WEGE ZU MEHR EINKOMMENS - GERECHTIGKEIT

WEGE ZU MEHR EINKOMMENSGERECHTIGKEIT Analysen + Vorschläge Impressum: Herausgeber: Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier...
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WEGE ZU MEHR EINKOMMENSGERECHTIGKEIT

Analysen + Vorschläge

Impressum: Herausgeber: Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier, 1034 Wien, Alfred-Dallinger-Platz 1 Autor: Mag. David Mum, Mag. Martin Bolkovac, GPA-DJP Grundlagenabteilung Layout: GPA-DJP Marketing, Eveline Pelzer Fotos: Bilderbox Wien, Februar 2008

Vorwort Liebe Kollegin, lieber Kollege, Die letzten Jahre waren von einer Verschärfung der verteilungspolitischen Schieflage gekennzeichnet. Die negativen Auswirkungen des Neoliberalismus, der zum gleichzeitigen Wachstum von Armut und Reichtum sowie zu zunehmender Unsicherheit geführt hat, werden immer mehr Menschen bewusst. 2006 und 2007 wuchs die Wirtschaft in einem Ausmaß wie seit Jahren nicht mehr. Doch die Nettorealeinkommen der ArbeitnehmerInnen sind nur mäßig gestiegen. Ganz im Gegensatz zu den Gewinnen der Unternehmen und den Einkommen der Manager. Die Gewerkschaften haben Erhöhungen der Löhne und Gehälter durchgesetzt, die über der Inflationsrate liegen. Aber da von einer Lohn- bzw. Gehaltserhöhung oft ein großer Teil an Steuern und Abgaben anfällt, sind die Nettoeinkommen kaum gestiegen. Daher müssen bei der nächsten Steuerreform die ArbeitnehmerInnen entlastet werden. Während der Anteil der Gewinne am Volkseinkommen steigt, wird der Staat immer mehr durch die ArbeitnehmerInnen finanziert. Der überwiegende Teil des Steueraufkommens fällt auf die Lohn- und Mehrwertsteuer. Vermögende genießen in Österreich außerordentliche Steuerprivilegien. Diese Broschüre gibt einen Überblick über die Verteilung der Einkommen und Vermögen und die jeweiligen Forderungen der GPA-DJP. Als Gewerkschaft sind wir permanent aktiv, um für die ArbeitnehmerInnen einen fairen Anteil am Wohlstand zu erreichen. Je stärker Gewerkschaften sind, je mehr ArbeitnehmerInnen eine Solidargemeinschaft bilden, umso besser kann eine faire Einkommensverteilung erzielt werden. Das zeigt sich auch in den Betrieben: In Unternehmen in denen BetriebsrätInnen die Einhaltung von gesetzlichen und kollektivvertraglichen Ansprüchen kontrollieren können, ist es leichter, dass die ArbeitnehmerInnen bekommen, was ihnen zusteht. Diese Broschüre ist also nicht nur eine Sammlung von Daten und Erklärungen, sondern auch versucht auch Wege zu mehr Verteilungsgerechtigkeit aufzuzeigen. Diese können wir nur gemeinsam erfolgreich beschreiten.

Wolfgang Katzian Vorsitzender

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Inhalt Wege zu mehr Einkommensgerechtigkeit ............................................5 Verschiebung der funktionellen Einkommensentwicklung von Arbeit zu Kapital ..........................................................................6 Steigerung der Brutto- und Nettoeinkommen in % ..................................................9 Was tun gegen die Schieflage der funktionalen Einkommensverteilung? ................11 Beschäftigungsfördernde Wirtschaftspolitik ........................................................11 Gewinnbeteiligung zur Erhöhung der Lohnquote? ..............................................12 Gewinnbeteiligung als betriebliche Altersvorsorge?..............................................13 Verteilung der persönlichen Einkommen ............................................13 Einkommen der Manager und Führungskräfte......................................................16 Netto-Haushaltseinkommen................................................................................18 Einkommensungleichheit ..................................................................................19 Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern ........................................20 Niedrige Einkommen in der Lohnsteuerstatistik ..................................................23 Gleichstellung der GeschlechterForderungen der GPA-DJP (Auswahl) ....................23 Sozialstaatliche Umverteilung ............................................................24 Armut 24 Steuern und Sozialabgaben als Instrumente der Umverteilung?..............................25 Vermögensverteilung in Österreich ....................................................................29 Zahl der Millionäre nimmt zu ..........................................................................30 Ein falscher Weg: Abschaffung der Erbschaftssteuer ..........................................30 Wie funktionierte die Erbschaftssteuer? ..............................................................32 Probleme/Konsequenzen der Abschaffung..........................................................33 Das AK Modell ................................................................................................33 Besteuerung von Vermögenszuwächsen ..............................................................34 Die Negativsteuer ............................................................................................34 Der Vorschlag von Sozialminister Buchinger........................................................34 Negativsteuer derzeit ......................................................................................35 Negativsteuer international ..............................................................................35 Lohndruck und Informationsdefizite ....................................................................36 Familienpolitik: öffentliche Leistungen wichtiger als Geld ....................................37 Forderungen zu Steuern und Soziales ................................................................38 Steuern: Forderungen der GPA-DJP (Auswahl) ....................................................38 Soziales: Forderungen der GPA-DJP (Auswahl) ....................................................38 Was kann für mehr Einkommensgerechtigkeit getan werden? ..........39 Positive Wirkungen der Kollektivverträge auf Verteilung, Einkommen der ArbeitnehmerInnen und Wirtschaft ....................................................................39 Mindestlohnforderung ......................................................................................40 Bessere Anhebung der niedrigeren Einkommen: ................................................42 Grenzen der KV-Politik......................................................................................42 Art der Beschäftigungsverhältnisse ....................................................................42 Anteil der Teilzeitbeschäftigten ........................................................................42 Verhältnisse am Arbeitsmarkt: ..........................................................................42 Wirtschaftlicher Strukturwandel ........................................................................42 Konstanz der Beschäftigung-Erwerbsunterbrechungen oder durchgehende Erwerbsverläufe ..............................................................................................43 Kollektivverträge und Mindestlöhne: Forderungen der GPA-DJP (Auswahl) ..............43 Fazit ..................................................................................................44 Adressen............................................................................................47 4

 Wege zu mehr Einkommensgerechtigkeit Die Verteilung von Einkommen und Vermögen ist für die Chancengleichheit, die Lebensqualität und Gerechtigkeit eine zentrale Frage. Ob die Kluft zwischen Arm und Reich auseinanderklafft, Frauen weniger verdienen als Männer und die Gewinne stärker steigen als die Löhne und Gehälter hängt von wirtschaftlichen und politischen Faktoren ab. Beide sind veränderbar. Steigende Ungleichheit und Armut können und müssen nicht hingenommen werden, weil sie angeblich das Ergebnis des freien Marktes sind. Auch ein Verweis auf die Globalisierung, die zur Kenntnis genommen werden muss, führt in die Irre. Dafür sind die Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern, die alle in den Weltmarkt eingebunden sind, zu groß. Das zeigt den Spielraum, den man mit politischer Gestaltung und Interessenvertretung durch die ArbeitnehmerInnen ausnutzen kann. Die Gewerkschaften sind ein zentraler Akteur bei der Gestaltung der Einkommensverteilung. Die Gewerkschaften wollen einerseits, dass die ArbeitnehmerInnen und nicht nur die KapitalbesitzerInnen am Wohlstandsgewinn beteiligt werden und andererseits, dass alle ArbeitnehmerInnen am Wohlstand beteiligt werden. Es soll auch unter den unselbständig Beschäftigten keine Kluft zwischen verschiedenen Schichten geben. In Österreich und der EU verschärft sich die verteilungspolitische Schieflage. Die Lohnquote sinkt seit drei Jahrzehnten, während die Gewinne und Kapitaleinkommen steigen. Auch bei den Einkommen der Unselbständigen nimmt die Schere zwischen Arm und Reich zu. Die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern verharren in Österreich auf hohem Niveau. Der Wohlstand wird also sehr ungleich verteilt. Aber die sozialstaatliche Umverteilung ist ein wesentlicher Korrekturfaktor und verringert die Ungleichheit merklich. Außerdem muss zwischen den Einkommen einzelner Personen und jenen der Haushalte unterschieden werden. Teilzeiteinkommen führen zwar zu größeren Einkommensunterschieden zwischen den Personen aber zu mehr Einkommen in den Haushalten. Die Unterschiede bei den Haushaltseinkommen sind geringer als jene der Individuen. Die Verteilung des Wohlstandes ist das Produkt vieler Faktoren: Die Gewerkschaften bemühen sich für die ArbeitnehmerInnen einen fairen Anteil am wachsenden Wohlstand zu erreichen. Das bedeutet, die Kaufkraft zu erhalten (Inflationsabgeltung) und die gestiegene Produktivität abzugelten. Die Einkommensverteilung hängt aber auch vom Zugang zu Erwerbsarbeit ab. Somit haben etwa die Bildungspolitik, die Frage ob es eine öffentliche Infrastruktur gibt, sowie die Höhe des Wirtschaftswachstums einen erheblichen Einfluss auf die Einkommensverteilung. Gewerkschaften bzw. Sozialpartner tragen mit den Kollektivverträgen dazu bei, möglichst alle ArbeitnehmerInnen am steigenden Wohlstand zu beteiligen und die Unterschiede zwischen Branchen nicht zu groß werden zu lassen. Aber es zeigt sich eines: In Branchen mit vielen Gewerkschaftsmitgliedern und BetriebsrätInnen gelingt es deutlich besser, die ArbeitnehmerInnen am Wohlstandszuwachs zu beteiligen. Je höher der gewerkschaftliche Organisationsgrad desto besser und glaubwürdiger ist die Verhandlungsposition der Gewerkschaften in den Kollektivvertragsverhandlungen mit den Arbeitgebern. Nur dort, wo auf betrieblicher Ebene BetriebsrätInnen die Einhaltung von gesetzlichen und kollektivvertraglichen Ansprüchen wie korrekte Einstufungen und Bezahlung von Überstunden kontrollieren können, bekommen die ArbeitnehmerInnen den ihnen zustehenden Anteil. Die Kaufkraft der Menschen hängt nicht nur vom Arbeitseinkommen ab, sondern auch von den Abzügen und sozialstaatlichen Unterstützungen.

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Die persönlichen Nettoeinkommen hängen aber auch von den Steuern auf der einen Seite und Sozialleistungen auf der anderen Seite ab. Schließlich beeinflussen auch die Zins- und Wirtschaftspolitik das Wachstum und die Beschäftigung. Die gesunkenen Lohnquoten sind vor allem auch auf die gestiegene Arbeitslosigkeit zurückzuführen.

 Verschiebung der funktionellen Einkommensentwicklung von Arbeit zu Kapital 25 Jahre neoliberaler Politik sind nicht spurlos vorübergegangen. Die Lohnquote sinkt international seit Anfang der 1980er Jahre, die Gewinn- und Vermögenseinkommen sind stark gestiegen. Das wird durch eine Geldpolitik gefördert, die sich an den Interessen der VermögensbesitzerInnen orientiert (d.h. möglichst geringe Inflation und hohe Realzinsen) und nicht an Wachstum und Beschäftigung. Die Liberalisierung der Kapitalmärkte hat zu einem Wettlauf nach geringeren Steuern auf das mobile Kapital geführt. Dasselbe gilt für den Standortwettbewerb, der zu einem laufenden Unterbieten bei den Gewinnsteuern beigetragen hat. Die Einkommen aus Unternehmenstätigkeit, selbständiger Tätigkeit und Besitzeinkommen (Zinsen, Dividenden, Mieten, Pacht) sind stärker gewachsen als die Löhne und Gehälter. Die Lohnquote (Anteil der Bruttolöhne und -gehälter plus Dienstgeberanteile der Sozialversicherungsabgaben am Volkseinkommen) sank in Österreich kontinuierlich von 80% 1976 auf 65% 2006.1 Die Lohnquote sinkt, weil die Einkommen der ArbeitnehmerInnen in geringerem Ausmaß steigen als die Wirtschaft wächst. Der Rückgang der Lohnquote ist vor allem auf die gestiegene Arbeitslosigkeit und das starke Wachstum der Vermögenseinkommen zurückzuführen. Ein Ansteigen der Arbeitslosenquote um ein Prozent führt statistisch betrachtet zu einem Sinken der Lohnquote um ein Prozent.

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APA, 22.3.2007, genaue Definition: Anteil des ArbeitnehmerInnenentgelts am Nettonationaleinkommen zu Faktorkosten (ArbeitnehmerInnenentgelt plus Betriebsüberschuss und Selbstständigeneinkommen minus Abschreibungen minus/plus Primäreinkommen aus der/an die übrige Welt).

Die Lohnquote ändert sich aber auch dann, wenn sich das Verhältnis zwischen ArbeitnehmerInnen und selbständig Erwerbstätigen ändert. Ein Steigen der Lohnquote bedeutet nicht unbedingt eine Zunahme der ArbeitnehmerInneneinkommen aus individueller Sicht. Die Quotenerhöhung kann vielmehr auf eine mehr oder weniger deutliche Zunahme der Zahl der abhängig Beschäftigten im Vergleich zu der der übrigen Erwerbstätigen zurückgehen. Um solche strukturellen Nebeneffekte auszuschalten, werden so genannte "bereinigte" Lohnquoten errechnet (bereinigt werden Verschiebungen im Verhältnis zwischen der Anzahl der Selbständigen und Unselbständigen). Die bereinigte Lohnquote sank von 71% 1981 auf 56% 2006.2 Man kann die Lohnquote auch berechnen, in dem man die ArbeitnehmerInnenentgelte nicht zum Volkseinkommen (Nettonationaleinkommen)3, sondern zur ganzen Wertschöpfung in Relation setzt. Derartige Daten liegen von der Österreichischen Nationalbank vor. Demnach ist die derart berechnete Lohnquote von 64% 1976 auf 54% 2005 gesunken.

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Bericht über die soziale Lage 2003/2004, WIFO Dieses unterscheidet sich zum Bruttoinlandsprodukt dadurch, dass die Abschreibungen abgezogen werden. Abschreibungen erfolgen um den Wertverlust von Unternehmensvermögen etwa durch Alterung und Verschleiß (Anlagevermögen und Umlaufvermögen) zu quantifizieren. 7

Die Nettoeinkommen der ArbeitnehmerInnen sind in den letzten Jahren im Durchschnitt real - also inflationsbereinigt - kaum gestiegen. 2003 und 2004 stagnierten die Einkommen, 2005 bewirkte die Steuerreform eine einprozentige Erhöhung der Nettoeinkommen. In Anbetracht der Tatsache, dass diese als die größte Steuerreform der 2. Republik gepriesen wurde, ist das ein dürftiges Ergebnis. 2006 stiegen die durchschnittlichen Bruttorealeinkommen um 1,2%, die Nettoeinkommen sind nur halb so stark gewachsen. Der Unterschied zwischen Brutto- und Nettoeinkommen ergibt sich durch die Abzüge für die Sozialversicherung und Lohnsteuer. Mit der Entwicklung der Realeinkommen wird die Kaufkraft der Einkommen gemessen. Die Realeinkommen nehmen zu, wenn die Löhne und Gehälter stärker steigen als die Preise. Wenn etwa die Gehälter um 2% erhöht werden und die Inflation auch 2% beträgt, dann stagnieren die Einkommen. Real kann man sich mit dem Einkommen gleich viel kaufen.

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Steigerung der Brutto- und Nettoeinkommen in %

Zunahme der Einkommen der Beschäftigten- Stagnation im Durchschnitt Die Netto-Realeinkommen je unselbständig Beschäftigtem waren im Jahr 2006 genauso hoch wie 1995, obwohl das Volkseinkommen in diesem Zeitraum um mehr als ein Viertel zugenommen hat.4 Das bedeutet nicht, dass die einzelnen Personen nicht mehr verdienen als vor zehn Jahren. Aber der Abbau gut bezahlter Arbeitsplätze, geringe Einkommen für BerufseinsteigerInnen und die Zunahme von Niedriglohnjobs bewirken, dass das durchschnittliche Realeinkommen nicht gewachsen ist. In den letzten Jahren ist die Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse gestiegen. Viele der neuen Arbeitsplätze waren Teilzeitarbeitsverhältnisse. Die Einkommen jener Personen, die ihren Arbeitsplatz behalten haben, sind hingegen deutlich gestiegen. Die Bruttoeinkommen jener Beschäftigten, die seit 2000 denselben Arbeitsplatz haben, sind bis 2005 inflationsbereinigt um 11% und nach Steuern um 8% gestiegen.5 Diese ArbeitnehmerInnen haben von den Kollektivvertragsabschlüssen profitiert. Das Stagnieren der durchschnittlichen Lohn- und Gehaltseinkommen liegt aber nicht daran, dass in den Kollektivvertragsabschlüssen Erhöhungen unterhalb der Inflationsrate fixiert wurden. Im Gegenteil, die Abschlüsse lagen fast immer über der Inflationsrate. In den letzten 10 Jahren (1996 bis 2006) stiegen die Preise durchschnittlich um 1,7%, die KV-Erhöhungen lagen bei durchschnittlich 2,3%. Das ergibt eine jährliche reale Erhöhung der kollektivvertragliche Mindesteinkommen um 0,6%. In den letzten 5 Jahren stiegen die Preise um durchschnittlich 2%, die KV-Einkommen um 2,4%, was eine jährliche reale Einkommenssteigerung von 0,4% ergibt. 4

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Siehe Markus Marterbauer, Wem gehört der Wohlstand? Perspektiven für eine neue österreichische Wirtschaftspolitik (Wien 2007) Statistik Austria, in Kurier 2.1.2007 9

Warum bleibt trotz Lohn- und Gehaltserhöhungen netto nicht mehr über? Wenn die Einkommen um 3% steigen, geht bei mittleren Einkommen etwa ein Drittel der Erhöhung durch Abgaben verloren, sodass 2% Nettoeinkommenssteigerung übrig bleiben. Wenn nun die Inflation 2% beträgt, ergibt sich keine Verbesserung der inflationsbereinigten Nettoeinkommen. Zwei Drittel der Lohnerhöhung benötigt man um die gestiegenen Preise zu kompensieren. Beispiel: Erhöhung der Bruttoeinkommen von Angestellten um 3% von EUR 2.000,- auf EUR 2060,-. Die Nettoeinkommen steigen um 2,2% von EUR 1.365,66 auf EUR 1.396,- netto. Wenn die Inflation 2% beträgt, steigen die Nettorealeinkommen um 0,2%. Liegt die Inflation nur bei 1,5% steigen sie um 0,7%. Die zunehmende Bedeutung von Teilzeitarbeit und die Verschiebung von neuen Arbeitsplätzen in den Niedriglohnbereich bewirkten in den letzten Jahren eine Stagnation der durchschnittlichen Realeinkommen. Neben der Verschiebung von Vollzeit- zu Teilzeitarbeitsplätzen, und niedrig bezahlten Arbeitsplätzen trägt auch die Steuerpolitik dazu bei, dass die durchschnittlichen Nettoeinkommen nicht steigen. Die Lohnsteuerquote, der Anteil der Lohnsteuer an den Löhnen und Gehältern ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Lediglich 2005 ging sie leicht zurück. Daher kann bei der Steuerreform 2005 nicht von der größten Steuerreform die Rede sein. In den Kollektivvertragsabschlüssen wurden demgegenüber reale Verbesserungen der Einkommen durchgesetzt. Einkommenserhöhung und Abgabenbelastung Die Tatsache, dass es vor allem die ArbeitnehmerInnen sind, die den Staat finanzieren, macht sich auch daran bemerkbar, dass die Belastung der Lohn- bzw. Gehaltszuwächse sehr hoch ist. Für jene Einkommensgruppen, die noch nicht lohnsteuerpflichtig sind, verbleiben von einer Erhöhung der Bruttoeinkommen 82% netto, weil 18% Sozialversicherungsabgaben anfallen. Sobald die Lohnsteuer hinzukommt, fallen von einer Einkommenserhöhung etwa 50% an Abgaben (Steuer und Sozialversicherung) an. Dieser Wert ändert sich bei verschiedenen Einkommenshöhen kaum, weil die hohen Einkommensbestandteile, für die der Höchststeuersatz von 50% anfällt über der Höchstbeitragsgrundlage liegen, somit keine Sozialversicherungsabgaben anfallen.

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Was tun gegen die Schieflage der funktionalen Einkommensverteilung? Ein Mittel gegen das Sinken der Lohnquote ist eine produktivitätsorientierte Lohnpolitik. Wenn die Erhöhungen der Löhne und Gehälter geringer sind als die Steigerung der Preise und der Produktivität, dann steigen die Realeinkommen langsamer als die Wirtschaft wächst. Eine Erhöhung der Lohneinkommen unterhalb der Produktivitätsentwicklung führt - wenn die Preise nicht entsprechend sinken - zu steigenden Kapitaleinkommen. Diese fließen, wenn sie ausgeschüttet werden, meist an Personen mit höherem Einkommen und geringerer Konsumquote. Das hat also negative Auswirklungen auf die Nachfrage und damit auf Produktion und Beschäftigung. Ziel der Gewerkschaften ist eine solidarische Lohnpolitik: Das Wachstum der Löhne und Gehälter soll sich an der gesamtwirtschaftlichen (und nicht branchenspezifischen) Produktivität orientieren. Damit sollen alle Beschäftigten gleich am Wirtschaftswachstum beteiligt werden. Damit wird auch angestrebt, dass sich Einkommensunterschiede innerhalb der ArbeitnehmerInnen nicht vergrößern. Dazu müssten die Lohnverhandlungen auch gesamtwirtschaftlich, branchenübergreifend koordiniert werden. Die Umsetzung bedarf eines hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrades in allen Branchen. Denn sonst kann man zwar in den hochproduktiven Branchen nur mit der Durchschnittsproduktivität abschließen, aber nicht durchsetzen, dass dieser auch in den Sektoren mit geringerer Produktivitätsentwicklung abgegolten wird. Denn es gibt Branchen in denen die Produktivität höher und solche in denen sie niedriger ist als im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt.

Beschäftigungsfördernde Wirtschaftspolitik Der Rückgang der Lohnquote liegt auch maßgeblich an der gestiegenen Arbeitslosigkeit. Um ein Sinken der Lohnquote zu verhindern, ist daher auch eine wachstums- und beschäftigungsfreundliche Wirtschaftspolitik notwendig. Das setzt voraus, dass die Zinsen nicht beim ersten Anzeichen eines Aufschwungs erhöht werden. Den arbeitslosen Menschen ist mit höherem Wachstum und steigender Beschäftigung mehr geholfen, als mit einer niedrigen Inflation. Niedrige Preise sind wenig wert, wenn sie zur Folge haben, dass viele Menschen kein Einkommen erzielen. 11

Der Staat sollte durch eine antizyklische Budgetpolitik verhindern, dass die Arbeitslosigkeit in einer wirtschaftlichen Abschwächung stark ansteigt. Im letzten Jahrzehnt wurde statt antizyklischer Politik eine prozyklische Politik durchgeführt. Es wurden in der guten Konjunktur 1999/2000 die Steuern gesenkt, dann wurden mitten in die Rezession 2001 die Steuern und Gebühren erhöht. Das Ergebnis beider Maßnahmen zusammen war ein sehr starker Anstieg der Arbeitslosigkeit. In einer Rezession sollte das Budget nicht konsolidiert werden, sondern die Wirtschaft durch öffentliche Investitionen und die Einkommen der sozial Schwachen gestützt werden. Umgekehrt sind Mehrausgaben und Steuersenkungen in einer Phase der Hochkonjunktur nicht sinnvoll. Hier sollten Reserven für die nächste Abschwungphase angelegt werden.

Gewinnbeteiligung zur Erhöhung der Lohnquote? Bislang fielen Empfehlungen seitens der EU zur Lohnentwicklung zumeist dadurch auf, dass die Sozialpartner bzw. Gewerkschaften zu Lohnmäßigung aufgefordert wurden (z.B. in den Wirtschafts- und Beschäftigungspolitischen Leitlinien der Kommission). Nun haben die EU Finanzminister Anfang 2007 thematisiert, dass der Wohlstand in der ganzen EU ungerecht verteilt ist. Nicht dass das neu wäre, aber bisher hatten die Finanzminister damit kein Problem. Die MinisterInnen sorgen sich, dass es die ArbeitnehmerInnen nicht mehr lange akzeptieren, wenn bei steigendem Wachstum ihre Realeinkommen stagnieren, während die Gewinne permanent steigen.6 Doch ihre Schlussfolgerung war nicht, dass die Löhne stärker steigen sollen (im Ausmaß von Inflation und Produktivität), sondern dass die ArbeitnehmerInnen an den Gewinnen beteiligt werden. Wenn die Gewinne zu den ArbeitnehmerInnen auf diese Art und Weise verteilt werden sollten, wird das Problem aber nur für einen Teil der Beschäftigten gemildert. Denn dieser Vorschlag erreicht - auch wenn er umgesetzt wird - wahrscheinlich nur eine Minderheit der ArbeitnehmerInnen. Gewinnbeteiligungsmodelle gibt es bereits. Meist werden solche in Großbetrieben, die als Kapitalgesellschaft operieren, vereinbart. Kleinere Betriebe, viele Betriebe im Gewerbe und dem Dienstleistungsbereich, Beschäftigte in Vereinen oder im öffentlichen Bereich werden kaum an Gewinnen beteiligt werden. Damit könnte der Vorschlag dazu führen, dass die Ungleichheit in der Einkommensverteilung unter den ArbeitnehmerInnen weiter zunimmt. Insbesondere Branchen mit hohem Frauenanteil fallen unter jene die kaum Gewinnbeteiligungsmodelle durchführen könnten (soziale Dienste, öffentlicher Bereich). Und auch aus einem anderen Grund ist hier Vorsicht geboten. In Bereichen wo Gewinnbeteiligungen anwendbar sind, drängen Arbeitgeber darauf, statt nachhaltigen Einkommenserhöhungen gewinnabhängige Einmalzahlungen durchzusetzen. Dann wäre der Effekt eine Senkung und keine Steigerung der Lohnquote. Außerdem übernehmen die ArbeitnehmerInnen damit Unternehmensrisiko.

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So argumentiert auch Claus Raidl, langjähriger Vorstand von Böhler Uddelholm: „Gewinnbeteiligung schützt Kapitalismus.“

Gewinnbeteiligung als betriebliche Altersvorsorge? Die Zahlung von variablen Gewinnbeteiligungen als betriebliche Altersvorsorge in Pensionskassen erscheint nicht als sinnvoller Vorschlag. Zum Einen ist nur eine Minderheit der ArbeitnehmerInnen in Pensionskassen eingebunden (etwa 450.000). Für alle Anderen kann dieser Vorschlag unter den gegebenen Bedingungen nicht umgesetzt werden. Bei Betriebspensionen kommt zu deren geringer Verbreitung ein weiterer Nachteil hinzu. Zu den Schwankungen der Kapitalmärkte kämen auch die Schwankungen bei gewinnabhängigen Beiträgen hinzu. Die Höhe der betrieblichen Pension wäre damit völlig ungewiss. Die Zahlung von gewinnabhängigen Beträgen in Pensionskassen bedeutet, dass dieses Geld momentan als Kaufkraft ausfällt. Es wird daher die Nachfrage gedämpft. Das kann sich negativ auf Wachstum und Beschäftigung auswirken.

 Verteilung der persönlichen Einkommen Nicht nur zwischen den Lohn- und Arbeitseinkommen geht die Schere auseinander. Auch die Verteilung der Einkommen der unselbständig Beschäftigten ist durch eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich gekennzeichnet. Der steigende gesamtwirtschaftliche Wohlstand wird zunehmend ungleicher verteilt. Die niedrigen Einkommen sinken und die hohen Einkommen wachsen überproportional! Seit 1997 sind die niedrigen Einkommen gesunken und die hohen Einkommen gestiegen! Damit hat sich der Abstand zwischen niedrigen und hohen Einkommen weiter vergrößert. Eine Verringerung der Einkommensunterschiede würde eintreten, wenn die Einkommen der wenig Verdienenden schneller steigen würden, als die der viel Verdienenden. Das Gegenteil ist passiert. Die (Brutto)einkommen sind 1997 bis 2004:  im untersten Einkommensviertel (jene 25% der ArbeitnehmerInnen, die am wenigsten verdienen) nominell um 2% gesunken;  die mittleren Einkommen sind um 11% gestiegen;  die Einkommen an der Grenze zum bestverdienenden Viertel sind um 13% gestiegen. Da zwischen 1997 und 2004 die Preise um 12,2% gestiegen sind, sind die niedrigen Einkommen real drastisch geringer als 1997 und auch die mittleren Einkommen sind leicht zurückgegangen!

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Doch gab es große Unterschiede zwischen den ArbeiterInnen, Angestellten und BeamtInnen. Die Niedrigeinkommen der ArbeiterInnen sind bei den am geringsten Verdienenden 25% (1. Quartil: 25% verdienen weniger) nominell um 13% gesunken. Wenn man noch 12% Inflation berücksichtigt, sind die Einkommen der am wenigsten verdienenden ArbeiterInnen um ein Viertel geringer als 1997. Bei den Angestellten und BeamtInnen sind die Einkommen gestiegen, wobei der Zuwachs bei den BeamtInnen deutlich höher ausfällt. Bei den BeamtInnen sind die höheren Einkommen nicht stärker als die niedrigeren gewachsen. Bei den Angestellten nahmen die mittleren Einkommen stärker zu als die niedrigen und hohen Einkommen. Im Gegensatz zu den ArbeiterInnen sind aber die niedrigen Einkommen nominell gestiegen und nicht zurückgegangen.

Der Rückgang der Realeinkommen der am wenigsten Verdienenden 25% kann an mehreren Faktoren liegen: Der Zunahme von geringfügiger Beschäftigung, der erhöhten Teilzeitquote sowie dem wirtschaftlichen Strukturwandel. Die geringfügige Beschäftigung ist von 1997 bis 2006 um 43% gestiegen. Sieben von zehn geringfügig Beschäftigten waren Frauen. Frauen im Niedriglohnbereich sind von den rückläufigen Einkommen besonders betroffen. 14

Geringfügig Beschäftigte Insgesamt

Männer

Frauen ArbeiterInnen Angestellte

2006

235.507

70.771

164.736 132.317

103.190

1997 7

164.445

44.908

119.537 108.892

55.553

Änderung 97/06

43%

58%

38%

86%

22%

Davon sind in %:

Männer

Frauen

ArbeiterInnen

Angestellte

2006

30%

70%

56%

44%

27%

73%

66%

34%

1997

Quelle: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger

Bei diesem Vergleich ist Vorsicht geboten. Denn das bedeutet nicht, dass die Personen die 1997 zum untersten Einkommensviertel gehört haben heute weniger verdienen. Sondern die 25% der Dienstverhältnisse die am schlechtesten bezahlt werden, wurden 2004 schlechter bezahlt als 1997. Dass es heute mehr niedriger bezahlte Arbeitsplätze gibt als 1997, hat mehrere Ursachen:  Ein wesentlicher Grund liegt darin, dass die Erwerbsverläufe durch viele Unterbrechungen gekennzeichnet sind. Außerdem sind viele Menschen während eines Jahres nicht durchgängig beschäftigt. Das betrifft insbesondere die ArbeiterInnen. 2005 waren etwas mehr als eine Million ArbeitnehmerInnen nicht ganzjährig beschäftigt. Laut der Lohnsteuerstatistik waren 2005 nur 56,2% aller ArbeitnehmerInnen ganzjährig vollzeitbeschäftigt.  Niedrige Löhne und Gehälter in der Industrie werden durch Kollektivverträge an die Einkommensentwicklung gekoppelt. Niedrige Löhne bzw. Gehälter in manchen Bereichen der (persönlichen) Dienstleistungen fallen hingegen in gewerkschaftlich schlecht organisierte Bereiche, in denen eine Anpassung nach oben schwer durchgesetzt werden kann.  Niedrig qualifizierte Menschen haben deutlich schlechtere Chancen eine existenzsichernde bezahlte Arbeit zu bekommen. Das österreichische Bildungssystem ist sehr selektiv:  Nur 6,6% der Studierenden kamen 2002 aus einer Familie, in der beide Elternteile Arbeiter waren.8 Ein Bildungssystem, in dem das Bildungsniveau der Kinder vor allem von dem der Eltern geprägt wird, vererbt damit Einkommensunterschiede und verfestigt Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft. Die Armutsquote sinkt markant mit dem Bildungsniveau: Von den Personen, die nur einen Pflichtschulabschluss haben, sind 20% armutsgefährdet, von jenen mit Matura „nur“ mehr 10%.9 Auch eingebürgerte ImmigrantInnen sind, obwohl sie zu 63% beschäftigt sind und damit fast im Durchschnitt liegen, mit 26% deutlich stärker von Armut betroffen. Insbesondere bei MigrantInnen ist es notwendig, diese in bessere Ausbildung zu bekommen, damit Niedrigeinkommen nicht vererbt werden. Wenn man die Einkommensunterschiede abbauen will, muss es auch deutliche Anstrengungen geben, dem Ziel der Chancengleichheit näher zu kommen. Dazu muss man auch insbesondere im Bildungssystem ansetzen. 7 8 9

http://www.bmsg.gv.at/cms/site/detail.htm?channel=CH0356&doc=CMS1078919971014 IHS Sozialerhebung 2002 Sozialbericht 2004 15

Einkommen der Manager und Führungskräfte In den börsenotierten Unternehmen sind die Vorstandsgehälter in den letzten Jahren sehr stark angestiegen. Die Vorstandsbezüge pro Kopf betrugen 2006 in den ATX Unternehmen EUR 1.133.000,-. Damit waren sie um 14% höher als im Jahr zuvor. Doch derartige Einkommenssteigerungen sind für Manager in den letzten Jahren keine Ausnahme. Von 2000 bis 2005 stiegen die Bezüge Österreichs Top-Manager in den ATX Unternehmen um 95%.10 Mit Transparenz ist es bei den Managergagen nicht weit her. Nur 14 Unternehmen veröffentlichten auch die individuelle Vorstandsbezüge, also nicht nur den Durchschnittswert, sondern auch welcher Vorstand wie viel Bezüge erhielt.11 Ein Grund für die hohen Managerbezüge sind so genannte Stock Options. Dabei können Manager Aktien ihres Unternehmens zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einem festgelegten Preis kaufen. Wenn der Kurs dann höher ist, kann man die Aktien sofort mit Gewinn weiterverkaufen. Bei der OMV etwa machten 2005 von insgesamt rund elf Millionen Euro für vier Vorstandsmitglieder rund sieben Millionen steuerbegünstigte Aktienoptionen aus. Die Gagen der OMV Manager sind übrigens 2000 bis 2005 gleich um 367% gestiegen.12 Stock Options, die in der Regel nur Führungskräften angeboten werden, werden auch steuerlich begünstigt. D.h., dass die Bezieherinnen von Spitzeneinkommen steuerlich gefördert werden, während die mittleren Einkommen stark von der Lohnsteuer belastet werden. Bei einer fünfjährigen Behaltefrist ist die Hälfte der Optionsgewinne, bis maximal EUR 36.400,- eingeräumter Optionen, steuerfrei. Aber nicht nur die Einkommen der Manager der großen ATX Unternehmen stiegen weitaus stärker als die der ArbeitnehmerInnen. Führungskräfte konnten insgesamt mehr rausholen, wobei die Einkommen der Führungskräfte insgesamt nicht so spektakulär zulegten wie in den ATX Unternehmen. Die Einkommen der Führungskräfte stiegen in Österreich von 2000 bis 2005 um 17%, jene der ArbeitnehmerInnen insgesamt nur um 12,4%.13 Von 1996 bis 2005 steigen die Managereinkommen um 40%, jene der ArbeitnehmerInnen um 19,6%. 10

AK 7.8.2006 Standard 29. 7.2007 12 AK, 7.8.2006 13 Jeweils nominell also nicht inflationsbereinigt. Die Preise steigen um 13,2%. 11

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Laut Information des Wirtschaftsforums der Führungskräfte vom 21.6.2007 liegen die Jahresgesamteinkommen in der 1. Führungsebene (Vorstand) bei EUR 174.800,- (+4%) und in der 2. Führungsebene (Bereichsleiter) bei EUR 110.500,-. Die GPA-DJP fordert daher eine Abschaffung der Steuerbegünstigung für Stock Options. Es ist nicht einzusehen, dass ausschließlich die SpitzenverdienerInnen steuerlich gefördert werden. Außerdem ist die Höhe eines Aktienkurses ein schlechter Maßstab für die persönliche Leistung eines Managers.

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Netto-Haushaltseinkommen Die Einkommensungleichheit kann man messen, in dem man alle EinkommensbezieherInnen in vier Gruppen teilt: 1. 2. 3. 4.

das das das das

ärmste Viertel (Quartil), zweitärmste Viertel (Quartil), zweitreichste Viertel (Quartil) und reichste Viertel (Quartil).

An der Grenze vom 1. zum 2. Viertel verdienen genau 25% weniger als diesen Betrag, an der Grenze vom 3. zum 4. Viertel verdienen 75% weniger. Setzt man diese beiden Grenzen in Relation zueinander, so erhält man ein gutes Bild für die Einkommensunterschiede. Trotz wachsender Ungleichheit bei der Verteilung der Primäreinkommen14 gab es bei den Haushaltseinkommen eine Entwicklung zu mehr Gleichheit. Diese Nettoeinkommen pro Kopf sind eine entscheidende Größe für den materiellen Wohlstand und die Konsummöglichkeiten der Haushalte. Vergleicht man das Verhältnis der Einkommen an der Grenze zum ärmsten und reichsten Viertel, erkennt man, dass die Unterschiede bei den Arbeitseinkommen je Beschäftigten weitaus höher sind als das Haushaltseinkommen je Person. 1. Quartil zum 3. Quartil Bruttoeinkommen der Unselbstständigen ..................................................................1:3,2 Nettoeinkommen der Unselbstständigen ..................................................................1:2,8 Gewichtete Haushaltsäquivalenzeinkommen nach Transfers15 ....................................1:1,74

Familienbeihilfen und andere soziale Transfers tragen also zur Verringerung der Einkommensunterschiede maßgeblich bei. Während sich der Abstand vom 1. zum 3. Quartil bei den Gesamt-Netto-Einkommen vergrößert, ist er beim gewichteten Nettoeinkommen pro Kopf (Äquivalenzeinkommen) sogar im Sinken begriffen. Der Sozialstaat hat es also bislang geschafft, der zunehmenden Ungleichheit der Markteinkommen entgegenzuwirken. Ein Abbau des sozialen Netzes würde also bewirken, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander geht. Die Armutsgrenze für 2-Personen-Haushalte für 2005 wird mit EUR 1.350,- festgelegt, also dem 1,5-fachen und nicht mit dem doppelten der Armutsgrenze für Alleinstehende (EUR 900,-). Eine Unterscheidung zwischen Primär- und Haushaltseinkommen ist also unabdingbar.

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Das Primäreinkommen der privaten Haushalte enthält die Netto-Einkommen aus Erwerbstätigkeit und Vermögen. Zu diesen Einkommen gehören vor allem das ArbeitnehmerInnenentgelt, die Selbstständigeneinkommen sowie die netto erhaltenen Vermögenseinkommen. Äquivalenzeinkommen sind Haushaltseinkommen dividiert durch die Personengewichte im jeweiligen Haushalt. Hierbei zählt die erste Person 1, jede weitere Person 0,5 und Kinder unter 14 Jahren 0,3. Ausgaben die von der Haushaltsgröße abhängen (z.B. Kleidung, Essen, Kosmetik) verlieren tendenziell an Bedeutung gegenüber Fixkosten wie Wohnung, Auto, Elektrogeräte und andere Konsumgüter. Die Personenzahl pro Haushalt kann rascher wachsen als das Einkommen, ohne dass dadurch die Mitglieder eines Haushaltes finanzielle Einbußen erfahren.

Die 25% reichsten Haushalte verfügen über 42% der Einkommen, das ärmste Viertel nur über 13%. Demgegenüber weist die Verteilung der Einkommen in der Mitte geringe Unterschiede auf. Das 2. reichste Viertel erhält für 25% der Personen 25% des Einkommens, das 3. reichste Viertel 20%. Die Ungleichheit geht also von den Rändern der Verteilung, also den besonders hohen und niedrigen Einkommen aus. Eine stärkere Ausrichtung des Sozialsystems auf Leistungen die in das untere Einkommensviertel gehen ist daher unbedingt notwendig. Das bedarf der Einführung einer bedarfsorientierten Mindestsicherung sowie höheren Leistungen in der Arbeitslosenversicherung. Bei den unteren Einkommen geht ein wesentlicher Anteil des Einkommens auf Sozialleistungen zurück. Doch auch die Arbeitseinkommen sind durch Mindestlöhne und -gehälter im unteren Einkommensbereich zu fördern.

Einkommensungleichheit Es gibt aber große Unterschiede in der Einkommensspanne zwischen ArbeiterInnen, Angestellten und BeamtInnen. Bei den Angestellten und BeamtInnen nahm die Ungleichheit kaum zu, bei den ArbeiterInnen ist sie deutlich gestiegen. Bei den BeamtInnen sind nicht nur die Unterschiede zwischen den hohen und niedrigen Einkommen deutlich geringer als im Durchschnitt, auch die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern sind weitaus geringer. 1. Quartil zum 3. Quartil Bruttoeinkommen der Unselbständigen ........................................................1:3,2 Männer: ..............................................................................................................1:2,3 Frauen: ..............................................................................................................1:3,6 Bruttoeinkommen ArbeiterInnen ....................................................................1:3,9 Männer: ..............................................................................................................1:2,7 Frauen: ................................................................................................................1:4,8 Bruttoeinkommen der Angestellten................................................................1:2,9 Männer: ..............................................................................................................1:2,2 Frauen: ................................................................................................................1:2,8 Bruttoeinkommen der BeamtInnen (Männer und Frauen) ................................1:1,5

Laut diesen Daten gab es bei den Angestellten und BeamtInnen keine Zunahme der Ungleichheit. Bei den ArbeiterInnen war diese aber massiv. Das kann auch daran gelegen sein, dass bei den ArbeiterInnen die Teilzeitquote gestiegen ist. In diesen Daten spiegelt sich auch die Tatsache wider, dass nicht alle erfassten Personen durchgängig beschäftigt waren. Wenn man nur jene Tage berücksichtigt, in denen die Personen erwerbstätig waren, erhält man die standardisierten Jahreseinkommen. Bei diesen ist die Ungleichheit bei den ArbeiterInnen geringer als bei den Angestellten. Die Differenz der Einkommensunterschiede zeigt, dass es bei den ArbeiterInnen weitaus häufiger ist, dass keine durchgängige Beschäftigung vorliegt.

19

Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern Die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen sind in Österreich sehr hoch. Seit Mitte der 1990er Jahre holen die Frauen mit ihren Einkommen auch nicht mehr zu den Männern auf. Das mittlere Bruttoeinkommen der Frauen lag 2005 nur bei 60% des Männereinkommens. Bruttomedianeinkommen der Frauen in % des Medianeinkommens der Männer16 Unselbständigen Beschäftigte ArbeiterInnen Angestellte

BeamtInnen

1997

62%

50%

55%

95%

2000

60%

48%

54%

94%

2005

60%

45%

50%

91%

Das Medianeinkommen ist das Einkommen in der Mitte: 50% verdienen mehr, 50% verdienen weniger. Das Medianeinkommen ist daher davon unabhängig, um wie viel die niedrigen und hohen Einkommen vom Median abweichen. Sehr hohe Spitzeneinkommen wirken sich nicht auf den Median aus. Dieses ist oft geringer als das durchschnittliche Einkommen, das durch die Spitzeneinkommen höher ist. Das mittlere Einkommen der Frauen beträgt bei den ArbeiterInnen weniger als die Hälfte, bei den Angestellten etwas mehr als die Hälfte und bei den BeamtInnen knapp 90%, des der Männer. Der Bezahlungsunterschied ist also bei den öffentlich Bediensteten deutlich geringer als in der Privatwirtschaft. Die Einkommensunterschiede liegen nur zum Teil daran, dass bei den Frauen die Teilzeitquote viel höher ist, als bei den Männern. Unterschiede in der Arbeitszeit erklären nur 45% dieser Einkommensunterschiede. Beunruhigend ist die Tatsache, dass seit Mitte der 1990er Jahre ein Stillstand bei der Angleichung der Einkommen von Frauen und Männern eingetreten ist. Frauen verdienen in Österreich auch arbeitszeitbereinigt17 deutlich weniger als Männer: um 18%. Der Unterschied ist deutlich höher als in der EU (15%). Das geht aus dem EUGleichbehandlungsbericht 2007 hervor (siehe folgende Grafik). „In Österreich wird seitens der Politik zu wenig unternommen, um diesen Einkommensunterschiede abzubauen. Es liegen kaum konkrete Projekte vor, um die Einkommensunterschiede auszugleichen", vermerkt der Sozialbericht.18

16 17

18

20

Statistisches Jahrbuch 2005, Einkommensbericht des Rechnungshof 19.12.2006 Es werden bei arbeitszeitbereinigten Statistiken bloß jene Beschäftigungsverhältnisse ab einer Mindestwochenarbeitszeit von 15 Stunden berücksichtigt! Der Standard, 8.3.2007

Quelle: Kommission der Europäischen Gemeinschaften Diese Zahlen enthalten, da sie die Stundenlöhne darstellen, nicht die Einkommensunterschiede die sich aufgrund der unterschiedlichen Teilzeitquoten ergeben. Aus der nächsten Grafik ist ersichtlich, dass der Abstand der Nettodurchschnittseinkommen zwischen Männern und Frauen bei den Angestellten am größten, und bei den BeamtInnen am geringsten ist.

21

Quelle: Statistik der Lohnsteuer 2005 (Statistik Austria) Was die Entwicklung seit 1997 betrifft, so sind die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern bei den Angestellten leicht zurückgegangen, während sie sonst gestiegen sind. Vor allem längere Berufsunterbrechungen, etwa durch Kindererziehungszeiten oder ein größeres Ausmaß an Teilzeitbeschäftigung, führen bei Frauen zu merklichen Einkommensverlusten. 39% der Frauen, aber nur 6% der Männer sind teilzeitbeschäftigt (bei einer Definition von unter 35 Stunden Wochenarbeitszeit). Frauen im unteren Einkommensbereich liegen übrigens noch weiter hinter den männlichen Berufskollegen zurück. Einzig Frauen mit hohem Bildungsabschluss können ihr Einkommen gleich rasch steigern wie die Männer.19

19

22

Marterbauer 2007

Quelle: Statistik der Lohnsteuer 2005 (Statistik Austria) Die Einkommensunterschiede nehmen mit steigendem Alter immer mehr zu. Beim Berufseinstieg verdienen Frauen 92% des Einkommens von Männern. Bei den 50- bis 59Jährigen erreichen Frauen nur noch 63% des Männereinkommens. Daran ist ersichtlich, wie sich die Erwerbsunterbrechung durch Kindererziehung negativ auf die Einkommensentwicklung der Frauen auswirkt. Das muss nicht so sein. In Ländern wie Schweden oder Frankreich mit einem gut ausgebauten öffentlichen Betreuungsangebot sind auch die Einkommensunterschiede weitaus geringer. Die Unterschiede sind aber nicht nur international sondern auch innerhalb Österreichs sehr ungleich. In Oberösterreich beträgt der Einkommensunterschied 38,2%, in Wien 22,4%. Insbesondere AlleinerzieherInnen sind von Armutsgefährdung betroffen. Von den erwerbstätigen Frauen die in einem Mehrpersonenhaushalt ohne Kinder leben sind 4% armutsgefährdet. Alleinerziehende Frauen, sind auch wenn sie erwerbstätig sind, zu 28% armutsgefährdet.20

Niedrige Einkommen in der Lohnsteuerstatistik Etwa ein Drittel aller Steuerpflichtigen zahlte keine Lohnsteuer, weil sie unter der Steuergrenze blieben. Diese Quote lag bei Männern bei 19,2% und bei Frauen bei 45,4%.21 Bei den ArbeitnehmerInnen sind Einkommen bis etwa EUR 1.000,- pro Monat (Bruttojahreseinkommen bis EUR 14.500,-) steuerfrei.

Gleichstellung der Geschlechter Forderungen der GPA-DJP (Auswahl)  Recht auf Teilzeit, Recht auf Vollzeit, Aufstiegschancen auch für Teilzeitkräfte; Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit.  Etwaige kollektivvertragliche Vorrückungen müssen auch während Karenzzeiten mitgenommen werden können.

20 21

Sozialbericht 2004, S. 222 Statistik der Lohnsteuer 2005 (Statistik Austria) 23

 Bezahlte und unbezahlte Arbeit gleich zwischen den Geschlechtern verteilen (z.B. durch Änderung der Normalarbeitszeit in geringere Wochenarbeitszeiten)  Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung  Notstandshilfe ohne Anrechnung des Partnereinkommens (individueller Rechtsanspruch für Frauen unabhängig vom Gehalt ihres Mannes)  Kinderbetreuungsgeld/Karenzgeld: Anreiz in Zeit und Geld für Väter, Neuregelung der Zuverdienstmöglichkeiten und Wiedereinführung einer echten Teilzeitkarenz  Beitragszahlungen in die betriebliche Altersvorsorge auch während der Karenz, keine geschlechtsspezifische Berechnung der Lebenserwartung  Kindererziehungszeiten sind für die Pensionsberechnung massiv aufzuwerten, um die Pensionsunterschiede zwischen Männern und Frauen abzufedern

 Sozialstaatliche Umverteilung Für die Lebenslage der Bevölkerung ist nicht nur das Markt- oder Bruttoeinkommen, sondern das Einkommen nach Steuern und der Berücksichtigung von Sozialleistungen relevant. Diese machen in ärmeren Haushalten einen sehr wesentlichen Bestandteil des verfügbaren Einkommens aus. Die Sozialleistungen verringern die Armut(-sgefährdung) stark, verhindern diese aber nicht.  Durchschnittlich stammen 36% des Gesamteinkommens aus sozialen Leistungen, bei armutsgefährdeten Haushalten aber 60%.  Ohne Sozialleistungen und Pensionen wären 42% statt 13% der Bevölkerung armutsgefährdet.22  Bei Langzeitarbeitslosen wird der Prozentsatz der Armutsgefährdeten durch Sozialleistungen von 70% auf 36% und bei den SozialhilfeempfängerInnen von 90% auf 47% reduziert.

Armut Österreich ist eines der reichsten Länder der EU. Trotzdem steigt der Anteil der Bevölkerung, der in Armut lebt bzw. armutsgefährdet ist. Das ist eine Folge der steigenden Einkommensschere. Der österreichische Sozialstaat reduziert Armutsgefährdung in beträchtlichem Ausmaß. Aber die Betroffenheit von Armut nimmt zu. Über eine Million Menschen bzw. 12,3% der Bevölkerung (11% der Männer, 14% der Frauen) leben unter der Armutsgefährdungsschwelle (60% des mittleren Einkommens). Tendenz steigend. Diese lag 2005 bei EUR 900,- netto im Monat (für Alleinstehende). Der Abstand der untersten und höchsten Einkommen vom mittleren Einkommen nimmt beständig zu. Laut Sozialbericht sind 13,2% Gesamtbevölkerung und 8% der Erwerbstätigen armutsgefährdet. Das bedeutet, dass Erwerbstätigkeit zwar grundsätzlich das Armutsrisiko reduziert aber mehr als die Hälfte der Armutsgefährdeten auch erwerbstätig sind.

22

24

Sozialbericht 2003/2004, Seite 224

Im österreichischen Sozialstaat ist eine ergänzende bedarfsorientierte Mindestsicherung notwendig, um die (Einkommens)Armutsgefährdung nicht nur zu reduzieren, sondern möglichst zu verhindern. Armut heißt nicht unbedingt, dass man kein Dach über dem Kopf hat oder sich keine Lebensmittel kaufen kann. Armut bedeutet auch, sich Dinge nicht leisten zu können die für die Mehrheit selbstverständlich sind, wie z.B. auf Urlaub fahren zu können. Armut bedeutet, es sich nicht leisten zu können außer Haus zu essen oder jemanden einzuladen. Armut bedeutet Angst vor Reparaturen und unvorgesehenen Ausgaben, weil das Geld bestenfalls für Miete und Verpflegung reicht. Oft geht sich aber auch das nicht aus. Armut bedeutet, nicht zu wissen wie es weitergeht…. Klarerweise würden ein Rückgang der Arbeitslosigkeit und die Förderung von Beschäftigung Armut reduzieren. Doch darüber hinaus sind auch beim sozialen Netz Lücken zu schließen. Die GPA-DJP setzt sich dafür ein, dass im Rahmen einer bedarfsorientierten Mindestsicherung die Betroffenheit von Armut reduziert bzw. möglichst verhindert wird.

Gegen Armut muss an mehreren Punkten angesetzt werden:  Erhöhung der Beschäftigung  Erhöhung der Mindestlöhne  Verbesserung der Leistungen im „ersten sozialen Netz“ vor allem der Arbeitslosenversicherung  Einführung einer bedarfsorientierten Grundsicherung Viele Beschäftigte verfügen über kein existenzsicherndes Einkommen. Hier kann man mit einer Erhöhung der Mindestlöhne und -gehälter ansetzen. Doch damit erreicht man nicht die Erwerbslosen und viele der atypisch Beschäftigten, für die keine Kollektivverträge gelten. Dass die Armutsgefährdung hoch ist, liegt unter anderem am geringen Leistungsniveau in der Arbeitslosenversicherung. Die GPA-DJP setzt sich für eine Erhöhung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld von 55% auf 70% ein. D.h. das Arbeitslosengeld soll 70% des letzten Einkommens betragen. Wer mit seinem/ihrem Einkommen aus Erwerbsarbeit oder Sozialleistungen unter der Armutsgrenze liegt, dem/der soll durch die bedarfsorientierte Grundsicherung das Einkommen bis zur Armutsgrenze ergänzt werden. Eine bedarfsorientierte Grundsicherung bewirkt eine Umverteilung nach unten, zu Einkommensgruppen die eine sehr hohe Konsumquote aufweisen, was sich positiv auf die effektive Nachfrage auswirkt.

Steuern und Sozialabgaben als Instrumente der Umverteilung? Der Sozialstaat reduziert die Einkommensungleichheit deutlich. Er kann aber die Unterschiede die sich am Markt ergeben (Primärverteilung) nicht ausreichend kompensieren. Wesentlich ist hier langfristig ein breiter Zugang zu guter Ausbildung. Die Einkommensunterschiede sind vor allem auch auf Qualifikationsdefizite zurückzuführen. Dass die Einkommen im Niedriglohnbereich geringer sind als vor 10 Jahren, zeigen die geringen

25

Arbeitsmarktchancen der gering Qualifizierten. Da ist endlich mehr Durchlässigkeit und Chancengleichheit im Bildungssystem notwendig. Während im OECD-Vergleich progressiv wirkende Abgaben ein stärkeres Gewicht haben, sind in Österreich vor allem regressiv wirkende Steuern relativ stark.23 Progressiv bedeutet, dass man mit steigendem Einkommen einen höheren Anteil des Einkommens an Steuern zahlt, bei regressiven Abgaben sinkt der Anteil des Gesamteinkommens den man zahlen muss mit steigendem Einkommen. Steuern und Abgaben die sich auf Arbeit beziehen sind hoch. Auch Massensteuern wie die Umsatzsteuer, die den Konsum belasten, sind sehr ergiebig. Diese treffen BezieherInnen kleiner Einkommen weitaus stärker als gut Verdienende. EUR 20,- Mehrwertsteuer bei einem Großeinkauf um EUR 100,- belasten jemand der EUR 800,- netto verdient, weitaus stärker als jemand mit EUR 2.000-- Nettoeinkommen.

Den größten Abzug von den Bruttoeinkommen stellen für über 80% der Unselbständigen die Sozialversicherungsbeiträge dar. Für die Einkommen bis zur Höchstbeitragsgrundlage (2007: EUR 3.840,-) zahlt man einen konstant gleich bleibenden Beitragssatz von insgesamt 18%. 24 Für Einkommensbestandteile darüber sind keine Sozialversicherungsbeiträge fällig. Umso mehr jemand verdient, desto weniger wird er/sie belastet (siehe Grafik nächste Seite). Damit durchbricht die Höchstbeitragsgrundlage das Leistungsfähigkeitsprinzip. Dieses besagt, dass JedeR nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (gemessen am Einkommen) zur Finanzierung des Sozialversicherungssystems beitragen soll. Insgesamt wiesen 2005 346.883 Steuerpflichtige einen Bezug über der Höchstbeitragsgrundlage von jährlich EUR 50.820,- auf. Davon waren 81,5% Männer und 18,5% Frauen.

23 24

26

Siehe z. B. Margit Predl, Steuerpolitik (VÖGB/AK-Skriptum WI 12) WIFO MB 7/2006. S. 529

Einkommen über der Höchstbeitragsgrundlage nach sozialer Stellung:25  ArbeiterInnen: ..................................................................................1 von 341  PensionistInnen: ..................................................................................1 von 76  Vertragsbedienstete: ............................................................................1 von 22  BeamtInnen im Ruhestand: ....................................................................1 von 9  Angestellte: ..........................................................................................1 von 7  BeamtInnen: ........................................................................................1 von 4 (wobei diese für das gesamte Einkommen Beiträge zahlen) Eine Aufhebung der Höchstbeitragsgrundlage würde auf Basis der Einkommen des Jahres 2002 alleine in der Krankenversicherung zu Mehreinnahmen von EUR 351,3 Mio. führen.26

Quelle: Margit Predl, Steuerpolitik (VÖGB/AK-Skriptum WI 12) Dagegen ist die Lohnsteuer, außer sie würde nach dem in zahlreichen osteuropäischen Staaten üblichen „Flat Tax“-Prinzip angewandt, eine sehr progressive Einkommensquelle. BesserverdienerInnen zahlen einen höheren Steuersatz als NiedriglohnbezieherInnen. Ein allgemeiner Absetzbetrag erhöht zusätzlich die Progression, weil er bei niedrigeren Einkommen eine wesentlichere prozentuelle Erleichterung darstellt.

25 26

Statistik der Lohnsteuer 2005 (Statistik Austria) WIFO MB 7/2006. S. 531 27

Quelle: Margit Predl, Steuerpolitik (VÖGB/AK-Skriptum WI 12)

Quelle: ?? Trotz der starken Progression durch das Lohnsteuersystem ist der Umverteilungsgrad des österreichischen Steuer- und Abgabensystems insgesamt gering. Dies wird durch die Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer weiter verschärft. Ursachen sind neben der regressiven Wirkung der Sozialversicherungsbeiträge, welche die progressiven Effekte der Lohnsteuer dämpfen, auch die fast nicht mehr gegebene Besteuerung von Vermögen. Außerdem wird die Progression in der Lohnsteuer durch die einheitliche Besteuerung des Jahressechstels (13. und 14.Gehalt) mit 6% gedämpft. Dieser Steuervorteil wirkt umso stärker je höher das Einkommen ist. Die SV-Beiträge reduzieren die Steuerbemessungsgrundlage und dämpfen damit die Progressionswirkung der Einkommensteuer. Umverteilungseffekte nach unten gehen im Sozialstaat Österreich vor allem von den Sozialleistungen aus. Viele Sozialleistungen gehen vor allem an die niedrigen Einkommen. Das betrifft vor allem Leistungen, für die man unter einer gewissen Einkommensgrenze liegen muss, wie die Sozialhilfe, die Ausgleichszulage in der Pensionsversicherung oder die Notstandshilfe in der Arbeitslosenversicherung. 28

Aber auch viele Leistungen, die nicht an eine Einkommensgrenze gekoppelt werden, verteilen von oben nach unten. Das betrifft etwa das Arbeitslosengeld, weil NiedrigverdienerInnen häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Auch familienpolitische Leistungen wie die Familienbeihilfen oder das Kinderbetreuungsgeld haben positive Verteilungswirkungen. Sie werden in gleicher Höhe an Haushalte mit Kindern geleistet. Für einen Haushalt mit geringem Einkommen machen familienpolitische Leistungen einen weitaus größeren Beitrag zum Haushaltseinkommen aus als für einen Haushalt mit hohen Einkommen. Der Anteil der Sozialleistungen am Haushaltseinkommen ist bei den niedrigen Einkommen weitaus höher als bei den hohen Einkommen. Insgesamt tragen Sozialleistungen für die unteren Einkommen stark zum Haushaltseinkommen bei. Im untersten Einkommenszehntel besteht das Haushaltseinkommen zur Hälfte aus Sozialleistungen im obersten zu einem Fünftel.27 Dabei werden auch Pensionen berücksichtigt. Die Umverteilung durch den Sozialstaat kann man messen, wenn man sowohl die Leistungen als auch die Abgaben berücksichtigt. Die oberen Einkommensgruppen zahlen in das Sozialsystem mehr ein, als sie in Form von Leistungen erhalten. Bei den unteren Einkommensgruppen ist es umgekehrt. Das oberste Einkommensviertel (bezogen auf Haushalte und nicht Personen) ist mit Abgaben in der Höhe eines Drittels des Einkommens belastet. Sozialleistungen inklusive Pensionen tragen zu 21% zum Haushaltseinkommen bei. Bei den unteren Einkommen überstiegen die empfangenen Leistungen die bezahlten Abgaben. Verteilungspositionen Haushaltseinkommen

Marktein- Alters-/Sozial- Abgaben in % kommen leistungen des Einkommens

Effektive Umverteilung*

Oberstes Einkommenszehntel

79

21

-33

-12

Oberstes Einkommensviertel

78

22

-31

-9

Drittes Einkommensviertel

76

24

-26

-1

Zweites Einkommensviertel

70

30

-23

7

Unterstes Einkommensviertel

57

43

-18

25

Unterstes Einkommenszehntel

50

50

-16

34 (*Leistungen versus Abgaben)

Vermögensverteilung in Österreich Vermögen sind stets ungleicher verteilt als Einkommen. Vermögensunterschiede können sich durch das Vererben über Generationen hin fortführen und durch steigende Vermögenseinkommen (Zinsen, Mieten, Pachten etc.) verstärken. Je höher Einkommen aus Vermögen wie Zinsen und Dividenden steigen, desto stärker profitieren die Vermögenden. Wenn diese Einkommen nicht oder nur gering besteuert werden, nimmt die Ungleichheit in der Vermögensverteilung zu. Auch in Österreich sind die Vermögen sehr ungleich verteilt. Vermögen kann man nur bilden, wenn das Einkommen deutlich über den notwendigen Ausgaben liegt, um ein Vermögen ansparen zu können. Die Geldvermögen stiegen in Österreich von 1997 bis 2002 um 22%, die Verbraucherpreise um 8,5%.    

27

Das oberste 1% besitzt 34% des Gesamtvermögens, die reichsten Top 2 - 10% besitzen weitere 35% des Gesamtvermögens, die restlichen 90% besitzen 32% des Gesamtvermögens, also besitzen die reichsten 10% fast 70% des Gesamtvermögens in Österreich. Quelle: Till, Stat. Nachrichten 4/2006 29

Zahl der Millionäre nimmt zu Der Capgemini und Merrill Lynch World Wealth Report 2006 zeigt auf, dass das Gesamtvermögen wohlhabender Privatanleger 2005 weltweit um 8,5% auf 33,3 Billionen Dollar angestiegen ist. Auch in Österreich stieg die Anzahl der Dollarmillionäre 2005 gegenüber dem Vorjahr um 6,9% auf 68.000 und damit stärker als der weltweite Durchschnitt an. „Wichtige Faktoren waren einerseits die sehr gute Performance der Aktienmärkte und andererseits eine allgemeine positive Wirtschaftsentwicklung getrieben durch ein starkes Exportwachstum", führte Gregor Erasim, Sector Manager Financial Services, Capgemini Österreich/CEE, bei einer Pressekonferenz 2006 aus.

Ein falscher Weg: Abschaffung der Erbschaftssteuer Hohe Vermögen kann man in der Regel nur dann haben, wenn man etwas geerbt hat. Auch im Bereich der höheren Einkommen verdient man im Laufe eines Erwerbslebens nicht so viel, dass man ein großes Vermögen aufbauen kann. Das ist nur möglich, wenn es zu Erbschaften kommt. Die Erbschaftssteuer war ein Mittel, um die sich vergrößernde Ungleichverteilung von Vermögen zumindest abzumildern. Insofern ist die Abschaffung der Erbschafssteuer im Zuge des Spruches des Verfassungsgerichtshofes vom 17. März 2007 ein weiterer Schritt in die falsche Richtung, der einerseits zu einer höheren Vermögenskonzentration führt und andererseits dazu, dass die Reichsten immer weniger zum Steueraufkommen beitragen. Nach dem Ende der Vermögenssteuer 1993, der Senkung des Körperschaftssteuersatzes und der Einführung von Privatstiftungen durch die Regierung Schüssel, kommt nun das Ende der Erbschafts- und vermutlich der Schenkungssteuer. Schon vor dem Ende der Erbschafts- und der Schenkungssteuer war Österreich Schlusslicht bei den vermögensbezogenen Steuern. Kapital- und Vermögenseinkünfte werden in Österreich niedrig besteuert. Vermögensrelevante Steuern erreichen in Österreich gerade einmal 0,6% des BIP. Im Durchschnitt der EU-15 sind es 2,1%. Würde Österreich dieses Niveau erreichen, ergäbe das Mehreinnahmen von fast EUR 4 Mrd. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Relation der Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern zum Gesamtsteueraufkommen. Während die EU-15 im Durchschnitt immerhin 5,3% ihrer Steuereinnahmen aus Vermögen lukrierten, waren es in Österreich bloß 1,3%. Interessantes Detail am Rande: Dieser Anteil steigt in den EU-15 stetig an, während er bereits vor Abschaffung der Erbschaftssteuer in Österreich stetig sank!

30

Vermögensbezogene Steuern als Anteil der Gesamtsteuereinnahmen 2005

Quelle: AK Oberösterreich; VÖGB Vermögensteuersätze 2005 in %

Quelle: VÖGB, Bundesministerien für Finanzen/Deutschland Erbschaftssteuer als eine der wenigen vermögensbezogenen Steuern in Österreich brachte trotz Steuerfreiheit für Sparguthaben, immerhin Einnahmen von EUR 130 Mio. bis EUR 140 Mio. Insbesondere für die Finanzierung von Pflege und Betreuung wären vermögensbezogene Steuern wichtig.

31

Wie funktionierte die Erbschaftssteuer? Je nach Verwandtschaftsgrad wurden die Erben in 5 unterschiedliche Steuerklassen eingeteilt. Kinder und EhegattInnen etwa in die Klasse I, Enkeln/Urenkeln in die Klasse II usw. Je näher der Verwandtschaftsgrad desto niedriger die Steuer (Ausnahme: Eltern, Großeltern als Erben). Je höher das Erbe desto höher die Steuer. Während eine Tochter, die von ihrem Vater Vermögen im Wert von EUR 10.000,- erbt nur 2,5% Erbschaftssteuer bezahlen musste, hätte ein Erbe, der von einer Tante EUR 30.000,- vermacht bekam, bereits 14% an Steuer abzuliefern. Der höchst mögliche Steuersatz betrug 60% (in der Praxis ohne Relevanz). Erwerb bis einschließlich

I

II

in der Steuerklasse III

EUR

7.300

2

4

EUR

14.600

2,5

5

EUR

29.200

3

6

EUR

43.800

3,5

7

EUR

58.400

4

8

EUR

73.000

5

10

EUR

109.500

6

EUR

146.000

7

EUR

219.000

EUR

365.000

EUR

IV

V

6

8

14

7,5

10

16

9

12

18

10,5

14

20

12

16

22

15

20

26

12

18

24

30

14

21

28

34

8

16

24

32

38

9

18

27

36

42

730.000

10

20

30

40

46

EUR 1.095.000

11

21

32

42

48

EUR 1.460.000

12

22

34

44

51

EUR 2.920.000

13

23

36

46

54

EUR 4.380.000

14

24

38

48

57

und darüber

15

25

40

50

60

Angaben in % Quelle: WIFO, Perspektiven der Erbschafts- und Schenkungssteuer in Österreich (Mai 2007) Bei land- und forstwirtschaftlichem Vermögen, Grundvermögen etc. wurde der dreifache Einheitswert als Bemessungsgrundlage festgelegt, was immer noch weit unter dem tatsächlichen Verkehrswert lag. Schließlich waren die Einheitswerte zuletzt 1973 festgestellt worden! Von dieser niedrigen Bemessungsgrundlage abgesehen gab es auch zahlreiche Ausnahmen. Nicht besteuert wurden etwa inländische Bankeinlagen, Aktien, Anteile an Kapitalgesellschaften und Investmentfonds (bis zu einer Höchstgrenze) sowie Hausrat (inkl. Bilder und Möbel, unverständlicher Weise unabhängig davon ob es sich um die Zeichnung eines Volksschulkindes handelte oder einen echten Picasso, der jährlich an Wert zulegte). Bei Übertragung von Betrieben gab es darüber hinaus seit 2000 eine Freibetragsgrenze von EUR 365.000,-. Anstelle der Abschaffung der Erbschaftssteuer wären verschiedene Arten der Reform möglich gewesen. Mit einer Neugestaltung des Einheitswertverfahrens (Hauptkritikpunkt des VfGH) und einer regelmäßigen Neubewertung bzw. Wertanpassung von Grundund Immobilienvermögen wäre schon viel getan gewesen. Auch hätte man die Anzahl der Steuerklassen reduzieren oder die Freibeträge anders festlegen können.

32

Probleme/Konsequenzen der Abschaffung Nachdem knapp die Hälfte des Aufkommens auf 1,3% der Erbfälle entfiel, kann man der Erbschaftssteuer eine stark umverteilende Wirkung nachsagen. Konkret sorgten 2006 811 Erben für 50% des Steueraufkommens (bei einer Gesamtzahl von 62.399 Erben!).28 Umgehungsgeschäfte: Die Schenkung von Grundstücken könnte nach Abschaffung der Schenkungssteuer grunderwerbssteuerpflichtig werden. Nachdem kein Kaufpreis vorhanden ist, würde für die Ermittlung der Grunderwerbssteuer bloß der dreifache Einheitswert herangezogen werden, der deutlich unter dem realen Marktwert liegt. Käufer und Verkäufer könnten durch Mittelsmänner Geld und Grundstücke als Schenkungen deklarieren.29 Die Eingangsbesteuerung von Privatstiftungen fällt weg, weil es sich bei der derzeitigen Besteuerung bloß um einen Sondersatz der Erbschafts- und Schenkungssteuer handelt. Folglich würde die Übertragung von Vermögen in Privatstiftungen keinerlei Steuern mehr unterliegen. Die Abschaffung der Schenkungssteuer würde das so genannte „Familiensplitting“ durch die Hintertüre einführen. Eine solche Aufteilung von Einkommen innerhalb einer Familie würde die steuerliche Bemessungsgrundlage vermindern. In Frankreich gilt etwa die gesamte Familie als Steuereinheit, in Deutschland oder Australien gilt das Ehegattensplitting. Das österreichische Prinzip der Individualbesteuerung würde insofern ad absurdum geführt, weil Eigentum nun jederzeit verschenkt werden kann, ohne durch irgendwelche Steuern behindert zu werden.

Das AK Modell Die Arbeiterkammer hat ein eigenes Modell zur Reform der Erbschafts- (und Schenkungssteuer) entworfen, das sie anstatt einer Abschaffung vorschlägt:  Finanzvermögen sind wie jede Art des Vermögens steuerpflichtig (das bezieht sich auch auf Bargeld, Sparbücher, Aktien, Kunstsammlungen etc.)  es gibt nur mehr zwei Steuerklassen statt fünf  die Steuersätze bewegen sich „nur“ mehr zwischen 4% und 20%  bis zu EUR 300.000,- Steuerfreibetrag (auch für Betriebsvermögen)  Faire Bewertung von Grundstücken (=jede Gemeinde erstellt einen Grundpreiskataster aufgrund der im Grundbuch ersichtlichen Kaufpreise und Markterfahrungen; zu den so festgestellten Preisen wird der Gebäudewert nach pauschalen Kubikmeterpreisen je nach Bebauungsart und Alter des Gebäudes dazuaddiert)

28 29

Siehe WIFO, Perspektiven der Erbschafts- und Schenkungssteuer in Österreich (Mai 2007) Siehe WIFO, Perspektiven der Erbschafts- und Schenkungssteuer in Österreich (Mai 2007) 33

Besteuerung von Vermögenszuwächsen Hinsichtlich der vermögensbezogenen Steuern ist festzustellen dass ein Anheben dieser Einnahmen auf den europäischen Durchschnitt beinahe EUR 4 Milliarden an Mehreinnahmen brächte. Nicht nur Vermögen selbst wird in Österreich kaum besteuert, auch die Einkommen die aus dem Besitz von Vermögen entstehen, sind gegenüber der Arbeit steuerbegünstigt. Für Zinsen oder Dividenden zahlt man lediglich 25% Steuer, unabhängig davon wie hoch dieses Einkommen bzw. das Gesamteinkommen ist. Und wenn man Aktien nach einem Jahr mit Gewinn weiterverkauft ist gar keine Steuer zu entrichten. Diese einjährige Spekulationsfrist soll gestrichen werden.

Die Negativsteuer Der Vorschlag von Sozialminister Buchinger Ausgehend von der problematischen Tatsache, dass mehr als die Hälfte der armutsgefährdeten Menschen in Haushalten lebt, deren Haupteinkommen Erwerbstätigkeit ist, legte Sozialminister Buchinger im Frühjahr 2007 ein Konzept vor, um deren Einkommenssituation zu verbessern. Einerseits sollen die Einkommen dieser NiedriglohnbezieherInnen durch die Einführung einer Negativsteuer angehoben werden, andererseits soll es Ziel sein, Beschäftigung zu intensivieren und die Annahme von Arbeit attraktiver zu machen. Als aktivierende Maßnahme stünde diese Negativsteuer nur Beschäftigten zu. Die Negativsteuer könnte ab einer Mindestarbeitsdauer (etwa 30 Stunden wöchentlich für Personen ohne Kinder rund 16 Stunden für solche mit Kindern wie in Großbritannien) bis zu einer Einkommenshöchstgrenze gewährt werden. Es könnte auch ein Mindesterwerbseinkommen vorgesehen werden. Der Vorschlag von Minister Buchinger geht von EUR 9.800,- brutto aus (EUR 700,- x 14). Ab jährlichen Nettoerwerbseinkommenshöhen von EUR 8.400,- bzw. EUR 7.000,- soll ein Steuerbonus von maximal EUR 2.400,- (ohne Kinder) bzw. EUR 3.600,- (mit Kindern) zuerkannt werden. Dieser reduziert sich für höhere Einkommen um die 50%. IHS-Chef Bernhard Felderer (16.4.07, Die Presse) erkennt im Modell Buchingers mögliche Negativanreize für ZweitverdienerInnen. Laut Felderer würde das 2. Familienmitglied motiviert, lieber in Teilzeitarbeit zu gehen oder überhaupt nicht zu arbeiten, weil man sonst gemeinsam über die angesetzte Grenze käme und die Negativsteuer verlöre. Eine Haushaltsbesteuerung benachteiligt (wie bei der vorher geschilderten Abschaffung der Schenkungssteuer) die Erwerbstätigkeit einer zweiten Person, weil das zusätzliche Einkommen zum Einkommen des/der Erstverdieners/in hinzugezählt wird und damit sofort sehr stark besteuert wird. In Österreich gilt die Individualbesteuerung, d.h. z.B., dass für jeden Steuerpflichtigen die ersten EUR 10.000,- des steuerpflichtigen Einkommens steuerfrei sind. Das wirkt sich positiv auf die Erwerbstätigkeit einer zweiten (oder dritten) Person im Haushalt aus. Um Anreize für eine Erhöhung der Erwerbsarbeit von 2 erwachsenen Personen im Haushalt zu schaffen, kann bei Erwerbeinkommen beider Partner im Ausmaß von jeweils mindestens EUR 6.000,- der Steuerbonus ab einem höheren Haushaltseinkommen (z.B. EUR 12.000,- anstatt EUR 8.400,-) einsetzen. 34

Buchinger bezifferte die Kosten für die Negativsteuer mit EUR 250 Millionen jährlich. Er bezeichnete den Vorstoß als Alternative zu einer generellen Senkung der Lohnnebenkosten für GeringverdienerInnen, die treffsicherer in Bezug auf die Armutsbekämpfung sei.

Negativsteuer derzeit Es gibt derzeit bereits eine Negativsteuer in Österreich, allerdings in sehr geringem Ausmaß. ArbeitnehmerInnen können 10% der gezahlten Sozialversicherung, maximal aber EUR 110,- im Jahr, wenn sie auf Grund niedriger Einkommen keine Lohnsteuer zahlen, vom Finanzamt als Negativsteuer zurückholen. Das gilt auch für geringfügig Beschäftigte, die freiwillig in die Kranken- und Pensionsversicherung zahlen. Um das Geld zu bekommen, müssen die Betroffenen eine ArbeitnehmerInnen-Veranlagung machen, was bis zu fünf Jahre rückwirkend möglich ist.

Negativsteuer international Als ausländisches Beispiel für die Negativsteuer gelten die so genannten „In Work Benefits“, die unter Tony Blair eingeführt wurden. Der Bezug einer Leistung ist dabei an Gegenleistungen der LeistungsempfängerInnen gebunden. Als Gegenleistungen gelten: Gemeinnützige Arbeit, aktive Arbeitssuche, sowie die Beteiligung an Informations- - und Beratungsgesprächen (Arbeitsethos). „In Work Benefits“ in Form von Transfers- und Steuergutschriften sind nicht nur vom Einkommen abhängig, sondern werden ausschließlich an Erwerbstätige bezahlt. Man muss ein geringes Erwerbseinkommen aufweisen, damit man die Leistung bekommt. Zusätzlich kann ein Child Tax Credit bezogen werden, der das Einkommen von gering verdienenden AlleinerzieherInnen um fast 100% steigern kann. Auch in den USA sind Negativsteuern ein wichtiges Element der (allerdings nur sehr schwach ausgeprägten) Sozialpolitik. Wie Großbritannien, das das Modell 2000 von den USA übernommen und adaptiert hat, stehen auch die USA in liberaler Tradition und berufen sich bei ihrem Ansatz der „negative income tax“ u. a. auf den neoliberalen Vordenker Milton Friedman (der bei seinem Konzept aber keine Armutsverhinderung angestrebt hatte). Friedman lehnte auch Bedarfsprüfungen ab, d.h. die Negativsteuer würde auch bei Personen wirksam, die kein Einkommen aufweisen, allerdings würde nur die Hälfte des Existenzminimums ersetzt. Außerdem sollten bestehende Wohlfahrtsprogramme nach Einführung der nEST abgeschafft werden. Präsident Clinton setzte 1993 eine Verbesserung des EITC-Systems (Earned Income Tax Credit) durch, das auch von den Republikanern unterstützt wird. Allerdings wurde bereits ein Jahr später ein umfangreiches Sozialabbau-Paket beschlossen. Dabei wurde die Sozialhilfe zeitlich beschränkt, bundesstaatliche Familienbeihilfen wurden abgeschafft. Das bedeutet, dass armutsreduzierende Leistungen an Beschäftigte im Niedriglohnsektor bezahlt werden, nicht jedoch an Erwerbslose! Es handelt sich also um eine Maßnahme die nicht existenzsichernde Arbeit zur Vorraussetzung von Leistungen macht und damit fördert. In den USA sorgte der Earned Income Tax Credit (EITC) nachweislich für eine Verbesserung der Situation von NiedriglohnbezieherInnen mit Kindern (Alleinstehende durften 2006 nur bis zu einem Einkommen von $12.120 im Jahr Gebrauch davon machen, während es bei AlleinerzieherInnen mit einem Kind bereits $ 32.001 waren). Alleinstehende und kinderlose Familien profitieren also fast gar nicht vom EITC, weil sich die Leistung vor allem auf Familien mit Kindern konzentriert. 35

Lohndruck und Informationsdefizite Viele Einschätzungen und Analysen zeigen, dass die negative Einkommensteuer die Löhne niedrig gehalten hat. Die ganz Armen werden außer Acht gelassen, daher ist eine derartige Maßnahme nur als Ergänzung zu Mindestlöhnen und Grundsicherung geeignet, die es in den USA nicht flächendeckend gibt. Bei Arbeitslosigkeit geht die Leistung verloren, außerdem hat sie generell Lohnzuwächse abgeschwächt oder verhindert (siehe z.B. Gertrude Schaffner-Goldberg). So heißt es auch im Hintergrundpapier aus dem Sozialministerium: „Um mit solchen steuerlichen Gutschriften die Löhne im Niedriglohnsegment nicht weiter nach unten zu treiben, sind angemessene Mindestlohnregelungen erforderlich.“ Ein nicht zu unterschätzendes Problem stellt auch die Tatsache dar, dass schätzungsweise 15% - 25% der Haushalte auf Grund von Informationsdefiziten die Negativsteuer nicht in Anspruch nehmen/beantragen. Wissenschaftler wie Werner Sesselmeier oder Klaus-Jürgen Kern, die sich bereits in den 90er Jahren intensiv mit der Option einer Negativsteuer auseinandergesetzt haben, kommen übereinstimmend zum Schluss, dass die nEST das Niveau der geringsten Löhne, zu denen eine Person arbeitet, weiter senkt.30 Daher muss auch das Zusammenspiel der geplanten Grundsicherung (die ebenfalls am Haushaltseinkommen ansetzt) und der Negativsteuer betrachtet werden. Die Grundsicherung soll bei Alleinstehenden das Einkommen auf EUR 726,- netto (Jahresvierzehntel) aufstocken. Diese hat das Ziel, alle Personen unter der Armutsgefährdungsschwelle zu unterstützen, wenn sie arbeitswillig sind. Also fördert die Grundsicherung auch erwerbslose Personen unter der Armutsgrenze. Die Negativsteuer setzt nicht nur die Arbeitswilligkeit voraus, sondern auch den Bezug eines - geringen - Erwerbseinkommens. Die Grundsicherung stockt auf die Armutsgrenze auf. Ein Problem bei der Grundsicherung ist, dass jede Einkommenserhöhung unter der Armutsgrenze zu keiner Verbesserung des Nettoeinkommens führen würde. Es würde sich beispielsweise das verfügbare Einkommen nicht erhöhen, wenn man sein Erwerbseinkommen von EUR 300,- auf EUR 500,- steigert. Daher hat sich die GPA-DJP in ihrem Modell für eine Einschleifregelung ausgesprochen, damit ein zusätzliches Erwerbseinkommen nicht sofort in vollem Ausmaß die Grundsicherung reduziert. Es bestünde die Möglichkeit diesen Effekt durch die Negativsteuer zu erzielen. Die Grundsicherung soll generell Personen unter der Armutsgrenze zugute kommen, die Negativsteuer bewirkt dann, dass jene einkommensschwachen Haushalte mit einem Erwerbseinkommen durch die Steuergutschrift jedenfalls ein höheres Nettoeinkommen erzielen.

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siehe Sesselmeier, Werner u.a., Mehr Beschäftigung durch eine Negative Einkommensteuer. In: Sozialökonomische Schriften 10 (Frankfurt 1996), ed. Rürup, Bert. Siehe auch Gern, KlausJürgen, Auswirkungen verschiedener Varianten einer negativen Einkommensteuer in Deutschland - eine Simulationsstudie (Tübingen 1999)

Familienpolitik: öffentliche Leistungen wichtiger als Geld Der österreichische Sozialstaat konzentriert sich meist darauf, Haushalte mit Geldleistungen zu versorgen. Das ist wichtig und unerlässlich, aber letztlich nicht ausreichend und manchmal kontraproduktiv. Österreich ist mit den Ausgaben für Familienpolitik international gesehen im vorderen Bereich. Aber es mangelt in diesem Bereich an einer öffentlichen Infrastruktur. Den Menschen, insbesondere (allein)erziehenden Frauen wäre mit einer kostenlosen, flächendeckenden Versorgung mit Kinderbetreuungseinrichtungen mit bedarfsgerechten Öffnungszeiten besser geholfen als mit einer längeren Bezugsdauer des Kinderbetreuungsgeldes. Durch eine soziale Infrastruktur könnte man den Einkommensnachteilen der Frauen effektiv entgegenwirken. Die Kombination aus einem langem möglichen Bezug an Kinderbetreuungsgeld und erheblichen Defiziten bei Kinderbetreuungseinrichtungen insbesondere im ländlichen Raum hat den gegenteiligen Effekt: sie fördert lange Unterbrechungen, erschwert den Wiedereinstieg und vergrößert die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern. In Österreich lag der Anteil der Sachleistungen an den familienpolitischen Leistungen 2004 bei 17%.31 In Schweden beträgt hingegen der Anteil der Geldleistungen bei den familienpolitischen Ausgaben nur 30% (im Jahr 2000).32 Das betrifft auch die Frage von Pflege und Betreuung. 80% der Pflege- und Betreuungsleistungen werden derzeit meist von den Angehörigen zu Hause erbracht, 78% der Pflegenden sind Frauen.33 Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Pflege und Betreuung auch in Zukunft unentgeltlich in Privathaushalten durchgeführt wird. Wenn Pflege und Betreuung eine gesellschaftliche Aufgabe ist, dann reicht es nicht, dass es ein Pflegegeld gibt, das nur einen kleinen Zuschuss zum entstehenden Aufwand beiträgt. Auch hier bedarf es des Ausbaus eines öffentlich finanzierten Betreuungsangebotes.

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Sozialbericht 2004 Dörfler/Krenn 2005 Mikrozensus 2002 37

Forderungen zu Steuern und Soziales Steuern: Forderungen der GPA-DJP (Auswahl)  Ende des Steuerdumpings durch EU-weite Mindestkörperschaftssteuersätze sowie Abschaffung der Begünstigung von nicht entnommenen Gewinnen (wirkt investitionshemmend).  Besteuerung von Devisentransaktionen (Tobin tax).  Eingangssteuersatz bei der Einkommenssteuer (derzeit 38,33%) senken, dafür Steuerzuschlag bei Spitzeneinkommen.  Keine Steuerprivilegien für Privatstiftungen.  Erbschaftssteuer in reformierter Form beibehalten. (+ Annäherung der Einheitswerte für Grundstücke an den Verkehrswert)  Automatische ArbeitnehmerInnen-Veranlagung zur Sicherung des Anspruches auf Negativsteuer.  Wiedereinführung der Vermögenssteuer mit hohen Freibeträgen und progressivem Verlauf des Steuersatzes.  Weg mit den Steuerprivilegien für Manager durch Aktienoptionen (stock Options).  Besteuerung von Aktienkursgewinnen, Fall der einjährigen Spekulationsfrist

Soziales: Forderungen der GPA-DJP (Auswahl)  Ablehnung einer Privatisierung des Gesundheitswesens; Nein zu weiteren Selbstbehalten; Senkung des Umsatzsteuersatzes bei Medikamenten.  Stärkere Steuerfinanzierung des Gesundheitssystems, deutliche Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage in der Krankenversicherung.  Verlängerung des Krankengeldbezuges.  Arbeitslosenversicherung und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auch für atypisch Beschäftigte.  Verbesserung der Arbeitsplatzvermittlung, erhöhtes Budget für aktive Arbeitsmarktpolitik.  Individualbesteuerung statt Förderung des Alleinverdiener-Modells.  Erhöhung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld auf 70% sowie Erhöhung der Bezugsdauer auf 12 Monate.  Keine Partnereinkommensanrechnung bei der Notstandshilfe.  Erhöhung der Familienbeihilfe für junge Kinder. Einheitliche Familienbeihilfe statt altersabhängige Leistung. 38

 Was kann für mehr Einkommensgerechtigkeit getan werden? Positive Wirkungen der Kollektivverträge auf Verteilung, Einkommen der ArbeitnehmerInnen und Wirtschaft Kollektivverträge sichern den Beschäftigten den Erhalt der Kaufkraft und darüber hinaus reale Einkommenserhöhungen. D.h., dass das Einkommen stärker steigt als die Preise. Nur so kann in einer wachsenden Wirtschaft, in der laufend mehr Güter- und Dienstleistungen produziert werden, das Wachstum in steigenden Lebensstandard umgelegt werden. Kollektivverträge beteiligen die ArbeitnehmerInnen auch an der steigenden Produktivität. Wenn die ArbeitnehmerInnen jedes Jahr mehr Güter und Dienstleistungen produzieren, dann müssen ihre Einkommen über der Inflation erhöht werden, damit der gestiegenen Produktion auch eine erhöhte Kaufkraft gegenübersteht. Eine reine Erhöhung der Löhne und Gehälter im Ausmaß der Preissteigerung sichert nur, dass die Kaufkraft nicht sinkt. Man kann sich dann genauso viel kaufen wie im Jahr zuvor. Da aber bei Wirtschaftswachstum die Produktion höher ist als im Vorjahr, müssen die Einkommenssteigerungen auch höher sein als die Preissteigerungen, damit sich die Menschen auch den Zuwachs an Produktion leisten können. Ansonsten leiden die Unternehmen unter Absatzproblemen. Die Lohnpolitik sichert daher die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und stabilisiert die wirtschaftliche Entwicklung. Damit stabilisieren die Kollektivverträge die wirtschaftliche Entwicklung und bewirken dass die ArbeitnehmerInnen am Wohlstandsgewinn beteiligt werden. Wenn die Einkommen der ArbeitnehmerInnen im vollen Ausmaß der steigende Preise und der höheren Produktivität zunehmen, wird gewährleistet, dass der gestiegenen Produktion auch eine entsprechende Nachfrage gegenübersteht. Der Vorteil einer an der langfristigen gesamtwirtschaftlichen Produktivität orientierten Lohnpolitik besteht darin, dass sich die Löhne sowohl als Kosten als auch als Einkommensfaktor stabil entwickeln und damit eine stabilisierende gesamtwirtschaftliche Wirkung haben. Nur wenn die Löhne im Ausmaß der Produktivität steigen, gibt es auch die zusätzliche Nachfrage für die erhöhte Produktion. Kollektivverträge haben auch eine wichtige Schutzfunktion. Am Arbeitsmarkt stehen sich keine zwei gleich starken Verhandlungspartner gegenüber. Der/die einzelne ArbeitnehmerIn ist gegenüber einem Unternehmen in einer weitaus schwächeren Verhandlungsposition. Die ArbeitnehmerInnen erlangen, wenn sie gemeinsam als großes Kollektiv auftreten, eine bessere Verhandlungsposition als wenn JedeR für sich verhandeln müsste. Kollektivverträge legen Mindesteinkommen fest, die einzuhalten sind und verhindern damit ein gegenseitiges Unterbieten von ArbeitnehmerInnen. Kollektivverträge ermöglichen es dadurch auch, gestaltend auf die Einkommensentwicklung Einfluss zu nehmen: das betrifft die Unterschiede zwischen geringen und hohen Einkommen als auch die zwischen den Geschlechtern. Würde jedeR sein Einkommen individuell vereinbaren, ohne dass es für die jeweilige Qualifikation oder Tätigkeit ein Mindesteinkommen gäbe, wären die Unterschiede der 39

Einkommen zwischen den Branchen, Menschen und auch innerhalb der einzelnen Unternehmen weitaus größer. Kollektivverträge schaffen gleiche Bedingungen für alle Unternehmen einer Branche. Wettbewerb soll durch Qualität erfolgen und nicht durch Lohndumping. Die Kollektivverträge tragen damit aber auch zur Vereinheitlichung der Arbeits- und Lohn- bzw. Gehaltsbedingungen bei. Kollektivverträge sehen Vorrückungen nach einer bestimmten Anzahl von Dienstjahren vor. Viele Kollektivvertragsabschlüsse bewirken auch eine Erhöhung der Löhne und Gehälter derjenigen, die mehr als das kollektivvertragliche Mindestgehalt erhalten (Ist-Erhöhung). Damit wird erreicht, dass alle ArbeitnehmerInnen an der gestiegenen Wertschöpfung beteiligt werden und nicht nur jene, die sich mit ihren Vorgesetzten Gehaltserhöhungen ausmachen. Man muss nicht wegen Gehaltserhöhungen vorsprechen, sondern man hat dadurch einen rechtlichen Anspruch darauf. Daher bewirken Kollektivvertragsabschlüsse eine gleichmäßigere Anhebung der Einkommen. Andernfalls würde die Einkommensentwicklung nicht unwesentlich vom Verhandlungsgeschick und Sympathie abhängen.

Mindestlohnforderung Wie im Regierungsübereinkommen vorgesehen, haben sich die Wirtschaftskammer und der Gewerkschaftsbund am 2. Juli 2007 auf eine Grundsatzvereinbarung zur Anhebung der kollektivvertraglichen Brutto-Mindestlöhne/Mindestgehälter auf EUR 1.000,- geeinigt. Sonderzahlungen, Sachbezüge oder unregelmäßige Entgeltbestandteile sind in diesem Betrag nicht enthalten. Die KollektivvertragsverhandlerInnen müssen in jeder Branche bis 2008 in den jeweils geltenden Branchenkollektivverträgen entsprechende Änderungen umsetzen. Für Lehrlinge und PraktikantInnen können Ausnahmen vorgesehen werden. Für jene Branchen, in denen die Mindestlöhne/Mindestgehälter unter EUR 900,- liegen, gelten Übergangsfristen. Bis spätestens 1. Jänner 2009 müssen aber auch hier die entsprechenden Anhebungen erfolgt sein. Umgekehrt muss in Branchen, wo der niedrigste Brutto-Lohn schon derzeit über EUR 900,- liegt, bereits bis Jänner 2008 die Anhebung auf EUR 1.000,- erfolgen. Es wird geschätzt, dass vom höheren Mindestlohn an die 30.000 ArbeitnehmerInnen profitieren werden, darunter 10.000 die bislang überhaupt keinem Kollektivvertrag unterlegen sind.34 Die Kollektivverträge spielten seit jeher eine wesentliche Rolle zur Gestaltung der Mindestlöhne und der Einkommensverteilung. Die Gewerkschaften haben Anfang der 1990er Jahre eine erfolgreiche Mindestlohnkampagne durchgeführt. Dies bewirkte dass die KV-Abschlüsse die Einkommensunterschiede reduziert haben. Unter einem Mindesteinkommen von EUR 1.000,- liegen nur noch wenige Beschäftigte. Diese sind etwa die Angestellten von ÄrztInnen, RechtsanwältInnen und NotarInnen. Letztere zählen keineswegs zu den GeringverdienerInnen. In 42 Branchen gibt es nach jüngsten Angaben des ÖGB Mindestlöhne unter EUR 1.000,- brutto monatlich. In insgesamt 13 Bereichen beträgt der Mindestlohn sogar nicht einmal EUR 900,- brutto monatlich.35 Am niedrigsten sind dabei die Zeitungszusteller und die SkilehrerInnen mit je EUR 683,- eingestuft.

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Siehe der Standard 2. Juli 2007 http://orf.at/?href=http%3A%2F%2Forf.at%2Fticker%2F238518.html

Die Forderung aus 1990 nach 10.000,- Schilling Mindestlohn entspricht aufgewertet einem Mindestlohn von EUR 1.025,- 2006. Der Mindestlohn soll aber nicht nur inflationsangepasst werden, sondern auch die stark angestiegene Produktivität berücksichtigen. Das reale BIP je Erwerbstätigen stieg seit 1990 um 31%. Ein Mindestlohn soll deutlich über der für die Grundsicherung maßgeblichen Armutsgefährdungsgrenze von EUR 900,- netto (2005) liegen. Auf Basis der Einkommensdaten des Jahres 2005 liegt die Armutsgrenze (60% des Medianäquivalenzeinkommens) für einen Einpersonenhaushalt bei EUR 10.796,- im Jahr bzw. EUR 900,- im Monat. Es wäre dies als Grundlage für eine laufende Anpassung der Mindestlohn/-gehaltforderungen durchaus brauchbar:  Mindestens 60% des mittleren Bruttoeinkommens aller Vollzeitbeschäftigten  Netto deutlich über Armutsgefährdungsschwelle Mehr Einkommensgleichheit bzw. -gerechtigkeit kann aber nicht nur durch die die Mindestlöhne, sondern auch durch Formen der Lohn- und Gehaltserhöhungen geben. 41

Bessere Anhebung der niedrigeren Einkommen: Die Gewerkschaften bemühen sich, in den Kollektivverträgen die niedrigeren Einkommen anzuheben. Die Erhöhungen der Mindestlöhne- und -gehälter fallen stärker aus als die der Ist-Löhne. In vielen Bereichen gibt es aber nur KV-Anpassungen und keine Ist-Abschlüsse (z.B. Allgemeines Gewerbe). Neben prozentuellen Lohnerhöhungen kann auch ein Absolutbetrag vereinbart werden, um den KV- und Ist-Lohn steigen müssen. Dies bringt NiedrigverdienerInnen relativ mehr. Weitere Optionen: Anhebung der Mindestlöhne um Absolutbeträge, die für alle gleich hoch sind; abgestufte prozentuelle Mindestlohnerhöhungen, die die unteren Einkommensbereiche leicht begünstigen. Die GPA-DJP hat sich dazu bekannt, Gender Mainstreaming in der KV-Politik zu verankern, um verdeckte Benachteiligungen von Frauen zu entdecken und zu beseitigen. Dies soll zu mehr Geschlechtergerechtigkeit bei den Einkommen und der Bewertung der Arbeit führen. Eine derartige Ausgestaltung der Lohn- und Gehaltserhöhungen kann aber nur die Einkommensentwicklung innerhalb der Branchen bzw. KV-Geltungsbereiche beeinflussen, nicht jedoch die Entwicklung zwischen den einzelnen Sektoren. Dazu wäre eine branchenübergreifende Koordinierung der Lohnrunden erforderlich.

Grenzen der KV-Politik Die KV-Politik alleine kann aber eine Vergrößerung der Einkommenskluft nicht verhindern. Denn folgende Aspekte schränken deren Reichweite ein:

Art der Beschäftigungsverhältnisse Durch eine stärkere Verbreitung von Beschäftigungen über freie Dienstverträge und Werkverträge gibt es Beschäftigungen, für die es keine vereinbarten Mindesteinkommen gibt und die Marktverhältnisse viel direkter wirken!

Anteil der Teilzeitbeschäftigten Auch Teilzeitbeschäftigte fallen unter den Geltungsbereich der Kollektivverträge. Aber auch wenn Gewerkschaften erfolgreiche KV-Regelungen erzielen, kann ein steigender Teilzeitanteil bewirken, dass die durchschnittlichen Einkommen je Beschäftigten mitunter trotz KV-Erhöhungen sinken.

Verhältnisse am Arbeitsmarkt: Die hohe Arbeitslosigkeit untergräbt die wirtschaftliche Macht der ArbeitnehmerInnen und gilt als wesentliche Ursache für die gesunkene Lohnquote.

Wirtschaftlicher Strukturwandel Der Strukturwandel kann bewirken, dass Bereiche mit „guten“ KV-Regelungen eine sinkende Beschäftigung aufweisen und neue Beschäftigungsverhältnisse in Niedriglohnbereichen oder „schwieriger“ organisierbaren Branchen entstehen (kleinere Betriebe, kürzere Beschäftigungsdauer, Marktlohn über dem KV-Lohn). 42

Konstanz der Beschäftigung-Erwerbsunterbrechungen oder durchgehende Erwerbsverläufe Eine länger dauernde Abwesenheit am Arbeitsmarkt kann zu realer oder unterstellter Dequalifikation der Arbeitskräfte führen. Selbstverständlich spielt insbesondere auch die Politik bzw. die Gewährleistung der öffentlichen Infrastruktur eine wesentliche Rolle.

Kollektivverträge und Mindestlöhne: Forderungen der GPA-DJP (Auswahl)  Kollektivvertragliche Mindestgehälter stärker als die Ist-Gehälter erhöhen, um die Mindestgehälter an das marktübliche Gehaltsniveau heranzuführen  Höhere Einstiegsgehälter  Mindesthonorarvereinbarungen für freie DienstnehmerInnen, die sich am durchschnittlichen Gehaltsniveau des KVs orientieren  Rufbereitschaften sind bei der Bemessung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit immer miteinzubeziehen  Neben Mindestlöhnen Einführung einer bedarfsorientierten Mindestsicherung, die das Einkommen bis zur Armutsgrenze ergänzt.  Sofortige Einführung von Mindestgehältern in der Höhe von EUR 1.200, ÖGB-Generalkollektivvertrag für freie DienstnehmerInnen und WerkvertragsnehmerInnen

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 Fazit Angesichts der geschilderten Tatsachen kann nur nochmals betont werden, wie wichtig der umverteilende Charakter des österreichischen Sozialstaates ist. Dieser verbessert durch Steuern und Transferleistungen das verfügbare Einkommen unterer Einkommensschichten. Auch die mittleren und oberen Einkommensgruppen erhalten viele Transfers.  Steuern und Sozialleistungen bestimmen wie die Nettoeinkommen von den Bruttoeinkommen abweichen.  Je nach Ausgestaltung des Bildungssystems (soziale Hürden oder Durchlässigkeit) und Qualifizierung der Arbeitskräfte werden Chancen gleich oder ungerecht verteilt. Der Zugang zu wertvoller Bildung entscheidet auch über die Arbeitsmarkt- und Einkommenschancen.  Regelmäßige Erhöhung der Löhne und Gehälter im Ausmaß von Inflation und Abgeltung gestiegner Produktivität. Mindestlöhne und -gehälter müssen Armut vermeiden sein. Angesichts zunehmender Einkommensscheren darf der Umverteilungscharakter der Sozialund Steuerpolitik nicht weiter ausgehöhlt werden, sondern muss be- und verstärkt werden um Armut zu verhindern und die Lage von Niedriglohn- und NiedriggehaltsbezieherInnen deutlich zu verbessern. Diskussionen über eine weitere Reduzierung der im internationalen Vergleich ohnehin schon äußerst geringen vermögensbezogenen Steuern wie zum Beispiel der Erbschaftssteuer könnten sich in diesem Zusammenhang als fatal erweisen.

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