Zum Begriff des Artefakts

Zum Begriff des Artefakts Merle Gerst Piranha Arts AG Kreuzbergstraße 30 10965 Berlin [email protected] Ronny Gey Hainstraße 11 04109 Leipz...
Author: Viktor Böhm
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Zum Begriff des Artefakts Merle Gerst Piranha Arts AG Kreuzbergstraße 30 10965 Berlin [email protected] Ronny Gey Hainstraße 11 04109 Leipzig [email protected] Kurzfassung: Der Begriff „Artefakt“ wird in diesem Kapitel näher untersucht und das Verständnis und die Verwendung im Rahmen des Projektes ART-e-FAKT werden erläutert. Das Konzept des Artefakts, welches der Projektarbeit zugrunde liegt, verbindet vermarktete Kulturgüter mit den sie beschreibenden Metadaten zu Einheiten, welche die Grundlage der Wirtschaftstätigkeit in der Kreativwirtschaft bilden. Vorannahmen bei der Entwicklung dieses Konzeptes sowie im Projekt vorgenommene Überlegungen und Untersuchungen werden in diesem Kapitel vorgestellt. Es werden Artefakte im Allgemeinen und musikalische Artefakte im Besonderen charakterisiert und unterschiedliche Artefakt-Typen anhand ihrer Eigenschaften identifiziert. Dabei wird die Bedeutung von Metadaten ebenso wie die Beschaffenheit der Beziehungen von Artefakten untereinander herausgestellt.

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Grundlagen des Artefakt-Konzepts

Motivation für das Forschungsprojekt ART-e-FAKT war der Wunsch, den Transfer von Metadaten in der von Medienbrüchen gekennzeichnete Marktlandschaft der Kreativwirtschaft zu verbessern. Um einen klaren und zugleich flexiblen Arbeitsbegriff für vermarktete Kulturgüter zu finden, die sehr verschieden geartetet sein können und untrennbar mit einem veränderlichen Set von Metadaten verknüpft sind, wurde das Konzept des „Artefakts“ entwickelt. Zu den Grundlagen der Projektarbeit gehörte es, dieses Konzept tiefer zu analysieren und deutlicher zu umreißen, Vorannahmen zu verifizieren und das Konzept auf seine Anwendbarkeit hin zu prüfen.

1.1 Wortherkunft und Bedeutung Der Begriff Artefakt setzt sich zusammen aus lat. arte „mit Geschick“ (zu ars „Bearbeitung“), und facere, „erzeugen, bewirken, machen“ und bezeichnet ein durch menschliches oder technisches Wirken geschaffenes Produkt oder Phänomen. Ein Artefakt ist im bildungssprachlichen Gebrauch, der etymologischen Bedeutung entsprechend, etwas von Menschen Geschaffenes, durch Kunst, Geschick oder Handwerk. Arbeit, Erzeugnis, Opus, Produkt, Werk oder Schöpfung sind geläufige Synonyme. Das allgemeine Verständnis des Begriffs steht also in enger Beziehung mit dem künstlerischen Werk und Kulturgut, ähnlich beispielsweise dem in der Archäologie, weist aber bereits über rein Gegenständliches hinaus. In verschiedenen Fachsprachen hat der Begriff Artefakt die Konnotation eines tendenziell störenden oder durch die jeweils angewendete Methode fehlerhaften oder unechten Ergebnisses oder Phänomens. So wird im medizinischen oder naturwissenschaftlichen Kontext eine selbstzugefügte Verletzung oder ein durch die Herstellung verfälschtes Präparat als Artefakt bezeichnet, im techniknahen Bereich ein fehler- oder verlustbehaftetes Ergebnis infolge einer Systemschwäche oder Störung. Diese Bedeutungsebenen spielten für das Verständnis des Begriffs im Projekt „ART-e-FAKT“ allerdings keine Rolle.

1.2 Verständnis und Verwendung des Begriffs im Forschungsprojekt Motivation für das Forschungsprojekt waren die gegenwärtigen Bedingungen der Vermarktung von Kulturgütern in der digitalen Welt, daher wurde von Anfang an deutlich eine marktwirtschaftliche Perspektive eingenommen. Die Vermarktung von Kulturgütern gestaltet sich äußerst komplex, da es sich sowohl um materielle als auch immaterielle Güter oder Dienstleistungen handeln kann, welche nicht zwangsläufig auf freien Märkten gehandelt werden und öffentlich oder gemeinnützig subventioniert sein können. Hinzu kommt der Schutz von Kulturgütern z.B. durch Urheber-, Design- oder Leistungsschutzrechte, und die daran gekoppelte Gesetzeslage z.B. hinsichtlich Aufführung und Bearbeitung, Aufnahme und Vervielfältigung, die besondere Vertriebskanäle unter Einschaltung von Verwertungsinstanzen notwendig macht. Grundvoraussetzung für eine effektive Geschäftstätigkeit der Kreativwirtschaft mit all ihren Teilbereichen und Akteuren ist die Beschreibung kreativer Werke mit Informationen, welche sie im Prozess der Wertschöpfung identifizierbar und den jeweiligen Rechteinhabern zuordnebar machen, sogenannten Metadaten. Für die Projektpartner galt es, für den Rahmen der Projektarbeit einen Begriff zu finden, der Kulturgüter einerseits als „Handelsware“ der Kreativwirtschaft beschreibt, dabei aber deutlich

macht, dass diese sehr unterschiedliche Formen annehmen kann. Auch sollte der Begriff die enge Kopplung der vermarkteten Kulturgüter mit beschreibenden Informationen zum Ausdruck bringen, welche ein komplexes Gefüge von Zusammenhängen repräsentieren, wie auch die Eigendynamik, die ein künstlerisches Werk durch seine Rezeptionsgeschichte entwickelt. Hier fiel die Wahl auf den Begriffs des Artefaktes, der für die Forschungspartner grundsätzlich durch den allgemeinen bildungssprachlichen Gebrauch für Kulturgüter bzw. künstlerische Werke geprägt war. Die Übertragbarkeit auf nicht-gegenständliche Kunstwerke wie Dichtung oder Musik wurde dabei vorausgesetzt.

1.3 Zum Projektnamen „ART-e-FAKT“ Mit der Namensgebung des Projektes „ART-e-FAKT“ sollte nicht nur zum Ausdruck gebracht werden, dass sich das Projekt mit den wie oben beschrieben verstandenen Artefakten beschäftigt. Die spielerische Schreibweise sollte weitere Bedeutungen und Aspekte der Projektarbeit spiegeln und auf das Ziel hindeuten, im Rahmen des Projekts technische Hilfsmittel für die Verwaltung von kreativwirtschaftlichen Artefakten zu entwickeln. So steht die Komponente „ART“ natürlich für Kunst und Kreativität, aber auch für die Kreativbranche, in der das Projekt angesiedelt ist, und „FAKT“ für die beschreibenden Informationen, die Metadaten. Das verbindende „e“ steht zum einen für „elektronisch“ (wie in „E-Mail“ oder „E-Business“), und soll die Verwendung und Entwicklung digitaler Werkzeuge im Rahmen des Projekts signalisieren, zum anderen gleicht es dem Wort für „und“ in verschiedenen romanischen Sprachen. So suggeriert der Projektname gesprochen die Bedeutung „Kunst und Information“ oder „Werk und Daten“.

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Vorüberlegungen zu Artefakten im Allgemeinen

Im Rahmen der Forschungsarbeit wurden Überlegungen zu gehandelten Kulturgütern im allgemeinen und musikalischen Kulturgütern im besonderen angestellt. Das vorgezeichnete Konzept des Artefaktes galt es im Rahmen des Forschungsprojektes näher zu analysieren, die Vorannahmen zu prüfen und gegebenenfalls zu verifizieren.

2.1 Vorannahmen Mit dem Begriff des „schöpferischen Aktes“ wurde von der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages versucht, den verbindenden Kern der sehr unterschiedlichen

Tätigkeiten der Kultur- und Kreativwirtschaft zu benennen, die sich in Form von kreativen Inhalten, Werken, Produkten, Produktionen oder Dienstleistungen manifestieren. „Schöpferische Akte“, egal ob literarisch, musisch, architektonisch oder in anderer weise kreativ, ob Unikat oder seriell, analog oder digital, können urheberrechtlich geschützt werden (Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, 2007). Ausgangspunkt für alle Überlegungen zu den wie weiter oben erläutert als Artefakte bezeichneten vermarkteten Kulturgüter im Rahmen von ART-e-FAKT war die Vorstellung, dass sie in der Regel durch eben solche „schöpferischen Akte“ entstehen. Weiterhin, dass sie als Gegenstand der wirtschaftlichen Tätigkeit der Kultur- und Kreativwirtschaft untrennbar mit beschreibenden Metadaten verknüpft sind. Erst durch diese Meta-Informationen werden Artefakte für diesen Wirtschaftszweig identifizierbar, zuordnebar, verwertbar. Kleinster gemeinsamer Nenner aller Artefakte wäre somit eine kreative Schöpfung durch einen oder mehrere Urheber, und die Information darüber, wer diese Urheber sind bzw. wer das Schutzrecht für die Schöpfung innehat. Es wurde ferner davon ausgegangen, dass ein Artefakt nach seiner Schöpfung einen Lebenszyklus durchläuft (vergleiche Kapitel 5), der durch Rezeption und Verwertung geformt wird. In seinem Verlauf werden Aktivitäten vorgenommen, die eine Anreicherung oder Veränderung der Metadaten bewirken. Eine weitere Vorannahme war, dass verschiedene Artefakttypen existieren, und dass grundlegend zwischen materiellen und immateriellen Artefakten unterschieden werden kann. Als materiell werden jene Artefakte bezeichnet, die eine Ausbreitung im dreidimensionalen Raum besitzen – Dinge, die der Mensch anfassen kann. Immateriell sind hingegen jene Artefakte, die nicht haptisch, sondern beispielsweise in Form von Ideen, Konzepten oder aber Dienstleistungen oder Darbietungen bestehen. Die Frage, wann ein Artefakt materiell oder immateriell ist, ist jedoch nicht immer leicht zu beantworten. Ob es sich beispielsweise bei einer Datei um ein materielles oder immaterielles Artefakt handelt, lässt sich diskutieren.

2.2 Metadaten Metadaten lassen sich auch als „Daten über Daten“ beschreiben. Gemeint sind strukturierte Daten, die eine Informationsquelle oder Ressource, eine Entität, ein Objekt oder andere Daten beschreiben oder lokalisieren. Sie dienen der Identifikation, der Nutzung, Kategorisierung oder Verwaltung. Verstand man im informationswissenschaftlichen und bibliothekarischen Kontext darunter zunächst Daten, die der Beschreibung von elektronischen Ressourcen dienen, wird der Begriff mittlerweile auch für Daten über nicht-elektronische Ressourcen verwendet. Die Trennung zwischen Metadaten und Ressource, Objekt- und Metaebene, gestaltet sich oft schwierig, und die Bezeichnung ist meist eine Frage des Standpunkts. Beispielsweise versteht der Käufer einer Musik-Datei eher die Aufnahme selbst als Daten, Titel und Interpret als Metadaten. Für den Musikverlag sind die für die Verwaltung der Aufnahme relevanten

Informationen wie Katalognummer oder Labelcode die Metadaten, während Titel und Interpret eher zur Objektebene gehören. Man kann verschiedene Arten von Metadaten unterscheiden: Deskriptiven Metadaten beschreiben und identifizieren eine Ressource. Im Fall eines musikalischen Artefaktes wären dies z.B. Titel, Urheber oder Interpret eines musikalischen Werkes. Strukturelle Metadaten beschreiben die Beziehungen zwischen Ressourcen oder die innere Struktur ihrer Komponenten. Bei einem musikalischen Artefakt könnte dies beispielsweise die Zugehörigkeit eines Tracks zu einem Album und die Track-Nummer sein. Administrative Metadaten dienen dazu, die Ressource bzw. das Artefakt zu verwalten. Dies umfasst vorwiegend technische Informationen und solche, die dem Dateimanagement dienen, wie z.B. der Barcode oder ISRC. Im der Projektarbeit zugrundeliegenden Konzept des Artefakts bilden die Metadaten und das Objekt, das sie beschreiben, grundsätzlich eine Einheit, obwohl die Zusammensetzung der jeweiligen Metadaten veränderlich ist.

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Analyse musikalischer Artefakte

Durch die Ausrichtung des Forschungsprojektes auf die Musikwirtschaft lag der Untersuchungsschwerpunkt auf musikalischen Artefakten, die Übertragbarkeit der entwickelten Konzepte auf andere Bereiche der Kreativwirtschaft wurde jedoch stets berücksichtigt. Ziel der Untersuchungen war es, ein möglichst umfassendes Bild dieser Artefakte, ihrer Beziehungen und Abhängigkeiten untereinander sowie von den im Zuge ihrer Verwaltung und Verwertung entstehenden und benötigten Metadaten zu zeichnen. Es sollten den grundlegenden Fragestellungen nachgegangen werden, was ein Artefakt charakterisiert, anhand welcher Kriterien sich Artefakte unterscheiden und gegebenenfalls kategorisieren lassen, und welche Rolle Metadaten dabei spielen. Die Untersuchungen überschnitten sich stark mit denen zum Artefaktlebenszyklus (Vergleiche Kapitel 5). Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sollten in erster Linie als theoretische Basis für die weitere Projektarbeit dienen. Eine allgemeingültige und abschließende Definition des Artefakt-Konzepts zu schaffen war nicht Ziel. Zunächst wurde ein Überblick darüber gewonnen, welche Artefakte in den verschiedenen Teilen der Musikbranche auf welche Art verwaltet und mit welchen Metadaten sie beschrieben werden, um Typen und Strukturen zu identifizieren. Hierfür wurden im ersten Schritt die in der Musikwirtschaft existierenden Akteure und Teilbranchen dokumentiert, die Verzweigungen der Wertschöpfungskette nachgezeichnet, Informations- und Finanzflüsse untersucht und Wechselbeziehungen und Abhängigkeiten herausgestellt. Nicht nur aktuelle Marktstudien wurden zu diesem Zweck wurden herangezogen, sondern auch Interviews mit zentralen Akteuren der Branche wie der GEMA, der GVL und dem VUT geführt, ebenso wie mit diversen Vertretern unabhängiger Plattenfirmen und Musikverlage aus dem Segment der Klein- und Kleinstunternehmen, das fast 100% der Musikwirtschaft ausmacht. Besonderes Augenmerk lag dabei auf dem jeweiligen Umgang mit Artefakten und den Metadaten, die zwischen den Akteuren ausgetauscht werden oder im Idealfall ausgetauscht werden sollten. Mögliche Artefakktypen wurden gesammelt und diskutiert, Bedarfe und Probleme in Zusammenhang mit dem Austausch von Metadaten aufgenommen.

Darüber hinaus wurden relevante Dokumente, Datenbanken und Abfragesysteme aus dem musikwirtschaftlichen Alltag auf ihre Metadatensysteme hin untersucht, beispielsweise Musterverträge, Meldeformulare, digitale Vertriebsplattformen, Gracenote, uva. Da die Piranha Arts AG als Plattenfirma, Musikverlag, Event-Veranstalter u.a. in diversen Bereichen der Musikwirtschaft aktiv ist, wurden zudem die Grundlagen des eigenen Tagesgeschäfts intensiv untersucht. Es wurde eine umfassende Dokumentation und Analyse von Geschäftsprozessen und Datenflüssen in den Bereichen Label und Verlag vorgenommen, und dabei anfallende Artefaktmetadaten wurden dokumentiert. Die Ergebnisse wurden in Workshops mit Branchenpartnern verglichen und verifiziert.

3.1 Allgemeine Charakteristika musikalischer Artefakte Die Musikwirtschaft setzt sich aus verschiedensten Berufsgruppen und Teilbereichen zusammen, die sich mit der Schöpfung, Interpretation, Darbietung, Verbreitung und Verwertung musikalischer Werke befassen. Angefangen bei Komponisten, Textdichtern und Produzenten, Musikern, Bühnenkünstlern und sonstigen Interpreten, die das musikalische Werk schaffen, interpretieren, arrangieren und aufführen, kommen die unterschiedlichen produzierenden und verbreitenden Unternehmen wie Plattenfirmen, Tonträgerhersteller, Musikverlage, Musikfachhändler, Agenturen, Rundfunk-, Fernseh-, Theater- und Konzertbetriebe und – veranstalter hinzu. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Berufsgruppen, die mit musikalischen Werken arbeiten oder sie kommerzialisieren, sowie enge Verbindungen zur digitalen Wirtschaft und Internetwirtschaft (BMWi 2012). Nicht zuletzt seien die Verwertungsgesellschaften genannt. Kennzeichnend für die Musikwirtschaft ist der Schutz der gehandelten Kulturgüter durch Urheber- und Leistungsschutzrechte. Entscheidend dafür ist die Tatsache, dass die Geschäftstätigkeit des Großteils der Branche auf der Dokumentation des musikalischen Werkes bzw. der Komposition in Form von Tonaufnahmen basiert. In der musikwirtschaftlichen Praxis ist daher einerseits die begriffliche Trennung zwischen Urheber und (ausübendem) Künstler bzw. Werkvermittler gängig und relevant (obwohl beides in einer Person vereint sein kann), andererseits zwischen Werk und Aufnahme. Auf den Filmbereich übertragen ließe sich dies mit dem Unterschied zwischen Idee und Drehbuch und der filmischen Umsetzung vergleichen. Ein musikalisches Werk kann im Zuge seiner Rezeption, Verbreitung und Verwertung viele Formen annehmen, da es sich auf unterschiedliche Art nutzen, interpretieren und bearbeiten lässt. Diese Manifestationen sind die Handelsgüter der Musikwirtschaft, beispielsweise gedruckte Noten, Tonträger, Musikdateien oder Darbietungen, um nur einige zu nennen. Das musikalische Artefakt besteht folglich im Kern aus den Daten über das musikalische Werk (z.B. über die Konzeption des Werkes, etwa das Zusammenspiel von Melodie und Text, den Schöpfungszeitpunkt oder die Verortung in einem größeren Werk) und den Informationen über den oder die Urheber (z.B. den Komponisten und den Textdichter) bzw. Rechteinhaber (z.B. die

Erbberechtigten eines Urhebers, bevor sein Werk gemeinfrei wird). Die Aufnahme stellt für die Musikwirtschaft ein zweites, grundlegendes Artefakt dar, das zusätzlich zu diesem Kern über Informationen zur Beschaffenheit der Aufnahme (z.B. das Arrangement, die Musiker, die die Instrumente eingespielt haben und das Tonstudio) und die ausübenden Künstler (z.B. den PopStar, der den Song eingesungen hat) verfügt. Im Musikgeschäft spielen immaterielle Artefakte naturgemäß eine besondere Rolle. Zum einen, da es sich bei Musik an sich um ein nicht-körperliches, durch Töne ausgedrücktes Kulturgut handelt. Eine Melodie, Komposition oder ein Songtext ist zunächst immateriell; erst durch Aufnahme oder Niederschrift entsteht eine materielle Repräsentation – die Melodie oder die Worte an sich bleiben jedoch weiterhin immaterielle Artefakte. Zum anderen, weil die künstlerische Interpretationsleistung, also z.B. das Arrangement, die Aufführung oder Darbietung eines musikalischen Werkes ebenfalls immateriell ist, und letztendlich der Großteil der musikwirtschaftichen Aktivität auf der Verwertung von Urheber- und Leistungsschutzrechten durch Einräumung von Nutzungsrechten und Lizenzen basiert.

3.2 Beziehungen von Artefakten untereinander Sowohl die Beziehungen verschiedener Artefakte der Musikwirtschaft untereinander als auch diejenigen anderer Artefakte mit musikalischen Artefakten wurden untersucht, um Rückschlüsse auf gegenseitige Einflüsse oder Abhängigkeiten zu ziehen. Hierbei gab es vielfach Überschneidungen mit den Überlegungen zum Artefakt-Lebenszyklus. Die Metadaten eines Artefaktes sind kein statischer Datensatz, sondern es findet eine ständige Anreicherung statt (vergleiche Kapitel 5). Über ein musikalisches Werk existieren anfangs meist nur grundlegende Informationen über den oder die Urheber, oder das Jahr seiner Entstehung. Durch die Interpretation, Vermarktung und Verwaltung des Werkes kommen weitere hinzu, beispielsweise über Aufnahmen, Verlagsrechte, Aufführungen, Bearbeitungen. Mit dem Einspielen des Werks für die Aufnahme sind dies Informationen über die Instrumentalisierung, die beteiligten Musiker, den Produzenten, das Aufnahmestudio, usw. Mit jeder Form der Bearbeitung und Kombination mit anderen Artefakten (etwa mit weiteren Aufnahmen, Fotos, Grafiken und Texten zu einem Album) geht das Werk in einen neuen „Zustand“ über, und ein neues Artefakt entsteht. Zwischen Artefakten findet folglich häufig eine wechselseitige Beeinflussung statt. Wird z.B. eine Aufnahme mit anderen Aufnahmen zu einem Album gebündelt, gehört in der Folge die Verortung auf dem Album zu den Metadaten der Aufnahme und umgekehrt. Wird eine Aufnahme für einen Film lizenziert wird sie Teil des Films, der Film wiederum Teil der Historie der Aufnahme, was nicht selten einen Meilenstein in ihrer Rezeptionsgeschichte markiert. Es lassen sich anhand der Art der Kombination verschiedene Gruppen unterscheiden:

1) Das Werk in einer bestimmten Interpretation (z.B. Tonaufnahme, Arrangement) 2) Umsetzung einer Interpretation als Tonträger (physisch, digital) 3) Konzeptuelle Bündelung einer Interpretation mit anderen Artefakten (z.B. Album, Compilation, Musikvideo) 4) Weiterbearbeitung einer bestehenden Interpretation (z.B. Remix einer Aufnahme, Sampling von Teilen einer Aufnahme) Dabei ist nicht immer eindeutig, wo ein Artefakt anfängt und aufhört. Ein Musikvideo kombiniert beispielsweise ein musikalisches Werk mit einer Aufnahme, einem Drehbuch und einer Videoaufnahme und oft noch vielen weiteren Komponenten. Hier lässt sich kein einzelner Artefaktkern mehr benennen, das entstehende Artefakt basiert auf mehreren. Auch in anderen Fällen ist die Abgrenzung nicht eindeutig: Handelt es sich bei einem Album, das als Sonderedition mit einem Bonus-Lied oder aufwendigerer Verpackung und anderem Artwork produziert wird noch um das gleiche Artefakt? Oder bei der Neuauflage eines schon veröffentlichten Albums nach einem Re-Mastering? Ähnliche Fragen lassen sich auf andere, nicht-musikalische Artefakte übertragen.

3.3 Kategorisierung von Artefakten Ausgehend von der grundlegenden Unterscheidung zwischen materiell und immateriell wurden musikalische Artefakte im Projekt daraufhin untersucht, welche Eigenschaften sich identifizieren und welche Typen sich unterscheiden lassen. Durch die Fokussierung auf die Bereiche Tonträgerunternehmen und Musikverlagswesen orientierte man sich dabei zunächst an den in diesem Segment gehandelten Produkten, also den verschiedenen Verwertungsmodellen für Tonaufnahmen und Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte einerseits, Musikalien sowie Aufführungsrechte und mechanische Rechte andererseits. Wie bereits erläutert wird das musikalische Werk als grundlegendes Artefakt oder Artefakt-Kern verstanden. Davon ausgehend entstehen durch Nutzung und Bearbeitung des Werkes weitere Artefakte. Dies setzt in der Regel eine Kombination von mehreren kreativen Schöpfungen und Leistungen zu einem Gesamtwerk voraus. Eine für die Musikwirtschaft zentrale Kategorie von Artefakten ensteht bei der Verwertung in körperlicher Form durch die Vervielfältigung des Werkes auf Werkträgern, die physisch gelagert oder archiviert werden. Dies umfasst sowohl Tonträger wie CDs, Vinyl-Schallplatten oder Kassetten, als auch geschriebene oder gedruckte Noten. Eine besondere Gruppe stellen digitale Verwertungsmodelle wie Downloads oder Streaming-Dienste dar. Daten bzw. Dateien als Werkträger sind nicht materiell im eigentlichen Sinne, aufgrund der digitalen Lager- und Reproduzierbarkeit sind sie jedoch eher als eine Art der körperlichen Repräsentation einzustufen, als der immateriellen (im Vergleich etwa zu der Darbietung oder Rezitation eines Werkes aus dem Gedächtnis durch einen Interpreten).

Eine andere Kategorie stellen Bearbeitungen des Werkes oder der Aufnahme dar, bei denen Teile des ursprünglichen Artefaktes abgeändert oder Bruchstücke eines Artefaktes weiterverwendet bzw. zitiert werden. Für die Musikwirtschaft ist die Lizenzierung einer Bearbeitung oder Nutzung wenigstens nach dem deutschen Gesetz grundlegend. Aber natürlich entstehen neue Artefakte regelmäßig auch ohne Lizenzierung oder Genehmigung und finden ihren Weg in die Öffentlichkeit, beispielsweise bei der Verknüpfung eines privaten Videos mit einer Aufnahme auf YouTube, oder nicht genehmigte neue Abmischungen einer Aufnahme, die in Clubs gespielt oder übers Internet verbreitet werden. Der durch Tonträgerunternehmen und Musikverlage gegebene Orientierungsrahmen lässt sich jedoch nicht ohne weiteres auf alle Bereiche der Musikwirtschaft übertragen. Neben den für den Tonträgerbereich primär relevanten werden in der Musikwirtschaft auch andere Artefakte verwaltet, die sich weniger einfach fassen lassen. Eine umfassende Kategorisierung erwies sich aufgrund der Vielfältigkeit der Musikbranche als schwierig. Obwohl die verschiedenen Segmente stark ineinandergreifen liegt der Fokus doch jeweils auf unterschiedlichen Artefakten, sind andere Metadatenstrukturen relevant, und auch das Verständnis von Metadaten ändert sich je nach Perspektive. Beispielsweise können Künstler oder Bands mit ihrem Image, ihrer Bühnenidentität und den Meilensteinen ihrer Karriere ebenfalls als Artefakte betrachtet werden. Auch über sie werden Informationen gespeichert und ausgetauscht, sei es um Geld- und Informationsflüsse zu verwalten, oder um ihn als „Marke“ zu produzieren. Extremfälle wie fiktive oder virtuelle Künstler machen dieses Phänomen besonders anschaulich. Für den Live-Bereich stellt jeder einzelne Auftritt eines Künstlers ein Artefakt dar, jede Veranstaltung und eine Tour oder Spielsaison als Gesamtkonzeption erzeugt Metadaten, die gespeichert und verwaltet werden. Eine musikalische Darbietung kann wiederum aufgezeichnet werden, etwa zum Zweck einer Tonträgerproduktion oder für die Wiedergabe im Rundfunk/TV, und so zur Komponente eines anderen Artefaktes werden.

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Zusammenfassung

Das im Projekt ART-e-FAKT entwickelte Konzept des Artefaktes beruht auf dem allgemeinen Verständnis des Begriffs Artefakt als ein Menschen geschaffenes Kulturgut einerseits, und den durch „schöpferische Akte“ definierte Grundlage der Tätigkeiten von Kultur- und Kreativwirtschaft andererseits. Die Vermarktung von Kulturgütern, seien es kreative Inhalte, Produkte, Produktionen oder Dienstleistungen, ist allgemein, im Rahmen schutzrechtlichen Gesetzgebung und insbesondere in der digitalen Welt nur durch die Beschreibung mit Informationen möglich, welche sie identifizierbar und zuordnebar machen. Im Konzept des Artefakts, welches der Projektarbeit zugrundelag, bilden die Metadaten und das Objekt, das sie beschreiben, eine Einheit, wobei die jeweilige Zusammensetzung der Metadaten veränderlich ist. Im Rahmen des Projektes wurde untersucht, welche Metadaten für welche Arbeitsprozesse und Segmente der Musikwirtschaft relevant sind und welche Rückschlüsse sich

dadurch über die Beschaffenheit von musikalischen Artefakten und ihrer Beziehungen untereinander ziehen lassen. Im Ergebnis konnten Vorannahmen hinsichtlich des Artefakt-Konzeptes im Großen und Ganzen verifiziert, neue Erkenntnisse gewonnen und ein schärferes Bild des Artefakt-Begriffs gerzeichnet werden: Ein musikalisches Artefakt besteht in seinem Kern aus den Daten über ein musikalisches Werk und Informationen über den oder die Urheber bzw. Rechteinhaber. Im Zuge der Rezeption, Verbreitung, Verwaltung und Verwertung eines Artefaktes kommen weitere Metadaten hinzu. Durch eine Bearbeitung des ursprünglichen Artefaktes oder durch die Kombination mit anderen Artefakten entstehen neue Artefakte. Ein ein zweites, grundlegendes Artefakt für die Musikwirtschaft stellt neben dem Werk die Aufnahme dar, die zusätzlich zum Kern über Informationen zur Beschaffenheit der Aufnahme und die ausübenden Künstler verfügt. Es lassen sich anhand der Art der Kombination verschiedene Gruppen unterscheiden. Die Definition von Artefakktypen (Musikstücke, Kunstgegenstände, Textdokumente etc.) erwies sich als Herausforderung, da die Sicht auf ein Artefakt je nach Nutzer und seinem Informationsbedarf verschieden ist. Artefakte in der Musikwirtschaft lassen sich einerseits anhand der Art ihrer Manifestation (als physisches/digitales Produkt, als Darbietung, Künstleridentität usw.) unterteilen und andererseits durch die Kombination eines Artfakts mit anderen Artefakten, die zu einer Weiterentwicklung und wechselseitigen Beeinflussung führen kann. Eine umfassende und abschließende Betrachtung aller Segmente und möglichen Artefakte war während der Projektlaufzeit nicht zu leisten. Letztlich ist die Anwendbarkeit des Artefakt-Konzeptes auf alle kreativen Güter gegeben, die mit Metadaten beschrieben und in ihren jeweiligen Segmenten der Kreativwirtschaft gehandelt werden, wie Bücher, Filme, Texte oder Bilder. Aber auch Programmierleistungen gehören hinzu und werden urheberrechtlich geschützt. So entstanden im Verlauf des Projekts ART-e-FAKT schließlich selbst Artefakte: die Music Business Ontology ist ebenso als Artefakt anzusehen wie diverse Software-Anwendungen, die im Rahmen des Projekts entwickelt wurden.

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Literaturverzeichnis

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) (Hrsg.). Monitoring zu ausgewählten wirtschaftlichen Eckdaten der Kultur- und Kreativwirtschaft 2011. Langfassung. Berlin: BMWi, 2014. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) (Hrsg.). Monitoring zu ausgewählten wirtschaftlichen Eckdaten der Kultur- und Kreativwirtschaft 2011. Langfassung. Berlin: BMWi, 2012.

Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages. Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“. Berlin: Bundestagsdrucksache 16/7000, 2007.