Wie Kinder erfolgreich lernen Eine neurodidaktische Perspektive

„Wie Kinder erfolgreich lernen – Eine neurodidaktische Perspektive“ Folie Nr. 30.01.2017 1 PD Dr. phil. habil. Marion Grein „Wie Kinder erfolgrei...
Author: Anton Beltz
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„Wie Kinder erfolgreich lernen – Eine neurodidaktische Perspektive“

Folie Nr. 30.01.2017

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PD Dr. phil. habil. Marion Grein

„Wie Kinder erfolgreich lernen – Eine neurodidaktische Perspektive“

Neurobiologie – Neuropsychologie – Neurodidaktik Zum Einstieg: Die Erkenntnisse der Neurobiologie sind nicht dergestalt, dass sie die gesamten bildungswissenschaftlichen Erkenntnisse quasi über den Haufen werfen und absolut Neues, Revolutionäres für den Unterricht bringen. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zum Verständnis von Lernprozessen und ermöglichen eine Unterstützung bereits bekannter pädagogischer Anliegen. Dabei bestätigen und ergänzen vor allem bildgebende Verfahren („neuroimaging“; Kernspin- und Magnetresonanz-Tomographie, Positronen-Emissions-Tomographie, EEGs, eyetracking) Erkenntnissen der Bildungswissenschaften/Pädagogik. Zum Hintergrund: da, wo gerade Aktivität stattfindet im Gehirn (lernen, Freude, Trauer, etc.) kann man genau erkennen, weil diese Gebiete stärker durchblutet sind. Ziel meines Vortrags: Knappe Einführung in das, was man relativ gesichert weiß.

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Gliederung • Lernen im Allgemeinen aus neurobiologischer Perspektive • Betrachten der einzelnen Altersstufen (kurzer Exkurs zu „Älteren“) • Zusammenfassung zentraler Aspekte • Ihre Fragen

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Wie funktioniert lernen? Lernen = Aufbau von Neuronenpopulationen

100 Milliarden Neuronen; 1 Neuron bis zu 10.000 synaptische Verbindungen

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Noch im Mutterleib entwickeln sich die 100 Milliarden Neuronen

Ersten Hälfte der Schwangerschaft: pro Minute etwa 500.000 Neuronen Sprachrezeption beginnt im letzten Drittel der Schwangerschaft Babys im Alter zwischen 2 und 9 Monaten: Können alle Laute (Phoneme) der Sprachen der Welt hören und unterscheiden – eine Fähigkeit, die sie bald schon wieder sukzessive verlieren.

Gehirn von 250g auf 750g im ersten Lebensjahr (1400g Erwachsener)

-> Geschlecht

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Reiz kommt, limbisches System prüft ob relevant

Cortex

Subkortikaler Bereich Limbisches System Wenn relevant, erste schwache neuronale Verknüpfung

Nicht andockbare Vokabel: 20x wahrnehmen, 80mal anwenden Andere Wissensbestände abhängig von Interesse

Festigung durch Wiederholung, Mehrkanaligkeit, Emotionen

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Das limbisches System (u.a. Hippocampus, Amygdala) ist das Zentrum für bewusste und unbewusste Emotionen Jeder Reiz wird hier emotional bewertet!

Limbisches System Quelle: nach Spektrum der Wissenschaften

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Das limbische System wird im Unterricht mit vielen Reizen konfrontiert Je länger die Schüler/innen an der Schule sind, desto weniger Informationen (Reize) des Lehrenden scheinen sie aufzunehmen Umgangssprachlich: zum einen Ohr rein, zum anderen hinaus -> das, was vom limbischen System nicht aufgenommen wird, kann auch nicht weitergeleitet und damit gelernt werden Alles, was durch den „Torwächter Limbisches System“ durchkommt, verändert die Struktur des Gehirns -> Plastizität des Gehirns Nur die Reize, die weiter geleitet werden, werden von Neuron zu Neuron zum Cortex weitergegeben – und auch hier zeigt sich die Individualität der Schüler/innen, wie die nächsten Folien zeigen werden.

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Synapse: Bedeutende Rolle der Neuronen(größe) und der Neurotransmitter

Lernen wird durch den „richtigen“, individuumsabhängigen Neurotransmitter-Cocktail unterstützt -> Empathie des Lehrers Folie Nr. 30.01.2017

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Acetylcholin: Aufmerksamkeit, bessere Speicherung  je nach Alter 8-25 Minuten!! Dopamin: (Neugierde, Konzentration, Handlungsbereitschaft): -> ausgewogen Dopamin (durch Lob z.B.): bessere Speicherleistung -> Motivation; [endogene Opioide] Noradrenalin: (Wachheit, Aufmerksamkeit, Reaktionsbereitschaft): richtige Menge -> gutes Lernen (Eustress), zu viel -> kein Lernen (black out)

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„Stress“empfinden Beispiel „Ball“

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„Wie Kinder erfolgreich lernen – Eine neurodidaktische Perspektive“ Limbisches System (Amygdala und Hippocampus) Neuigkeits- und Emotionsdetektor: Information andockbar an vorhandenes Wissen? JA/NEIN Information relevant/spannend/gewinnbringend/positive Emotionen des Lehrers? JA/NEIN (vgl. vor allem G. Roth)

Bekannt? Andockbar?

Spannend? -> Interesse

Belohnung? Lob? Lohnt es sich, das zu lernen?

Lehrende motiviert? vertrauenswürdig Beispiel Relativsatz Folie Nr. 30.01.2017

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Emotionen und Motivation in Kurzfassung Positive Emotionen schütten Dopamin aus -> dies setzt bei Verstärkung (z.B. durch feedback, Lob, Anerkennung, Wertschätzung) endogene Opioide frei („körpereigenes Opium“, Endorphine) Weiterer „Neurotransmitter/Hormon“ ist Oxytocin („Bindungshormon“ -> Empathie) Dopamin: ich will mehr wissen/lernen (Handlungsbereitschaft, Aufmerksamkeit) Endogene Opioide: es macht Spaß, mehr zu lernen (Lebensfreude, Ich-Gefühl) Oxytocin: der Lehrende ist sympathisch (Vertrauen)

Dopamin, endogene Opioide und Oxytocin zusammen sind die Grundlage der Motivation

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1) Neurotransmitter müssen „ausgeglichen“ sein, also weder zu hoch, noch zu niedrig (Dopaminmangel -> Depression; Dopaminüberschuss -> Schizophrenie) 2) Unterschiedliche Aktionen rufen bei Menschen unterschiedliche Reaktionen hervor 3) Grundprinzip: „Akzeptanz“ -> Motivation -> Lernerfolg vs. „Ablehnen“ -> Distress -> Lernblockade 4) Messungen der Regionen die „aktiv“ sind -> EEG Wo findet Aktivität statt? „Freude“ -> u.a. präfrontaler Cortex, links

Verarbeitung des Belohnungsreizes und Aktivierungsbereiche bekannt Meine Mitarbeiterin … EEG in Kombination mit Eyetracker Folie Nr. 30.01.2017

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Bsp. Musik

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Aktives Areal: Frontallappen Funktion: bewusste Entscheidungsprozesse

Aktives Areal: Parietaler Cortex Funktion: Räumliche Wahrnehmung

Aktives Areal: Okzipitaler Cortex Funktion: Sehzentrum aktiv (Bilder)

Aktives Areal: Präfrontaler Cortex Funktion: Regulation emotionaler Prozesse

Aktives Areal: Insula Funktion: negative Emotionen -> Unwohlsein

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Präfrontaler Cortex -> Negative Emotionen: rechts (blau) Positive Emotionen: links (gelb)

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Am Rande: Man weiß heute, dass das Gehirn NICHT für Lesen und Schreiben bestimmt ist. Während es für alle anderen Bereiche prädisponierte Bereiche im Gehirn gibt (die immer miteinander in Kontakt stehen – also nicht ein Bereich = eine Funktion), fehlen diese Bereiche für das Lesen (und in der Folge Schreiben). Diese müssen bei jedem Gehirn ganz neu angelegt werden. Ein Prozess, der mit den ersten Kinderbüchern (Vorlesen) beginnt! Zu wenig „Übung“ (phonologische Bewusstheit) führt dazu, dass Kinder zunehmend schlechter lesen können.

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Kurzwiederholung:

Emotionen

+ Motivation

Ein und dieselbe „Aktivität“ wird von Lernenden unterschiedlich bewertet! -> Lernstile! (Einfluss auch Lerntradition/Lernkultur)

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Grobe Gliederung der Lernstile im Zwiebelmodell nach Curry (1987)

Instruktionale Präferenz

Präferenz bei der Informationsverarbeitung

Lernstile (learning styles) werden in der deutschen Forschung seltener thematisiert und zuweilen mit Lerntypen gleichgesetzt. Grundprinzip: Wird entgegen dem eigenen Lernstil „vorgegangen“, steigt der Stresslevel (-> Noradrenalin)

Persönlichkeitsbezogene

Präferenz

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Einfluss der Lernkultur (Kinder aus anderen Lernsystemen!!)

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Auswahl von Lernstil-Typen (als Kontinuum zu verstehen)

z.B. kognitiv (analytisch vs. funktional): • Regeln (z.B. Grammatik, Physik. Mathematik) müssen vorgegeben sein vs. Selbst entdeckend • Meine Lösung soll korrekt sein vs. Hauptsache, man versteht, was ich meine z.B. exekutiv • Ich möchte jede Aufgabe im KB/AB erarbeiten vs. Man kann Aufgaben weglassen • Ich möchte jedes Wort/jeden Weg verstehen vs. Man kann das Meiste aus dem Kontext erschließen z.B. sozial • Ich bevorzuge Einzelarbeit vs. Ich arbeite lieber mit Partner/Gruppe Folie Nr. 30.01.2017

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• Ich möchte immer korrigiert werden vs. Korrektur „verletzt mein Gesicht“ • Lehrender sollte Autorität haben vs. Lehrender sollte ein guter Freund sein • Ich möchte viele Tests haben vs. Tests demotivieren mich • Mit Aktivitäten lernt man am besten vs. Aktivitäten machen mich nervös

• Spiele sind das A und O des Lernens vs. Spiele sind Zeitvergeudung Obwohl man also weiß, dass das Andocken von „Reizen“ am besten durch Aktivitäten (Handlungsorientierung, Lernerautonomie -> höherer Sauerstoffgehalt, in der Regel bessere Speicherleistung) vollzogen wird, kann die „Handlungs- und Produktionsorientierung“ auch kontraproduktiv sein.

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Zusammenfassung zentraler Erkenntnisse  Das limbische System muss angesprochen werden!

 Die Methode des Lernens (und Lehrens) gibt es nicht, da ein und dieselbe Methode dem einen gefällt (Dopamin, richtige Menge Noradrenalin), dem anderen nicht (zu viel Noradrenalin)  Notwendig: Empathie und Methoden/Übungsformenvielfalt -> Übungsformenvielfalt von passiv, über semi-passiv bis hin zu aktivierend kreativen Aufgaben -> passive Übungen vor allem für „ambiguitätsintolerantere Lernende “ -> „Sicherheit“

 Grundsätzlich: Aktivitäten fördern den Speicherprozess -> notfalls langsames Hinführen

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Neue bzw. alte Auffassung von Methodenkompetenz Man sollte als Lehrender nicht nur möglichst viele verschiedene Methoden kennen, sondern sie zielgerichtet im richtigen Moment einsetzen können.

Hier hilft das bereits ältere Konzept nach David Hunt (1976) Reading

Flexing

Eine Gruppe oder eine Situation im Kurs so erfassen können (verbale und nonverbale Kommunikation), dass man auf den momentanen Zustand und die Bedürfnisse der KT schließen kann.

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Flexibel auf die signalisierten Bedürfnisse der Gruppe reagieren (evtl. auch zu Lasten des eigenen Konzepts)

E M P A T H I E und METHODENREPERTOIRE

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Faktor: Altersstufen

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Wie eingangs dargestellt, bauen sich beim Baby in rasanter Geschwindigkeit neuronale Verknüpfungen auf – dazu benötigt es Input aus seiner Umwelt (Familie, Freunde, Krabbelgruppe etc.)

Babys und Kleinkinder interessieren sich für alles, was sie wahrnehmen -> zentrale Rolle spielen dabei die Emotionen (zunächst nur limbisches System) Jedes „Lernen“ verändert die neuronale Struktur im Gehirn -> Lernen setzt „erfahren“, handeln voraus -> Fernsehen/passive „Berieselung: kein Lernprozess! Sensible Phase = die Phase, die prägend für die weitere Entwicklung ist -> vorschulische und frühe schulische Zeit -> viel auditiven Input (Hören, inkl. Musik) und vor allem Vorlesen damit sich die „Lesezentren“ entwickeln! Zentral -> viel „selbst erfahren“ – Spielen, Erkunden, Basteln (nicht nur TV & Smartphone)

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Nach nur 20 Minuten Klavierspielen bspw. sind im Gehirn neue neuronale Verknüpfungen auszumachen. Nach einer Woche, in der man sich nicht mehr mit dem Klavierspielen beschäftigt hat, sind diese Verknüpfungen wieder komplett „gelöscht“ Nach ca. 10 Jahren kompletter Nicht-Beachtung der eigenen Muttersprache sind nur noch wenige bis keine Verknüpfungen mehr zu erkennen -> wenn alle Verknüpfungen gelöst sind, ist die Sprache „weg“ – sind noch Spuren vorhanden, kann man sie schneller wieder lernen (vgl. Pallier, C., Dehaene, S., Poline, J. B., LeBihan, D., Argenti, A. M., Dupoux, E. et al. (2003). Brain imaging of language plasticity in adopted adults: can a second language replace the first? Cereb.Cortex, 13, 155-161)

Faktor „Bulimie-Lernen“ -> Wissen wird für eine Prüfung gelernt, aber die neuronalen Verknüpfungen sind nach ein bis zwei Wochen gelöscht -> so als hätte man nie etwas über den Inhalt gelernt …

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Verknüpfungen nach Alter

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Schwache Verknüpfungen werden gelöst, neue aufgebaut – bis zur Pubertät

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Emotionale Bindung ist dabei viel wichtiger als Frühförderkonzepte (z.B. Chinesisch für Kleinkinder – auch wenn gut für das Gehör und das spätere Lernen einer Fremdsprache) -> ideal frühe Förderung mit Spaß Emotionen sind der Türöffner zum Lernen Wertschätzung Sympathie Aber auch Grenzen!

Emotionen

Learning by doing -> beobachten, nachmachen, perfektionieren und Freude daran Folie Nr. 30.01.2017

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In der Schule (bis und nach der Pubertät) • Limbisches System: Neugier, Freude, Tatendrang, Erfolgserlebnis (Dopamin) • Aufmerksamkeitsspanne: Acetylcholin – einführen, ausprobieren, spielerisch wiederholen • Stoffmenge: Es darf nicht zu Überlagerungen kommen (Löschen der frisch angelegten neuronalen Netzwerke) • Konsolidierung – nicht vermitteln und gleich abfragen; ca. 6 Stunden zum Aufbau bzw. Festigung des neuen Lernstoffs • Kein neuer Input (z.B. in Form eines Films mit überlagernden Themen) ehe das Wissen nicht konsolidiert ist -> Fächerwechsel an der Schule also prinzipiell sinnvoll • Hausaufgaben dienen der Konsolidierung

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• Unterschiedliche Schüler/innen bevorzugen unterschiedliche Zugänge – Binnendifferenzierung -> sehr gut in Form des Stationenlernens umzusetzen, „task based learning“

• Prinzip „Brücken bauen“ – an vorhandenes Wissen anknüpfen – Einstieg „Reaktivierung“ -> „warm up“ wie beim Sport -> zyklische Wiederholung • Ohne ausreichende Ernährung und Schlaf fehlt es an Neurotransmittern und der Fähigkeit Wissen weiterzugeben • ALLE Gehirne sind morgens bis ca. 9 Uhr nicht im Aufnahme-Modus (vgl. Kerbl, R., Zotter, H., Sauseng, W. et al. Monatsschr Kinderheilkd (2006) 154: 1224. doi:10.1007/s00112-006-1437-x?) Ipsiroglu OS, Fatemi A, Werner I et al. (2001) Häufigkeit von Schlafstörungen bei Schulkindern zwischen 11 und 15 Jahren. Wien Klin Wochenschr 113: 235–244

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• Positive Emotionen: Bei positiver Bewertung des Lernstoffes und damit einhergehender positiver Emotionalität des Lernenden konnte man nachweisen, dass sich die Synapsen im limbischen System um bis zu 30% vermehrten und der synaptische Spalt zwischen den Nervenzellen sich erkennbar verringerte, wodurch ein besserer Neurotransmitterfluss und eine bessere Weiterleitung elektronischer Signale bewirkt wurde“ (Lawrenz 2006 : 7; vgl. auch Kieweg 2003: 6). • Begeisterung des Lehrenden für seinen Unterrichtsstoff (somatic marcers, Damasio, Spiegelneuronen, limbisches System, Oxytocin) • Prinzip: Anstrengung, die aber belohnt wird • Mit Bewegung lernt man besser (mehr Sauerstoff) • Lernzielformulierung (und Relevanzbenennung) steigert die Motivation

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• Feedback: altersspezifisch: „Erst ab dem elften bis 13. Lebensjahr lernen Kinder auch über ein negatives Feedback. Erst dann wird eine solche Rückmeldung nicht mehr ausschließlich in den Arealen im Gehirn verarbeitet, die für Emotionen zuständig sind, sondern auch in jenen, die eine Fehleranalyse des Verhaltens vornehmen.“ (M. Korte/GEO WISSEN Nr. 44/09, S. 30; vgl. dazu auch ‚Journal of Neuroscience 28 (38), S.9495-9503, 2008)

• Aufmerksamkeitsspanne: Along with this, “only 4 to 8 minutes of pure factual lecture can be tolerated before the brain seeks other stimuli—whether that be daydreaming or watching others walk past in the hallway.” (Perry B. How the brain learns best. Instructor. 2000;110:34–36. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC314395/#B22)

• Mittels Stimme oder direkt formuliert herausstellen was besonders relevant an einem Thema ist -> das limbische System vorbereiten: „das ist spannend und wichtig“

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Pubertät Zeitrahmen: Mädchen von ca. 12-17 Jahren, Jungen ca. 14-19 Jahren Individuell sehr unterschiedlich: Anlagen, soziale Bindungen, Verhältnis zu Eltern, Kindheit Was passiert? -> Das Gehirn wird komplett neu strukturiert Sog. Pruning: 30.000 Synapsen/Sekunde werden während der Pubertät gelöscht bis Ende der Adoleszenz werden 50% der alten Verknüpfungen gelöscht -> neue entstehen vorwiegend im präfrontalen Cortex. Dabei wird der präfrontale Cortex fast vollkommen neu organisiert – es entsteht das „rationale“ Zentrum Hinzu kommt, dass während des neuronalen Umbauprozesses in der Pubertät etwa 30% der Dopaminrezeptoren (sog. Motivationsrezeptoren) verloren gehen (vgl. Gehirn & Geist Sonderheft 4/2009).

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Vorhanden im Pubertierend sind das limbische System und das sog. RewardSystem Es entwickelt sich im präfrontalen Cortex das Emotio-Ratio-Zentrum Adoleszente sind dabei nicht per se unfähig, rationale Entscheidungen zu treffen, aber in emotionalen Situationen (zum Beispiel bei Anwesenheit von Gleichaltrigen, bei Aussicht auf Belohnung) bestimmen Belohnung und Emotionen (Gruppenakzeptanz) die Handlungen stärker als rationale Entscheidungsprozesse. Belohnend/positiv empfunden werden: Risiko und Akzeptanz/Wertschätzung der Gruppe

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„Wie Kinder erfolgreich lernen – Eine neurodidaktische Perspektive“ Vereinfacht zu dem emotionalen „Chaos“: sog. „heiße und kalte Kognition“ Emotionen werden beim Erwachsenen vom präfrontalen Cortex (kognitiv) und dem limbischen System (affektiv) gleichermaßen gesteuert -> Emotionen sind also im Ausgleich Bei Pubertierenden funktioniert das Zusammenspiel zwischen präfrontalen und limbischen Hirnregionen noch nicht -> der Emotionsbereich im präfrontalen Cortex entsteht erst! Das limbische System ist bis zum vollständiges Ausbau stärker -> mehr emotional als rational Dopaminausschüttung verändert sich -> oftmals braucht man stärkeren „Kick“ -> von himmelhochjauchzend -> zum Tode betrübt-Wechsel Hirnentwicklung in der Adoleszenz: Neurowissenschaftliche Befunde zum Verständnis dieser Entwicklungsphase. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(25): 425-31; DOI: 10.3238/arztebl.2013.0425 Konrad, Kerstin; Firk, Christine; Uhlhaas, Peter J. Folie Nr. 30.01.2017

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• Daneben verstärkte „Hormon“-Ausschüttung: Östrogene/Testosteron • Ferner: Melatonin -> Schlafhormon ca. 2 Stunden Verzögerung nach hinten beim Schlafengehen -> 8 Uhr Schulbeginn also noch unsinniger als vor und nach der Pubertät Zentral für den Unterricht • • • • •

Relevanz des Lernstoffs als Einstieg Emotionale, direkte Ansprache der Lernenden Themen aus ihrem Umfeld Möglichst viel „Aktivitäten“ oder „spannende“ Plenumsunterricht „authentisch-sympathische“ Lehrkraft -> Oxytocin

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Was passiert bei Ihnen (nach dem 25. Lebensjahr, steigend bis zum nachweislich 75. Lebensjahr?



Abnahme der Neurotransmitter wie Acetylcholin (Aufmerksamkeit, Kurzzeitgedächtnis), Serotonin (Ruhe, Angstdämmung), Dopamin!



Zunahme von Noradrenalin und des Stresshormons Cortisol



Abnahme der Myelinhülle: Die Abnahme der Hülle führt zu einer Verzögerung der Informations-Übertragung zwischen den Zellen wodurch sich die kognitiven Prozesse (die Prozesse des Erkennens betreffend) verlangsamen (vgl. Ross et al. 2005: 13f.; Nicholas et al. 1998: 423).

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• Das Belohnungssystem (endogene Opioide & Dopamin) im Gehirn reagiert bei jüngeren Menschen (außerhalb der Pubertät!) stärker auf Belohnungsreize als bei älteren Menschen. • Dopamin wird also weniger leicht ausgeschüttet! • Was heißt das für ältere Menschen? -> stärkere positive Reize sind notwendig, mehr Lob, mehr Feedback, stärkeres Eingehen auf Wünsche der Älteren

• -> Zeitstress (Noradrenalin & Cortisol) vermeiden. • Man wird schneller nervös und ist weniger leicht „glücklich“ und „zufrieden“ zu stellen -> Tendenz sich über sich selbst zu ärgern -> Abnahme der Geduld. • Dieses weniger an Dopamin und der Zurückgang der Myelinhülle haben Auswirkungen auf die Verarbeitungsgeschwindigkeit -> langsamer, mehr wiederholen

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Wenn Kinder zunehmend „schlechter“ lernen, liegt das nach neurobiologischen Erkenntnissen u.a. daran Es wird im Babyalter zu wenig (vor)gelesen, so dass sich die Regionen nicht ausreichend entwickeln Lernerfahrung schon in der frühen Kindheit sind prägend -> Lernerfahrung muss mit Freude verbunden sein (nicht zwingend von Chinesisch-Kurs, zum Tanzen und dann zum Flötenkurs Die vorhandene Neugier und die Ansprache des limbischen Systems nicht durch langweiligen, irrelevant erscheinenden Unterricht mit einem unmotivierten Lehrenden „töten“ Die individuellen Vorlieben der Lernenden im Hinterkopf behalten, nichts ist per se „gehirngerecht“

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Und nun freue ich mich auf Ihre Fragen.

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