesetzt. Für vier dieser Anmeldungen wurden die Tierversuche in Österreich durchgeführt. Für eine Anmeldung werden im Durchschnitt 76 Ratten, 6 Kaninchen, 30 Meerschweinchen und 14 Fische verwendet. Sowohl seitens der EU als auch der OECD bestehen seit einigen Jahren Bestrebungen, Versuche an Wirbeltieren durch alternative Methoden zu ersetzen. Drei In-vitro-Testmethoden sind kürzlich ins EURecht und damit in Folge auch in österreichisches Recht aufgenommen worden, zwei davon kommen ganz ohne Versuchstiere aus. • Der In-vitro-3T3-NRU-Phototoxizitätstest dient der Erfassung einer möglichen akuten toxischen Reaktion, die nach der ersten Exposition der Haut mit bestimmten chemischen Stoffen bei anschließender Lichtexposition entsteht. Es werden Mäusefibroblastenzellen kultiviert, inkubiert, mit Licht bestrahlt bzw. im Dunkeln aufbewahrt und anschließend die Testchemikalie hinzugefügt. Der Vergleich der Zellviabilität der bestrahlten gegenüber den nicht bestrahlten Kulturen gibt das Ausmaß der potenziellen Zellschädigung an.



Zwei in-vitro-Tests zur Prüfung auf hautätzende Wirkung: {

Beim TER-Test an Rattenhaut (TER = transcutaneous electrical resistance) wird die Testsubstanz auf die Epidermis von Hautstücken aus dem Fell von Jungratten appliziert, die vorher tierschutzgerecht getötet wurden. Hautätzende Stoffe werden dabei durch ihre Fähigkeit, die Unversehrtheit der Hornhaut und ihrer Schutzfunktion zu zerstören, identifiziert.

{

Beim Test mit einem menschlichen Hautmodell wird die Testsubstanz auf ein künstlich nachgebildetes dreidimensionales Modell menschlicher Haut aufgebracht. Ätzende Materialien werden aufgrund ihrer Fähigkeit identifiziert, eine Abnahme der Lebensfähigkeit der Zellen zu bewirken.

Eine Reihe von weiteren alternativen Testmethoden sind derzeit im Entwicklungsstadium.

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Desweiteren sind in den letzten Jahren eine Reihe von Tests, die nicht zur Gänze auf die Verwendung von Wirbeltieren verzichten können, insoferne adaptiert worden, als sie mit weniger Versuchstieren auskommen. Der LD50-Test an Ratten zur akuten oralen Toxizität wurde gänzlich von der Liste der zulässigen Prüfmethoden entfernt, da bereits Methoden, die weniger Tiere erfordern, zur Verfügung stehen. Auch wurden neue Methoden entwickelt und forciert, die das Leiden der Tiere vermindern (http://ecb.ei.jrc.it/testing-methods). Das Umweltbundesamt hat sich für Österreich an den diesbezüglichen Verhandlungen aktiv beteiligt und wird sich auch in Zukunft dafür einsetzen, die Anzahl der benötigten Versuchstiere soweit als möglich zu reduzieren. Bei der OECD sind immer wieder Versuche an Menschen, die sich freiwillig zur Verfügung stellen, im Gespräch (siehe z. B. den Entwurf eines Hautreiztests an Menschen: http://www.oecd.org/ehs/test/dermalgl. pdf). Das Umweltbundesamt hat sich allerdings stets vehement dagegen ausgesprochen, Menschenversuche zuzulassen.

17.7 Chemikalienkontrolle in Österreich Kontrolle der Einhaltung der chemikalienrechtlichen Bestimmungen Das Problembewusstsein über die von Chemikalien möglicherweise ausgehenden Gefahren ist mangelhaft, sowohl bei der chemisch-pharmazeutischen Industrie als auch bei den Konsumenten und nicht zuletzt bei den in der einschlägigen Industrie beschäftigten Arbeitern. Zur Begegnung dieser Gefahren dient in allen Industrieländern die jeweilige Chemikaliengesetzgebung. In diesem Zusammenhang kommt der Kontrolle der Einhaltung dieser chemikalienrechtlichen Bestimmungen eine bisher ungenügend beachtete Rolle zu. In Österreich sind die Landeshauptleute im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung mit der Überwachung des Chemikaliengesetzes und seiner Verordnungen (im Wesentlichen die Inverkehrsetzung und Verwendung von Chemikalien, Einstufung und Kennzeichnung gefährlicher Chemikalien, Verbotsverordnungen, Giftrecht) beauftragt, die Kontrollen werden von Organen der Ämter der Landesregierungen (Chemikalieninspektoren) durchgeführt (vgl. auch Kap. 17.8). Die Anmeldung Neuer Stoffe, die Kontrolle der Prüfstellen, die Führung des Chemikalienregisters und der Giftliste sind der Vollziehung des BMLFUW vorbehalten. Tabelle 2 gibt einen Überblick über die in den Jahren 1999 und 2000 durchgeführten Chemikalieninspektionen. Tab. 2: Chemikalieninspektionen in Österreich in den Jahren 1999 und 2000 (Vom Amt der Salzburger Landesregierung konnten die Daten für das Jahr 2000 wegen fehlender personeller Ressourcen noch nicht angegeben werden). Jahr

W



B

Stmk

K

Sbg



T

Vbg

Ö

1999 überprüfte Firmen

193

51

59

105

200

49

133

17

40

847

Anzahl der Inspektionen

195

105

66

129

213

52

147

15

40

962

Beanstandungen insgesamt

163

4

109

600

~ 20

68

3

5

952

Auskünfte, Beratungen

195

80

33

200

137

~ 250

~ 300

85

13

743

überprüfte Firmen

267

59

134

102

200

k.A.

74

5

60

901

Anzahl der Inspektionen

276

101

134

112

213

k.A.

78

5

22

941

Beanstandungen insgesamt

116

300

107

70

600

k.A.

31

4

9

1.237

Auskünfte, Beratungen

159

75

122

~100

110

k.A.

~200

65

60

891

2000

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Im Jahr 1999 (2000) wurden in 847 (901) Firmen insgesamt 1.990 (2.629) Produkte überprüft. 45 % (60 %) der 962 (941) durchgeführten Inspektionen führten zu insgesamt 952 (1.237) Beanstandungen. Ein sehr wichtiger Bestandteil der Tätigkeit der Chemikalieninspektoren ist die Information und Beratung der besuchten Firmen über die aktuellen Bestimmungen der Chemikaliengesetzgebung. Die nach erfolgtem Firmenbesuch noch erforderlichen Maßnahmen beinhalteten vor allem die Klärung der Rezeptur, Richtigstellung von Einstufung und Kennzeichnung sowie von Sicherheitsdatenblättern. Im Jahr 1999 wurden in Folge 16 (2000: 5) Verwaltungsstrafen erteilt, 6 (2000: 5) Produkte aus dem Verkehr gezogen und 55 (2000: 28) Strafverfahren eingeleitet. Tabelle 3 bietet detailliertere Informationen über die Art der kontrollierten Betriebe und die jeweiligen Kontrollmaßnahmen. Tab. 3: Durchgeführte Kontrollen in den Jahren 1999 und 2000 (für das Jahr 2000 fehlen die Daten von Salzburg).

Giftrecht

Proben

E&K

Giftrecht

Proben

Erzeuger Chem. Industrie u. Gewerbe

30

20

7

12

37

2

8

9

Händler Chemie- u. Pharmagroßhandel Großmärkte Bau- und Bastelmärkte Lagerhäuser Farben, Lacke u. Anstrichmittel Apotheken, Drogerien

28 10 43 24 21 11

6 25 69 66 31 5

7 – 1 24 – 124

2 8 26 6 36 1

20 20 25 20 25 18

2 4 30 35 11 –

4 – – 2 – 106

8 4 28 – 4 –



76



8



33



Branchen

Erwerber/Abgeber v. Giften

Verbote/ Beschränkungen

Verbote/ Beschränkungen

2000

E&K

1999

Verwender Metallverarbeitung Anlagen- u. Maschinenbau u. Reparatur Bäder

3 2 16

9 30 –

18 3 18

– 2 –

21 2 10

2 9 –

33 9 16

– 9 –

Sonstige

71

56

130

131

233

177

192

36

259

317

408

224

439

272

403

98

Summe E&K: Einstufung und Kennzeichnung

Dem Umweltbundesamt obliegt in zunehmendem Ausmaß die Information, Beratung und fachliche Unterstützung der Chemikalieninspektoren in weiten Bereichen. Diese Funktion ist seit dem EU-Beitritt von besonderer Wichtigkeit, da die teilweise vertraulichen Daten der Europäischen Kommission bzw. der anderen Mitgliedstaaten für die Inspektoren nicht immer direkt zugänglich sind. Auch wegen der personellen Unterbesetzung der Chemikalieninspektorate in einigen Bundesländern ist die Kontrolle der Einhaltung der chemikalienrechtlichen Bestimmungen in Österreich nicht überall so präsent, wie es wünschenswert wäre. In den Ländern der Europäischen Union gibt es für die Organisation der Chemikalienkontrolle zwei Modelle. Neben der dezentralen Überwachung, die in Österreich praktiziert wird, gibt es in den meisten kleinen Ländern (Irland, Schweden), aber auch in großen (Großbritannien) parallel zur Anmeldebehörde eine oder mehrere zentrale Einrichtungen, die mit Überwachungsmaßnahmen betraut sind. Da nicht anzunehmen ist, dass die Menge der in Umlauf befindlichen Chemikalien in Zukunft abnimmt, werden sowohl vermehrte und verbesserte Kontrollen, als auch eine stärkere Bewusstseinsbildung und Akzeptanz dieser Problematik vor allem von Seiten der Industrie notwendig sein.

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17.8 Europäische Projekte zur Überwachung von Chemikalien Ein entscheidender Faktor für die Wirksamkeit der chemikalienrechtlichen Vorschriften ist die Kontrolle und Durchsetzung dieser Bestimmungen, die allerdings von Land zu Land unterschiedlich gehandhabt wird. Zur Vereinheitlichung des Vollzuges fand 1995/96 das Pilotprojekt NONS (Notification of New Substances) statt; dieses konzentrierte sich auf die Kontrolle von Farbstoffen (Farbstoffe bilden einen hohen Anteil bei Neuen Stoffen). Das zweite europaweite Chemikalieninspektionsprojekt SENSE (Solid Enforcement of Substances in Europe) fand 1996/97 statt. Die Überprüfungsschwerpunkte waren dabei weiter gestreut; in Österreich konzentrierten sich die Kontrollen im Wesentlichen auf Papierindustriechemikalien. Die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten beschlossen 1997 die Durchführung eines weiteren Projektes – EUREX (European enforcement project on Existing Substances) – das die EU-Verordnung (EWG) 793/93 („Altstoffverordnung“) und damit die Einhaltung der Bestimmungen für chemische Altstoffe zum Inhalt hat.

17.8.1

EUREX

Die EU-Altstoffverordnung ist seit 1993 in Kraft. Sie verpflichtet Hersteller und Importeure von Chemikalien, die im europäischen Altstoffverzeichnis (EINECS, vgl. Kap. 17.1) enthalten sind, bestimmte Angaben und Daten vorzulegen. Dies soll eine Einschätzung der Eigenschaften von Altstoffen und eine Prioritätensetzung für deren Bewertung erlauben. Hauptziel der Verordnung ist es, die Risiken von Altstoffen, die bekanntlich nicht der Anmeldepflicht nach der Richtlinie 67/548/EWG unterliegen, zu identifizieren und zu reduzieren. Bedingt durch den Zeitpunkt des EU-Beitritts von Österreich, gibt es die Meldepflicht in Österreich erst ab der zweiten Stufe der Meldungen (Juni 1995). Als EU-Verordnung ist sie in allen Mitgliedstaaten direkt anwendbar. Dazu muss jeder Mitgliedstaat entsprechende Maßnahmen (Zuständigkeit, Strafbestimmungen) in nationales Recht einführen. In Österreich wird dies im Rahmen der §§ 16 und 71 Chemikaliengesetz 1996 geregelt. In der Folge wurde im Mai 1998 beschlossen, ein gemeinsames, zeitlich begrenztes Überwachungsprojekt nach einer abgestimmten Methodik durchzuführen, um die Einhaltung der Meldepflicht durch die Industrie zu erhöhen und die Angleichung der Vollzugspraxis der Mitgliedstaaten in diesem Sektor zu verbessern. Das Projekt wurde in der Zeit von Mai 1998 bis März 1999 unter Beteiligung der Vollzugsbehörden mit den nachstehenden Hauptzielsetzungen durchgeführt: • Entwicklung von europaweit gleichen Maßstäben für den Vollzug der EU-Altstoffverordnung; • Identifizierung von allgemein gültigen Problemen, die bei der praktischen Umsetzung dieser Verordnung entstehen, sowie das Auffinden von Lösungsmöglichkeiten; • Erkenntnisse über die Einhaltung der Regelungen durch Hersteller und Importeure; • Verbesserung des Informationsstandes durch Beratung; • Einrichtung eines europaweiten Netzwerkes der Inspektorate und Erfahrungsaustausch. Bei 732 Firmen wurden in den an diesem Projekt teilnehmenden 14 EU-Mitgliedstaaten und Norwegen, sogenannte “desk studies“ (= schriftliche Befragung von voraussichtlich betroffenen Unternehmen) durchgeführt. In vielen Fällen wurden diese Ergebnisse für die Auswahl der zu überprüfenden Firmen herangezogen. Die Auswertungen der „desk studies“ führten in Folge zu 157 Inspektionen. Dem Ergebnis der schriftlichen Befragung konnte entnommen werden, dass nur etwa zwei Drittel der Unternehmen über die EU-Altstoffverordnung informiert war. Im Zuge dieses EU-Projektes wurden 3.547 Chemikalien einer Überprüfung unterzogen. Für diese Chemikalien wäre die Lieferung eines elektronischen Formulares zur Übermittlung physikalisch-chemischer, toxikologischer und ökotoxikologisch relevanter Eigenschaften von Altstoffen (= HEDSET, Harmonized Electronic Data SET) an die zuständigen Behörden erforderlich gewesen. Für 90 % dieser chemischen Substanzen wurde das HEDSET auch übermittelt, allerdings in 22 % der Fälle nicht fristgerecht (Stichtag wäre der 4. Juni 1998 gewesen).

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Nach Durchführung der Inspektionen wurde die nachträgliche Übermittlung von 583 HEDSETs veranlasst. Dies entspricht etwa 16 % der Gesamtanzahl jener Substanzen, für welche die Lieferung eines HEDSET erforderlich war. Es entspricht auch zirka der Hälfte jener Fälle, in denen das HEDSET zu spät oder nicht geliefert worden ist. Die am häufigsten genannte Ursache für die Nichtlieferung des HEDSET war die Unkenntnis der Bestimmungen der Altstoffverordnung. In Österreich werden derartige Überprüfungsmaßnahmen im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung von den Ämtern der Landesregierungen (Chemikalien-Inspektorate) durchgeführt. Im Rahmen dieses Inspektionsprojektes wurden von September bis Dezember 1998 in acht Bundesländern insgesamt von 142 Firmen Auskünfte eingefordert, damit war die Beteiligung Österreichs – gemessen an der Größe und Einwohnerzahl – sehr hoch. Die nationale Planung, Koordination und Auswertung des EUREX-Projektes erfolgte durch das Umweltbundesamt, ebenso die Erstellung des gesamtösterreichischen Berichts. Zusätzlich zu den 142 “desk studies“ wurden in Österreich bei 21 Unternehmen Inspektionen durchgeführt. Die Gesamtanzahl der über die Altstoffverordnung informierten Firmen beträgt 41. Dies entspricht nur 29 % der 142 befragten Firmen, und somit dem unteren Drittel der teilnehmenden Mitgliedstaaten, obwohl der Organisationsgrad in Österreich, bedingt durch die Pflichtmitgliedschaft bei der Wirtschaftskammer, besonders hoch ist. Tab. 4: Die von den befragten Firmen genannten Informationsquellen. Gesamtanzahl der informierten Firmen

41 (29 % aller Befragten)

Information durch die Behörden

17 (12 % aller Befragten)

Information durch die Interessensvertretungen

21 (15 % aller Befragten)

Sonstiges

3 (2 % aller Befragten)

Ähnlich wie im Durchschnitt der anderen EU-Länder, wurden auch in Österreich ca. 12 % der Unternehmen von den Behörden über die EU-Altstoffverordnung informiert. Allerdings wurden im Vergleich zum EU-Durchschnitt, wo 57 % aller Firmen von Ihren Wirtschaftsorganisationen informiert wurden, in Österreich auf diesem Wege nur 15 % aller Firmen erreicht. In Österreich wurden insgesamt 251 Chemikalien überprüft. Bedingt durch die Tatsache, dass Österreich nur einen relativ kleinen Markt darstellt, bestand wegen Unterschreitung der Mengenschwelle (d. h. weniger als 10 Tonnen pro Jahr) für 203 der 251 chemischen Substanzen keine HEDSET-Meldepflicht. Für 44 Stoffe wurden die HEDSET-Daten nicht rechtzeitig übermittelt. Als Folgemaßnahmen wurden Anzeigen erstattet und Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet. Als Begründung für das Fehlen der HEDSET-Meldung hatten die österreichischen Firmen fast ausschließlich die Unkenntnis über die Altstoffverordnung als Begründung angegeben. Ein Ziel dieses Projektes war es auch, einen Beitrag zur Auffindung von Schwachstellen bezüglich des Informationsstandes der betroffenen Firmen zu leisten. Vor der Durchführung dieses EU-Projektes waren nur etwa ein Drittel der befragten österreichischen Unternehmen über die EU-Altstoffverordnung (EWG) 793/93 informiert. Hier finden sich Ansätze für einen Ausgleich des derzeit noch vorhandenen Informationsdefizites.

17.8.2

Folgeprojekte

Die bereits früher von den Mitgliedsstaaten gemeinsam durchgeführten Projekte (EUREX, SENSE, NONS) haben den hohen Bedarf einer weitergehenden Vernetzung der Zusammenarbeit der nationalen Chemikalienkontrollen hevorgehoben. Das Europäische Netzwerk zur Chemikalienkontrolle CLEEN (Chemicals Legislation European Enforcement Network) sowie zwei unter dessen Schirmherrschaft durchgeführte Schwerpunktprojekte befassen sich eingehender mit dieser Aufgabe. Im Hinblick auf die Regeln des Binnenmarktes und die gemeinschaftsweit agierende Wirtschaft ist die Zusammenarbeit der nationalen Chemikalieninspektorate im EWR eine absolute Notwendigkeit. Umweltbundesamt/Federal Environment Agency – Austria

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Ziel von CLEEN ist es, diese Zusammenarbeit weiter zu vertiefen und zu intensivieren, um so eine bessere Einhaltung der chemikalienrechtlichen Bestimmungen zum Schutz von Mensch und Umwelt zu erreichen. Das Programm sieht auch vor, dass CLEEN konstruktive Beiträge zur besseren Vollziehbarkeit von Vorschriften im Chemikalienrecht leisten wird, sowie dass die Beitrittskandidaten für die Europäischen Union in der Vorbereitung auf den Vollzug der Regelungen der EU unterstützt werden. Die zentrale Aufgabe von CLEEN bleibt jedoch der Informationsaustausch zwischen den nationalen Vollzugsbehörden sowie die Koordination von Schwerpunktprojekten. Derzeit laufen zwei Programme: EuroCad hat die Überprüfung der Einhaltung der Beschränkungen für die Verwendung von Kadmium als Ziel. Neben den vereinbarten Kontrollen in den einzelnen Mitgliedstaaten wird der Wirtschaft eine Broschüre zur Verfügung gestellt, die es vor allem Importeuren erleichtern wird, in Wahrung ihrer Selbstverantwortung ihre Lieferanten zur Einhaltung der Kadmium-relevanten Bestimmungen anzuhalten. Besondere Bedeutung erlangt auch die Kontrolle durch den Zoll und die damit verbundene Zusammenarbeit mit den Chemikalieninspektoren. EurOzone soll die Umsetzung und Vollziehung der neuen Ozonschichtverordnung der EU unterstützen. Nach dem In-Kraft-Treten dieser Verordnung werden H-FCKW-Kontrollen in den verschiedenen Anwendungsbereichen in den einzelnen Mitgliedstaaten aufeinander abgestimmt durchgeführt werden.

17.9 Untersuchungen von Haushaltsreinigern und Textilwaschmitteln auf ihre Übereinstimmung mit den Kriterien des Umweltzeichens 30 bzw. des Umweltzeichens 21 Allein in österreichischen Haushalten kommen pro Jahr rund 120.000 Tonnen Wasch- und Reinigungsmittel zum Einsatz (AISE, 1995), was einem jährlichen pro-Kopf-Verbrauch von 15 kg entspricht. Das Produktsegment Reinigungsmittel – insbesondere Allzweck- und Spezialreiniger sowie Scheuermittel – beläuft sich auf rund 20.000 Tonnen pro Jahr. Dies entspricht einem pro-Kopf-Verbrauch von ca. 2,5 kg pro Jahr. Der Bereich Textilwäsche betrug 1995 in Österreich 80.300 Tonnen, wovon 57.500 Tonnen auf Waschpulver, 3.700 Tonnen auf Flüssigwaschmittel, 2.100 Tonnen auf Waschhilfsmittel und 17.000 Tonnen auf Weichspüler entfielen. Der Anteil der sogenannten Kompaktwaschmittel/Pulver lag im Jahr 1995 mit einem Spitzenwert von 57 % weit über dem europäischen Durchschnitt von 36 %, ist seither aber wieder im Sinken begriffen. Eine Reihe von Studien belegt, dass Umweltaspekte eine zunehmende Rolle bei der Kaufentscheidung von Konsumenten spielen. Eine besondere Bedeutung kommt hierbei den von unabhängigen Stellen verliehenen Auslobungen – wie etwa dem vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft geschaffenen Österreichischen Umweltzeichen – zu. Aus den Produktsegmenten Reinigungsmittel bzw. Textilwaschmittel wurden vom Umweltbundesamt Produkte erworben und auf ihre Übereinstimmung mit den Kriterien des Umweltzeichens 30 (für Reinigungsmittel) bzw. des Umweltzeichens 21 (für Textilwaschmittel) überprüft. Die beiden Richtlinien sehen neben Stoffbeschränkungen, generellen Anforderungen an die biologische Abbaubarkeit und Gesundheitsverträglichkeit auch Hinweise zur richtigen Dosierung und Handhabung der Produkte vor.

17.9.1

Untersuchung von Reinigungsmitteln

1999 wurden im Auftrag des Umweltministeriums vom Umweltbundesamt 37 Haushaltsreiniger, die in größeren Handelsketten angeboten werden, auf ihre Übereinstimmung mit Kriterien der „Umweltzeichen-Richtlinie 30” überprüft. Die wesentlichen Parameter waren Inhaltsstoffe, Verpackung, Stoffdeklaration sowie Hinweise auf die umweltgerechte Handhabung. Schwerpunkte der untersuchten Inhaltsstoffe waren pH-Wert, Wassergehalt, Chlorgehalt (Gesamtchlor und Hypochlorit), Ammoniak, Komplexbildner (EDTA und NTA), Formaldehyd, LAS und APEOs sowie Nitromoschus-Verbindungen. Darüber hinaus wurden alle Reinigungsmittel einem Screening auf flüchtige organische Substanzen unterzogen, UKB 6 (2001)

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mit dem „organische halogenierte Lösungsmittel“ (z. B. Tetrachlorkohlenstoff), „aromatische Lösungsmittel“ (z. B. Benzol), „Lösungsmittel“ (z. B. Ethanol) und „sonstige flüchtige Inhaltsstoffe“ (z. B. Bestandteile ätherischer Öle) identifiert werden können. Die Ergebnisse zeigten, dass bei den Inhaltsstoffen von 37 analysierten Reinigern 16 den Umweltzeichen-Kriterien entsprechen würden und daher keine der in der Richtlinie angeführten ökologisch bedenklichen Chemikalien enthalten. Der Hauptgrund für das Durchfallen der übrigen 21 Produkte war in 16 Fällen ein zu hoher Wassergehalt bei verdünnt anzuwendenden Reinigern, was aufgrund des erhöhten Verpackungsvolumens und Energieaufwands beim Transport als problematisch angesehen wird. 14 Reiniger verfehlten die Kriterien, weil sie durch die Richtlinie verbotene Inhaltsstoffe wie Chlor bzw. Hypochlorit (acht Produkte), Lineare Alkylbenzolsulfonate (LAS, fünf Produkte), die Komplexbildner EDTA (vier Produkte) und NTA (zwei Produkte) sowie den Duftstoff Moschus-Xylol (ein Produkt) enthielten. In keinem der untersuchten Produkte konnten halogenierte oder aromatische Lösungsmittel als Teil der Produktformulierung nachgewiesen werden. Neun Reiniger verfehlten sowohl das Wassergehalts- als auch das Inhaltstoffkriterium. Die laut Richtlinie ebenfalls vepflichtenden Deklarationen auf der Verpackung waren nur auf zwei der insgesamt 37 Produkte zu finden. In den meisten Fällen (35 Produkte) fehlten Hinweise auf „Bewusstes Dosieren”. Weiters war auf vier von fünf untersuchten konzentrierten Reinigern der Hinweis „Achtung Konzentrat – nur verdünnt verwenden” nicht angebracht, wodurch die Gefahr von Überdosierung durch den Konsumenten gegeben ist. Die Deklaration der Inhaltsstoffe gemäß Empfehlung der Europäischen Kommission war bei sieben Produkten nicht gegeben. Insgesamt schafften nur zwei von 37 Reinigern alle überprüften Kriterien. Weitere 14 Produkte könnten das Umweltzeichen nach geringfügigen Adaptierungen der Verpackung/Deklaration erhalten.

17.9.2

Untersuchung von Textilwaschmitteln

1999 wurden vom Umweltbundesamt auch 12 Textilwaschmittel (Vollwaschmittel) auf ihre Übereinstimmung mit den Vorgaben der „Umweltzeichen-Richtlinie 21“ („Textilwaschmittel“) überprüft. Die Untersuchungskriterien waren ausgewählte Inhaltsstoffe, die Verpackung und die Deklaration der Produkte. Insbesondere handelte es sich bei den Inhaltsstoffen um die Parameter o-Phosphatgehalt, ges.-Phosphatgehalt, Formaldehyd, Komplexbildner (EDTA und NTA), LAS und APEOs sowie die optischen Aufheller Tinopal UP, DAS 1 und DSBP und Nitromoschus-Verbindungen. Von den flüssigen Vollwaschmitteln wurde der Wassergehalt ebenfalls analysiert. Zusätzlich zu den ausgewählten, vom Umweltzeichen geforderten Parametern wurden die Produkte auch auf die Elemente Blei, Bor, Chrom, Kupfer, Mangan, Natrium, Nickel, Zink und Zinn sowie auf Sulfat und die polycyclischen Moschusverbindungen Cashmeran, Celestolid, Phantolid, Traseolid, Galaxolid und Tonalid analysiert. Polycyclische Moschusverbindungen kommen in letzter Zeit als Ersatz für die Nitromoschus-Verbindungen zum Einsatz. Aufgrund zunehmender Diskussionen über Gesundheits- und Umweltverträglichkeit sind diese Verbindungen von besonderem Interesse. Die Ergebnisse zeigten, dass bei den Inhaltsstoffen die optischen Aufheller DAS 1 und DSBP sowie der LAS-Gehalt von vielen Produkten nicht den Kriterien des Umweltzeichens 21 entsprachen. Beim Vergleich der Deklaration der Inhaltsstoffe, die von den jeweiligen Herstellern auf den Verpackungen angebracht wurden, mit der Richtlinie des Umweltzeichens ergaben sich ebenfalls Diskrepanzen, vor allem bezüglich der Inhaltsstoffe Perborate, Farbstoffe und optische Aufheller, die laut Umweltzeichen nicht eingesetzt werden dürfen. Für das Element Nickel, welches bei manchen Menschen Allergien auslösen kann, wurden keine Resultate über der Bestimmungsgrenze ermittelt. Bei den entsprechend der Richtlinie verpflichtenden Deklarationen auf der Verpackung der Produkte fehlten insbesondere folgende zwei Hinweise: „Achtung Konzentrat – dosieren Sie besonders genau, nur so vermeiden Sie überflüssige Umweltbelastung! Lesen Sie insbesondere auch dementsprechende Hinweise der Gebrauchsanweisung Ihrer Waschmaschine“, sowie der Hinweis auf Waschmittel, die laut Deklaration ein Bleichmittel enthalten: „Für Bunt- und Feinwäsche verwenden Sie bitte...“. Weiters war bei einigen Produkten keine Kennzeichnung des Kunststoffes der Verpackung angebracht. Umweltbundesamt/Federal Environment Agency – Austria

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17.9.3

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Untersuchungen von Gebrauchsgegenständen auf Azofarbstoffe und Metalle

Aus bestimmten Azofarbstoffen können durch chemische, enzymatische oder bakteriologische Spaltung krebserregende aromatische Amine (Arylamine) freigesetzt werden. Erst in den 70er Jahren machten Wissenschafter die Entdeckung, dass Azofarbstoffe durch die Haut aufgenommen werden können. Sie gelangen in den Darm und in die Leber und werden dort gespalten, wodurch die krebserregenden Amine freigesetzt werden. Außerdem können diese Azofarbstoffe bzw. die daraus entstehenden aromatischen Amine durch Waschen von Textilien in das Abwasser gelangen und die Umwelt belasten. Nur schwer quantifizierbar sind die Risiken für die Konsumenten, die mit Produkten, die mit Azofarbstoffen gefärbt sind, in Kontakt kommen. Die Freisetzung dieser Schadstoffe ist unter natürlichen Expositionsbedingungen, also z. B. durch Hautschweiß möglich. Das Umweltbundesamt untersuchte gefärbte Wollhandschuhe, Socken und Strumpfhosen auf aromatische Amine. Zur Zeit der Untersuchungen arbeitete in Österreich das Bundeskanzleramt an einer mittlerweile im BGBl. II Nr. 241/1998 in Kraft getretenen Azofarbstoffverordnung. Darin wird das „Inverkehrsetzen bestimmter Waren, die nicht nur vorübergehend mit der Haut in Berührung kommen und die Azofarbstoffe oder Azopigmente enthalten, aus denen bei Anwendung angegebener Prüfmethoden kanzerogene Arylamine freigesetzt werden können“, verboten. Liegt der Gehalt eines dieser Amine über 30 mg/kg, gilt die Verwendung der verbotenen Azofarbstoffe als nachgewiesen. Vergleichbare Regelungen existieren in Deutschland und in den Niederlanden und entsprechen einer diesbezüglichen französischen Verordnung. Nach den Anforderungen des Öko-Tex-Standards 100, herausgegeben von dem Österreichischen Textilforschungsinstitut, dürfen Produkte „mit Hautkontakt“ keine kanzerogenen Arylamine enthalten. Dieser Standard kann von den betroffenen österreichischen Betrieben eingehalten werden. Es wird angenommen, dass die Verwendung verbotener Azofarbstoffe weitgehend auf Produkte beschränkt ist, die aus Billiglohnländern importiert werden. Im Zeitraum 1997 und 1998 wurden vom Umweltbundesamt 99 Leder-, Woll-, Textil- und Plüschtierproben untersucht und die Konformität mit der Azofarbstoffverordnung überprüft. Es stellte sich heraus, dass • in 62 % der Proben keine nachweisbaren Mengen an krebserzeugenden Azofarbstoffen enthalten sind; • 32 % der untersuchten Proben bestimmbare Mengen der fraglichen Arylamine enthalten, die jedoch deutlich (bis auf eine Ausnahme) unterhalb des Grenzwertes liegen; • in 6 % der Proben (4 Leder, 1 Textilie) sehr hohe Gehalte festgestellt wurden, wobei der Azofarbstoffgrenzwert bis um das 12-fache überschritten wurde; • das am häufigsten gefundene krebserzeugende Arylamin Benzidin war. In den 48 Lederproben, die als hautnahe Bekleidungsstücke Verwendung finden (z. B. Lederhandschuhe, Lederhosen, Lederjacken), wurde das Untersuchungsprogramm auf die Analyse von Schwermetallen (As, Cd, Pb, Zn, Cr) erweitert. Diese Untersuchung brachte folgendes Ergebnis: Bei Arsen wurde der Öko-Tex-Standard 100-Grenzwert bei allen 48 untersuchten Proben eingehalten. Kadmium lag in zwei (4 %), Blei in einem Produkt (2 %) über dem Öko-Tex-Standard 100-Grenzwert. Nur in 9 Proben (19 %) lag der Zinkgehalt unter der Bestimmungsgrenze von 0,8 mg/kg. Der Großteil der Produkte wies Zinkgehalte von 0,8 mg/kg bis 10 mg/kg auf. 8 Produkte wiesen Gehalte zwischen 10 und 510 mg/kg auf. 90 % der Proben wiesen Chromgehalte auf, die über dem Öko-Tex-Standard 100-Grenzwert von 2 mg/kg lagen. 7 Proben (15 %) wiesen Chromgehalte über 100 mg/kg auf (Spitzenwert 157 mg/kg).

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17.9.4

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Untersuchung von Lacken in Hinblick auf die Einhaltung der Kadmiumverordnung und auf die Übereinstimmung mit den Kriterien des Umweltzeichen 01

35 Produkte (Klarlacke, flüssige Spezialbeizen, Grundierungen, Markierungssprays etc.) wurden auf den Gehalt an Kadmium, Blei und Chrom geprüft. Diese Untersuchungen sollten Hinweise auf die Umsetzung der Kadmiumverordnung bei den im Handel angebotenen Produkten und Informationen betreffend Schwermetallgehalte in den derzeit verwendeten Farbpigmenten liefern. Neben der Regelung in der Kadmiumverordnung (BGBl. 1993/855), den Kadmiumgehalt in Farben und Lacken betreffend, sind in der Richtlinie zur Vergabe des Umweltzeichens 01 Begrenzungen für die Metalle Kadmium, Blei und Chrom vorgesehen. Da in der Richtlinie Prüfmethoden und Nachweisgrenzen vorgeschlagen werden, wurden die Untersuchungen zu Vergleichszwecken gemäß dieser vorgegebenen Methoden durchgeführt. Bei allen untersuchten Produkten wurde der sowohl in der Kadmiumverordnung als auch in der Richtlinie vorgegebene Grenzwert von 0,01 Massenprozent eingehalten. Bei den Parametern Chrom und Blei erfüllten 33 von 35 Produkten die Anforderungen der Richtlinie, obwohl sie nicht mit dem Umweltzeichen versehen waren.

17.10 Umweltchemikalien mit hormoneller Wirkung 17.10.1 Einleitung Chemikalien mit Wirkungen auf das Hormonsystem werden auch als Xeno-Hormone, Pseudo-Hormone, oder allgemein als Umwelthormone bezeichnet. Im englischsprachigen Raum haben sich die Begriffe Endocrine Disrupters, Endocrine Disrupting Chemicals (EDCs), Endocrine Disrupting Substances (EDS) oder Endocrine Modulators durchgesetzt. Besondere Aufmerksamkeit gilt derzeit jenen Stoffen, die vergleichbare Wirkungen wie Östrogene im Organismus von Mensch und Tier hervorrufen. Diese Stoffe werden als Xenoöstrogene bezeichnet. Zu beachten ist, dass die östrogene Wirkung dieser Substanzen um bis zu 100.000fach geringer sein kann als das im Menschen vorkommende Östrogen 17ß-Estradiol, und dass die natürliche Hintergrundbelastung in der Umwelt weitgehend unbekannt ist. Viele der Stoffe, für die eine östrogene Wirkung bekannt oder zumindest wahrscheinlich ist, sind lipophil und persistent, haben also eine hohe Tendenz, sich in Organismen bzw. Umweltkompartimenten anzureichern. Als weitere Problematik kommt hinzu, dass es zu einer additiven bzw. synergistischen Wirkung verschiedener östrogener oder endokrin wirksamer Substanzen kommen kann. Die aquatische Umwelt ist nach dem derzeitigen Wissensstand besonders gefährdet. Schon bei geringsten Konzentrationen von Xeno-Östrogenen kann es zu Verweiblichungserscheinungen bei Fischen und anderen aquatischen Organismen kommen. Eine Risikoabschätzung für den aquatischen Bereich wird insbesondere dadurch erschwert, da aquatische Organismen meistens einer Fülle verschiedenster Fremdstoffe ausgesetzt sind, die auf allen Ebenen des hormonellen Systems eingreifen und so möglicherweise Störungen der hormonellen Koordination bewirken. Neben den aquatischen Organismen sind vor allem jene Lebewesen gegenüber den Wirkungen von Xeno-Hormonen exponiert, die am Ende von Nahrungsketten stehen, also auch der Mensch. Als weiteres Problem ist zu bedenken, dass Störungen von hormonellen Regulationsmechanismen bei Mensch und Tier sich möglicherweise erst in den nächsten Generationen nachteilig auswirken.

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17.10.2 Substanzen mit vermuteter endokriner (hormoneller) Wirkung Im Auftrag der Europäischen Kommission DG ENV erstellte das Institut BKH Consulting Engineers (Holland) die Studie “Towards the establishment of a priority list of substances for further evaluation of their role in endocrine disruption“. Die Liste umfasst 147 Substanzen, vor allem Industriechemikalien und Pestizide, die das Potenzial haben, hormonelle Regulationsmechanismen zu beeinflussen. Einige dieser Substanzen stehen im Verdacht, Fruchtbarkeitsstörungen bei Mensch und Tier zu verursachen. Auch werden sie in Zusammenhang mit menschlichen Krebserkrankungen und Entwicklungsstörungen gebracht. Als gemeinsame Ursache wird die vorgeburtliche Exposition gegenüber diesen Substanzen diskutiert. Die ursprüngliche Liste wurde von 147 auf 66 Substanzen eingeschränkt. Ob diese Auswahl, im Hinblick auf eine mögliche Gefährdung von Mensch und Umwelt repräsentativ ist, wird in der EU derzeit noch diskutiert. In Tabelle 5 sind chemische Substanzen zusammengefasst, die in Verdacht stehen, das hormonelle System von Mensch und Tier zu beeinflussen. Tab. 5: Auswahl von Substanzen mit endokriner Wirkung. Stoffe mit östrogener Wirkung

1

Stoffe mit antiöstrogener Wirkung

Phytoöstrogene (natürliche Stoffe in Pflanzen)

Butin, Citral, Coumestrol, Daidzein, Formononetin, Genistein, Luteolin, Naringenin, Panoferol, Quercetin, Tetrahydrocannabiol, ß-Sitosterol

Mykoöstrogene (natürliche Stoffe in Pilzen)

Zearalenon

Pestizide

Aldrin, Alachlor, Atrazin, Chlordan, 2,4-Dichlorphenol, Dicophol, DDT, Dieldrin, Endosulfan, Heptachlor, Hexachlorcyclohexan (Lindan), Hexachlorbenzol (HCB), Chlordecon (Kepon), Methoxychlor, Mirex, Phosmet, Toxaphen

Industriechemikalien

Alkylphenole (4-Nonylphenol, 4-tert.-Octylphenol), Alkylphenolethoxylate (APEO), Benzophenon, Bis-(2-ethylhexyl) adipat (DEHA), Bisphenol A, Butylbenzol, t-Butylhydroxyanisol, 4Nitrotoluol, Styrol, Phenolrot, Phthalate (BBP, DBP, DEHP), Polychlorierte Biphenyle, Polychlorierte Hydroxybiphenyle

Pharmazeutika

17α-Ethinylöstradiol

Naturstoffe

Indol-3-carbinol, Indol-[3,2-b]-carbazol

Industriechemikalien

Polychlorierte Biphenyle (einige Kongenere) Polychlorierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane (PCDD/PCDF; einige Kongenere) Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK)

Stoffe mit androgener 2 Wirkung

Tributylzinn (TBT), Tetrabutylzinn (TTBT), Tri-n-propylzinn, Triphenylzinn (TPT)

Stoffe mit antiandrogener Wirkung

p,p’-DDT, 3,4-Dichloranilin, Linuron, Vinclozilin

Stoffe mit thyreoider bzw. antithyreoider 3 Wirkung

Amitrol, Maneb, Nitrofen, PCB’s, Polybromierte Biphenyle (PBBs), Thiram, Zineb, Ziram

1

Östrogen = weibliches Keimdrüsenhormon

2

Androgen = männliches Keimdrüsenhormon

3

Thyreoide und antithyreoide Wirkung = stimulierende bzw. hemmende Wirkung auf die Funktion der Schilddrüse

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Von den zahlreichen Fremdstoffen in unserer Umwelt sind derzeit folgende Substanzgruppen besonders in Diskussion, Störungen des Hormonsystems bei Mensch und Tier zu verursachen: • Pflanzenschutzmittel wie z. B. DDT, Lindan, Atrazin, Maneb und deren Abbauprodukte können durch deren landwirtschaftlichen Gebrauch in das Grundwasser bzw. in Oberflächengewässer und letztendlich in unser Trinkwasser gelangen. • Industriechemikalien wie z. B. Alkylphenolethoxylate (Tenside mit vielfacher Anwendung in der Industrie), einige Phthalate (chemischer Weichmacher in Kunststoffen), Bisphenol A (Ausgangsmaterial für bestimmte Kunststoffe), werden in Kläranlagen nicht oder nur unzureichend abgebaut und gelangen so über das Abwasser in Oberflächengewässer. Auch via Klärschlamm ist ein Eintrag derartiger Substanzen in die Umwelt denkbar. • Hormonell wirksame Metaboliten von Arzneimitteln, wie künstliche Sexualhormone (z. B. Ethinylöstradiol als Bestandteil der Antibabypille), gelangen über menschliche Ausscheidungen in Kläranlagen und werden hier nur unzureichend abgebaut. Durch die Abwässer von Kläranlagen gelangen sie in Oberflächengewässer und könnten dort möglicherweise aquatische Organismen in ihrer Entwicklung und Fortpflanzung gefährden. • Phytoöstrogene, wie ß-Sitosterol, entstehen aus Holzbestandteilen bei der Holzverarbeitung und können im Abwasser in hohen Konzentrationen vorkommen. Auch ein Eintrag der Phytoöstrogene Coumestrol, Daidzein und Genistein durch häusliche und industrielle Abwässer ist denkbar.

17.10.3 Bisherige Aktivitäten des BMLFUW und des UBA Seit dem Jahr 1995 beschäftigen sich beide Institutionen intensiv mit diesem Thema. Die Ergebnisse dieser Forschungsaktivitäten, Umweltexpositionsuntersuchungen und Tagungen wurden in zahlreichen Publikationen (vgl. Anhang) veröffentlicht: Im Auftrag des BMLFUW wurde vom Österreichischen Ökologie-Institut (Wien) eine Studie durchgeführt, welche Umwelthormone bezüglich Anwendung, Menge und Emissionen in Österreich von Bedeutung sind. Als besonders wichtige Stoffgruppen wurden Phthalate, Alkylphenole und Alkylphenolethoxylate in dieser Studie genannt. Weiters wurden noch Butylhydroxyanisol, einige Pestizide, natürliche Östrogene und Ethinylöstradiol (Arzneimittelbestandteil) als relevant eingestuft. Vom Institut für Angewandte Mikrobiologie (BOKU, Wien) wurde mit Unterstützung des BMLFUW ein Hefe-Zell-Testsystem entwickelt, das zum Nachweis von natürlichen Östrogenen, Xeno- und Phytoöstrogenen geeignet ist. Dieser Test wird zur Bioindikation im Projekt ARCEM (vgl. Kap. 17.10.4) eingesetzt. Zwei Forschungsvorhaben (Phthalate, Octyl- und Nonylphenole in Süßwasserfischen österreichischer Herkunft), ebenfalls mit Unterstützung des BMLFUW, wurden vom Institut für Bio- und Lebensmittelchemie (TU Graz) durchgeführt. In den untersuchten 180 Fischproben (Muskelgewebe) konnten in ca. 39 % der Proben Phthalate nachgewiesen werden. In allen 120 Proben, die auf Alkylphenole untersucht wurden, war 4-Nonylphenol (techn.) nachweisbar. 4-tert.-Octylphenol hingegen wurde nicht gefunden. Die Aufnahme von Phthalaten und Alkylphenolen durch den Konsum von österreichischen Süßwasserfischen ist, gemäß den Autoren dieser Studie, als sehr gering zu bezeichnen. Bei ersten, bundesweiten Untersuchungen des Umweltbundesamtes in Zu- und Abläufen von 17 Kläranlagen (davon 3 industrieller Herkunft) waren Alkylphenole (4-Nonylphenol (techn.), 4-tert.-Octylphenol, 4-tert.-Butylphenol), Alkylphenolethoxylate (NP1EO, NP2EO), Bisphenol A, Butylhydroxyanisol und Phthalate häufig nachweisbar, während Polychlorierte Biphenyle (PCB) nicht und Organozinnverbindungen (Tributylzinn) nur vereinzelt im Ablaufwasser der Kläranlagen detektiert werden konnten. Im Klärschlamm – wie noch nicht veröffentlichte Daten des Umweltbundesamtes zeigen – waren vor allem Alkylphenolethoxylate (NP1EO, NP2EO), Alkylphenole (4-Nonylphenol (techn.), 4-tert.-Octylphenol, 4-tert.-Butylphenol), Bisphenol A, Di-(2-ethylhexyl)-phthalat sowie Organozinnverbindungen (MonobutylSn-Kation, Dibutyl-Sn-Kation) bestimmbar.

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Weiters wurden seitens des Umweltbundesamtes in fünfzehn österreichischen Fließgewässern Stichproben gezogen und auf östrogen und androgen aktive Substanzen untersucht. Die in Kläranlagenabläufen gefundenen hormonell aktiven Substanzen konnten auch in Fließgewässern, allerdings in weit geringeren Konzentrationen, nachgewiesen werden. PCB- Verbindungen waren nicht, Butylhydroxyanisol nur punktuell nachweisbar.

17.10.4 ARCEM (Austrian Research Cooperation on Endocrine Modulators) Das Projekt ist ein gemeinsames Forschungsvorhaben folgender Institutionen: • Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, • Technische Universität Wien, • Universität für Bodenkultur, • Universität Wien, • Umweltbundesamt Wien, • Veterinärmedizinische Universität Wien. Finanziert wird das Projekt vom BMLFUW, von den Ländern sowie der Österr. Kommunalkredit. Da in Österreich nur punktuell Daten über die Kontamination mit Xenoöstrogenen vorliegen, sind für eine umfassende Expositionsanalyse und Risikoabschätzung die wichtigsten potenziellen Emittenten genauer zu untersuchen und auch die natürliche Hintergrundbelastung zu erfassen. Wichtige Emittenten sind kommunale und industrielle Kläranlagen sowie Klärschlamm, der auf landwirtschaftliche Nutzflächen ausgebracht wird. Es ist bekannt, dass viele der östrogenen Substanzen nicht oder nur ungenügend abgebaut werden. Einige dürften auch im Klärschlamm angereichert werden. Die für die Untersuchungen im Projekt ARCEM ausgewählten Xenoöstrogene umfassen Stammsubstanzen und deren Abbauprodukte, die als Industriechemikalien [Alkylphenole (4-OP, 4-NP), Nonylphenolethoxylate (NP1EO, NP2EO) sowie die Nonylphenoxyessigsäuren (NP1EC, NP2EC) und Bisphenol A] bzw. über menschliche Ausscheidungen [natürliche (17β-Östradiol, Östriol, Östron) und synthetische Östrogene (17α-Ethinylöstradiol)] in ökotoxikologisch relevanten Mengen in kommunale Kläranlagen und aus diesen in die aquatische Umwelt gelangen können. Übergeordnete Zielsetzung dieses Projektes ist es, für die ausgewählten Xenohormone Grundlagen zur Abschätzung des Gefährdungspotenzials für Lebensgemeinschaften in Gewässern und für den Menschen (Risikoabschätzung) sowie zur Festlegung von Problemlösungsstrategien (Risikomanagement) zu erarbeiten. Mit der Einbeziehung von Fischen und Amphibien in das Untersuchungsprogramm wird über deren Bedeutung als Bioindikatoren hinaus dem hohen ökologischen Stellenwert dieser Wirbeltierklassen Rechnung getragen. Fischen kommt weiters als Nahrungsmittel für den Menschen direkte Bedeutung zu. Das Forschungsmodul „Risikomanagement“ schließt das im Wasserkreislauf für den Menschen lebenswichtigste Medium Trinkwasser in das Gesamtkonzept der Untersuchungen mit ein. Im gegenständlichen Projekt werden die ausgewählten Xenoöstrogene auf unterschiedlichen Komplexitätsstufen mit folgenden methodischen Ansätzen behandelt: a) der chemischen Analytik zum qualitativen und quantitativen Nachweis der Prüfsubstanzen in ausgewählten Fließgewässern und Grundwässern, b) der Bioindikation zum qualitativen Nachweis der Prüfsubstanzen und zur Beschreibung ihrer substanz- und konzentrationsspezifischen Wirkungen in ausgewählten Organismen, c) der Verfahrenstechnologie und der Stoffstromanalyse einerseits zum qualitativen und quantitativen Nachweis anlagenspezifischer Anreicherungs-, Umwandlungs- und Abbauprozesse, andererseits zur Erfassung produktions- und verteilungsspezifischer Mengenbilanzen der Prüfsubstanzen, sowie d) der Risikoabschätzung zur Beschreibung des Ausmaßes und der Wahrscheinlichkeit des Auftretens von durch die Prüfsubstanzen verursachten, unerwünschten bzw. schädlichen Wirkungen. UKB 6 (2001)

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Die Ergebnisse von ARCEM lassen durch die methodisch breite und interdisziplinäre Konzeption für die zur Untersuchung vorgesehenen Xenoöstrogene ökotoxikologisch und umweltmedizinisch relevante, wissenschaftlich neue Ergebnisse zur Risikoabschätzung in den Bereichen Expositions- und Wirkungsanalyse sowie zum Risikomanagement in den Bereichen Kläranlagen- und TrinkwasseraufbereitungsVerfahren erwarten.

17.10.5 Zusammenfassung Die internationalen Forschungsaktivitäten auf diesem Gebiet sind derzeit vielfältig. International laufen Aktivitäten und Forschungsprogramme z. B. bei der Europäischen Union, der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD), der Society of Environmental Toxicology and Chemistry (SETAC)-Europe, der Environmental Protection Agency (EPA) der USA, in Japan (Japan Chemical Industry Association) und bei weiteren Verbänden der chemischen Industrie. Wichtige nationale Entscheidungsgrundlagen für Maßnahmen zur Abwendung und Minimierung von Umweltgefährdungen durch endokrin wirksame Schadstoffe werden vom Forschungsprojekt ARCEM erwartet. Die EU (DG ENV) plant im Jahre 2001 eine Prioritätenliste zu veröffentlichen. Diese Liste wird einen ersten und wichtigen Schritt für EU-Maßnahmen im Bereich der Risikoabschätzung von Xeno-Hormonen darstellen. Die Gültigkeit der bisherigen Risikoabschätzungskonzepte (z. B. Dosis ohne nachteilige Effekte = NOEC) für gefährliche Fremdstoffe wäre im Bereich der Xeno-Hormone kritisch zu hinterfragen. Insbesondere deswegen, da diese für eine Bewertung von Einzelstoffen ausgelegt sind und Kombinationseffekte von Xeno-Hormonen, Langzeitwirkungen auf die Reproduktion bzw. auf die Entwicklung nachfolgender Generationen nur unzureichend erfasst werden. Auch in der Kenntnis der Wirkungsmechanismen und bezüglich der von endokrin wirksamen Stoffen verursachten Störungen hormoneller Regulationsmechanismen bestehen noch große Wissenslücken. Unter Einbeziehung des Vorsorgeprinzips sollten möglichst rasch nationale und internationale Regelungen getroffen werden, die eine Verwendungsbeschränkung oder ein Verbot für alle jene Fremdstoffe aussprechen, die das komplexe hormonelle System von Organismen beeinflussen und schädlich auf die Fortpflanzung bzw. Entwicklung von Mensch und Tier wirken können. Anhang BMUJF – Band 18 (1997): Phthalate in Süßwasserfischen österreichischer Herkunft. BMUJF – Band 44 (1998): Ökologische Relevanz von hormonell wirksamen Substanzen in Österreich. BMUJF – Band 9 (1999): Alternatives Testsystem für endokrine Umweltmodulatoren. BMUJF – Band 21 (1999): Proceedings of the joint conference: Endocrine Disrupters – How to Address the Challenge. BMLFUW (in Publikation): Oktyl- und Nonylphenole in Süßwasserfischen österreichischer Herkunft. UMWELTBUNDESAMT (Hrsg., 1996): Umweltchemikalien mit hormoneller Wirkung – Eine Standortbestimmung für Österreich. Conference Papers, CP-19. Wien. UMWELTBUNDESAMT (Hrsg., 1998): Abwasseruntersuchungen auf östrogen wirksame Substanzen: Pilotstudie HKA Wien. Bericht, BE-141. Wien UMWELTBUNDESAMT (Hrsg., 1998): Nonylphenole in der Umwelt. Übersicht und erste Analysenergebnisse. Bericht, BE-121. Wien UMWELTBUNDESAMT (Hrsg., 1999): Hormonell wirksame Substanzen in Fließgewässern. Bericht. BE-150. Wien. UMWELTBUNDESAMT (Hrsg., 1999): Hormonell wirksame Substanzen im Zu- und Ablauf von Kläranlagen. Bericht, BE-151. Wien UMWELTBUNDESAMT (Hrsg., 2000): Abwasser- und Klärschlammuntersuchungen in der Pilotkläranlage der EbS. Monographie, M-121. Wien UMWELTBUNDESAMT (Hsrg.): Hormonell wirksame Substanzen in Klärschlamm. Bericht, (in Publikation). Umweltbundesamt/Federal Environment Agency – Austria

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17.11 Chemikalieninformation und Registerführung Durch die bereits andernorts genannten Aufgaben wie Anmeldung und Bewertung werden zwangsläufig umfangreiche Datensammlungen aufgebaut.

17.11.1 Anfragebeantwortung Der Großteil der gewünschten Informationen entfiel auf folgende Bereiche: Beantwortung allgemeiner Fragen zum Chemikaliengesetz und den zugehörigen Verordnungen, zu EUVerordnungen und Richtlinien, Auskünfte über Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen und Zubereitungen sowie die Bearbeitung von Anfragen zur Anmeldepflicht bestimmter Stoffe und Stoffgruppen (z. B. Auskünfte zum Europäischen Altstoffverzeichnis EINECS); Anforderungen von Stoffdossiers zu derzeit 2.604 Stoffen aus der nicht vertraulichen Version der Europäischen Altstoffdatenbank IUCLID (gegen Entgelt) (vgl. Kap. 17.5). Die genannten Auskünfte wurden mehrheitlich von Firmen gewünscht, für die das Chemikaliengesetz Wirksamkeit erlangte (Anmeldepflicht als Hersteller oder Importeur, Einstufungs- und Kennzeichnungspflicht etc.). Angaben, die ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis darstellen, sind als vertraulich zu behandeln, soweit es sich dabei um Firmenangaben, um die in Verkehr gesetzten Mengen oder Einzelergebnisse der eingereichten Prüfungsunterlagen handelt. Die Übermittlung von personenbezogenen Daten – also Daten zu einzelnen Geschäftsfällen – darf gemäß § 55 Abs. 4 ChemG 1996 nur an Dienststellen des Bundes und der Länder sowie an Prüfstellen (sofern sie diese Daten in Vollziehung des Chemikaliengesetzes benötigen), an Ärzte in Ausübung der Heilkunde und an ausländische Behörden zur Abwehr konkreter Gefährdungen für Mensch und Umwelt erfolgen. Die erwähnten, an der Vollziehung des ChemG beteiligten Stellen werden neben der Beantwortung von Anfragen aller Art zu Chemikalien, insbesondere betreffend Anmeldeverfahren (Vorgangsweise, Art und Umfang der einzureichenden Unterlagen etc.), Einstufung von Alt- und Neustoffen sowie sonstigen Angaben im Chemikalienregister, regelmäßig über neu angemeldete Stoffe informiert. Ebenso werden im Anlassfall Recherchen zu ausgewählten Stoffen durchgeführt.

17.11.2 Informationsbereitstellung Das Umweltbundesamt stellt die jeweils aktuellen Fassungen diverser Unterlagen der Europäischen Kommission sowie sonstige Hilfsmittel bereit: • Österreichische Stoffliste Das Umweltbundesamt stellt den Anhang I der Richtlinie 67/548/EWG (Liste der in der EU eingestuften Stoffe mit den vorgeschriebenen Kennzeichnungsangaben) als Monographie, die in regelmäßigen Abständen aktualisiert wird, zur Verfügung. • Leitfaden zur Anmeldung Neuer Stoffe • Arbeitsbehelf für Anmelder. • EINECS-Regeln Grundlagendokument für die Lösung von Auslegungsfragen zur Neustoffanmeldepflicht. • EINECS-Korrekturen Liste der korrigierten Eintragungen im Europäischen Altstoffverzeichnis. • No longer polymer-Liste Liste von Neustoffen, die auf Grund der Änderung der Polymerdefinition trotzdem nicht der Anmeldepflicht unterliegen.

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• HEDSET-Benutzerhandbuch zur Altstoffmeldung Arbeitsbehelf zur Durchführung von Meldungen gem. Ratsverordnung (EWG) 793/93. • Leitfaden zur Risikobewertung für Alt- und Neustoffe Arbeitsbehelf zur Erstellung von Risikobewertungen, mittlerweile auch als inoffizielle Veröffentlichung der Kommission erschienen.

17.11.3 Führung des Chemikalienregisters Das Chemikaliengesetz 1996 schreibt im § 54 die Verpflichtung zur Führung eines zentralen Registers fest. Diese Aufgabe wird von der Chemikalienanmeldestelle wahrgenommen. Es werden dort in der Datenbank IUCLID die gemäß der EU-Altstoffverordnung gemeldeten Altstoffe verwaltet, derzeit etwa 30.000 Datensätze zu mehr als 10.000 Substanzen. Weiters kann im Chemikalienregister auf die Daten aller in der EU angemeldeten Neustoffe zugegriffen werden. Mit Stand 31.01.2001 gab es knapp 10.000 Geschäftsfälle, etwa die Hälfte davon haben Datensätze aus EU-weiten Anmeldungen zum Inhalt. In diesen ca. 4.900 Geschäftsfällen sind Daten zu etwa 2.900 EU-Neustoffen vorhanden. Dieser Bestand wird wöchentlich aktualisiert. Damit ist die Anmeldestelle in der Lage, über den Gesamtbestand aller in der EU angemeldeten Chemikalien mit nur geringer zeitlicher Verzögerung Auskunft zu geben (z. B. bei Anfragen von Herstellern oder Importeuren, ob ein Stoff vor dem Inverkehrsetzen anzumelden ist bzw. ob auf die Prüfberichte einer bereits bestehenden Anmeldung Bezug genommen werden kann).

17.11.4 Sicherheitsdatenblattregister Mit dem Inkrafttreten der Chemikalienverordnung 1999 haben die für das Inverkehrsetzen einer als „gefährlich“ eingestuften Zubereitung Verantwortlichen ab dem 1. Jänner 2001 Sicherheitsdatenblätter an das Umweltbundesamt zu übermitteln. Dazu wird am Umweltbundesamt ein Sicherheitsdatenblattregister entwickelt. Das vorläufige Ziel ist, dass jedes gelieferte Sicherheitsdatenblatt über Firmen- und Produktnamen suchbar ist und elektronisch zur Verfügung steht. In einer späteren Phase sollen gemeinsam mit der Wirtschaft Möglichkeiten geschaffen werden, die Sicherheitsdatenblätter in einem strukturierten Datenformat elektronisch zu erhalten. Daraus könnte eine Datenbank mit sehr weitreichenden Nutzungs- und Auswertungsmöglichkeiten erstellt werden.

17.12 Die zukünftige Chemiepolitik der Europäischen Union Im Vorfeld des informellen Umweltministerrates in Chester, UK, im April 1998 konsolidierte sich auf Initiative Schwedens eine Gruppe von Mitgliedstaaten (Schweden, Finnland, Dänemark, Holland und Österreich), deren gemeinsames Anliegen es ist, die einzelnen stoffpolitischen Instrumente im Rechtsbestand der Europäischen Union in eine einheitliche Chemiepolitik zu gießen. Der Hintergrund dafür ist, dass die Instrumente zur Bewertung chemischer Stoffe und Produkte (insbesondere: Stoffrichtlinie 67/548, Zubereitungsrichtlinie 88/379, AltstoffVO 793/93) und zur Stoffbeschränkung 76/769 parallel zueinander agieren, und auch in den einzelnen Instrumenten eine konsistente chemiepolitische Leitlinie nur sehr schwach ausgeprägt ist. Ein Befund, den die Kommission selbst auch durch einen umfassenden Bericht über dieses Instrumentarium untermauert hat, wenngleich Abläufe in Einzelbereichen – etwa in der Neustoffanmeldung – durchaus modellhaft für die zukünftige Strategie sein können.

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Ein angestrebtes Resultat des lancierten Prozesses soll die Erstellung eines Rahmeninstruments für Chemiepolitik sein, welches sowohl eine effiziente Vernetzung bestehender Instrumente als auch eine konsistente, chemiepolitische Leitlinie auf Basis des Vorsorgeprinzips darstellt. Der Rat reagierte unmittelbar danach in ersten Schlussfolgerungen, worin die Kommission ersucht wird, konkrete Schritte zur Verknüpfung bestehender Elemente zur Stoffbewertung und zur Risikominimierung zu setzen und eine konsistente chemiepolitische Leitlinie zu erarbeiten. In dieser Aufforderung sind auch konkrete Zielvorgaben (Verankerung des Vorsorgeprinzips, Themenführerschaft der Umweltminister) enthalten. Der informelle Rat der Umweltminister (7.-9. Mai 1999, Weimar, D) befasste sich erneut mit der Gestaltung der zukünftigen Chemiepolitik. Österreich thematisierte insbesondere die Frage des Zugangs zu Produktinformationen und setzte sich für eine Straffung der Risikobewertung für Chemikalien unter klaren zeitlichen Vorgaben ein. Die bisher deutlichste Artikulierung des politischen Willens der EU-Mitgliedstaaten besteht in den Schlussfolgerungen des Rates vom Juni 1999: • Die Schlussfolgerungen sprechen die Schwächen des gegenwärtigen Instrumentariums gezielt an (Bestehendes Wissensdefizit, Kapazitätsengpässe vor allem im Europäischen Chemikalienbüro, Extremes Missverhältnis zwischen Anzahl geplanter Stoffbewertungen und Leistungsfähigkeit des Apparates). • Der Rat fordert von der zu erstellenden Chemicals Strategy der Kommission zusammenfassend: { Vorschläge zur Neustrukturierung des bestehenden Instrumentariums sowohl im Hinblick auf die ordnungspolitischen Instrumente als auch in institutioneller Hinsicht. {

Orientierung am Vorsorgeprinzip.

{

Umkehrung der Beweislast in Richtung der Produzenten und gewerblichen Verwender.

Der Rat gibt in den Schlussfolgerungen die Leitlinien vor, an denen sich die zukünftige chemiepolitische Strategie orientieren soll. Einen zentrales Anliegen Österreichs war es, in Zukunft die Gefahrenpotenziale von Chemikalien, also ihre inhärenten Eigenschaften (engl. “Hazard“), als Hauptkriterium für risikoreduzierende Maßnahmen heranzuziehen, anstatt von bestehenden Risiken ausgehen zu müssen. Dieser Ansatz wurde in den Schlussfolgerungen ausdrücklich als Vorgabe für zukünftige chemiepolitische Maßnahmen integriert. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigten aus Sicht Österreichs jedoch auch, dass die bestehenden Wissenslücken über Gefahren, die von Chemikalien für menschliche Gesundheit und Umwelt ausgehen können, nur dann in absehbarer Zeit zu füllen sein werden, wenn die Instrumente zur Risikobewertung innerhalb eines klar fixierten zeitlichen Rahmens ablaufen. Dem derzeitigen Procedere fehlen adäquate Konsequenzen, sollte nach einer fixierten Zeitspanne kein Resultat vorliegen. Auch dieser Haltung wurde in den Schlussfolgerungen durch die explizite Forderung nach klaren zeitlichen Vorgaben und nach Konsequenzen bei deren Nichteinhaltung entsprochen. Die Kommission legte im Februar 2001 in einem Weißbuch die zukünftige Strategie einer europäischen Chemiepolitik vor. Folgende drei konkrete Eckpfeiler ergeben sich aus heutiger Sicht: • Die bisherige Unterscheidung zwischen Stoffen, die erstmals auf den europäischen Markt gelangen („Neustoffe“) und solchen die bereits am Markt sind („Altstoffe“) wird fallen. Dies zieht eine wesentliche Umgestaltung des derzeitigen Instrumentariums zur Stoffanmeldung und Stoffbewertung sowie des Risikomangements nach sich. • In Abhängigkeit von den inhärenten Eigenschaften und dem Marktvolumen werden Stoffe in Hinkunft einem Anmelde-, Bewertungs- oder Zulassungsverfahren (“REACH“) unterzogen werden. • Dieses Instrumentarium soll im Prinzip sämtliche marktrelevanten Stoffe ab einer Tonne umfassen (Vollständigkeitsanspruch!) und bis zum Jahr 2012 30.000 Stoffe mit einbezogen haben. Die Kommission verfolgt sehr ambitioniert das Ziel, ein effizientes, am Vorsorgeprinzip orientiertes Instrumentarium zu schaffen, dessen konkrete Ausgestaltung gemeinsam mit dem Parlament und den Mitgliedstaaten unmittelbar im Anschluss an die Publikation des Weißbuches in Angriff genommen werden wird. Österreich wird diesen Prozess auch in Zukunft unterstützen. UKB 6 (2001)

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