Wohin geht der Pflanzenschutz? Obleutekonferenz 2014

Wohin geht der Pflanzenschutz? Obleutekonferenz 2014 Wozu Pflanzenschutz? Bedrohungen durch Unkräuter Krankheiten Schädlinge Kartoffelkäfer Unkräut...
Author: Sophie Dressler
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Wohin geht der Pflanzenschutz? Obleutekonferenz 2014

Wozu Pflanzenschutz? Bedrohungen durch Unkräuter Krankheiten Schädlinge Kartoffelkäfer

Unkräuter in Getreide

Botrytis an Weintrauben

Produktion ohne Pflanzenschutz Produktion ohne

Pflanzenschutz 30 %

Durch Tatsächliche Verluste 42 %

Pflanzenschutz

vermiedene Verluste 28 %

Auch heute gehen noch über 40 % der Ernte verloren

Gute alte Zeit?

Rübe Unkraut händisch: 80-160 Stunden/ha 50.000 ha = 4-8 Mio. Stunden = 0,5-1 St./Österr.

Mechanisierung Moderne Geräte und Hilfsmittel Fortschritt in Technik und Forschung

Pflanzenschutz heute

Viele (Familien-)Arbeitskräfte Mühsame Handarbeit Hohe Ertrags- und Qualitätsverluste

Pflanzenschutz früher

Produktivität des Landwirtes Saat

Ernte Vor 1.000 Jahren

Heute

Ernährung im Wandel der Zeit Vitamin- und abwechslungsreich 1950

1920 1800

Einseitig und energiereich

Heute

Die Entwicklung der Weltbevölkerung Jedes Jahr nimmt die Weltbevölkerung um ca. 80 Mio. zu, jeden Tag um rund 220.000 Menschen, jede Sekunde um 2 bis 3.

Weltbevölkerung in Mrd.

Jahr

Wie viel Ackerfläche hat der Mensch zur Verfügung? Durch das Bevölkerungswachstum weltweit sinkt die verfügbare Ackerfläche pro Kopf

4000

m² pro Kopf

3500 3000

2500 2000 1500 1000 500

0 1965

1980

2000

2014

2025

1,5 Mrd. ha Ackerfläche weltweit

Erträge gestern und heute

Österreich

Steigende Nahrungsansprüche erfordern mehr Getreideanbau Benötigtes Getreide für 1 kg Fleisch

7 kg

3 kg

2 kg

Günstige Nahrungsmittel Ausgaben für Nahrungsmittel in % vom Haushaltseinkommen 100%

30%

Sonstiges

80%

60%

40%

20%

Restaurant, Hotel

13%

Freizeit, Kultur

15%

Verkehr

24%

Wohnen, Energie

17%

12%

Nahrung

1995

Heute

43% 26%

15%

0% 1950

1970

rechner.egz.at

rechner.egz.at

So viel bekommt der Landwirt – so viel bezahlt der Konsument Aus Kosten

Aus Kosten

1 kg Weizen

25 Semmeln

0,2 Euro

7 Euro

100 kg Braugerste

1.000 Krügel

20 Euro

3.000 Euro

Welcher Stoff ist das?

Quelle: Johann Kohl, Beratertagung BCS 2008

Stoffinhärente Eigenschaften von Alkohol

Quelle: Johann Kohl, Beratertagung BCS 2008

Giftigkeit früher

„Alle Ding' sind Gift und nichts ist ohn' Gift, allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“

P. A. Paracelsus (1493-1541) erkannte bereits den Zusammenhang zwischen Giftigkeit und der aufgenommenen Menge (Dosis) von Stoffen.

Giftigkeit heute Lippenstifte 15.000

Moderne Herbizide, Fungizide Nagellacke Shampoos Schaumbäder 500 Fleckenentferner Koffein Wunddesinfektion LD50

5

50

Parfum

Nikotin Alte Insektizide (E 605)

Farbstifte 5.000 Alkohol

Kochsalz

Moderne Insektizide

Wir können heute fast alles nachweisen Leistung der Rückstandsanalytik 1972-2008 mg/kg 0,5

0,5

0,4 0,3 0,2 0,001 = 1 milliardstel = 6 Menschen pro gesamte Menschheit

0,1 0,1 0,01

0,001 0,0001

0 1972

1982

1992

2002

2008

Natürliche Toxine Pflanzen produzieren von Natur aus Giftstoffe (Toxine) gegen Schädlinge und Pilze Täglich nehmen wir mit der Nahrung auf 0,09 mg Pflanzenschutzmittel 1.500 mg natürliche (in den Pflanzen vorkommende) Giftstoffe

Wer 70 Jahre lang ausschließlich Wasser trinkt, das 0,1 Mikrogramm Pflanzenschutzmittel enthält, hat am Ende eine Menge aufgenommen, die der Größe eines Salzkorns entspricht.

Obst ist gesund - Beispiel Himbeere • • • • • •

34 Aldehyde und Ketone 32 Alkohole 20 Ester 14 Säuren 3 Kohlenwasserstoffe 7 andere darunter Cumarin - verursacht Leberschäden

Die Himbeere hätte keine Aussicht auf lebensmittelrechtliche Zulassung, wenn man sie künstlich herstellen wollte.

Mykotoxine Giftige Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen, die auf Pflanzen wachsen. Laut FAO sind weltweit 25 % der Getreideprodukte mit Mykotoxinen belastet. Gegenmaßnahmen Fruchtfolge wendende Bodenbearbeitung gezielter Einsatz von Fungiziden

Gifte in der Natur Blauer Eisenhut

Eine der giftigsten Pflanzen Europas. Das Alkaloid Aconitin wirkt schon in einer Dosis von 5 mg (= 5 tausendstel Gramm) tödlich. 2-5 Blätter des Blauen Eisenhuts wirken tödlich, in geringen Konzentrationen wirkt das Gift schmerzstillend.

Gifte in der Natur

Eibe

Das Gift Taxin in den Nadeln der Eibe ist sehr giftig. Übelkeit, Schwindel, Herz- und Kreislaufstörungen, Leber- und Nierenschäden, Krampfanfälle, Tod.

Die stärksten Gifte kommen aus der Natur Name des Stoffes

Tödliche Dosis bei 50 kg Gewicht

Reiner Alkohol

150 g

Formaldehydlösung

10 g

Quecksilberchlorid

0,2 g

Arsenik (Arsentrioxid)

0,1 g

Nicotin (Zigarettenextrakt)

0,05 g (in 5 Zigaretten enthalten)

Zyankali (Kaliumcyanid)

0,05 g

Strychnin

0,02 g (Einsatz als Rattengift)

Amanitin (Knollenblätterpilz)

0,005 g = 5 mg (5 tausendstel Gramm)

Aconitin (Blauer Eisenhut)

0,004 g = 4 mg

Ricin (Eiweiß aus den Samen der Rizinusstaude)

0,0003 g = 0,3 mg

Dioxin

0,00006 g = 0,06 mg (60 millionstel Gramm)

Schlangengift der Kobra

0,000015 g = 0,015 mg (15 millionstel Gramm)

Botulinustoxin (Bakteriengift)

0,0000000015 g (= 1,5 milliardstel Gramm)

Giftwirkung natürlicher Lebensmittel • In 1 Tasse Kaffee sind mehr krebsauslösende Stoffe als potenziell krebsauslösende Pestizidrückstände in dem Essen, das ein Durchschnittsamerikaner in einem ganzen Jahr verzehrt • 1 Portion (Bio-)Brokkoli enthält 15.000-fache Referenzdosis des Giftes Dioxin. • 99,99% aller aufgenommenen Pestizide sind natürlichen Ursprungs • Kohl produziert zur Abwehr von Fraßfeinden 49 giftige Substanzen

Quelle: Profil 21.3.08

Einschätzung von Risiken

„Menschen, die sich auf ein Motorrad setzen, fürchten sich vor einer Tüte Pommes frites“ Buchautor Michael Mirsch

„Ich will keine Chemie!“

„Menschen unterschrieben in Deutschland gegen Dihydrogenmonoxid“ Buchautor Michael Mirsch Anmerkung : Das bedeutet H2O - Wasser

Pflanzenschutz in Europa

Amtlicher Pflanzenschutzdienst

28

So wenig wie möglich - so viel wie nötig

10.000 m² Flächenbehandlung 500 m² Reihenbehandlung 58 m² Saatgutbeizung

Landwirtschaft Integrierter Pflanzenbau ist die praktische Umsetzung der nachhaltigen Landwirtschaft. Betrachtet Ökonomie und Ökologie als gleichwertige Komponenten. Pflanzenbau: Anbauverfahren, Aussaat und Ernte, Technik/Zeit Standort: Bodentyp, Bodenstruktur, Klima/Wetter Saatgut, Sorten: standortspezifisch, resistent gegen Krankheiten, ertragreich

Fruchtfolge: Rotationsschema, Aussaat-/Pflanzdatum, Gesundungsfrüchte Düngung: organische Düngung, mineralischer Dünger Pflanzenschutz: mechanisch, biologisch, chemisch

Was bedeutet Pflanzenschutz? Pflanzenschutz: Der Landwirt setzt Maßnahmen zum Schutz der Pflanzen, wie z. B.: • Förderung natürlicher Gegenspieler • Düngung • wirtschaftliche Schadschwelle • Prognosesysteme • biologische Maßnahmen • chemische Maßnahmen • mechanische Maßnahmen

Was ist ein Pflanzenschutzmittel? Pflanzenschutzmittel enthalten eine oder mehrere chemische Substanzen. Sie sind wichtige Betriebsmittel in der modernen Landwirtschaft. Unterteilung in Familien (die wichtigsten) Herbizide

• beseitigen Unkräuter und Schadgräser

Fungizide

• bekämpfen Pilze, die Krankheiten verursachen

Insektizide

• bekämpfen schädliche Insekten

Rodentizide

• bekämpfen Ratten und Mäuse

Sind chemische Pflanzenschutzmittel wirklich notwendig? • • • • •

Befall durch Krankheiten und Schädlinge verhindern Unkrautkonkurrenz ausschalten Schutz unserer Kulturpflanzen ungestörtes Wachstum verhindern das Eindringen von unerwünschten Schadorganismen • Pflege unserer Kulturlandschaft

Blattläuse

Kamille in Getreide

Wurmige Äpfel

Kolbenfäule an Mais

Produktion ohne Pflanzenschutz •









Was ohne Pflanzenschutz passiert Kulturpflanzen werden durch Unkräuter, Schädlinge und Krankheiten beeinträchtigt. Landwirte können die geschädigten Produkte nicht vermarkten. Das Angebot an frischem Obst und Gemüse wird eingeschränkt, die Auswahl wird geringer, die Preise steigen. Wird weniger frisches Obst und Gemüse verzehrt, hat dies negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Verbraucher.

Produktion mit Pflanzenschutz Produktion ohne Pflanzenschutz

Sichere Produktion durch Pflanzenschutz •

o o o •



o •

o •

o •

Gesunde Nahrungs- und Futtermittel Rückstände unter gesetzlichen Limits Geringe Mykotoxinbelastung Keine unerwünschten Fremdstoffe Ausreichende Nahrungsmittelversorgung Sicherheit für Krisenzeiten Hohe Inlandsproduktion Schonung der Ressourcen Land, Wasser, Energie Schonung der Umwelt Nützlinge, Boden, Wasser Sicherheit für den Anwender (Landwirt)

Essen und Trinken - ein Leben lang 100.000 Mahlzeiten 3 Rinder, 10 Schweine, 2 Kälber, 2 Schafe, 350 Hühner, 2.000 Fische, 10.000 Eier, 1.000 Kilo Käse, 100 Säcke Erdäpfel, 80 Säcke Mehl und Zucker, 5.000 Brote, 6.000 Stück Butter, 750 Kilo Margarine, 425 Liter Speiseöl, 100 Torten und Kuchen 50.000 Liter Flüssigkeit

Chemie

Entwicklung eines Pflanzenschutzmittels Forschung

Synthese Optim.Synthese

Entwicklung

Prozess-Entw. Pilotproduktion

Sicherheit

Biologie

Formulierung Forschung

Formulierungsentwicklung / Optimierung Labor/ Gewächshaus Kleinparzellen-Versuche Feldversuche (Entwicklung) Registr. Versuche

Entwicklung

Akute , subchronische, chronische Toxizität Mutagenität, Karzinogenität,Teratogenität

Wirbeltiere

Toxizität f. Fische, Vögel, Mikroorganismen /Arthropoden

Umwelt

Erde / Wasser / Luft

Abbau Metabolismus

Methodenentwicklung; Analyse

Jahre

1

Substanzen

V e r Optimierung der Anwendung k a Offizielle Bewertung u der f Zulassungsunterlagen

Pflanzen, Tiere

Rückstände

Produktion Verkauf

2

3

4

5

6

140.000

Kosten:

7

8

9 1

200 Mio €

10

Betriebsmittel auf der Kippe Umsetzung der EU-Zulassungsverordnung 1107/2009 stellt Landwirtschaft vor größte Herausforderungen

top agrar, November 2013

Worum geht es bei der EU-Zulassungsverordnung (1107/2009)? EU-Verordnung 1107/2009 regelt die Zulassung und das Inverkehrbringen von Wirkstoffen und Pflanzenschutzmitteln Erklärte Ziele: Besserer Schutz für Mensch, Tier, Umwelt Harmonisierung in Europa Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion

NEU: Ausschluss-Kriterien (Cut Offs) bei der Wirkstoff-Genehmigung; zonale Zulassung von Pflanzenschutzmitteln

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Kein Plan B! Innovationen können Wirkstoff-Verluste nicht schnell wettmachen Wirkstoff-Genehmigungen nach der Vorgänger-Richtlinie 91/414 behalten weiter ihre Gültigkeit. Zunächst ändert sich nichts. Bei der Genehmigung neuer Wirkstoffe, vor allem aber bei erneuter Wirkstoffüberprüfung greifen jedoch die Cut Off-Kriterien

Wirkstoff-Verluste kommen nicht auf einen Schlag – sie geschehen schleichend!

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Forschung & Entwicklung kann mit Wirkstoff-Verlusten nicht Schritt halten 1000 800 600 Altwirkstoffe

400 200 0 1993

Neue Wirkstoffe

1995

1997

1999

2001

2003

2005

2007

2009

Ein neuer Wirkstoff braucht mindestens zehn Jahre und kostet rund 200 Mio. € 41

DruckPilzbekämpfung auf die Landwirtschaft wächst weiter Kriterien für „endokrin-schädliche Stoffe“ im Rahmen der Zulassung könnten das Aus für vier von fünf Fungizid-Wirkstoffen bedeuten Insektenbekämpfung Derzeit wird ein EU-Dokument zur Bewertung der Risiken für Bienen diskutiert; neue Studien- und Datenanforderung würde de facto dazu führen, dass keine Insektizide mehr zugelassen werden Gefahr einer neuen Schwarzen Liste „Substitutionskandidaten“: diese Wirkstoffe bleiben zwar zugelassen, aber auf Druck von Handel und NGOs kann es passieren, dass sie praktisch nicht mehr eingesetzt werden können. Das hat weitreichende Folgen selbst für den Öko-Anbau! 4 2

Ein beunruhigendes Fazit

Ab 2017 dramatischer Verlust von wirksamen Pflanzenschutzmitteln in wichtigen Marktsegmenten In wichtigen Kulturen (Getreide!) werden bestimmte Krankheiten künftig nicht mehr bekämpfbar sein Hersteller können trotz politisch motiviertem Innovationsdruck nicht (schnell genug) kompensieren. 43

Wo geht die europäische Produktion hin?

Amtlicher Pflanzenschutzdienst

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Danke für Ihre Aufmerksamkeit

Bildrechte & Bildquelle:

Amtlicher Pflanzenschutzdienst

Ing. Josef Putz

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