Welche Palliative Care brauchen hochaltrige Menschen?

19.06.2014 Welche Palliative Care brauchen hochaltrige Menschen? Regula Schmitt Hochaltrige pflegebedürftige Menschen • Gebrechlich • Multimorbid •...
Author: Sven Huber
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19.06.2014

Welche Palliative Care brauchen hochaltrige Menschen?

Regula Schmitt

Hochaltrige pflegebedürftige Menschen • Gebrechlich • Multimorbid • Innere und äussere Anpassung schwieriger: andere Reaktionen, Komplikationen • Risiken: Immobilität, Instabilität, Inkontinenz, IntellektAbbau, Inappetenz, Inaktivität, Isolation, iatrogene Schäden • Tod ist nahe

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Hochaltrige pflegebedürftige Menschen • Unterschiedliche Krankheitsverläufe sind möglich (Krebs, Herzkreislauferkrankung, Demenz6..) • Jeder Mensch hat seine eigene Lebensgeschichte, seine eigene Persönlichkeit • Oft weniger Beziehungen / Einsamkeit

Palliative Care bei hochaltrigen pflegebedürftigen Menschen • Alle brauchen Palliative Care (in verschiedenem Ausmass)

• Von ihnen definierte bestmögliche Lebensqualität / Wohlbefinden bis zum Tod • Leiden lindern, vorbeugen • Angehörige werden unterstützt, über den Tod hinaus • Medizinische, pflegerische Behandlung, psychologische, soziale, spirituelle Unterstützung • Vorausschauende Planung von Palliative Care in Ergänzung zu rehabilitativen Massnahmen

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Was heisst das? es heisst: „normale“ geriatrische Pflege und Betreuung! • • • • • • •

Auf Bedürfnisse individuell eingehen Pflegeplanung Präventive Massnahmen Standarts Konzepte, z.B. zu Sterbebegleitung, zu Angehörigen Handlungsanweisungen Fähigkeiten: Kommunikation, Umgang mit herausforderndem Verhalten, interdisziplinäre Zusammenarbeit66.. • Gleichzeitigkeit des Akzeptierens der Irreversibilität, der Einschränkungen einerseits und der Krankheitsbekämpfung, des Aufbaus auf Ressourcen andererseits; dies bei schwieriger Prognose

„normale geriatrische Pflege und Betreuung“ • Symptommanagement • Notfallplanung • Vorbeugen von Komplikationen •„Lebensqualität“: Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben

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Was heisst das? • Kompetente Betreuung von Menschen mit Demenz (und oft gleichzeitig andern Krankheiten) • Kompetente Betreuung von alten Menschen, die an einer Depression, an einer Suchtkrankheit oder an einer andern alterspsychiatrischen Krankheit leiden (und oft gleichzeitig andern Krankheiten

Palliative Care bei hochaltrigen Menschen: ist komplex!

Was braucht es zusätzlich? oder:

Worauf fokussieren wir? Was intensivieren wir?

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Fokus / Intensivierung • • • •

Sorge-Kultur Abschiedskultur, Trauerbegleitung spirituelle Begleitung Begleiten und Unterstützen beim „seinen Weg suchen“, also: medizinisch-ethischer Entscheidungsprozess

Ein Beispiel: Frau S • 88 Jahre, verwitwet, eine Tochter, seit 1 Jahr im Pflegeheim, Patientenverfügung vorhanden • Ist meist zufrieden, Teilnahme am Leben • Arthrosen, Osteoporose, cerebrovaskuläre Durchblutungsstörungen, koronare und hypertensive Kardiopathie, kognitive Einschränkungen (leichte Demenz?), eingeschränktes Sehvermögen6 • Akute Verschlechterung des Allgemeinzustandes, Thoraxschmerz: was tun?? Ist Frau S „palliativ“?

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Frau S, einige Monate später: • Braucht mehr Unterstützung in ADL • Wirkt oft unglücklich, unzufrieden, traurig; sagt manchmal, dass sie sterben möchte • Wenig Appetit, klagt oft über Uebelkeit; fragt besorgt, welche Krankheit dahinter stecke, wie man diese behandeln könne • Schläft schlecht, will Schlafmittel (wenig Erfolg) • Besucht Singgruppe und Gesprächsgruppe, dort eher passiv, aber es scheint ihr zu gefallen • Schätzt die Besuche der Tochter • Erkrankt an einer Lungenentzündung: was nun? Ist Frau S „palliativ“?

Frau S, einige Wochen später • Viel schwächer, kann für wenige Stunden aufgenommen werden, steht nicht alleine • Isst sehr wenig, trinkt auch immer weniger, kann Medikamente schlucken (flüssig oder gemörsert) • Ist manchmal unruhig/verwirrt • Atmet zeitweise etwas schwer • Erleidet einen Harnwegsinfekt: was tun? Ist sie „palliativ“?

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„Frau S ist palliativ“ • Haltung der Betreuenden (Sorge-Kultur wird selbstverständlich) • Ja sagen können zum Sterben (Frau S, Tochter, Bezugspersonen): ein Prozess! (existentielle Fragen, spirituelle Aspekte) • Verdursten lassen? Ersticken? „kachelnde“ Atmung? Schmerzen? Wohlbefinden/Frieden

Medizinisch-ethischer Entscheidungsprozess es braucht: • Wissen: Ambivalenz, unsichere Prognose, Komplexität: Gebrechlichkeit, Multimorbidität, Urteilsfähigkeit? Mutmasslicher Wille? Wohlverstandenes Interesse6.. • Zeit in jeder Hinsicht! Geht oft verschlungene Wege (es ist ein Prozess!) • Bereitschaft zur interprofessionellen Zusammenarbeit • Ethische + fachliche + psychosoziale Kompetenz • Empathie („Du bist wichtig, weil Du bist6.“) • Kommunikationsfähigkeit; Fürsorge durch Information und Beratung • Entwicklung eines Konzeptes zu „persönlichem Willen“

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Anforderungen für Palliative Care bei hochaltrigen Menschen • Qualifiziert/kompetent in Geriatrie • Qualifiziert/kompetent in Alterspsychiatrie (Demenz, Depression6) • Qualifiziert/kompetent in Palliative Care (inkl. „Fokusse“, d.h. „Sorge“, Abschiedskultur, spirituelle Begleitung, Fähigkeit zur Begleitung und Unterstützung im Entscheidungsprozess) • Die Kunst der „Verflechtung“: - medizinische oder pflegerische Massnahmen ergreifen bzw. verzichten: was raten wir? - Schmerztherapie bei hochaltrigen Menschen und anderes - Problem Urteilsunfähigkeit, eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit6. • Die Kunst der individuellen Betreuung; der „richtigen“ Auswahl

Rahmenbedingungen • Aus- Fort- und Weiterbildung (insbesondere in ethischer Entscheidfindung) • Möglichkeit der Zusammenarbeit Arzt – Pflege sind gegeben • Die Leitung steht dahinter und weiss, worum es geht • Möglichkeit des Beizugs von Fachexpertinnen (Geriater, Alterspsychiater, Palliative Care-Team, Wundexpertin, Ernährungsspezialisten6.. • Zeit! u.a. Berücksichtigung der „Langsamkeit“ • Freiwillige (z.B. bei Einsamkeit)

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Wer soll das bezahlen? • Pflegebedarfs-Erfassungssysteme weiterentwickeln • Berücksichtigung von „mehr Zeit“ (für Pflege, für Gespräche usw.) • Expertenbeizug im Heim wird anstandslos bezahlt • Fort- und Weiterbildung wird unterstützt (die passende, ev. massgeschneiderte)

Zusammenfassung • Kompetenz und Qualifikation in Palliative Care, in Geriatrie, in Demenzbetreuung (alle Professionen, stufenentsprechend); dies miteinander verflechten können • Zusammenarbeit interprofessionell, Fachexperten • Fokus auf Sorge-Kultur, Abschiedskultur, spirituelle Begleitung, ethischen Entscheidungsprozess • Fort- und Weiterbildung: ausgerichtet auf die Bedürfnisse und Situation hochaltriger Menschen

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