Verfahren zur Sichtbarkeit und Anerkennung von Kompetenzen in und aus der Arbeitswelt

12.10.2016 Fachtagung Verfahren zur Sichtbarkeit und Anerkennung von Kompetenzen in und aus der Arbeitswelt Dr. Ottmar Döring Sankt Pölten | 10. Okt...
Author: Franz Krause
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12.10.2016

Fachtagung

Verfahren zur Sichtbarkeit und Anerkennung von Kompetenzen in und aus der Arbeitswelt Dr. Ottmar Döring Sankt Pölten | 10. Oktober 2016 |

Gliederung 1. 2. 3. 4. 5.

Ausgangslage Kompetenzen erkennen Kompetenzen anerkennen internationale Konzepte Resultate: Möglichkeiten und Grenzen

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1. Ausgangslage

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Kompetenzen: „Können und Wollen“ (Kaufhold 2009, S. 38)

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Wege des Kompetenzerwerbs non-formale Lernprozesse

informelle Lernprozesse

formale Bildungsprozesse

Militär

Internet

Arbeitsplatz

soziales Umfeld

Bildungsanstalten (jenseits staatlicher Bildungsgänge)

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formales Lernen • Begriff: organisiertes, strukturiertes, speziell dem Lernen dienender Prozess

• Ergebnis: Erwerb einer Qualifikation, in der Regel in Form eines Zeugnisses, Zertifikats oder eines Befähigungsnachweises

• Lernkontext: Systeme der allgemeinen Bildung, der beruflichen Erstausbildung und der Hochschulbildung

• System: staatlich organisiert oder abgesichert

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non-formales Lernen • Begriff: Lernen außerhalb der Hauptsysteme der allgemeinen und beruflichen (staatlichen) Bildung

• Struktur: Lernen im Rahmen planvoller Tätigkeiten (in Bezug auf Lernziele und Lernzeit)

• Lernkontext: Lernen wird unterstützt (z.B. im Rahmen eines Lehrer-Schüler-Verhältnisses oder durch Bildungsdienstleister)

• Beispiele: • Programme für die Alphabetisierung von Erwachsenen • Programme für die Grundbildung von Schulabbrechern/innen • Kurse von Organisationen der Zivilgesellschaft Seite 7 | Dr. Ottmar Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

informelles Lernen • Lernen im Alltag: am Arbeitsplatz, im Familienkreis, in der Freizeit … • Struktur: nicht organisierte oder strukturierte Lernziele, Lernzeiten oder Lernförderung

• Motiv: aus Sicht des Lernenden möglicherweise nicht beabsichtigt • Beispiele: •

während eines Auslandsaufenthalts erworbene Sprachkenntnisse oder interkulturelle Fähigkeiten



Fähigkeiten, die durch kulturelle oder sportliche Aktivitäten, ehrenamtliche Jugendarbeit oder Kinderbetreuung erworben wurden

• Bedeutung: •

USA 70er Jahre: ¾ aller Erwachsenen betreiben von sich aus Lernaktivitäten (Penland 1977)



2014 (D): 55 % aller 25-64jährigen Lernen informell (Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2016, S. 301)

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Bedeutung für Benachteiligte • Erwerbspersonenpotential in Deutschland: ca. 49 Mio. • ohne Berufsabschluss: 6.723 Mio. • einfache Arbeit als Normalität: Warenprüfung und Versand, Holzoder Steinbearbeitung, Montage, Textil und Bekleidung etc.

• erhöhtes Risiko der Arbeitslosigkeit: Arbeitslosenquote der Personen ohne Berufsabschluss: 20 % (IAB 2015)

• nicht im Ausbildungsberuf tätig: 14.476 Mio.!

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Politik • Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom Dezember 2013, S. 32: „Für Menschen, die sogenannte informelle Kompetenzen erworben haben, die sie nicht durch Zertifikate belegen können, wollen wir neue Verfahren entwickeln und erproben, die zur Transparenz und Anerkennung führen.“

• Rat der EU (EU-Ratsempfehlung 2012/C 398/01 vom Dezember 2012, S. C 398/3): „Die Mitgliedsstaaten sollten Regelungen für die Validierung des nichtformalen und des informellen Lernens — im Einklang mit ihren nationalen Gegebenheiten und Besonderheiten und nach eigenem Ermessen — bis spätestens 2018 eingeführt haben.“ Seite 10 | Dr. Ottmar Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

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Ziele des DQR (Eckpunkte-Papier des Arbeitskreises DQR vom 15.4.2008)

• • • • • •

nationale Umsetzung des Europäischen Qualifikationsrahmens Förderung von Transparenz und Mobilität in Europa Transparenz im deutschen Bildungssystem bessere Sichtbarkeit der Gleichwertigkeiten und Unterschiede von Qualifikationen Erleichterte Anerkennung in Deutschland erworbener Qualifikationen in Europa Förderung der Mobilität von Lernenden und Beschäftigten zwischen Deutschland und anderen europäischen Ländern sowie in Deutschland

• Förderung der Lernergebnis-/Kompetenz-Orientierung •

Erleichterung der Anerkennung und Anrechnung von Ergebnissen nicht-formalen und informellen Lernens

• Förderung von Qualitätssicherung und Durchlässigkeit • Stärkung des lebenslangen Lernens Seite 11 | Dr. Ottmar Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

Stand informelles Lernen im DQR • Berücksichtigung informell erworbener Kompetenzen beabsichtigt, aber nicht in Bearbeitung

• Problem: systemfremd • zugeordnet werden nur Qualifikationen aus der Zuordnungssystematik • Voraussetzung: Feststellung und Bewertung der betreffenden Lernergebnisse („Validierung“); (Bedarf an einem vorgeschalteten System) • eine zuständige Stelle muss bestätigen, dass Lernergebnisse einem definierten Standard entsprechen • Validierungsverfahren: keine bei DQR, aber vorausgesetzt (Qualitätssicherung auch unterstellt); Erarbeitungsprozess der erforderlichen Verfahren erfolgt außerhalb des DQR-Prozesses

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Argumente für das Thema 1. Realität des Kompetenzerwerbs: kein Thema allein der Benachteiligten

2. Fachkräftebedarf: Asylsuchende und Flüchtlinge, einheimische Geringqualifizierte, Mütter …

3. individuelle Chancen: Verbesserung der gesellschaftlichen und ökonomischen Teilhabe durch Kumulation von Anerkennungen

4. Möglichkeit realisierbarer Entwicklungspfade 5. Politik: vielfältige Initiativen

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unterschiedliche Interessen, aber einig … • Arbeitgeber: • Ideal: Prognose zur Abschätzung des zu erwartenden Arbeitserfolgs an einem Arbeitsplatz

• Wirklichkeit: Selektion, Legitimation von unsicheren fachlichen Entscheidungen, Nachweis gesetzlicher Anforderungen

• Arbeitnehmer/innen: • Dokumentation: Kompetenzen in einer nachvollziehbaren Weise darstellen (für Dritte und sich selbst)

• Transparenz: Voraussetzung ihrer Mobilität auf dem externen Arbeitsmarkt und der Möglichkeit des innerbetrieblichen Aufstiegs

Arbeitgeber und Arbeitnehmer/in bewegen sich so in der Zertifikatsgesellschaft (im Gegensatz zum Feudalismus) Seite 14 | Dr. Ottmar Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

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Anerkennung braucht Erkennung!

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2. Kompetenzen erkennen

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Instrumente, Verfahren und Ansätze (u.a. IAB-Bericht 3/2015, S. 14)

• Kompetenzfeststellung: Analyse von Verhaltensweisen, die Menschen zur Bewältigung von Aufgaben in spezifischen Situationen verwenden und ihre Beschreibung mit dem Zweck der Transparenz

• Kompetenzerfassung: Dokumentation von Kompetenzen durch Beobachtung praktischer Arbeiten oder Auswertung von Dokumenten (z.B. AiKo der AgenturQ)

• Kompetenzmessung: Messung, Beurteilung und Vergleich von Kompetenzen (z.B. Sprachtests, Ascot-Initiative)

• Potentialanalysen: Suche nach Indikatoren für (noch) nicht entwickelte Kompetenzen (z.B. Eignungsdiagnostik)

• Kompetenzbilanzierung: Erfassung zur Weiterentwicklung von Kompetenzen durch angeleitete Selbstreflexion in Verbindung mit Empowerment (z.B. Kompetenzpässe: ProfilPASS)

• Kompetenzzuordnung: Vergleich von Kompetenzen oder Qualifikationen auf einer Systemebene (z.B. DQR) Seite 17 | Dr. Ottmar Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

Schwächen von Selbsteinschätzungen, Beobachtungen, Arbeitserprobungen etc. (z.B. IAB-Bericht 14/2015; Mirbach/Triebl/Benning 2014, S. 9ff.)

• (funktionaler) Analphabetismus • ungenügende Deutschkenntnisse bei Asylsuchenden und Flüchtlingen • mangelnde Erfahrung im Umgang mit Formularen • Ängste (z.B. vor Abschiebung bei Asylsuchenden und Flüchtlingen) und Fehleinschätzungen • Unverständnis gegenüber dem deutschen Bildungs-, Berufs- und Beschäftigungssystem bei Menschen mit Migrationshintergrund: • wenig vergleichbar mit dem Herkunftsland • andere Wertigkeiten und Traditionen Seite 18 | Dr. Ottmar Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

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Kompetenzkarten

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Kompetenzkarten im Clearing-Prozess • einfacher Gesprächseinstieg: bei geringen Deutsch-Kenntnissen für Clearing und Erwartungsmanagement

• komplette Kompetenzerfassung: Erfassung von Ergebnissen aus formalen, nonformalen und informellen Lernprozessen

• Zeitaufwand: gering • Handhabung: selbsterklärend, einfach • Pilotierung: 60 MBE-Beratungsstellen, Agenturen für Arbeit

• Verbreitung: 8.000 Exemplare (Stand: August 2016) Seite 20 | Dr. Ottmar Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

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Gleichwertigkeitsverfahren

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Anerkennung bei fehlenden Unterlagen (Bericht zum Anerkennungsgesetz 2016)

• Antragstellung unabhängig von Herkunft, Status und Arbeitserlaubnis: auch Asylsuchende oder Geduldete

• Prüfung der Gleichwertigkeit: Dokumentenanalyse (Grundlage sind die vorgelegten Unterlagen und Bescheinigungen)

• Nachweiserbringung unmöglich (Flüchtlinge ohne Papiere): • §14 BQFG,§ 50b Absatz 4 HwO: berufliche Qualifikation wird durch Qualifikationsanalysen festgestellt     

Gründe: selten gar keine Ausbildungsnachweise vorhanden; in der Regel fehlen Unterlagen zu den Rahmenbedingungen der Ausbildung oder Nachweise zur Berufserfahrung Methode: Arbeitsproben oder Fachgespräche 2012-2014: 228 Ausgang: meist positiv Berufe: Tischler/in, Elektroniker/in, Kraftfahrzeugmechatroniker/in etc.

• § 3 Absatz 3 BÄO, § 2 Absatz 3 KrPflG: Kenntnisprüfung bei Glaubhaftmachung des Abschlusses Seite 22 | Dr. Ottmar Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

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ValiKom • Ziel: „Fähigkeiten von Menschen ohne Abschluss sichtbar machen“ (bzw. in • •

einem anderen Beruf tätig sind, Ü25, einschlägige Berufserfahrung) Förderung: BMBF Mitwirkung: • •

Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH)

= 4 IHK = 4 HWK

• Methode: Entwicklung und Erprobung (n = 160 Personen) von Standards, • •

Verfahren und Instrumenten zur Feststellung und Bestätigung berufsrelevanter Kompetenzen im Vergleich zu formalen Abschlüssen Verfahren: dialogische Verfahren, praktische Arbeitsproben, Dokumentenanalysen, Lebenslauf (Bilanzierungsbogen), Selbsteinschätzungsbogen Ergebnis: volle oder teilweise Gleichwertigkeit (analog Anerkennungsgesetz; Abbau der Inländerdiskriminierung) mit Validierungszertifikat

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praktische Erprobung und Empowerment

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BA, Jobcenter: gesetzlicher Auftrag • §37 SGB III „Potenzialanalyse und Eingliederungsvereinbarung“ • Feststellung der für die Vermittlung erforderlichen beruflichen und persönlichen Merkmale, beruflichen Fähigkeiten und Eignung • Feststellung, ob und unter welchen Umständen die berufliche Eingliederung erschwert sein wird

• §45 SGB III „Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung“ • u.a. Maßnahme bei einem Arbeitgeber nach §45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III: für die Feststellung, Verringerung oder Beseitigung von Vermittlungshemmnissen (z.B. Praktika zur Eignungsfeststellung für einen bestimmten Beruf) • Dauer: maximal 12 Wochen

• Dokumentation: nicht einheitlich, trägerspezifisch Seite 25 | Dr. Ottmar Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

Kompetenzfeststellung • Inhalte: Empowerment, Orientierung und Erfassung von „Kernkompetenzen“

• Beispiele: • Kompetenzenkoffer – Kompetenzbilanz für Migrantinnen und Migranten in der Gruppe (Tür an Tür – Integrationsprojekte gGmbH)

• KomBI-Laufbahnberatung (PerformPartner)

• IQ AnerkennungsKombi in 10 Praxisfeldern (Netzwerk Lippe gGmbH) Seite 26 | Dr. Ottmar Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

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Computertests

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IdA KompetenzCheck • Ausgangspunkte: Erfahrungsfelder in den • • • • • • •

Herkunftsländern und Einsatzmöglichkeiten von Flüchtlingen in Deutschland Teilnehmer/innen: 251 (Stand: August 2016) Einstufung in Tätigkeitsfelder: Einsatzmöglichkeiten und Qualifizierungsbedarf Felder: Metall, Elektro, Logistik, Garten- und Landschaftsbau Anforderungen: probabilistischer Computertest in Deutsch, Arabisch, Englisch, Französisch, visuelle Gestaltung Testdauer: 1,5 – 2 Stunden Problem: Testsicherheit nächste Schritte: Testüberarbeitung

1. Bringen Sie die Verwendung der folgenden Werkzeuge in die richtige Reihenfolge eines typischen Herstellungsprozesses. Verwenden Sie hierfür die Zahlen 1, 2, 3 und 4. Tragen Sie die Zahl 1 bei dem Werkzeug ein, das Sie als erstes benutzen würden und die Zahl 4 bei dem Werkzeug, das Sie als letztes benutzen würden.

© Westermann, Braunschweig

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Kompetenzmodellierung

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Tablet-Test Metall

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Identifikation von Fehlern • Bohren an einer Ständerbohrmaschine mit Handschuhen • Testinhalte: • kognitive Wissensbestände (Werkzeuge, Werkstoffe) • Kenntnisse über Vorgaben und technische Abläufe • Prozessverständnis • sicherheitsrelevantes Verhalten  Handlungskompetenz Seite 31 | Dr. Ottmar Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

Fragebeispiel: Zuordnung Aufgabe: Zuordnung von Begriffen zu Tätigkeiten, Werkzeugen zu Werkstoffen Voraussetzungen: • Kenntnisse der verwendeten Materialien/Werkzeuge • richtiger Einsatz der Werkzeuge/Tätigkeiten Kompetenzart: Lösungskompetenz Seite 32 | Dr. Ottmar Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

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interkulturelle Differenzen Welchen Wert (in Millimetern) lesen Sie auf dem dargestellten Messschieber ab? Metalltest: Lupe als Visualisierungsinstrument unbekannt Kreuzen Sie die richtige Antwort an. Es ist nur eine Antwortmöglichkeit richtig.

© Westermann, Braunschweig

15 mm 15,3 mm 15,4 mm Seite 331,53 | Dr. Ottmar mm Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

1,54 mm

länderspezifische Differenzen Elektrotest: Informationsgehalt der Drahtfarbe in Deutschland wichtig, aber in Afghanistan sind alle Drähte weiß

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Nur erkennen nützt fast nichts!

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3. Kompetenzen anerkennen

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Zertifikate • • • • •

Charakter:

offiziell

Vergabe:

Behörde oder eine amtlich anerkannte Stelle

Erfassung:

Leistungen einer Person

Bewertung:

nach Standards

Zweck:

Verbindung zur Funktion, nicht abgeleitet aus der Kompetenzerkennung (Differenz von Erkennung und Anerkennung)

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Funktionen von Anerkennungen Funktion Inhalt Funktionen von Kompetenznachweisen: Information Dokumentation und Bewertung von Lernen Selektion

Identifizierung von geeigneten Personen

Allokation

Legitimation von Verteilungen, Mobilitätsunterstützung

Zugang

gesetzliche Reglementierung von Zugängen

Wertschätzung Seite 38 | Dr. Ottmar Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

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Anerkennung in Deutschland (u.a. Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2016, S. 189ff.)

• Abschlussprüfungen in der beruflichen Ausbildung (2014): 470.868 (bestandene 424.029)

• Zulassungsverfahren zur Externenprüfung: nach §37 Abs. 2 HwO bzw. 45 Abs. 2 BBiG: „eineinhalbfache der Zeit, die als Ausbildungszeit vorgeschrieben ist, in dem Beruf tätig gewesen ist“ (29.952, davon 24.270 mit Berufserfahrung in 2014)

• Zuerkennung der fachlichen Eignung nach§30 Abs. 6 BBiG: „Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann Personen, die die Voraussetzungen des Absatzes 2, 4 oder 5 nicht erfüllen, die fachliche Eignung nach Anhörung der zuständigen Stelle widerruflich zuerkennen.“ bzw.§22 Abs. 5 HwO

• Ausnahmebewilligungsverfahren nach§8 HwO: Eintragung in die Handwerksrolle durch „… notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten nachgewiesen sind; dabei sind auch seine bisherigen beruflichen Erfahrungen und Tätigkeiten zu berücksichtigen.“

• Personenzertifizierungen nach den internationalen ISO Normen (z.B. ISO 17024) Seite 39 | Dr. Ottmar Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

Zertifizierung von Teilqualifikationen 1. Arbeitgeberinitiative Teilqualifizierung: Zertifizierung durch Bildungsdienstleister

2. DIHK-Pilotinitiative „Zertifizierung von Teilqualifikationen“: •

Zielgruppe: Personen ab 25 Jahren („eine herkömmliche Berufsausbildung in der Regel nicht mehr in Betracht kommt“)



Zertifizierungen: Ausbildungsbausteine aus JOBSTARTER CONNECT, Teilqualifikationen der BA



wenn für einen Ausbildungsberuf keine Teilqualifizierungen vorliegen: Kammern können Teilqualifikationskonzepte entwickeln (Konstruktionsprinzipien der BA )



„direkter Weg“ der Zertifizierungen (17 IHK + 3 sächsische IHK): individuelle Kompetenzfeststellungen durch die Kammern, die auf dieser Grundlage ein IHKZertifikat ausstellen



„indirekter Weg“ der Zertifizierungen (9 IHK): Qualitätssicherung auf der Ebene der Bildungseinrichtungen durch die Kammern

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Gleichwertigkeit ausländischer Berufsabschlüsse

(Bericht zum Anerkennungsgesetz 2016)

• Anträge auf Anerkennung in bundesrechtlich geregelten Berufen (2012 – 2014): 44.000

• Anerkennungsberatung im Förderprogramm IQ: zwischen dem 1.8.2012 und dem 31.8.2016 wurden 88.098 Personen in der Anerkennungsberatung beraten

„Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen“ in Kraft getreten am 1. April 2012 Seite 41 | Dr. Ottmar Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

Anerkennungsverfahren Anerkennung der Gleichwertigkeit: Gleichwertigkeitsbescheid

wesentliche Unterschiede

nicht reglementierte Berufe Bescheid über teilweise Gleichwertigkeit:

Bewerbung auf dem Arbeitsmarkt Anpassungsqualifizierung Kenntnisprüfung

reglementierte Berufe Berufszulassung unter Auflagen

Zu viele wesentliche Unterschiede

Eignungsprüfung Anpassungslehrgang

weiterbildungsbegleitende Hilfen/ Sprachlernen

Gleichwertigkeitsprüfung durch die zuständigen Stelle

keine wesentlichen Unterschiede

Ablehnungsbescheid

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internationale Vorbilder?

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4. internationale Konzepte

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ein erster Ansatz • Servicemen’s Readjustment Act of 1944 (58 Stat. 284) („G.I. Bill of Rights“): u.a. Anspruch auf Ausbildung oder Studium an einer zugelassenen Einrichtung

• allgemeine Regelungen zur Anrechnung von Dienstzeiten durch die Gewährung entsprechender Credit Points enthält das Gesetz nicht; das lag in der Verantwortung der Bildungseinrichtungen • bis 1956  ca. 2.3 Mio. Veteranen haben ein College oder eine Universität besucht  ca. 3.5 Mio. haben eine nicht näher bezeichnete schulische Ausbildung Seite 45 | Dr. Ottmar Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

Validierungs-Systeme in Europa (Cedefop 2014, Herausforderung Validierung: wann werden in Europa alle Lernergebnisse anerkannt?)

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Finnland System der kompetenzbasierten Prüfungen Ziel

Validierungsverfahren zur Erlangung eines vollwertigen Berufsabschlusses

Zielgruppe

erwachsene Personen ohne Berufsabschluss, aber mit „Praxiserfahrungen“

Ablauf

• • • •

Prüfung

„Prüfung“ durch „Kompetenztests“ (praktische Prüfung, die direkt am Arbeitsplatz durchgeführt wird)

Anmeldung, Erstberatung und Portfolioerstellung Festlegung eines Bildungsplans Durchführung der „Prüfung“ Ausstellung des Zeugnisses und Erwerb des Abschlusses

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Finnland Grundsatz der Kompetenzorientierung: Kompetenzen werden anerkannt, unabhängig davon, wo und wie sie erlangt wurden, ob am Arbeitsplatz, durch Selbststudium, in der Freizeit ... Zugang: anders als bei der deutschen Externenprüfung gibt es keine definierten Zugangsvoraussetzungen. Was zählt, ist das berufliche Können, welches in Prüfungen nachzuweisen ist Bewertung: starke Individualisierung der Verfahren (Hintergrund: Lernen findet nur wenig in Betrieben statt) Anzahl: 34.144 (2012)

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Schweiz Validierung von Bildungsleistungen Ziel

• Lernleistungen feststellen • berufliche Handlungskompetenzen bescheinigen • formalen Abschluss ermöglichen (erster oder auch weiterer Berufsabschluss)

Zielgruppe

Erwachsene ohne SEK-II-Abschluss (Berufsabschluss)

Ablauf

• • •

Prüfung

Beurteilung, Validierung und Zertifizierung der Kompetenzen anhand eines von den Kandidaten/innen zusammenzustellenden individuellen Dossiers

Information und Beratung Bilanzierung, Beurteilung, Validierung, Zertifizierung bei Bedarf: ergänzende Weiterbildung

Seite 49 | Dr. Ottmar Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

Schweiz (Berufsbildung in der Schweiz: Fakten und Zahlen 2016)

vollständiges Verfahren: ein komplettes, strukturiertes und nach einheitlichen Regeln ablaufendes Validierungsverfahren, welches gesetzlich verankert ist keine explizite „Prüfung“: Erwerb des Abschlusses nicht durch „Externenprüfung“ (wie in Deutschland oder Finnland), sondern über ein auf die Bedürfnisse von Berufserfahrenen zugeschnittenes Verfahren Bewertung: Validierung von Bildungsleistungen mit hohen Dokumentationspflichten, in Standards umgesetzt Anzahl: 569 (2014) Seite 50 | Dr. Ottmar Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

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5. Resultate: Möglichkeiten und Grenzen

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Kompetenzerkennung 1. Clearing und Dokumentation: vielfältig und ungeklärt 2. Tests: keine Testung von Sozialkompetenzen, Fertigkeiten und Motorik, noch ungeklärtes Verhältnis von Breite und Tiefe (Berufe versus Qualitätsmanagement, Sprache etc.), nicht für (2 Mio. totale, 7.5 Mio. funktionale) Analphabeten geeignet (Uni Hamburg 2011), aufwendige Testinfrastruktur, aber einfach und valide

3. Arbeitsproben: Subjektivität in der individuellen Beurteilung (kein beliebig reproduzierbares Gut), Umsetzung in Masse und Fläche schwierig (Zwecke der Betriebe), aber maßgeschneidert auf individuelle und betriebliche Bedürfnisse (Orientierung, Empowerment, Sozialkompetenzen)

1. Methodenpluralismus: unterschiedliches Qualitätsverständnis; unterschiedliche Ansätze zur Messung, Erfassung und Bewertung werden als legitim angesehen 2. Kompetenzen sind nicht statisch Seite 52 | Dr. Ottmar Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

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Kompetenzanerkennung 1. noch werden meist nur Lernergebnisse formaler Bildungsprozesse anerkannt

2. weitergehende Anerkennungen beziehen sich auch auf die Gesamtkonstrukte (z.B. Gleichwertigkeiten); die Wertigkeit von Teilen ist häufig ungeklärt

3. Funktionalität durch Transparenz und Akzeptanz neuer Zertifizierungen muss oft noch erst geschaffen werden

4. Konsens in der Systemausweitung, aber Dissens in Konzeption und Reichweite

5. ein Systemwechsel wird in vielen Ländern nicht diskutiert Seite 53 | Dr. Ottmar Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

Entwicklungsbedarf • Verbindung von Instrumenten, Verfahren und Ansätzen zur Kompetenzerkennung mit ihren spezifischen Stärken und Schwächen (Kompetenztests, Arbeitserprobungen …)

• Instrumente und Verfahren zum Clearing • Institutionalisierung von Erkennung und Anerkennung • einheitliche Dokumentation und akzeptierte Zertifizierung: in ganz Europa?

• Ausrichtung und eventuell Ausbau einer begleitenden und stützenden Beratungsstruktur

• inhaltliche Ausrichtung: Gleichwertigkeit?! Seite 54 | Dr. Ottmar Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

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Eckpunkte für Systemveränderungen 1. (sozialer) Konsens: siehe z.B. Berufsbildung, DQR 2. Erprobung und gesicherte Erkenntnisse versus Aktionismus: Berufsbildung wird in Deutschland in langen Wellen reformiert

3. mehr Transparenz und nicht eine erweiterte Stufe der Zersplitterung: siehe Studiengänge und Zertifikate; versus Vielfalt und Pluralität

4. Ergänzung und Verbindung statt Konkurrenz: von Ansätzen, Verfahren und Instrumenten ist eine adäquate Antwort auf die Lage

5. Erwartungsmanagement: keine Generalinstrumente zur Kompetenzerkennung möglich, nicht ein Anerkennungsverfahren möglich

6. Akzeptanz: Arbeitnehmern/innen, Arbeitgebern 7. Bürokratiekosten: geringe für den Regelbetrieb 8. Flankierung: Integration in Beratungssysteme (BA, kommunale Bildungsberatung …); siehe Förderprogramm IQ Seite 55 | Dr. Ottmar Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

Möglichkeiten und Grenzen • valides Screening der Bewerber/innen auf vorhandene Kompetenzen: Möglichkeit zur Einschätzung der eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten, Erkennung von konkretem Qualifizierungsbedarf etc., aber maßgeschneidert auf den Arbeitsplatz?

• Dokumentation der Kompetenzen: wertvoller Bestandteil von Bewerbungen, aber funktionale Gestaltung?

• Vielfalt von Verfahren: funktional, aber schränkt auch den Bekanntheitsgrad und die Akzeptanz bei den Betrieben ein

• Erfolgsindikatoren: Vertrauen in die Ergebnisse hängt vom Grad der Standardisierung und der Verbreitung ab

• Teilnahmebereitschaft: hängt letztlich von der Akzeptanz am Arbeitsmarkt ab („Teufelskreis“) Seite 56 | Dr. Ottmar Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Seite 57 | Dr. Ottmar Döring | Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

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