Psychopharmaka, Neurologika 22. 7.

Dronabinol-Kapseln 2,5 mg / 5 mg / 10 mg (NRF 22.7.) Wirkstoff

1 Kapsel enthält 2,5 mg / 5 mg / 10 mg Dronabinol

Weitere Bestandteile

Hartfett, Palmitoylascorbinsäure (E 304), Hartgelatine-Steckkapselhüllen (enthalten Gelatine, Titandioxid und/oder andere zugelassene Farbmittel)

Darreichungsform

Hartkapseln

Standardabgabemenge 60 Stück (10 mg: 50 Stück)

Anwendung Unter anderem als Antiemetikum, Appetitstimulans oder Muskelrelaxans bei Multipler Sklerose in besonders begründeten Fällen.

Herstellung Hinweise:

• • • • • • •

Dronabinol unterliegt dem Betäubungsmittelrecht. Es handelt sich nicht um eine Kapselfüllung gemäß DAC-Anlage G; für die Befüllung werden eine Einmalspritze und eine kurze weitlumige Kanüle benötigt, s. „Pharmazeutische Erläuterungen“. Die Grundlage der Dronabinol-Kapseln wird separat nach der Vorschrift S.44. hergestellt. Sie kann vorrätig gehalten werden. Werden andere Stärken der Dronabinol-Kapseln benötigt, sind diese analog herzustellen. Kennzeichnung und Abgabemenge sind entsprechend anzupassen. Bei Dronabinol kann eine Einwaagekorrektur aufgrund der Arzneibuchspezifikation erforderlich sein, s. Allgemeine Hinweise I.2.1.1. Zur Herstellung kann statt Dronabinol auch ein geeignetes öliges Dronabinol-Konzentrat verwendet werden, sofern sich die Dichte und Viskosität der Zubereitung nicht wesentlich ändern. Zur Kompensation herstellungsbedingter Verluste ist ein Überschuss erforderlich, s. die Angaben unter „Pharmazeutische Erläuterungen“. Produktionszuschläge bis zu 10 Prozent lassen sich bei der Dokumentation nach BtMG ohne Weiteres als herstellungstechnisch notwendig begründen.

Hinsichtlich der Maßnahmen zum Gefahr- und Arbeitsschutz sind die geltenden Rechtsvorschriften zu beachten. Darüber hinaus wird empfohlen, die Handlungshilfen der Bundesapothekerkammer heranzuziehen.

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Bestandteile Eine Hartkapsel enthält: 2,5 mg Dronabinol (siehe Bezugsquellennachweis III.2.) . . . . . . . . . . Palmitoylascorbinsäurehaltiges Hartfett (Vorschrift S.44.) . . . Hartgelatine-Steckkapselhülle, Größe 1 . . . . . . . . . . . . . .

5 mg

10 mg

0,0025 g

...

0,005 g

...

0,010 g

zu 0,430 g

...

zu 0,430 g

...

zu 0,430 g

1 Stück

...

1 Stück

...

1 Stück

Packmittel S. Bezugsquellennachweis III.3. Flasche aus Braunglas (GL 28 oder PP 28) mit – kindergesicherter Schraubkappe (GL 28 oder PP 28) mit Druck-DrehMechanismus Vierkantflasche (GL 40) aus HDPE mit – kindergesicherter Schraubkappe (GL 40) mit Druck-Dreh-Mechanismus Kindergesichertes Kunststoffbehältnis 30 ml mit Druck-Dreh- oder Prellverschluss

• • •

Zubereitung 1.

In einer waagerecht justierten Kapselfüllmaschine werden die eingesetzten Hartgelatine-Steckkapselhüllen geöffnet, die fixierten Kapselunterteile freigelegt und zur Befüllung bereitgestellt.

2.

Dronabinol wird im Vorratsbehältnis im Trockenschrank bei 70 °C für etwa 5 min erwärmt. Inprozessprüfung: Der Wirkstoff muss flüssig und gut zu dosieren sein. Andernfalls ist das Vorratsbehältnis weiter zu erwärmen.

3.

In einem Becherglas wird etwas mehr Palmitoylascorbinsäurehaltiges Hartfett als für den Ansatz benötigt geschmolzen. Inprozessprüfung: Die Hartfettschmelze muss klar aussehen. Sie darf schwach gelb sein.

4.

Dronabinol und geschmolzenes Palmitoylascorbinsäurehaltiges Hartfett werden in ein zweites, mit Glasstab tariertes Becherglas gewogen. Das Dronabinol wird unter Rühren mit einem Glasstab gelöst. Inprozessprüfung: Die Fettschmelze muss klar aussehen. Sie darf schwach gelb sein. Am Boden des Becherglases und am Glasstab dürfen keine Dronabinolreste mehr zu sehen sein.

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5.

Die Fettschmelze wird bis zur Befüllung der letzten Kapseln warm gehalten bzw. bei Bedarf wieder erwärmt. Inprozessprüfung (gelegentlich zu wiederholen): Die Schmelze hat zwischen 35 und 45 °C.

6.

Die Fettschmelze wird über eine möglichst weitlumige Kanüle in eine Einmalspritze aufgezogen (siehe unter „Pharmazeutische Erläuterungen – Herstellungstechnik und Abfüllung“). Die Kapselunterteile werden unverzüglich befüllt. Inprozessprüfung: Das Kapselunterteil muss vollständig mit Fettschmelze befüllt sein. Die Flüssigkeitsoberfläche muss plan oder schwach nach innen gewölbt (konkav) sein.

7.

Die Spritze wird erneut befüllt, und die Füllung weiterer Kapseln wird so lange fortgesetzt, bis alle Kapselunterteile befüllt sind. Der beim Erkalten der Schmelze in den Kapseln entstehende Leerraum darf nicht weiter aufgefüllt werden. Inprozessprüfung: Im Becherglas darf nur ein kleiner Rest von etwa 1 ml Fettschmelze übrig bleiben. Die Fettschmelze muss in allen Kapselunterteilen gleichartig matt und opak aussehen. Ist sie glänzend und durchsichtig, sind die Kapseln vor dem Verschließen weiter abzukühlen, bis die Fettschmelze ausreichend erstarrt und opak aussieht.

8.

Nach Erstarrung der Fettschmelze in den Kapselunterteilen werden die Kapseln fest verschlossen. Eventuelle Fettmassenreste an der Kapseloberfläche werden mit einem Zellstofftuch entfernt. Inprozessprüfung: Die verschlossenen Kapseln müssen gleichmäßig aussehen. Auf der Kapseloberfläche dürfen keine Fettmassenreste zu erkennen sein. Die Gleichförmigkeit der Masse kann nach den Angaben unter „Herstellungstechnik und Abfüllung“ in den Pharmazeutischen Erläuterungen geprüft werden. Stufe 1: Die durchschnittliche Kapselfüllung darf nicht um mehr als 5 % vom Wert mK= 430 mg abweichen. Auch die Einzelabweichungen müssen begrenzt sein, sind sie zu groß, wird nach Stufe 2 an einem größeren Muster geprüft.

Abfüllung Die Kapseln werden unverzüglich nach der Herstellung abgefüllt.

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Kennzeichnung Auf dem Behältnis werden mindestens die Kennzeichnung gemäß Apothekenbetriebsordnung und Betäubungsmittelgesetz sowie Bezeichnung und Ziffer der NRF-Monographie angebracht. Folgende Angaben sind einzubeziehen:

• •

Individuelle Gebrauchsanweisung, z. B.: „...-mal täglich ... Kapsel(n) vor den Mahlzeiten einnehmen“ / „... Kapsel(n) 1 – 3 Stunden vor der Chemotherapie, dann alle ... Stunden ... Kapsel(n) einnehmen“ „Nicht mehr anwenden nach dem ...“ (Enddatum der Aufbrauchsfrist, s. Allgemeine Hinweise, Tabelle I.4.-3)

Information und Beratung Wirkung und Indikation Dronabinol (∆9-Tetrahydrocannabinol) ist das wichtigste der über 60 bekannten natürlichen Cannabinoide des Indischen Hanfs, Cannabis sativa L. ssp. indica (Lam.) Small et Cronq. (1 – 3). Für Dronabinol sind zahlreiche Wirkungen beschrieben, die zum Teil zu Diskussionen über deren möglichen therapeutischen Nutzen geführt haben (1 – 9). Dronabinol wird nach Einnahme nur langsam und zu einem hohen, aber unter anderem wegen seiner Säurelabilität und der Wechselwirkung mit Nahrungsbestandteilen schwankenden Anteil resorbiert (1, 2, 10). Das Plasmaspiegelmaximum tritt nach etwa 1 bis 6 Stunden auf. Die maximale Wirkungen nach Einnahme von Dronabinol tritt verzögert nach 2 bis 4 Stunden auf. Wegen des hohen hepatischen First-pass-Effekts liegt die Bioverfügbarkeit nur zwischen 10 und 20 Prozent (1, 10, 11). Dronabinol wird in der Leber durch mikrosomale Hydroxylierung und nichtmikrosomale Oxidation rasch metabolisiert. Primärer und im Vergleich zum Dronabinol mindestens gleich stark wirksamer Hauptmetabolit ist das 11-Hydroxy-∆9-Tetrahydrocannabinol, der weiter zu 11-Nor-∆9-Tetrahydrocannabinol-9-carbonsäure oxidiert wird. In den Phase-II-Reaktionen werden Konjugate mit Glucuronsäure, seltener Schwefelsäure und langkettigen Fettsäuren gebildet (10). Die Metaboliten werden überwiegend über die Faeces ausgeschieden, nur zu etwa 30 Prozent über den Urin. Unmetabolisiertes Dronabinol wird sehr wahrscheinlich tubulär vollständig rückresorbiert, biliär ausgeschiedenes Dronabinol und seine Metaboliten unterliegen einem ausgeprägten enterohepatischen Kreislauf. Nach der raschen Elimination von Dronabinol aus dem Blutkompartiment aufgrund der Verteilungsvorgänge und der schnellen Biotransformation in den ersten Stunden ist der bestimmende Schritt für die terminale Halbwertszeit die Elimination aus den tiefen Kompartimenten. Bei den widersprüchlichen und schwankenden Literaturangaben zwischen 1,5 Stunden bis in Ausnahmefäl-

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len 13 Tage ist von einer Eliminationshalbwertszeit von 1 bis 4 Tagen auszugehen (1, 2). Die Rolle von 11-Hydroxy-∆9-Tetrahydrocannabinol ist im pharmakologischen Profil der Dronabinol-Wirkung unklar. Die Wirkungen kommen jedoch nicht ausschließlich über aktive Metaboliten zustande. Sie werden über unterschiedliche Rezeptoren vermittelt. Neben den komplexen, psychotropen Effekten, die gleichzeitig sedierend und stimulierend sein können, werden als therapeutisch nutzbare Effekte für Cannabinoide unter anderem eine antiemetische und appetitsteigernde Wirkung beobachtet. Die muskelrelaxierenden und analgetischen Wirkungen bei Patienten mit Multipler Sklerose äußerte sich in der subjektiven Verbesserung der Spastik und der Schmerzen (1 – 4, 7 – 10, 12). Die analgetische Wirkung von Dronabinol beruht vermutlich auf einer Vielzahl von Wirkungen, welche die Gesamtsituation schmerzkranker Patienten verbessern (13, 14). Nach inhalativer und oraler Gabe tritt eine akute bronchodilatorische Wirkung auf. Bei oraler Gabe sind die psychischen Nebenwirkungen jedoch so stark ausgeprägt, dass sich die systemische Therapie bei der Indikation Asthma als ungeeignet erwiesen hat (1, 4). Das Gleiche gilt für die Senkung des Augeninnendruckes bei Glaukompatienten (1, 7). Für die meisten dieser Wirkungen treten Toleranzeffekte auf, die aber bei therapeutischen Dosen wenig relevant sind (2, 4). Hauptanwendungsgebiete für Dronabinol sind: Anorexie und Kachexie, insbesondere bei AIDS-Patienten, Übelkeit und Erbrechen im Zusammenhang mit Chemotherapie in der Krebsbehandlung, wenn mit herkömmlichen Antiemetika nicht adäquat behandelt werden kann, als Muskelrelaxans und Analgetikum bei zentralen, neuropathischen Schmerzen bei Multipler Sklerose.

• • •

Anwendung und Dosierung Die Dronabinol-Kapseln enthalten Dronabinol in den häufig verordneten Einzeldosen von 2,5 mg, 5 mg bzw. 10 mg. Die Kapseln müssen individuell und indikationsbezogen dosiert werden (3, 11, 14), sodass Dosisangaben nur orientierenden Charakter haben können: Als Appetitstimulans kann die zweimal tägliche Gabe von 2,5 mg Dronabinol ausreichen. Als Antiemetikum werden 5 bis 20 mg Dronabinol 1 – 3 h vor der Chemotherapie, dann alle 2 bis 4 h mit bis zu sechs Gaben pro Tag nach Ende der Chemotherapie eingenommen. als Muskelrelaxans und Analgetikum bei Multipler Sklerose werden Tagesdosen von 2,5 bis 10 mg Dronabinol bei zweimal täglicher Gabe genannt.

• • •

Die Begründung für die Empfehlung (11), Dronabinol möglichst vor den Mahlzeiten einzunehmen, ist vor dem Hintergrund einer schlechten Datenlage und

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bekannter starker Einflüsse der Nahrung (1) auf die Bioverfügbarkeit unsicher. Eventuell sollen die Säurelabilität des Dronabinol (1) oder vergleichbare Resorptionsbedingungen berücksichtigt werden. Fettreiche Mahlzeiten gelten als resorptionsverbessernd (1).

Unerwünschte Wirkungen und Anwendungsbeschränkungen Häufig auftretende Nebenwirkungen nach Einnahme sind (1, 3 – 6, 10, 11): Abdominalschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhöe, Schwindel, Euphorie, Nervosität, Benommenheit, Stimmungs- und Wahrnehmungsveränderungen, Tachykardie, Herzklopfen, orthostatische Hypotonie, Flush, allgemeine Schwäche.

• • • •

Die akute Toxizität von Dronabinol ist gering; eine tödliche Überdosis mit Cannabinoiden wurde beim Menschen bisher nicht eindeutig dokumentiert. Die Symptome der akuten leichten Cannabis-Intoxikation, wie Mundtrockenheit, Kältegefühl, Schwindel, Übelkeit und beschleunigter Puls, sind relativ unspezifisch (1). Diese Intoxikationserscheinungen nach Überdosierung klingen unbehandelt nach etwa 3 bis 6 Stunden wieder ab. Das Abhängigkeitspotential wird geringer eingestuft als von Cannabis (10). Entzugssymptome wurden bei der therapeutischen Anwendung von Dronabinol nicht beobachtet (4). Patienten sollten auf die Möglichkeit von Stimmungsschwankungen, -verstärkungen und Verhaltensänderungen hingewiesen werden (1). Als Folge der nach Einnahme bis zu 8 Stunden lang gestörten Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Informationsverarbeitung sind die Fahrtüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen deutlich beeinträchtigt (1, 11, 15). Wechselwirkungen des Dronabinol mit einer Vielzahl von Arzneistoffen sind nicht nur pharmakodynamisch bedingt, sondern auch im Zusammenhang mit dem Metabolismus wahrscheinlich, aber noch unzureichend untersucht (16). Die Anwendung bei Personen mit vorgeschädigtem Herz-Kreislauf-System, insbesondere mit koronarer Herzkrankheit und Angina-pectoris-Patienten, kann kontraindiziert sein. Da Dronabinol plazentagängig ist und sich in der Muttermilch anreichert, sollen Dronabinol-Kapseln 2,5 mg / 5 mg / 10 mg nicht in Schwangerschaft und Stillzeit angewendet werden. Aufgrund der noch nicht umfassend untersuchten gesundheitlichen Auswirkung der Cannabinoide sind Richtwerte zur Begrenzung des Tetrahydrocannabinol in hanfhaltigen Lebensmitteln empfohlen worden (17).

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Pharmazeutische Erläuterungen Chemische, physikalische und galenische Eigenschaften Dronabinol ist eine hellgelbe, bei Raumtemperatur ölige oder harzartige Masse. Es kann unmittelbar aus Drogenhanf gewonnen oder aus natürlichem Cannabidiol (halb)synthetisch hergestellt werden (11, 18). Dronabinol hat als phenolische Verbindung nur eine geringe Azidität (pKa: 10,6) und liegt als sehr lipophile Neutralverbindung (Octanol/Wasser-Verteilungskoeffizient: 6000 bei pH 7) vor (11). Dronabinol ist deshalb in Ethanol und fetten Ölen löslich, in Wasser aber praktisch unlöslich (18). Dronabinol-Kapseln 2,5 mg / 5 mg / 10 mg sind mit einer halbfesten Hartfettmasse gefüllte Hartgelatine-Steckkapseln. Das lipophile Dronabinol ist in gelöster Form enthalten. Das spezielle Hartfett, das in Palmitoylascorbinsäurehaltigem Hartfett (Vorschrift S.44.) enthalten ist, wäre als Grundlage gegossener Suppositorien ungeeignet, und es ist nicht die übliche „spröde Masse von wachsartiger Konsistenz“, wie im Arzneibuch angegeben. Da solche „Eigenschaften“ dort nicht Teil der verbindlichen Norm sind, entspricht das Hartfett mit seiner zwar hohen, aber streichfähigen Konsistenz trotzdem der Ph.-Eur.-Rahmenmonographie „Hartfett“. Es kann in Produkten für die Anwendung per os unbedenklich angewendet werden und ist z. B. unter der Produktbezeichnung Softisan® 378 erhältlich (19), siehe Bezugsquellennachweis III.2.

Herstellungstechnik und Abfüllung Dronabinol kann von der Beschaffenheit der Rezeptursubstanz her nicht ohne Weiteres als Pulvermischung mit einem Füllstoff verkapselt werden. Der niedrig dosierte Wirkstoff wird deshalb in einer flüssigen Fettschmelze gelöst in die Kapseln eingebracht, s. Allgemeine Hinweise I.9.3.3. Die Kapseln werden nach dem Erkalten und der Erstarrung des Füllgutes verschlossen. Vor Entnahme muss das Dronabinol im Vorratsbehältnis durch Erwärmung verflüssigt werden. Die harzige Masse lässt sich im kalten Zustand nicht aus dem Vorratsbehältnis entnehmen, ohne Fäden zu ziehen. Typischerweise reicht Erwärmung bei 70 °C für 5 min aus. Der Stempel der Vorratsspritze sollte vor dem Erwärmen etwas herausgezogen werden, um das Auslaufen bei Erwärmung zu verhindern. Die Lösung im geschmolzenen Hartfett sollte zur weiteren Verarbeitung warm gehalten werden, um die Gießfähigkeit zu erhalten. Bei der Erwärmung im Wasserbad ist es schwierig, Dronabinol bzw. den Ansatz vor Wasser und Wasserdampf zu schützen. Bei der Erwärmung in der Mikrowelle lässt sich die Erwärmung bei Kleinansätzen nur schlecht steuern und begrenzen. Um das Dronabinol nicht einer unnötig hohen Temperaturbelastung auszusetzen, wird das Palmitoylascorbinsäurehaltige Hartfett (Vorschrift S.44.) vor Zugabe zum Dronabinol geschmolzen. Hierzu sind hohe Temperaturen im Bereich Die „Allgemeinen Vorschriften“ zu Ph. Eur., DAB und DAC/NRF gelten für alle Monographien und sonstigen Texte.

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von etwa 70 °C erforderlich, wohingegen die klare Fettschmelze erst bei etwa 30 °C wieder erstarrt. Muss die Schmelze nach Lösung des Dronabinol nochmals erwärmt werden, ist die Temperatur zu kontrollieren. Um die Temperaturbelastung auch zeitlich zu begrenzen, soll die Befüllung ohne Unterbrechung zügig ausgeführt werden. Die volumetrische Abteilung braucht nicht mit einer im Hundert-MikroliterBereich genauen Dosierpipette (18) zu erfolgen: Einfacher, apothekengerecht und ausreichend genau ist die Dosierung – analog zum Gießverfahren bei der Suppositorienherstellung – unter Bezug auf das konstante Fassungsvolumen der Kapselschüssel. Die Unterteile von Hartgelatine-Steckkapseln der Größe 1 haben etwa das Füllvolumen VK = 500 μL. Bei einheitlicher Füllung der flüssigen Fettschmelze bis zu einer schwach konkaven Oberflächenwölbung am oberen Rand des Kapsel-Unterteils (Größe 1) wird für Palmitoylascorbinsäurehaltiges Hartfett (Vorschrift S.44.) als „Kalibrierwert“ einer Kapsel die Füllmasse mK 艑 430 mg gefunden. Dieser Wert steht unter Berücksichtigung der Oberflächenwölbung im Einklang mit der Dichte des geschmolzenen Hartfettes ρ(40 ºC) 艑 0,92 g/ml. Bei Bedarf lässt sich mK aber leicht in der Apotheke anhand der tatsächlich verwendeten Kapselhüllen und des eingesetzten Hartfettes überprüfen und ggf. korrigieren. Der Kalibrierwert kann ebenso wie die Masse des Inhalts der Kapseln nach einem vereinfachten Verfahren bestimmt werden; siehe unten. Die flüssige Schmelze lässt sich bei geeigneter Temperatur am leichtesten über eine kurze weitlumige Einmalkanüle (Bezugsquellennachweis III.3.) in die Einwegspritze aufziehen und mit der erforderlichen Sensibilität wieder herausdrücken. Die kleinvolumige 1-ml-Einwegspritze wird bei kleinen Rezepturansätzen u. a. zur Vermeidung größerer herstellungsbedingter Verluste empfohlen. Bei größeren Ansätzen ist auch die Herstellung mit größeren Spritzen oder der Spritztechnik mit Zäpfchengießflasche möglich, s. Allgemeine Hinweise I.12.3.1. Vorteilhaft ist bei dieser Methode, dass die Schmelze auf dem Wasserbad warm gehalten werden kann, ohne dass Wasser oder Wasserdampf in die Zubereitung gelangen kann. Da sich die Volumendosierung des Füllgutes an der flüssigen Schmelze orientiert, darf ein durch Volumenkontraktion bei der Erstarrung (20) entstehender Freiraum in den Kapselunterteilen keinesfalls nachträglich mit weiterer Fettschmelze aufgefüllt werden. Da je nach anzustrebender Einzeldosis die Dronabinol-Konzentrationen im Füllgut im Bereich von nur 0,5 bis 2,5 % (m/m) liegen, wird der Dichteunterschied zwischen Dronabinol und Hartfett vernachlässigt, um die jeweils erforderliche Hartfett-Mengen für die Ansätze zu bestimmen. Der Verdängungsfaktor wird quasi als f(Dronabinol/Hartfett) = 1 angesehen. Insofern besteht in der Rezepturformel für die Ansatzmasse keine Differenz zwischen den unterschiedlich konzentrierten Dronabinol-Kapseln. Auch erleichtert diese Vereinfachung

Beachten Sie den Hinweis auf „Allgemeine Monographien“ auf Seite B der Ph. Eur.

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die Herstellung analog zusammengesetzter Dronabinol-Kapseln in anderer, nicht monographierter Stärke. Die Masseeinheitlichkeit der so nach dem Volumen der Hartgelatine-Steckkapseln-Schüsseln dosierten Dronabinol-Kapseln 2,5 mg / 5 mg / 10 mg ist gut. Die Kapselmasse liegt in der Größenordnung von mDronabinol-Kapsel 艑 500 mg. Eine Fehldosierung beim Ansatz lässt sich an der Kapselmasse nicht erkennen. Jedoch kann die Inprozessprüfung auf Gleichförmigkeit der Masse als vereinfachter Test an den intakten Kapseln vorgenommen werden, weil Kapselhüllen aus demselben Gebinde annähernd gleich schwer sind. Ein einheitlicher Test für Rezepturen ist noch nicht etabliert. Die Kriterien sollen aber an der Arzneibuchprüfung 2.9.40 orientiert und bei kleinen Stichproben relativ streng sein. Bei Bestehen dieser Inprozessprüfung ist unter der Annahme homogener Wirkstoffverteilung in der Lösung und systematischer Dronabinol-Verluste unter 5 Prozent davon auszugehen, dass die hier unpraktikable Prüfung 2.9.40 (Ph. Eur.) hätte gehalten werden können. Da es sich bei der Schmelze um eine ölige Lösung handelt, ergibt sich – im Gegensatz zu den Verhältnissen bei suspendiert enthaltenen Arzneistoffen – keine Notwendigkeit zur Überprüfung der Gehaltseinheitlichkeit der Kapseln. Beim vorgeschlagenen zweistufigen Test wird der Aufwand zunächst durch eine kleine Stichprobe gering gehalten. Durchschnittsmasse der Kapselhüllen: Die Gesamtmasse von 20 Kapselhüllen der verwendeten Charge wird durch die Anzahl geteilt und dieser Wert als mittlere Masse der Kapselhüllen dokumentiert. Durchschittsmassen der Kapseln und des Kapselinhaltes: Die Gesamtmasse der Kapseln wird durch die Kapselanzahl geteilt und dieser Wert als Durchschnittskapselmasse festgehalten. Unter Abzug der mittleren Masse der Kapselhülle erhält man die durchschnittliche Kapselfüllung. Erste Teststufe: Die Masse der durchschnittlichen Kapselfüllung darf nicht um mehr als 5 Prozent vom „Kalibrierwert“ der Kapselfüllung mK = 430 mg abweichen (Kriterium 1). Mindestens zehn Kapseln werden zufällig ausgewählt und einzeln gewogen. Die prozentuale Abweichung vom „Kalibrierwert“ der Kapselfüllung mK = 430 mg wird jeweils einzeln ermittelt. Keine Kapsel darf um mehr als 20 % abweichen. Entspricht der Ansatz den Anforderungen, können die Kapseln abgepackt werden, andernfalls muss Teststufe 2 bestanden werden. Zweite Teststufe: Kriterium 1 gilt weiter. Weitere 20 Kapseln (bzw. alle restlichen) werden einzeln gewogen. Die aus allen einzeln gewogenen Kapseln errechnete relative Standardabweichung der Kapselfüllung darf nicht größer sein als 5 Prozent (Kriterium 2), und kein Kapselinhalt darf um mehr als 25 Prozent vom „Kalibrierwert“ der Kapselfüllung mK = 430 mg abweichen (Kriterium 3). Dronabinol-Kapseln 2,5 mg / 5 mg / 10 mg sollen kindergesichert verpackt werden (21). Neben den kindergesicherten Schraubkappen für Flaschen aus Braun-

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glas sind auch kindergesicherte Behältnisse aus Kunststoff geeignet, vgl. Bezugsquellennachweis III.3.

Konservierung Als wasserfreie Zubereitung sind Dronabinol-Kapseln 2,5 mg / 5 mg / 10 mg mikrobiell nicht anfällig.

Stabilität Dronabinol ist oxidationsempfindlich (1, 2, 22) und zeigt innerhalb weniger Monate in Zubereitungen nennenswerte Zersetzung. Wegen hoher Photoempfindlichkeit des Wirkstoffes (22) ist Lichtschutz außerordentlich wichtig. Da es sich bei dem als Füllstoff verwendeten Hartfett um ein Triglycerid gesättigter Fettsäuren der Kettenlängen C8–C18 handelt (19), ist ein prooxidativer Effekt auf das oxidationsempfindliche (22) Dronabinol weitgehend ausgeschlossen. Der Zusatz von Palmitoylascorbinsäure (E 304) als Antioxidanz verbessert die Stabilität der Dronabinol-Kapseln 2,5 mg / 5 mg / 10 mg. Eine vergleichbare Stabilitätsverbesserung kann man durch die Lagerung der Kapseln im Kühlschrank erzielen (23), allerdings ist die Aufbewahrung im Kühlschrank aus betäubungsmittelrechtlicher Sicht problematisch.

Historie Im Februar 1998 wurde Dronabinol in die Anlage 3 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) aufgenommen und ist seither verkehrsfähig und verschreibungsfähig. Durch Rezepturenherstellung in den Apotheken aus Dronabinol-Ausgangsstoff können bestimmte Schwierigkeiten und Verzögerungen beim Import entsprechender Fertigarzneimittel aus dem Ausland vermieden werden. Die Erforschung und Anwendung von Cannabis-Produkten wurde trotz kritischer Stimmen (9) vom Bundesgesundheitsministerium unterstützt (24). Dronabinol-Kapseln wurden 2001 im NRF monographiert. Mit der Überarbeitung 2012 wurde das Hartfett durch die Stammzubereitung Palmitoylascorbinsäurehaltiges Hartfett (Vorschrift S.44.) ersetzt. Die Stammzubereitung enthält Palmitoylascorbinsäure als Antioxidans zur Stabilisierung des oxidationsanfälligen Wirkstoffes.

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Literatur 1. Kleiber, D., Kovar, K.-A., Auswirkungen des Cannabiskonsums, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1998. 2. N. N., Monographie: Cannabis. In: von Bruchhausen, F., et al. (Hrsg.), Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis, Band 9, 5. Auflage, Springer Verlag, Berlin u. a. Orte 1994, S. 640 – 655. 3. Grotenhermen, F., Cannabis und Cannabinoide, Verlag Hans Huber, Bern 2001. 4. Grotenhermen, F., Hanf und Hanfprodukte in der Medizin, Internist. Prax. 39 (1999) 385 – 396. 5. Martin, B. R., Cone, E. J., Chemistry and pharmacology of cannabis. In: Kalant, H., Corrigall, W., Hall, W., Smart, R. G. (Hrsg.), The health effects of cannabis, Centre for Addiction and Mental Health, Toronto 1999, S. 19 – 68. 6. Beardsley, P. M., Kelly, T. H., Acute effects of cannabis on human behavior and central nervous System functions. In: Kalant, H., Corrgall, W., Hall, W., Smart, R. G. (Hrsg.), The health effects of cannabis, Centre for Addiction and Mental Health, Toronto 1999, S. 127 – 169. 7. Hartel, Ch. R., Therapeutic uses of cannabis and cannabinoids. In: Kalant, H., Corrigall, W., Hall, W., Smart, R. G. (Hrsg.), The health effects of cannabis, Centre for Addiction and Mental Health, Toronto 1999, S. 459 – 474. 8. Marxer, N., Cannabinoide – Gravierende Nebenwirkungen limitieren den Einsatz, Pharm. Ztg. 146 (2001) 2918 – 2919. 9. Rommelspacher, H., Cannabis. Als Arzneimittel nur von geringem therapeutischen Nutzen, Dt. Ärzteblatt 97 (2000) 2596 – 2598. 10. N. N., Monographie: Dronabinol. In: Sweetman, S. C. (Hrsg.), Martindale – The complete drug reference, 36th Edition, Pharmaceutical Press, London 2009, S. 1728 – 62. 11. Information der FDA zu Marinol®, www.fda.gov/ohrms/dockets/dockets/ 05n0479/05N-0479-emc0004-04.pdf. Lesedatum: 30. 4. 2012. 12. Mack, B., Cannabinoide zur Behandlung MS-bedingter Spastik, DAZ 144 (2004) 43 – 44. 13. Bruhn, C., Dronabinol – der Wirkstoff im Hanf, Dtsch. Apoth. Ztg. 142 (2002) 3057 – 3063. 14. Svendsen, K. B., Jensen, T. S., Bach, F. W., Does the cannabinoid dronabinol reduce central pain in multiple sclerosis? Randomised double blind placebo controlled crossover trial, BMJ 329 (2004) 253 – 257. 15. Täschner, K.-L., Drogen und Straßenverkehr, Dtsch. Apoth. Ztg. 134 (1994) 3299 – 3305. 16. Bielenberg, J., Wechselwirkungen zwischen Cannabis-Inhaltsstoffen und Arzneimitteln, PZ-Prisma 6 (1999) 42 – 47.

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Dronabinol-Kapseln 2,5 mg / 5 mg / 10 mg

17. Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz (BgVV), BgVV empfiehlt Richtwerte für THC (Tetrahydrocannabinol) in hanfhaltigen Lebensmitteln, Pressedienst-Information 07/2000 vom 16. 3. 2000, www.bfr.bund.de/ de/presseinformation/2000/07/bgvv_empfiehlt_richtwerte_fuer_thc__tetrahy drocannabinol__in_hanfhaltigen_lebensmitteln-884.html. Lesedatum: 27. 4. 2012. 18. Steup, C., Hartinger, J., Information zu Betäubungsmitteln für Apotheker und Ärzte – Dronabinol, Information der Firma THC Pharm GmbH, Frankfurt am Main, Stand 04/2012. 19. Sasol Germany GmbH, Witten, Produktinformation 17. 04. 2008, SOFTISAN® 378, www.warnergraham.com/images/Softisan378ProdInfo.pdf. Lesedatum: 3. 5. 2012. 20. Hüttenrauch, R., Möller, U., Einfluß von Tensiden auf die Struktur von Triglycerid-Suppositorienmassen, Pharmazie 41 (1986) 741. 21. Reimann, H., Eifler-Bollen, R., BtM-Rezepturen nur mit Kindersicherung, Pharm. Ztg. 145 (2000) 1184 – 1187. 22. Fairbairn, J. W, et al., The stability of cannabis and its preparations on storage, J. Pharm. Pharmacol. 28 (1976) 1 – 7. 23. Persönliche Mitteilung von THC-Pharma. 24. N. N., Drogenkonsumräume, Heroingestützte Behandlung und CannabisAnwendung, Dtsch. Apoth. Ztg. 139 (1999) 4615 – 4616.

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DAC/NRF 2012/1