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Zwischen Wacken und Hurricane

Abb. 1: Unscheinbar, gemessen am Inhalt: Backline & More Firmengebäude, dahinter ein Lager-Anbau

Die Backliner, Teil 6: Backline & More, Scheeßel Abb. 2: Rückkopplungs-Ch ef Christian Smukal Von Nicolay Ketterer. Fotos: N. Ketterer

Einer der größten Backline-Verleiher sitzt mitten im niedersächsischen Nirgendwo. Backline & More Chef Hans „Ossy“ Ostendorf hat als Tournee- und Produktionsleiter große Produktionen betreut, er ist seit 35 Jahren im Backline-Geschäft. Seine Firma bestückt die Bühnen beim Wacken- und beim Hurricane-Festival. Ostendorf erzählt, welche Geräte ihn im täglichen Dauereinsatz überzeugen und welche nicht. Er erklärt auch, warum 110-Volt-Geräte aus den USA mit normalen Spannungswandlern in Deutschland gefährlich leben. Die Kennzeichen seiner Firmenautos haben die Buchstabenkombination ROW-DY. „Das musste ich beim Händler damals teuer bezahlen, das erste hat mich vier Rolling-Stones-Karten gekostet“, lacht Hans „Ossy“ Ostendorf (Abb.3). „Rowdy“ beschreibt den 57Jährigen ganz gut – ein alter Hase, der gerne rockt. Kein Draufgänger, sondern einer, der den Überblick behält. Backline & More hat fünf Festangestellte, dazu er als Chef, seine Frau macht die Buchhaltung. Der Backline-Verleih sitzt in Scheeßel, einem kleinen Ort in Niedersachsen, scheinbar im Nichts, absorbiert von

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Abb. 2: Firmenlogo

Abb. 3: Seit 35 Jahren Backliner: Hans „Ossy“ Ostendorf

der Idylle. Vor Ort, in dem Haus mit der angeschlossenen Lagerhalle, korrigiert sich das Bild. „Vom Volumen und dem Warenbestand her haben wir das größte Lager in Deutschland“, sagt Ostendorf. Die Autobahnen sind gut zugänglich. „Wir sitzen in einem Dreieck, in dem wir sehr gut erreichbar sind und den Raum Bremen, Hannover, Hamburg gleichmäßig abdecken.“ Der Ort Scheeßel ist zumindest Festival-Besuchern ein Begriff; das Hurricane-Festival ist 500 Meter entfernt, natürlich machen sie dort die Backline. Die Festival-Besucher kommen vom 200 Meter entfernten Bahnhof direkt bei ihm vorbei, 20.000, 30.000 Menschen. Das Firmengelände ist während des Festivals eingezäunt. Wenn er Außenstehenden seinen Job erklären soll, zählt er Beispiele auf: „Deep Purple. Kein Mensch würde denken, dass die fremde Instrumente benutzen. Die haben selbst zwei eigene Instrumenten-Setups mit auf Tour. Die Tournee fängt in Australien an, geht in Asien weiter. Kurzfristig kommt ein zusätzlicher Gig in Europa. Das Material wird im Container auf dem Seeweg transportiert, weil Flugfrachten unglaublich teuer sind. Der Container aus Australien geht als nächstes nach Südamerika, der aus Asien nach Europa für die anschließende Europa-Tournee. Und für die Shows dazwischen, bis der Container eintrifft, da fehlt ihnen Material.“ Backline & More bestückt die Band dazu bei einer Veranstaltung in Deutschland. „Ich kenne die Jungs seit vielen Jahren, wir haben deren Material passend hier stehen.“ Das Drumset von Ian Paiste, die Engl-Amps von Steve Morse, die passende Hammond-Orgel. „Alles, was gefehlt hat, haben wir uns irgendwann angeschafft.“ Auch ohne Containertransporte entstehen ähnliche Szenarien, etwa bei Joe Cocker, einem weiteren Stammkunden: „Der LKW fährt von A nach B, aber es ist noch eine Show dazwischen, die streckenmäßig nicht zu schaffen ist.“ Auch werden manche Bands von vornherein zentral vom Backliner ausgestattet: „Die ganzen Casting-Bands, Künstler, für die eine Band zusammengestellt wird. Anstatt dass jeder Musiker in Plastiktüten sein Zeug aus dem Keller heranschafft und überall Transportkosten entstehen, bucht das Management eine Firma, die das Material samt Betreuung stellt.“

Abb. 4: Sein Werkzeugkasten als Gitarren-Techniker: die „Toolbox“ von Ostendorf, im Deckel ein analoger Strobe-Tuner aus den 1960er Jahren

Ostendorf ist seit 35 Jahren im Backline-Geschäft. „In den 1970ern habe ich bei den Scorpions als GitarrenTechniker angefangen.“ Bei „Tokyo Tapes Live“, dem Japan-Live-Album von 1977, wird er das erste Mal auf einer Platte erwähnt, erzählt er stolz. Dadurch entstanden Beziehungen, weitere Engagements. „Udo Lindenberg, dann kam 1978 Peter Maffay dazu.“ Irgendwann fragten Musiker, die auf Tour gingen, nach Leih-Instrumenten. „Ich habe dann auch mit der Industrie Kontakt aufgenommen, mich in Endorsement-Bestückung eingeklinkt.“ Im Verleih hat er insgesamt über 100 Drumsets, erzählt er, alle gängigen Marken und Typen. Zu den Seltenheiten zählen ein „Pork Pie“-Drumset in Purple und ein Yamaha „Maple Custom“, die alte Serie, die praktisch kein Verleiher in Deutschland hat, die aber viel nachgefragt wird. Dazu die üblichen Gitarren- und Bass-Standards, bei den Amps viele Marshall-Topteile, Mesa/Boogie, Fender und Randall. Gitarreneffekte sind kistenweise vorhanden, auch Exoten finden sich, wie etwa ein altes Roland „Chorus Echo“ oder das „Space Echo“. Im Büro stehen Türme von Ordnern, Ostendorf archiviert alles, auch die alten Rider der Bands. Seit 15 Jahren machen sie das Wacken Open Air mit allen Bühnen. „Das sind mit großen, kleinen und Nebenbühnen inzwischen acht bis neun Spielstätten.“ Jedes Jahr zwischen 70 und 90 Rider, die für das Festival abgearbeitet werden, erzählt er. Diverse WackenTrophäen stehen im Büro, an der Wand hängt eine Sammlung unzähliger Backstage-Pässe (Abb.5).

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viel mit eigenem Personal, einen geringeren Anteil an ‚Dry Hire‘-Jobs, wo wir nur Material herausgeben. Unsere Jungs haben einen sehr guten Ruf.“

Abb. 5: Büro-Impressionen

Ostendorf war auch mal Tourneeleiter bei Phil Collins und Genesis, Produktionsleiter bei großen OpernProduktionen, Luciano Pavarotti. „Damals haben wir angefangen, uns Notenpulte und Orchesterzubehör zuzulegen.“ Heute hat er über 200 Notenpulte im Verleih. „Ich kann mehrere Orchesterbestückungen parallel bedienen.“ Die Masse sei eines der Alleinstellungsmerkmale, die Kollegen haben nur 50, 60 Pulte, erzählt Ostendorf. Auch durch Kontakte kann er Alleinstellungsmerkmale bieten. Vor Ort haben sie einen Enthusiasten, der alte Ludwig-Sets sammelt. „Der hat zahlreiche wunderschön erhaltene Kits.“ Auf die hat Ostendorf Zugriff: Der Schlagzeuger von David Garrett wurde etwa aus dem Fundus bedient. Wie sie verhindern, dass das Sammler-Equipment durch rauen Umgang „On The Road“ Schaden erleidet? „Wir machen sehr

Abb. 7: Zuverlässig: Ampeg SVT Bass-Topteil aus US-Fertigung, in „echt“ …

Abb. 6: Langstreckenläufer: Die Mapex-Kessel überraschten Ostendorf, neben der Hardware des Herstellers, mit ungeahnter Robustheit

Ausbildung als Backliner? Ostendorf bildet selbst aus, Fachkräfte für Veranstaltungstechnik, die bei ihm Backline-Wissen vermittelt bekommen. Die prüfungsrelevanten Themen zu Tonund Lichttechnik erlernen sie bei Partnerfirmen. „In der Ausbildung ‚Fachkraft für Veranstaltungstechnik‘, die es seit vielen Jahren gibt, taucht der Begriff ‚Backline‘ überhaupt nicht auf.“ Auch beim Meister für Veranstaltungstechnik sei Backline-Technik nicht vorgesehen. „Man hat zwar die Möglichkeit, mal ein Drumset zu mikrofonieren, aber was damit zusammenhängt, ein Drumset aufzubauen oder ein Orchester zu versorgen, findet nicht statt.“ Seine Leute werden drei Jahre lang im Bereich Backline-Technik ausgebildet. „Die fangen als Praktikanten an, gehen dann im ersten Lehrjahr auf Veranstaltungen mit zum Zuschauen und Assistieren und sind in die Zusammenstellung und Auflösung von Produktionen eingebunden.“ Die Auszubildenden bekommen so mit, welche Technik es in den einzelnen Instrumenten-Bereichen überhaupt gibt. „Wie man mit alten Hammond-Orgeln und alten RhodesE-Pianos umgeht.“ Eine reguläre Fachkraft für Veranstaltungstechnik stünde auf der Suche nach dem Hauptschalter ratlos davor, meint er.

Haltbarkeit im Dauereinsatz

Abb. 8: … und als deutlich leichteres Dummy-Topteil für die Bühnen-Optik: „Ein Leergehäuse, aber die Lampe leuchtet.“

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Backline-Verleih bedeutet ein 24Stunden-Rennen für das Material. Seine Erfahrungen in den drei Jahrzehnten? „Markenartikel bieten meist

bessere Qualität und Lebensdauer als günstige Produkte.“ Es gibt auch Ausnahmen: Im Bereich Schlagzeug hat er diese Erfahrung bei Mapex-Hardware gemacht. „Wir waren sehr überrascht, wie gut und lange das Material von Mapex hält.“ Sie hätten Hardware, die seit über zehn Jahren im Einsatz ist und immer noch hervorragend funktioniert. Das Gleiche gilt auch für die ehemals günstigen Trommeln der Marke. „Meine alten Mapex-Sets sehen mittlerweile schon richtig gebraucht aus, aber klingen noch sehr gut. Die sind jedes Jahr in Wacken im Einsatz.“ (Abb.6) Ansonsten setzt er inzwischen auf bewährte Standards: „Bei Schlagzeug-Hardware kaufen wir generell nicht günstig, höchstens bei einzelnen Kleinigkeiten.“ Allein der Griff zur Marke schützt allerdings auch nicht: „Wir haben bei Ampeg schlechte Erfahrungen gemacht, als die Fabrikation nach Asien verlagert wurde. Die ersten Produkte von dort brauchten unzählige Überarbeitungen. Bei der dortigen Fertigung im Lötbad waren die Fähnchen um die einzelnen Lötpunkte viel zu klein, im Gegensatz zu den alten Ampeg SVT-Amps.“ Das Ergebnis: ständig kalte Lötstellen. „Nach jedem Wacken-Festival habe ich vier, fünf Ampeg-Amps in den Service bringen müssen.“ Dort wurden Bauteile ausgetauscht und Lötpunkte verstärkt, bis die Geräte roadtauglich waren. „Wir haben uns an den Kopf gefasst.“ Deshalb kaufe er heute eher einen gebrauchten amerikanischen Ampeg SVT als einen neuen aus asiatischer Fertigung. „Die alten Ampeg-Topteile sind unglaublich schwere Biester, aber unkaputtbar. Die kann man immer wieder auf die Bühne stellen, die kriegst du nicht klein!“ (Abb.7) Den Unterschied sähe man auch bei den Boxen: „Wenn man heute eine 8x10-Zoll-Ampeg-Box mit einer alten vergleicht, merkt man am Gewichtsunterschied von über 25 Kilogramm sofort, dass das nicht mehr das gleiche Holz sein kann und auch nicht die gleichen Speaker verbaut sein können.“ Die negative Marken-Erfahrung gilt auch für die asiatische Fertigung des Schlagzeug-Herstellers Premier: „Das schlimmste Beispiel sind deren HardwareStative: Da zieht man die Schrauben zwei Mal an, dann sind die Rohre verbeult und unbrauchbar.“ Auch bei Sendeanlagen gibt es problematische Kandidaten: „Die Line 6 Digitalsender sind nicht so zuverlässig, wie uns das die Firma gerne glauben macht.“ Er wird künftig lieber weiter in Sennheiser- und Shure-Systeme investieren. Aber auch bei vermeintlich unwichtigem Zubehör werden Unterschiede deutlich: Unter den Gitarrenständern bevorzugt er ein altes Tama-Modell, das es schon lange nicht mehr gibt. „Ein massiver Ständer, der mich damals 50 Mark gekostet hat.“ (Abb.9) Die Investition hat sich langfristig gelohnt: Die ältesten Ständer aus der Serie sind seit 25 Jahren bei ihm auf Tour, erzählt er, das spricht für deren Unverwüstlichkeit. „Die sind nicht kaputtzukriegen. Das ist ein massiver Gusssockel. Wenn mal die Halterung einer Gabel

durchgebrochen ist, hat man sie geschweißt, fertig. Heute gibt es ein ähnliches Modell von Ibanez, allerdings nur mit einem Leichtguss- statt eines Vollgusssockels.“ Er bot Tama an, 500 Stück bei einer Neuauflage sofort abzunehmen, bekam allerdings eine Absage. „Ich stehe auf diese Stative, das ist der einzige, bei dem auch die untere Gabel höhenverstellbar ist, was sich zum Beispiel für ‚Flying V‘-Modelle anbietet, die sonst am Boden aufliegen.“

Das 110-Volt-Problem Neben Regalen mit den Kabel- und Zubehör-Kisten stehen Transformatoren. „Das ist die 110-Volt-Abteilung!“ In der Nähe gibt es eine Trafo-Firma, dort hat er sich Sonderanfertigungen bauen lassen. Die Spannungswandlung für amerikanische Geräte birgt Risiken, die den Wenigsten bewusst sind: „Die Amerikaner kennen keine Phasendrehung, wie sie bei uns entsteht, wenn man den Stecker in der Steckdose dreht. Die amerikanischen Stecker mit ihren drei Kontakten sind so ausgeführt, dass man die gar nicht verkehrt herum einstecken kann.“ In Deutschland ist das Vertauschen kein Problem, weil die Geräte entsprechend verdrahtet sind, intern etwa mit Trenntrafos arbeiten, denen technisch egal ist, wo am Eingang Phase und Nullleiter anliegen. Ein Trenntrafo verarbeitet die Spannung so, dass sie an seinem Ausgang dort anliegt, wo sie anliegen soll. In Amerika besteht die Notwendigkeit, Phase und Nullleiter flexibel verarbeiten zu können, nicht. Dort arbeiten manche Geräte mit sogenannten „Spartrafos“, bei denen Phase und Nullleiter entsprechend dem Eingangssignal „weitergereicht“ werden. Bei falscher Polung liegen die Signale verkehrt im Gerät an. „Es ist schon vorgekommen, dass sich die Geräte in einem Gitarren-Rack nacheinander verabschiedet haben“, erzählt Ostendorf. Seine Sonderanfertigungen verhindern die Fehlbelegung am Aus- gang, sie arbeiten mit einem Kontroll-Relais: „Wenn die Phase am Eingang falsch anliegt, schaltet der Trafo nicht durch und eine Warnlampe leuchtet.“ Schuko-Stecker drehen und das Relais schaltet frei. Entsprechende Spannungswandler hat er sich auch für japanische Endgeräte bauen lassen, für 100 Volt Ausgangsspannung (Abb.10).

Klinkenstecker-Kontakte Ostendorf legt Wert auf mechanisch hochwertige Kabel: „Ich habe mal den Fehler gemacht, einen großen Schwung billige Kabel zu kaufen, da waren die Stecker – obwohl sie sich auf den ersten Blick nicht von guten unterschieden – wirklich Mist.“ Er zieht ein Exemplar hervor, ein Schulz-Kabel. „Der Stecker sieht aus wie ein vernünftiger Neutrik-Stecker, aber den vorderen Kontakt, die Klinkenspitze, kann man bei diesem Exemplar bereits drehen.“ Den Stecker müsse er auswechseln. „Die Spitzen sind nur genietet, im Gegensatz zu einem Neutrik-Stecker, wo der Kontakt durchgesteckt und geschraubt ist. Bei der genieteten Version entsteht relativ schnell ein Kontakt-

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stand hinten in der Garderobe, um die Bühnenlautstärke gering zu halten.“ Die Dummy-Boxen verpackt Ostendorf in Transporthüllen statt Cases, das spart Kosten und Arbeit beim Handling. Die Abdeckungen für die Boxen hat er sich irgendwann selbst anfertigen lassen, von einem befreundeten LKW-Planenmacher. „Von den Firmen bekommt man StandardPlastikhüllen, die sind schnell kaputt. Die LKW-Planen sind viel robuster, die halten ewig.“ (Abb.11)

Abb. 10: Sonderanfertigung: Spannungswandler, die bei Phasendrehung am Eingang warnen – hier die 100-Volt-Ausführung für japanische Endgeräte

Unter den Keyboards findet sich praktisch alles, was man sich wünschen könnte, ein ganzer Raum, in dem sich Case an Case reiht. Die Hammond-Orgel? „Die haben wir aus einer Scheune geholt. Baujahr 1958, sie stand früher beim NDR und war

Problem, man hat ein krachendes Kabel.“ Von der Firma bekam er die gewünschten Stecker kostenlos als Ersatz, erzählt Ostendorf. Er hat die Kabel von seinem Praktikanten umlöten lassen. Abb. 9: Unverwüstlich: alter Tama-Gitarrenständer mit schwerem Guss-Sockel und höhenverstellbarer unterer Gabel

Bühnen-„Dummies“

Zusätzlich zu normalen 4x12-Zoll-Boxen haben sie auch „Fernseh-Dummies“, etwa von Marshall und Randall. „Eine Band wie Edguy, die Vorgruppe von Deep Purple, die 24 Marshall-Boxen auf der Bühne stehen hat, setzt nur Dummies ein. Die richtigen Boxen, die sie spielen, stehen rechts und links an der Seite.“ Von Ampeg gibt es ebenfalls „Dummies“, sogar Topteile (Abb.8). „Ein Leergehäuse, aber die Lampe leuchtet.“ Das wurde für die früheren Ampeg-Endorser Styx gefertigt. „Die hatten eine Dummy-Ampeg-Wand, die wirkliche Anlage

Abb. 11: Eine der „Boxen-Wände“ im Lager: Unter den Abdeckplanen lagern Marshall-„Dummies“ (oben); Leer-Cases aus dem Case-Verleih (unten)

Abb. 12: Teil des Keyboard-Lagers

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Abb. 13: Scheunenfund: alte Hammond-Orgel der frühen James-Last-Aufnahmen Abb. 14: Rarität: Korg Vocoder mit Steuermikrofon

die erste James-Last-Orgel. Die ganzen frühen Aufnahmen sind damit gespielt worden.“ Das Instrument hat im Verleih echte Fans. „Leslie Mandoki liebt diese Orgel.“ (Abb.13) Alte Synthesizer-Raritäten hat Ostendorf auch, etwa einen Korg Vocoder mit originalem Steuermikrofon (Abb.14). „Das sind Schätzchen, von denen ich mich nie im Leben trennen würde“, erzählt er. Ein altes Rhythmusgerät und eine alte Philicorda-Orgel zeigt er lachend: „Und jetzt ist der alte Roland SH-101 wieder total in der Techno-Szene gefragt. Den haben die Leute früher weggeschmissen. Wir setzen den jedes Jahr beim ‚Fusion‘-Festival ein.“ Er hat gerade einen Digitalflügel angeschafft, lässt noch das Case dazu bauen. „Der geht dann mit David Garrett raus.“ Eigentlich überraschend, dass viele Musiker im Pop-Klassik-Bereich inzwischen auf echte Flügel verzichten. „Viele bestehen eigentlich darauf, aber die Produktionsleitung zieht finanziell die Reißleine. Wenn man auf einer Wintertournee einen Flügel im Lkw hat, der jeden Tag raus- und reingeschoben wird, mit Temperaturschwanken von +/-30 Grad, reißt der Rahmen irgendwann. Das macht kein Flügel lange mit. Dazu kommen die Kosten für einen Klavierstimmer, der mehrfach am Tag stimmen muss.“ Er erinnert sich: „Als ich früher mit Peter Alexander und Richard Claydermann unterwegs war, hatten wir Heizungen in den Cases; die Heizdecken waren fest eingebaut und wurden nachts über die Stromversorgung vom Lkw betrieben. Zusätzliche Batterien mussten her, damit die Temperatur am Flügel auf keinen Fall unter 20 Grad fiel.“

Case-Verleih Anfang der 1980er Jahre startete er mit einer ungewöhnlichen Idee: „Wir vermieten leere Cases.“ (Abb.11) Was zunächst wie eine Luftnummer klingt, macht bei näherer Betrachtung durchaus Sinn: „Jede Peter-Maffay-Tour bestücken wir mit 20 bis 40 Leercases für deren Zubehör, Westernhagen auch jedes Mal.“ In Produktionen gibt es viele Instrumente und Zubehör, die verpackt werden wollen, dafür werden aber ungern Cases gekauft.

Komplett eingelagert „Die ganzen Oldie-Bands reisen ohne schweres Gepäck an: Als Stamm-Band machen wir etwa Hot Chocolate mit 30 bis 35 Shows pro Jahr. Immer nur am Wochenende. Die Jungs haben nichts dabei, nicht mal eine Gitarre.“ Deren Material haben sie fest in einer Ecke eingelagert. Mit Kim Wilde, Living Colour, James Last, Tower Of Power, Tarja, Howard Carpendale und anderen machen sie das auch so. In der Lagerhalle sind unter dem Dach die erwähnten Ecken der Stamm-Künstler, dort lagert auch die Bühnendeko von Accept, verschiedene Garderobenkisten. „Wir vermieten auch Waschmaschinen und Trockner, zuletzt für die Tabaluga-Tour, für die Bühnenkleidung.“ Die passenden Cases gibt es dafür natürlich auch. Die Lagerhalle, der aktuelle Anbau, entstand erst vor drei Jahren. Er platzt bereits aus allen Nähten. Jetzt wird schon ganz konkret über die nächste Erweiterung nachgedacht – in Scheeßel, irgendwo im ■ Nirgendwo Niedersachsens.

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